Inhalt

OLG Nürnberg, Beschluss v. 07.04.2022 – 5 EK 3307/21
Titel:

Unbegründete Anhörungsrüge und unzulässiges Ablehnungsgesuch

Normenketten:
GVG § 198
ZPO § 44, § 321a
Leitsätze:
1. Der Umstand, dass das Gericht eine der Partei nicht genehme Rechtsposition eingenommen hat, stellt keine Verletzung des Rechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs dar. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
2. Trägt die Partei keine Gründe vor, die objektiv geeignet sein können, vom Standpunkt des Antragstellers bei vernünftiger Betrachtung aller Umstände die Befürchtung zu wecken, die abgelehnten Richter hätten der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber gestanden, kann das Gericht unter Mitwirkung der abgelehnten Richter über das Ablehnungsgesuch entscheiden. (Rn. 4 – 5) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anhörungsrüge, Prozesskostenhilfe, Ablehnungsgesuch
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 07.07.2022 – III ZA 9/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 17034

Tenor

1. Die Anhörungsrüge des Klägers wird auf Kosten des Antragstellers als unbegründet zurückgewiesen.
2. Die Gegenvorstellung des Klägers wird als unbegründet zurückgewiesen.
3. Die Ablehnungsgesuche des Klägers werden als unzulässig verworfen.
4. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und auf Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt.
5. Der Streitwert für das Entschädigungsverfahren wird vorläufig auf 23.400,- Euro festgesetzt.

Gründe

1
Der Kläger wendet sich mit seinem Schreiben vom „08.02.2022“, bei Gericht eingegangen am 03.02.2022, gegen die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss des Senats vom 05.01.2022. Er erhebt eine Anhörungsrüge und eine Gegenvorstellung, begehrt die Aufhebung des Beschlusses vom 05.01.2022, lehnt die Senatsmitglieder wegen Besorgnis der Befangenheit ab, sowie die Zulassung der Rechtsbeschwerde, jeweils „unter PKH-Beantragung und Antrag auf Anwaltsbeiordnung“.
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1. Die Anhörungsrüge ist zulässig, jedoch unbegründet. Der Senat hat dem Kläger vor der endgültigen Entscheidung mit Hinweisbeschluss vom 30.11.2021, dem Kläger zugestellt am 08.12.2021, die Sach- und Rechtslage unter Berücksichtigung dessen Vortrags ausführlich dargelegt und ihm die Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Der Senat hat bei der Entscheidungsfindung das vom Kläger als übergangen gerügte Vorbringen jeweils geprüft und in Erwägung gezogen, aber nicht für hinreichend substantiiert erachtet. Der Umstand, dass der Senat eine dem Kläger nicht genehme Rechtsposition eingenommen hat, stellt keine Verletzung des Rechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs dar (vgl. BVerfGE 64, 1, 12). Einer persönlichen Anhörung des Klägers bedurfte es nach § 127 Abs. 1 S. 1 ZPO vor der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag nicht.
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2. Soweit sich das Vorbringen des Klägers als Gegenvorstellung darstellt, ist eine Änderung des Beschlusses vom 5.01.2022 nicht veranlasst. Der Senat hat sich mit dem Vortrag des Klägers bereits ausführlich auseinandergesetzt. Neue Aspekte zeigt der Kläger in seinem Schreiben vom 03.02.2022 nicht auf. Auch zum Erfordernis der Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nichts dargetan.
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3. Die mit dem vorgenannten Schreiben angebrachten Ablehnungsgesuche erweisen sich als unzulässig, worüber der Senat unter Mitwirkung der abgelehnten Richter entscheiden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juni 2012 - IV ZA 11/12, juris Rn. 4 m.w.N.; Zöller ZPO 34. Aufl. § 44 Rn. 11a ff.). Grundsätzlich entscheidet über ein Ablehnungsgesuch zwar das Gericht, dem der abgelehnte Richter angehört, ohne dessen Mitwirkung (§ 45 Abs. 1 ZPO). Aus Gründen der Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens ist der abgelehnte Richter in klaren Fällen eines unzulässigen oder missbräuchlich angebrachten Ablehnungsgesuchs aber zur Vermeidung eines aufwendigen und zeitraubenden Ablehnungsverfahrens an der weiteren Mitwirkung nicht gehindert. Denn bei eindeutig unzulässigen oder rechtsmissbräuchlichen Ablehnungsgesuchen setzt die Prüfung des Ablehnungsgesuchs keine Beurteilung des eigenen Verhaltens des abgelehnten Richters voraus und stellt mithin auch keine echte Entscheidung in eigener Sache dar (vgl. etwa BGH Beschluss vom 4.06.2019 - VIII ZB 7/19-, juris). Darüber kann deshalb abweichend vom Wortlaut des § 45 Abs. 1 ZPO das Gericht unter Mitwirkung des abgelehnten Richters entscheiden (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. September 2018 - VIII ZR 127/17, juris Rn. 1 ff. und vom 25. Januar 2016 - I ZB 15/15, juris Rn. 4 f.; jeweils mwN; Zöller a.a.O.).
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So liegt der Fall hier. Objektive Gründe, die geeignet erscheinen könnten, vom Standpunkt des Antragstellers bei vernünftiger Betrachtung aller Umstände die Befürchtung zu wecken, die abgelehnten Richter hätten der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber gestanden, sind mit dem Schreiben vom 03.02.2022 weder aufgezeigt noch sonst erkennbar. Der Kläger gründet die Ablehnungsgesuche auf die Behauptung, dass die abgelehnten Richter eine Aufklärung nicht gewollt und sich frühzeitig festgelegt hätten. Eine derart pauschale, unter Negierung des Verfahrensgangs ersichtlich auf das Ergebnis der Entscheidung gestützte Mutmaßung ohne tragfähige Anhaltspunkte ist von vorneherein nicht geeignet, eine Befangenheit der einzelnen Richter aufgrund persönlicher Beziehungen zu den Parteien oder zu der Rechtssache zu rechtfertigen. Soweit der Antragsteller das Ablehnungsgesuch gegen den Richter am Oberlandesgericht M. auch darauf stützt, dass dieser in der Vergangenheit ihm gegenüber einmal geäußert habe, der Kläger werde von ihm, Richter am Oberlandesgericht M., niemals Prozesskostenhilfe bewilligt erhalten, hätte dieser Umstand bereits unverzüglich nach der Zustellung des Hinweisbeschlusses vom 30.11.2021 vorgebracht werden müssen, § 44 Abs. 4 S. 2 ZPO. Denn der Kläger konnte bereits dem Hinweisbeschluss entnehmen, dass auch Richter am Oberlandesgericht M. an der Entscheidung mitwirken wird. Auch insoweit erweist sich das Gesuch daher als unzulässig (vgl. BVerfG NJW 2018, 3438 Rn. 3, zitiert nach juris; Zöller, ZPO, 34. Aufl., § 44 Rn. 11a; OLG Hamburg NJW-RR 2020, 698 f.).
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4. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist ebenfalls abzulehnen. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Anfechtung des Beschlusses vom 05.01.2022 ist zu versagen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg bietet. Der Beschluss, mit dem der Senat die Bewilligung der Prozesskostenhilfe abgelehnt hat, ist gemäß § 127 Abs. 2 S. 2, § 567 Abs. 1, § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO unanfechtbar, nachdem der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat. Die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde ist ebenfalls der Anfechtung entzogen. Dementsprechend kommt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht in Betracht.
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5. Der Streitwert für das Entschädigungsverfahren wird vorläufig auf 23.400 EURO festgesetzt. Der Kläger begehrt für die Zeit vom 11.12.2000 bis 08.06.2020 eine Entschädigung von monatlich 100 EURO.
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6. Die Zurückweisung der Anhörungsrüge ist kostenpflichtig, die Kostentragungspflicht folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.