Inhalt

VG Würzburg, Urteil v. 12.05.2022 – W 5 K 21.1001
Titel:

Erfolglose Nachbarklage gegen Agrarstandort

Normenketten:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1
BauGB § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 1, Abs. 2
BauNVO § 15 Abs. 1 S. 2
Leitsätze:
1. Allein durch die Wahl eines „falschen“ Genehmigungsverfahrens können keine Nachbarrechte verletzt sein. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. In Industriegebieten sind hinsichtlich der erdrückenden Wirkung strengere Anforderungen an die Zumutbarkeit zu stellen als dies etwa in einem Wohngebiet der Fall ist. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
3. Überschreiten die bei der Nutzung einer Anlage entstehenden Immissionen bei regelmäßigem Betrieb die für die Nachbarschaft maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze, dann genügt es zur Sicherung der Nachbarrechte nicht, in der Baugenehmigung den maßgeblichen Immissionsrichtwert als Grenzwert festzulegen und weitere Nebenbestimmungen vorzubehalten. Vielmehr muss die genehmigte Nutzung schon in der Baugenehmigung durch konkrete Regelungen eingeschränkt werden. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
4. Parallelverfahren zu BeckRS 2022, 16830 (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nachbarklage, Gewerbe- und Industriegebiet, Agrarstandort, kein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren, kein Gebietserhaltungsanspruch, kein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot wegen Ausnahme und Befreiungen vom Bebauungsplan, kein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot wegen immissionsschutzrechtlicher Auswirkungen (Lärmimmissionen, Staubimmissionen, Explosionsgefahr)
Fundstelle:
BeckRS 2022, 16873

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Aufwendungen der Beigeladenen zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

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Die Klägerin wendet sich als Eigentümerin des Grundstücks Fl.Nr. …2/2 der Gemarkung K.(S.W. …, … K.) gegen ein als „Agrarstandort“ bezeichnetes Bauvorhaben der Beigeladenen auf den Grundstücken Fl.Nrn. …3 und …4 der Gemarkung K.(Baugrundstücke, S.W. …, … K.).
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1. Die Baugrundstücke der Beigeladenen und das Nachbargrundstück der Klägerin liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans „G.- und I.t.S.W.“ i.d.F. der Bekanntmachung vom … … 2011, der für das Grundstück der Klägerin und für das Baugrundstück der Beigeladenen mit der Fl.Nr. …4 der Gemarkung K.ein Gewerbegebiet i.S.v. § 8 BauNVO sowie für das Baugrundstück der Beigeladenen mit der Fl.Nr. …3 der Gemarkung K.ein Industriegebiet i.S.v. § 9 BauNVO festsetzt. Der Bebauungsplan setzt in den textlichen Festsetzungen zudem für Hauptgebäude eine maximale Wandhöhe von 20,00 m über natürlichem Gelände fest, gemessen in der Mitte der talseitigen Gebäudewand. Abweichend von der festgesetzten maximal zulässigen Gebäudehöhe sind nach der textlichen Festsetzung u.a. für Silos und Förderanlagen ausnahmsweise Überschreitungen zulässig. Diese dürfen jedoch ausweislich der textlichen Festsetzung eine Höhe von 50,00 m, gemessen vom niedrigsten Geländepunkt, nicht überschreiten (§ 31 Abs. 1 BauGB).
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2. Mit Bauantrag vom 31. Mai 2021 („Änderungsantrag zu einem beantragten Verfahren“) beantragte die Beigeladene die Erteilung einer Baugenehmigung für das Bauvorhaben „A.K.“.
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Aus den beigefügten Anlagen und der Betriebsbeschreibung geht hervor, dass die Neuerrichtung eines Agrarstandortes mit Handelsgeschäft in den Sparten Dünger, Getreide, Saatgut und Landwirtschaftsbedarf geplant sei. An Gebäuden seien ein Bürogebäude (eingeschossig, Grundfläche 321,75 m²), ein Sackwarenlager / eine Düngelagerhalle (eingeschossig, Grundfläche 848 m²), eine Getreideannahmehalle (6,60 m x 25,10 m x 11,90 m), ein Förderturm (8,10 m x 11,70 m x 30,48 m), eine Beizung mit Absackung (5,00 m x 11,70 m x 18,36 m), zwei Silos mit einer Fassung von ca. 2.300 t (Durchmesser: 13,75 m, zyl. Höhe: 21,70 m, Gesamthöhe 25,60 m), vier Trichtersilos mit einer Fassung von ca. 210 t (Durchmesser: 4,60 m, zyl. Höhe: 21,36 m, Gesamthöhe 22,80 m) sowie eine Annahmegosse (Länge: 16 m, Breite: 4 m, Tiefe: 3,20 m, Leistung: 200 t/h) vorgesehen. Der Agrarstandort solle 13 Mitarbeiter beschäftigen und der zentralen Erfassung und Lagerung des regionalen Getreideaufkommens dienen. In der Regel erfolge der Annahmebetrieb während der Erntezeit in den Monaten Juli bis einschließlich September. Es sei beabsichtigt, in einer Getreideannahmehalle ca. 5.000 t erntefrisches Getreide zu erfassen. Nach der Luftreinigung werde das angelieferte Getreide in Stahlblechsilos eingelagert. Zusätzlich zum Konsumgetreide solle Saatgut aufbereitet werden. Mineraldünger werde per LKW angeliefert und in einer Düngelagerhalle eingelagert (Lagerkapazität: 2.000 t). Zu den weiteren Einzelheiten des geplanten Vorhabens wird auf die Bauantragsunterlagen einschließlich der Planzeichnungen Bezug genommen.
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3. Mit Bescheid vom 29. Juni 2021, der Klägerin zugestellt am 3. Juli 2021, genehmigte das Landratsamt Main-Spessart das Bauvorhaben der Beigeladenen nach Maßgabe der beigefügten Bauvorlagen unter den im Einzelnen aufgeführten Nebenbestimmungen bzw. benannten Befreiungen, Ausnahmen und Abweichungen. Grundlage des Bescheids sei der Bauantrag vom 20. Januar 2020 mit den Plänen vom 31. Mai 2021 und der Betriebsbeschreibung in den Fassungen vom 27. November 2020, 7. Juli 2020 und 31. Mai 2021. Eine weitere Anlage sei die schalltechnische Prognose der Fa. B.L.G.vom 10. Juni 2020. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Aufgrund des Getreideumschlags in einer allseitig geschlossenen Halle bedürfe die Anlage keiner immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, wenngleich ein Tagesumschlag von mehr als 400 t bzw. Jahresumschlag von mehr als 25.000 t erreicht werden könne. Die angegebenen Umschlagmengen des Düngers als staubendes Schüttgut, die nach den Angaben der B.L.G.allesamt der Gruppe C der Gefahrstoffverordnung zuzuordnen seien, erreichten nicht die in der 4. BImSchV angegebenen Mengenschwellen. Die Zulassung des Bauvorhabens richte sich daher nach § 30 Abs. 1 BauGB. Die straßenmäßige Erschließung sei über die Herstellung der im Bebauungsplan festgesetzten Verkehrsfläche gesichert. Das Vorhaben sei nach seiner Art der baulichen Nutzung in einem Industriegebiet als Gewerbebetrieb aller Art nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO regelzulässig. Auch der geforderte Störgrad liege mit dem beantragen Umfang vor, so dass das Vorhaben nur in einem Industriegebiet zulässig sei. Für die Höhe der Silos und des Förderturms lasse der Bebauungsplan eine Ausnahme zu, solange - wie hier - eine Höhe von 50 m nicht überschritten werde. Die Ausnahme könne hier nach pflichtgemäßem Ermessen zugelassen werden. Ebenso könne nach pflichtgemäßem Ermessen eine Befreiung für die Überschreitung der südlichen Baugrenze um ca. 2 m für eines der Silos zugelassen werden. Die Umfahrung der Getreideanlage liege teilweise auf der festgesetzten Verkehrsfläche und der festgesetzten privaten Grünfläche. Auch insoweit lägen die Befreiungsvoraussetzungen vor. Die verkehrsmäßige Erschließung der umliegenden Grundstücke erfolge nicht über die betroffene Verkehrsfläche; diese werde tatsächlich nicht genutzt. Nach Osten hin werde die Abstandsfläche zum Grundstück Fl.Nr. …3/3 der Gemarkung K.nicht eingehalten. Da es sich hierbei größtenteils um eine nicht öffentliche Grünfläche handele und die Gemeinde K.der Abweichung zugestimmt habe, könne die Abweichung erteilt werden. Das Gebot der Rücksichtnahme nach § 15 BauNVO werde eingehalten. Die geplanten Nutzungen stellten emissionsbedeutende Anlagen dar (insbesondere Staubemissionen und Lärm). Durch die vorgesehenen Maßnahmen (Einbau von Absaugungen, Abluftfilteranlagen und Schalldämpfern) sowie die vollständige Einhausung des Verladebereichs für Getreide lasse sich bei Beachtung der Auflagen der ausreichende Schutz für die nächste schutzbedürftige Bebauung - Betriebsleiterwohnung auf dem Grundstück Fl.Nr. …4 der Gemarkung K.und Büronutzung auf dem Grundstück Fl.Nr. …2/2 der Gemarkung K.- sicherstellen. Angesichts der Lage in einem bereits durch LKW-Verkehr geprägten GI/GE fernab der nächsten Ortsbebauung werde das Vorhaben an dieser Stelle aus Sicht des Immissionsschutzes als grundsätzlich zulässig angesehen. Vergleichbare Anlagen würden in G.. und in H.nachbarschaftsverträglich betrieben. Den Antragsunterlagen habe eine schalltechnische Prognose der B.L.G.vom 10. Juni 2020 beigelegen. Unter Zugrundelegung eines vormalig beantragten größeren Umfangs sowie eines 24h-Betriebs sei aufgezeigt worden, dass die zulässigen Immissionsrichtwerte für Schall am nächsten Immissionsort eingehalten würden. Eine umfassende Plausibilitätsprüfung habe mangels Ein- und Ausgabedaten sowie mangels genereller Information zum Rechenprogramm nicht durchgeführt werden können. Die in der Prognose zum Ansatz gebrachten Schallleistungspegel der technischen Aggregate sowie die Schalldämmmaße der Außenbauteile erschienen jedoch plausibel und seien per Auflage einzuhalten. Sich aus dem Baurecht ergebende nachbarliche Rechte würden nicht verletzt. Ebenso verhalte es sich bei zu befürchtenden Getreidestauballergien, erhöhten Reinigungs- und Pflegeaufwand durch Staub sowie Wertverlust der Produktionshalle der Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. …2/2 der Gemarkung K.Auf die im Einzelnen aufgeführten Nebenbestimmungen und weiteren Ausführungen des Genehmigungsbescheids wird verwiesen.
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4. Mit Schriftsatz vom 28. Juli 2021, bei Gericht eingegangen am Folgetag, ließ die Klägerin Klage erheben. Der Klägerbevollmächtigte stellte den Antrag,
den Baugenehmigungsbescheid des Landratsamts Main-Spessart vom 29. Juni 2021 (Az.: …- …) aufzuheben.
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Im Rahmen der Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen: Die Klägerin werde in ihren nachbarschützenden Rechten verletzt. Das Landratsamt Main-Spessart habe ein zeitintensives immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren vermeiden wollen, um „auf schmalem Wege“ eine Baugenehmigung für eine umweltgefährdende Anlage erteilen zu können. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigungspflicht ergebe sich aus § 4 Abs. 1 BImSchG i.V.m. Nr. 9.11.2 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV, dessen Regelung das Landratsamt zu Unrecht und unter Ausblendung des Gefährdungspotenzials der Anlage nicht zur Anwendung gebracht habe. Das Landratsamt habe auch ausgeblendet, dass es sich bei dem Vorhaben um einen „Störfallbetrieb“ handele, der der 12. BImSchV unterfalle. In der Begründung des Baugenehmigungsbescheids werde nur auf die Getreidestäube abgestellt, ohne auf die einhergehenden Explosionsgefahren einzugehen. Gänzlich außer Acht gelassen worden sei zudem der Umgang mit ammoniumnitrathaltigen Düngemitteln. Liege ein Störfallbetrieb vor, fehle es offensichtlich an der Genehmigungsfähigkeit, da die notwendigen Sicherheitsabstände zu den benachbarten Betrieben - und damit auch zur Klägerin - unmöglich eingehalten werden könnten. Das Vorhaben sei in dem festgesetzten Industriegebiet bauplanungsrechtlich unzulässig. Nach der allgemeinen Zweckbestimmung dienten Industriegebiete der Unterbringung von Gewerbebetrieben und zwar vorwiegend solcher Betriebe, die in anderen Baugebieten unzulässig seien. Der Agrarstandort sei in einem Dorfgebiet generell zulässig. Das Landratsamt gehe selbst nicht von einer Genehmigungsbedürftigkeit nach dem BImSchG aus, weshalb auch nicht von intensiven Belastungen für die Umgebung auszugehen sei, was eine Ansiedlung in einem Industriegebiet rechtfertigen könnte. Bei besonderer Gefährlichkeit von gelagerten Gütern müsste andernfalls ein Lagerhaus in einem Sondergebiet oder im Außenbereich betrieben werden. Halte man den Agrarstandort hingegen - wie das Landratsamt - für eine nicht störende Lagerstätte für Getreide und Düngemittel, dann sei die Ansiedlung nur in einem Dorfgebiet statthaft. Als Eigentümerin des angrenzenden Grundstücks im festgesetzten Gewerbegebiet stehe der Klägerin ein Abwehranspruch gegen die Zulassung einer nicht gebietsverträglichen Nutzung zu. Ungeachtet dessen verletze das Vorhaben das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme. Die Produktionsstätte für F.auf dem Grundstück der Klägerin - die F.S.G.& … - sei sehr staubempfindlich. Durch die Staub-Emissionen des im Industriegebiet gebietsfremden Agrarstandorts erweise sich das Vorhaben der Beigeladenen als rücksichtslos. Die Rücksichtslosigkeit ergebe sich zudem daraus, dass der Beigeladenen im Wege einer Befreiung die Überbauung der festgesetzten Verkehrsfläche mit dem Wendehammer auf dem Erschließungsweg, der auch das Grundstück der Klägerin anbinde, gestatte. Die Klägerin sei auf eine ungehinderte Zufahrt über diesen Erschließungsweg und die Nutzung des festgesetzten Wendehammers angewiesen. Andernfalls könnten LKWs, die das Grundstück der Klägerin über die nordöstliche Grundstücksecke anfahren wollten, nicht wenden. Schließlich entfalteten die ausnahmsweise zugelassenen Silos mit einer Höhe von 25,60 m bzw. 22,80 m eine erdrückende Wirkung. Soweit das Landratsamt für das Vorhaben der Beigeladenen eine Befreiung wegen der Lage der Umfahrung auf der festgesetzten Verkehrsfläche und der privaten Grünfläche erteilt habe, lägen die objektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB nicht vor, da Grundzüge der Planung verletzt würden. Da die Klägerin und der auf ihrem Grundstück befindliche Gewerbebetrieb auf den Fortbestand der geplanten Erschließungsstraße nebst Wendehammer angewiesen sei, sei die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen nicht haltbar. Sollte sich im weiteren Verfahren herausstellen, dass es sich bei den Lagergütern des geplanten Agrarstandorts um besonders gefährliche Güter handele, sei die Lagerstätte bauplanungsrechtlich nicht zulässig. Die von der Gemeinde K.geplante Änderung des Bebauungsplans verhelfe dem Vorhaben ebenfalls nicht zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit; insoweit stünden mangels ausreichender Entwässerungseinrichtung wasserwirtschaftliche Belange entgegen.
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5. Das Landratsamt M.-Sp. beantragte,
die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei zulässig, aber unbegründet, da die angefochtene Baugenehmigung vom 29. Juni 2021 rechtmäßig sei und die Klägerin nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletze. Es sei das reguläre Baugenehmigungsverfahren nach Art. 60 BayBO durchgeführt worden, da das Vorhaben einen Sonderbau darstelle. Eine Verletzung von Bauordnungsrecht sei nicht gegeben. Insbesondere würden die Abstandsflächen zum Grundstück der Klägerin eingehalten. Hinsichtlich des Grundstücks Fl.Nr. …3/3 der Gemarkung K.stehe der Klägerin mangels Eigentümerstellung kein Schutzanspruch zu. Dem Vorhaben stünden auch keine bauplanungsrechtlichen Gründe entgegen. Das Vorhaben sei im Industriegebiet zulässig, da es als erheblich belästigender Gewerbebetrieb einzustufen sei. Im Übrigen seien vom Charakter eines Industriegebiets - wie der Begriff „vorwiegend“ zeige - nicht solche Gewerbebetriebe von vornherein ausgeschlossen, die den Störgrad „erheblich belästigend“ nicht erreichten. Die Klägerin könne sich auf den Gebietserhaltungsanspruch auch nicht berufen, weil ihr Grundstück im Gewerbegebiet und nicht im Industriegebiet gelegen sei. Die erteilte Ausnahme sei rechtmäßig. Die Silos und der Förderturm lägen deutlich unterhalb der maximal zulässigen Höhe von 50 m. Der Gebietscharakter des Baugebiets bleibe durch die Ausnahme gewahrt. Man könne hier von einer Ermessensreduzierung auf Null zugunsten der Beigeladenen ausgehen. Hinsichtlich der erteilten Befreiung in Bezug auf die Überschreitung der südlichen Baugrenze um ca. 2 m sei keine subjektive Nachbarrechtsverletzung möglich, weil das Grundstück der Klägerin nicht an das Grundstück der Bauherrin angrenze. Auch seien Grundzüge der Planung nicht berührt. Soweit die Umfahrung der Getreideanlage auf der festgesetzten Verkehrsfläche und der privaten Grünfläche liege, seien die Befreiungsvoraussetzungen gegeben. Die verkehrsmäßige Erschließung der umliegenden Grundstücke erfolge nicht über die betroffene Verkehrsfläche; diese werde tatsächlich nicht genutzt. Bei einer Ortseinsicht am 24. November 2021 sei festgestellt worden, dass die Verkehrsfläche nicht hergestellt sei, die Zufahrt zum Grundstück der Klägerin über die Straße S.W. erfolge und das Grundstück eingefriedet sei. Das Vorhaben verletze auch nicht das Gebot der Rücksichtnahme. Zwar wiesen die Silos und der Förderturm beträchtliche Höhen bis zu 32 m auf. Die erforderlichen Abstandsflächen würden sowohl nach der Rechtslage vor der Bauordnungsnovelle 2020 als auch danach deutlich - um mehr als das fünffache - eingehalten. Wenn man zusätzlich berücksichtige, dass das ca. 80 m lange Grundstück der Klägerin nur mit einer Länge von weniger als 10 m gegenüber dem Grundstück der Beigeladenen liege und durch eine 7 m breite „Straße“ getrennt werde, sei ein Einmauerungseffekt und somit eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots nicht gegeben. Auch soweit die Klägerseite auf Staubemissionen der Anlage der Beigeladenen rekurriere, sei das Rücksichtnahmegebot nicht verletzt. Die Luftreinhaltung könne durch die in der Baugenehmigung gestellten Auflagen sichergestellt werden. Unzumutbare Beeinträchtigungen durch Staubimmissionen könnten hierdurch ausgeschlossen werden, wie sich aus der Stellungnahme des Umweltingenieurs ergebe.
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6. Die Bevollmächtigte der Beigeladenen beantragte,
die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Hinsichtlich der Gebietsverträglichkeit bestünden keine Bedenken. Allein der landwirtschaftliche Bezug, der sich aus dem Umgang mit Getreide- und Düngemittel und Anlieferung derselben durch „landwirtschaftliche Fahrzeuge“ ergebe, führe nicht zu einer Gebietsunverträglichkeit hinsichtlich der Ansiedlung in einem Gewerbe- bzw. Industriegebiet. Die dortige Tätigkeit der Beigeladenen erweise sich vielmehr als originär industriell. Die Klägerseite könne sich auch nicht auf einen Gebietserhaltungsanspruch berufen. Das Vorhaben erweise sich auch nicht als rücksichtslos. Die Gesamthöhe der Silos und des Förderturms entspreche der Ausnahmemöglichkeit im Bebauungsplan und wirke sich nicht erdrückend aus. Für die Inanspruchnahme der öffentlichen Verkehrsflächen durch Teile der Siloanlage bzw. durch die südliche Umfahrung der Siloanlage habe unproblematisch eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB erteilt werden können. Die Überschreitung der südlichen Baugrenze sei unproblematisch möglich und führe nicht zu einer Verletzung drittschützender Rechte der Klägerseite. Es bestünden auch keine Bedenken bezüglich der verkehrlichen Erschließung des Vorhabens. Es sei richtig, dass zur Erntezeit für die Getreidelagerung mit einem erhöhten Anlieferverkehr zu rechnen sei. Hierdurch werde die verkehrliche Erreichbarkeit des Betriebs der Klägerseite allerdings keineswegs beeinträchtigt. Das verfahrensgegenständliche Gebiet sei bereits durch entsprechenden LKW-Verkehr geprägt. Soweit das Vorhaben der Beigeladenen unter der Maßgabe der Aufgabe des bisherigen Standorts der Beigeladenen in H.positiv bewertet worden sei, erweise sich die Nebenbestimmung nicht als untauglich. Mittlerweile bestünden auch ohne Standortaufgabe keine wasserrechtlichen Bedenken mehr. Auch die Ausführungen der Klägerseite zur vermeintlich erforderlichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht verfingen nicht. Ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren sei nicht erforderlich, weil es sich bei der verfahrensgegenständlichen Anlage nicht um eine offene bzw. nicht vollständig geschlossene Anlage handele, wie dies von Ziff. 9.11 des Anhangs 1 der 4. BImSchV gefordert werde. Die anfallenden Getreidestäube und die zu lagernden Düngemittel unterfielen nicht der 12. BImSchV. Soweit die Klägerseite eine erhöhte Explosionsgefahr durch aufgewirbelten Staub und den Umgang mit Düngemitteln erkennen wolle, wirke dies höchst konstruiert und unsubstantiiert. Entsprechendes ergebe sich auch nicht aus dem Leitfaden Explosionsschutz in der Getreide- und Futtermittelwirtschaft, der im Übrigen bei der Erstellung des Brand- und Explosionsschutzkonzeptes des streitgegenständlichen Vorhabens Verwendung gefunden habe. Des Weiteren sei ein Löschwasserrückhaltevolumen von 150 m³ über die Hoffläche vorgesehen. Ein mögliches Abstandsgebot zu den umliegenden Gewerbebetrieben bestehe nicht.
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7. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen. Die Akten zum Verfahren W 5 K 21.1020 wurden beigezogen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Die streitgegenständliche Baugenehmigung verletzt die Klägerin nicht in nachbarschützenden Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Die Anfechtungsklage eines Dritten gegen eine Baugenehmigung kann nur dann Erfolg haben, wenn die Baugenehmigung Vorschriften verletzt, die dem Schutz des Dritten zu dienen bestimmt sind. Dementsprechend findet im vorliegenden gerichtlichen Verfahren keine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle statt. Die Prüfung beschränkt sich vielmehr darauf, ob durch die angefochtene Baugenehmigung drittschützende Vorschriften, die dem Nachbarn einen Abwehranspruch gegen das Vorhaben vermitteln und die im Baugenehmigungsverfahren prüfungsgegenständlich sind, verletzt sind (BayVGH, B.v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 - juris).
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Das mit der streitgegenständlichen Baugenehmigung zugelassene Vorhaben verstößt - insbesondere mit Blick auf den geplanten unmittelbaren Grenzanbau - nicht gegen drittschützende Rechte der Klägerin, die im nach Art. 60 BayBO durchgeführten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind.
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1. Soweit die Klägerseite zunächst rügt, dass anstelle des Baugenehmigungsverfahrens ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren hätte durchgeführt werden müssen, verhilft dies der Klage nicht zum Erfolg.
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Allein das Erfordernis der „richtigen“ Verfahrensart vermittelt für sich genommen noch keine drittschützende Wirkung. Zwar dient das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren auch dazu, den Schutz der Nachbarschaft zu gewährleisten. Daraus ergibt sich aber nicht, dass die Einhaltung des Verfahrens um seiner selbst willen dem Schutz potentiell betroffener Nachbarn dient, unabhängig davon, ob konkrete Anforderungen zum Schutz der Nachbarn verletzt sein können oder nicht. Das Verfahren dient dem Schutz Dritter nur insofern, als es gewährleisten soll, dass die rechtlichen Schutzvorschriften eingehalten werden (vgl. BVerwG, U.v. 5.10.1990 - 7 C 55.89, 7 C 56.89 - juris). Allein durch die Wahl eines „falschen“ Genehmigungsverfahrens können keine Nachbarrechte verletzt sein (vgl. zuletzt OVG Lüneburg, B.v. 15.10.2021 - 1 ME 107/20 - juris m.w.N.).
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Abgesehen davon ist hier nicht von einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 BImSchG auszugehen, da das Vorhaben den Regelungen von Anlage 1 4. BImSchV nicht unterfällt. Gemäß Nummer 9.11.2 der Anlage 1 sind immissionsschutzrechtlich genehmigungspflichtig nur offene oder unvollständig geschlossene Anlagen, ausgenommen Anlagen, die von Nummer 9.3 erfasst werden, zur Erfassung von Getreide, Ölsaaten oder Hülsenfrüchten, soweit 400 Tonnen oder mehr je Tag bewegt werden können und 25.000 Tonnen oder mehr je Kalenderjahr umgeschlagen werden können. Hier mögen hinsichtlich des geplanten Getreideumschlags zwar die angegebenen Mengengrenzen überschritten sein, doch erfolgt dieser innerhalb einer vollständig geschlossenen Anlage, vgl. Blatt 1 der Anlagen- und Betriebsbeschreibung, S. … der Behördenakte). Es ist auch nicht ersichtlich, dass ein Fall von Nummer 9.3 der Anlage 1 einschlägig ist, von der Anlage umfasst werden, die der Lagerung von Stoffen der Stoffliste des Anhangs 2 dienen. Darunter fallen etwa Stoffe, die als Ammoniumnitrat oder ammoniumnitrathaltige Zubereitungen der Gruppen A und B nach Anhang I Nr. 5 bzw. Nr. 8 der Gefahrstoffverordnung einzustufen sind. Eine entsprechende Einstufung lässt sich im vorliegenden Fall aber nicht vornehmen, da nach den vorgesehenen Betriebsabläufen des genehmigten Vorhabens der Beigeladenen lediglich Düngemittel der Gruppe C gelagert werden (vgl. auch Ziffer 2.12 der Nebenbestimmungen, wonach lediglich die Lagerung von Düngemitteln der Gruppe C nach Anhang I Nr. 5 der Gefahrstoffverordnung zulässig ist). Auch sonst ist nicht ersichtlich, dass die genehmigte Anlage der Beigeladenen der Lagerung von Stoffen des Anhangs 2 dient.
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2. Die Klägerseite kann sich nicht mit Erfolg auf einen Gebietserhaltungsanspruch stützen.
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Ein Nachbar kann sich in einem Plangebiet gegen die Zulässigkeit einer gebietswidrigen Nutzung wenden. Der Abwehranspruch wird grundsätzlich bereits durch die Zulassung eines mit der Gebietsfestsetzung unvereinbaren Vorhabens ausgelöst. Im Rahmen des nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses soll jeder Planbetroffene das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebiets verhindern können. Der Gebietserhaltungsanspruch wird direkt durch den Bebauungsplan - hier dem Bebauungsplan „G.- und I.S.W.“ der Gemeinde K.i.d.F. der Bekanntmachung vom … … 2011 - vermittelt und ist unabhängig von einer tatsächlichen Belästigung. Da der Gebietserhaltungsanspruch wie bereits erläutert auf Gegenseitigkeit beruht, kann er nur Nutzern im selben Baugebiet zustehen. Grenzüberschreitenden Schutz vermittelt er nicht. Unerheblich ist dabei auch, ob verschiedene Gebiete Teil eines einzigen Bebauungsplans sind. Es schützt nicht der gesamte Plan, sondern nur die einzelne Gebietsfestsetzung (Pützenbacher in Bönker/Bischopink, Baunutzungsverordnung, 2. Aufl. 2018, § 8 Rn. 49).
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Ausgehend davon kann sich die Klägerin, deren Grundstück Fl.Nr. …2/2 der Gemarkung K.im als Gewerbegebiet ausgewiesenen Teil des Bebauungsplans „G.- und I.S.W.“ gelegen ist, nur gegen eine im Gewerbegebiet unzulässige Nutzung wenden. Das Bauvorhaben der Beigeladenen ist aber weit überwiegend im nördlich angrenzenden Industriegebiet gelegen. Es erstreckt sich lediglich im südlichen Teil mit einer Grünfläche auf die im Gewerbegebiet liegende Teilfläche Fl.Nr. …4 der Gemarkung K.Da dort aber weder anlagenbezogene Teile des Bauvorhabens vorgesehen sind noch Betriebsabläufe stattfinden sollen, ist das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung in das Gewerbegebiet ausgeschlossen, weshalb ein Gebietserhaltungsanspruch der Klägerin ausscheidet.
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3. Eine Verletzung in drittschützenden Rechten der Klägerin ergibt sich weiterhin nicht mit Blick auf die beanstandeten Höhen der Silos und des Förderturms.
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Die Höhe der Silos von 25,60 m bzw. 22,80 m und die Höhe des Förderturms von 31,92 m widersprechen zwar der auf Grundlage von § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB und § 16 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO ergangenen Festsetzung des Bebauungsplans „G.und I.S.W.“, wonach die Wandhöhe von Hauptgebäuden max. 20 m über dem natürlichen Gelände betragen darf. Der Bebauungsplan sieht aber ausdrücklich eine Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 16 Abs. 6 BauNVO vor, wonach u.a. Silos und Förderanlagen diese Gebäudehöhe überschreiten dürfen. Diese Anlagen dürfen jedoch nach der weiteren Regelung des Bebauungsplans eine Höhe von 50,00 m nicht überschreiten, was hier nicht der Fall ist. Bewegt sich ein Vorhaben im Rahmen der Ausnahmebebauung des Bebauungsplans, so hat der Bauherr einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Die Behörde hat im Bescheid ausgeführt, die Ausnahme werde „nach pflichtgemäßem Ermessen“ erteilt. Ein Ermessensnichtgebrauch liegt nicht vor, allerdings ist keine eigene Begründung der Ermessensausübung erfolgt. Die Klägerseite kann sich auf diesen Gesichtspunkt aber nicht berufen (VG Würzburg, U.v. 8.10.2020 - W 5 K 19.579 - juris). Eine Verletzung nachbarlicher Rechte kann nur vorliegen, wenn die Voraussetzungen der ausnahmsweisen Zulässigkeit des Vorhabens nicht gegeben sind (vgl. BayVGH, B.v. 30.4.2008 - 15 ZB 07.2914 - juris). Bei einem ausnahmefähigen Vorhaben ist eine Ablehnung der Ausnahme nur dann ermessensgerecht, wenn besondere städtebauliche Gründe dem Vorhaben entgegenstehen, andernfalls ist das Ermessen zugunsten des Bauherrn auf Null reduziert. Auf städtebauliche Erwägungen kann sich ein Nachbar aber nicht stützen.
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Es kann auch nicht im Rahmen des Rücksichtnahmegebots von einer erdrückenden oder abriegelnden Wirkung zulasten der Klägerin ausgegangen werden. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots (auch) dann in Betracht kommt, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens ein in der unmittelbaren Nachbarschaft befindliches Wohngebäude „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird. Eine solche Wirkung kommt vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (BVerwG, U.v. 13.3.1981 - 4 C 1.78 - juris Rn. 38: 12-geschossiges Gebäude in 15 m Entfernung zu 2,5-geschossigem Nachbarwohnhaus; U.v. 23.5.1986 - 4 C 34.85 - juris Rn. 15: drei 11,05 m hohe Siloanlagen im Abstand von 6 m zu einem 2-geschossigen Wohnanwesen; vgl. auch BayVGH, B.v. 10.12.2008 - 1 CS 08.2770 - juris; B.v. 5.7.2011 - 14 CS 11.814 - juris). Hauptkriterien bei der Beurteilung einer „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung sind u.a. die Höhe des Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung. Insbesondere besteht für die Annahme einer erdrückenden Wirkung eines Nachbargebäudes grundsätzlich dann kein Raum, wenn dessen Baukörper nicht erheblich höher ist als der des betroffenen Gebäudes oder wenn die Gebäude so weit voneinander entfernt liegen, dass eine solche Wirkung ausgeschlossen ist (vgl. BayVGH, B.v. 5.9.2016 - 15 CS 16.1536 - juris Rn. 30; B.v. 8.2.2017 - 15 NE 16.2226 - juris Rn. 22; B.v. 23.8.2018 - 1 NE 18.1123 - juris Rn. 24; VGH BW, U.v. 15.9.2015 - 3 S 975/14 - BauR 2015, 1984 = juris Rn. 29).
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Dass das Bauvorhaben der Beigeladenen der Gewerbeeinheit auf dem Grundstück der Klägerin gegenüber erdrückende Wirkung entfalten würde, kann nicht gesehen werden. Es ist nicht erkennbar, dass die Zulassung der Silos und des Förderturms die Zumutbarkeitsschwelle zu Lasten der Klägerin überschreiten würde. Das streitgegenständliche Bauvorhaben hält die Abstandsflächenvorschriften der Bayerischen Bauordnung zum Grundstück der Klägerin nach dem Abstandsflächenplan P 14 zur Baugenehmigung ein; eine Verletzung der Abstandsflächenvorschriften zu Lasten der Klägerin wurde von ihrem Bevollmächtigten auch nicht geltend gemacht. Auch wenn aus einer Nichteinhaltung bauordnungsrechtlich geforderter Abstandsflächen nicht automatisch auf eine unzumutbare Beeinträchtigung und damit auf eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots geschlossen werden kann (BayVGH, B.v. 5.4.2019 - 15 ZB 18.1525 - BeckRS 2019, 7160 Rn. 10 m.w.N.), scheidet eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots regelmäßig aus tatsächlichen Gründen aus, wenn die Vorgaben des Art. 6 BayBO eingehalten sind (zu dieser Indizwirkung vgl. BayVGH, B.v. 22.6.2011 - 15 CS 11.1101 - juris Rn. 17; B.v. 3.6.2016 - 1 CS 16.747 - juris Rn. 7 m.w.N.; B.v. 15.2.2019 - 9 CS 18.2638 - juris Rn. 23 m.w.N.). Eine erdrückende Wirkung des Vorhabens auf das Anwesen der Klägerin scheidet hier auch unter Berücksichtigung der Ausmaße und der baulichen Gestaltung aus. Hinzu kommen die für ein Industrie- und Gewerbegebiet nicht unerheblichen Abstände zwischen dem Bauvorhaben und der Gewerbeeinheit der Klägerin: So liegt das Gewerbeobjekt der Klägerin auf dem Anwesen Fl.Nr. …2/2 der Gemarkung K.im kürzesten Abstand über 30 m von den Silos bzw. über 40 m vom Förderturm entfernt. Dabei ist auch noch in den Blick zu nehmen, dass in Industrie- und Gewerbegebieten hinsichtlich der erdrückenden Wirkung strengere Anforderungen an die Zumutbarkeit zu stellen sind als dies etwa in einem Wohngebiet der Fall ist. Zudem liegt - worauf die Beklagtenseite zutreffend hingewiesen hat - das ca. 80 m lange Grundstück der Klägerin nur mit einer Länge von maximal ca. 10 m gegenüber dem Grundstück der Beigeladenen und wird zusätzlich noch durch eine ca. 7 m breite Verkehrsfläche getrennt. Insgesamt ist für die Kammer nicht ersichtlich, dass das Vorhaben der Beigeladenen dem Anwesen der benachbarten Klägerin förmlich „die Luft nimmt“, weil es derartig übermächtig wäre, dass ihr Gebäude auf dem Nachbargrundstück nur noch oder überwiegend wie von einem „herrschenden“ Gebäude dominiert und ohne eigene Charakteristik wahrgenommen würde (vgl. BayVGH, B.v. 18.2.2020 - 15 CS 20.57 - juris Rn. 23 f. m.w.N.).
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4. Die Klägerin kann eine Verletzung in drittschützenden Rechten nicht aus den für das Bauvorhaben erteilten Befreiungen ableiten.
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Bei Befreiungen von den Festsetzungen eines Bebauungsplans (§ 31 Abs. 2 BauGB) hängt der Umfang des Rechtsschutzes des Nachbarn davon ab, ob die Festsetzungen, von deren Einhaltung dispensiert wird, dem Nachbarschutz dienen oder nicht. Bei einer Befreiung von einer nachbarschützenden Festsetzung führt jeder Fehler bei der Anwendung des § 31 Abs. 2 BauGB zur Aufhebung der Baugenehmigung. Bei einer Befreiung von einer nicht nachbarschützenden Festsetzung richtet sich der Nachbarschutz hingegen nach den Grundsätzen des bauplanungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme, das aufgrund der gem. § 31 Abs. 2 BauGB gebotenen „Würdigung nachbarlicher Interessen“ Eingang in die bauplanungsrechtliche Prüfung findet (vgl. BVerwG, B.v. 8.7.1998 - 4 B 64/98 - juris; BayVGH, 15 CS 20.1332 - juris).
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Hier ist nicht zu ersehen und von Klägerseite auch nicht dargetan, dass die plangebende Gemeinde K.die hier in Rede stehenden Festsetzungen des Bebauungsplans zur Festlegung einer Verkehrsfläche bzw. privaten Grünfläche sowie die weitere Festsetzung zur überbaubaren Grundstücksfläche (südliche Baugrenze), von denen im Rahmen der Baugenehmigung Befreiungen erteilt worden sind, drittschützende Wirkung zukommen lassen wollte. Dies lässt sich weder dem Bebauungsplan, also dessen Planzeichnungen und textlichen Festsetzungen, noch dessen Begründung entnehmen. Mangels Befreiungen von einer nachbarschützenden Festsetzung des Bebauungsplans kommt es auf die Frage, ob bei der Erteilung der Befreiungen alle Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB vorlagen und insgesamt hierbei eine ermessensfehlerfreie Entscheidung getroffen wurde, daher vorliegend nicht an.
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Die im Rahmen der angefochtenen Baugenehmigung erteilten Befreiungen führen auch nicht zu einer Verletzung des bauplanungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme.
31
Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ist ein Vorhaben unzulässig, wenn von ihm Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets (im Baugebiet selbst oder) in dessen Umgebung unzumutbar sind. Dies ist dann der Fall, wenn sich das Vorhaben nach Abwägung aller Belange, insbesondere der Interessen des Bauherrn und des Nachbarn, als rücksichtslos darstellt, weil es auf besonders schutzbedürftige und qualifizierte Belange des Nachbarn intensiv einwirkt (BVerwG, U.v. 25.2.1977 - 4 C 22/75 - BVerwGE 52, 122 - juris). Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet und ob von einer unzumutbaren Situation auszugehen ist, hängt nach der Rechtsprechung wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Die vorzunehmende Interessenabwägung hat sich daran zu orientieren, was dem Rücksichtnahmebegünstigten und dem Rücksichtnahmeverpflichteten jeweils nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Dies beurteilt sich nach der jeweiligen Situation der benachbarten Grundstücke. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung des Rücksichtnahmeberechtigten ist, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die Interessen des Bauherrn sind, die er mit dem Vorhaben verfolgt, desto weniger muss er Rücksicht nehmen (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 13.3.1981 - 4 C 1/78 - juris). Das Gebot der Rücksichtnahme ist demnach nur dann verletzt, wenn die dem Nachbarn aus der Verwirklichung des geplanten Vorhabens resultierenden Nachteile das Maß dessen übersteigen, was ihm billigerweise noch zumutbar ist (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Aufl. 2022, § 35 Rn. 78).
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Gemessen daran führt der Umstand, dass der Wegfall des auf der Verkehrsfläche liegenden Wendehammers sich für die Klägerin nachteilig auswirken kann, weil ihr damit letztlich die Möglichkeit einer weiteren LKW-Zuwegung von und zur Absauganlage im nordöstlichen Grundstücksbereich genommen werde, nicht zu einer Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme. Eine unzumutbare Beeinträchtigung der Klägerin ist darin nicht zu erkennen. Der im Bebauungsplan vorgesehene, vom S.W. abzweigende Erschließungsweg mit Wendehammer ist bislang nicht hergestellt worden; es ist auch nicht absehbar, ob und ggf. wann es zu einer Errichtung dieses Erschließungswegs kommen könnte. Da die verkehrsmäßige Erschließung der umliegenden Grundstücke nicht über die betroffene Verkehrsfläche erfolgt, sondern allein über den S.W., und da das Grundstück der Klägerin im maßgeblichen Bereich eingezäunt ist (vgl. Lichtbildaufnahmen der Ortseinsicht des Landratsamts Main-Spessart vom 24. November 2021, Bl. … ff. der Gerichtsakte), kann sich ein Wegfall des Wendehammers allenfalls in unbestimmter Zukunft auf die Klägerin auswirken. Unabhängig davon fehlt es ohnehin an einer für die Klägerin nicht mehr hinnehmbaren Situation, da der auf ihrem Grundstück gelegene Gewerbebetrieb einschließlich der Absauganlage - wie bisher - in hinreichender Weise vom S.W. aus ohne größere Schwierigkeiten erreichbar ist. Nicht ansatzweise ersichtlich ist ferner, dass die Klägerin durch die Befreiung von der Festsetzung einer privaten Grünfläche beeinträchtigt sein könnte. Gleiches gilt für die Befreiung von der südlichen Baugrenze um ca. 2 m. Diese Baugrenze wird nicht in dem Bereich überschritten, welcher dem Grundstück der Klägerin gegenüberliegt (vgl. Planunterlage …, so dass eine Betroffenheit in eigenen Rechten ausscheidet.
33
Die im Rahmen der angefochtenen Baugenehmigung erteilten Befreiungen führen somit nicht - weder einzeln noch zusammen betrachtet - zu einer Verletzung des bauplanungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme.
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5. Es liegt auch unter Berücksichtigung des weiteren Vorbringens der Klägerseite kein Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme vor (Art. 60 Satz 1 Nr. 1 BayBO i.V.m. § 30 Abs. 1 BauGB und § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO).
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Das Vorbringen der Klägerseite zur Lärm- und Staubentwicklung sowie zu mit dem Vorhaben einhergehenden Explosionsgefahren lässt - die vorstehend beschriebenen Maßstäbe zugrunde gelegt - keine Situation erkennen, die der Klägerin billigerweise nicht zugemutet werden kann und deshalb einer Verletzung der angefochtenen Baugenehmigung gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme nach sich zieht.
Im Einzelnen:
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5.1. Die zu erwartende Lärmentwicklung führt nicht zu einem Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme.
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Für die Berücksichtigung des Immissionsschutzes im Bauplanungsrecht sind Grenzwerte nicht gesetzlich festgelegt. (Lärm- und Geräusch-)Immissionen sind grundsätzlich unzumutbar und verletzen das Rücksichtnahmegebot, wenn sie geeignet sind, erhebliche Belästigungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG für die Nachbarschaft hervorzurufen (st. Rspr., vgl. z.B. BVerwG, U.v. 27.8.1998 - 4 C 5.98 - BauR 1999, 152 = juris Rn. 30; BayVGH, B.v. 27.12.2017 - 15 CS 17.2061 - juris Rn. 26; B.v. 31.8.2012 - 14 CS 12.1373 - juris Rn. 31). Bei der Erteilung einer Baugenehmigung ist sicherzustellen, dass bei der Nutzung des genehmigten Vorhabens keine derartigen Belästigungen entstehen. Das Maß der gebotenen Rücksichtnahme hängt auch diesbezüglich von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab. Gegeneinander abzuwägen sind die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauherrn und das, was beiden Seiten billigerweise zumutbar oder unzumutbar ist (vgl. BayVGH, B.v. 18.10.2017 - 9 CS 16.883 - juris Rn. 24 m.w.N.; B.v. 20.3.2018 - 15 CS 17.2523 - juris Rn. 40; B.v. 9.7.2012 - 22 CS 12.575 - juris Rn. 32 m.w.N.). Was die Zumutbarkeit von Lärmimmissionen anbetrifft, können anerkanntermaßen die TA Lärm (Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz - Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm, vom 26.8.1998, GMBl. S. 503, geändert durch ÄndVwV v. 1.6.2017 - BAnz AT 8.6.2017) bzw. die darin enthaltenen Immissionsrichtwerte herangezogen werden. Die TA Lärm gehört zu den sogenannten „normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften“, welche vorbehaltlich abweichender Erkenntnisse im Regelfall der gerichtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden. Die Baugenehmigungsbehörde hat bei der Prüfung, ob und inwieweit von einer Anlage Immissionen ausgehen können, der Reichweite der Immissionen nachzugehen. Sie muss prüfen, in welchem Umkreis die Immissionen noch zumutbar sind. Die Baugenehmigungsbehörde ist daher verpflichtet, gegebenenfalls durch Auflagen in der Baugenehmigung oder die Einbeziehung von Beschreibungen entsprechend § 9 BauVorlV sicherzustellen, dass der Nachbar vor unzumutbaren Immissionen ausreichend geschützt wird. Auf solche Schutzauflagen hat der Nachbar einen Anspruch (BayVGH, U.v. 16.11.2006 - 26 B 03.2486 - juris Rn. 28). Geht es um die Lösung einer Immissions-Konfliktlage, reicht es in der Regel (es sei denn, die Anforderung ist von vornherein nicht einhaltbar) aus, wenn dem Emittenten aufgegeben wird, beim Betrieb seiner Anlage näher bestimmte Richtwerte einzuhalten (vgl. BVerwG, U.v. 5.11.1968 - I C 29.67 - BVerwGE 31, 15).
38
Vorliegend ist nicht anzunehmen, dass das streitgegenständliche Vorhaben das Grundstück der Klägerin und den darauf befindlichen Betrieb aufgrund von Lärmimmissionen in unzumutbarer Weise beeinträchtigen wird. In der Baugenehmigung des Landratsamts Main-Spessart vom 29. Juni 2021 sind zahlreiche Nebenbestimmungen zum Lärmschutz enthalten (vgl. Ziffern 1.1 bis 1.10 der „Auflagen aus Sicht des Immissionsschutzes“), die den in den immissionsschutzrechtlichen Stellungnahmen vom 6. Mai 2021 und vom 15. Juni 2021 enthaltenen Auflagenvorschlägen (vgl. Bl. … f., … f. der Behördenakte) entsprechen. Insbesondere ist in eindeutiger Weise geregelt, dass die Beurteilungspegel der vom Gesamtbetrieb auf dem Grundstück einschließlich des Zu- und Abfahrtverkehrs sowie der Ladetätigkeiten ausgehenden Geräusche an der nächstgelegenen schutzwürdigen Bebauung im benachbarten Gewerbegebiet (Büronutzung Fl.Nr. …2/2 der Gemarkung K.) die gemäß Nr. 6.1 Buchst. b) TA Lärm und zur Berücksichtigung der Vorbelastung um 5 dB(A) reduzierten Immissionsrichtwerte von tagsüber 60 dB(A) und nachts 60 dB(A) (kein nächtlicher Schutzanspruch für Büroräume) nicht überschreiten dürfen. Bei der Festlegung dieser Immissionsrichtwerte ist die grundsätzliche Orientierung am Schutzniveau der TA Lärm für ein Gewerbegebiet zur Tagzeit (65 dB(A) tags, vgl. Nr. 6.1 Buchst. b) TA Lärm) nicht zu beanstanden. Ebenso nachvollziehbar erscheint die von der Immissionsschutzbehörde für erforderlich gehaltene Reduzierung des anzulegenden Immissionsrichtwerts um 5 dB(A) aufgrund einer bestehenden Vorbelastung. Hiergegen ist klägerseits auch nichts eingewendet worden. Es ist auch nicht ersichtlich oder durch die Klägerseite vorgetragen worden, dass die von der Immissionsschutzbehörde explizit in den Blick genommene Büronutzung der Klägerin entgegen der fachlichen Einschätzung der Immissionsschutzbehörde zur Nachtzeit in einer Weise schutzwürdig ist, dass zur Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze nicht auf den mit dem Tagwert identischen Immissionsgrenzwert von 60 dB(A) abgestellt werden dürfte. Vor diesem Hintergrund bestehen keine handgreiflichen Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Bestimmung der vorbezeichneten Lärmgrenzwerte.
39
Werden - wie hier - Lärmgrenzwerte festgesetzt, so kommt es darauf an, ob diese Werte realistischerweise auch tatsächlich eingehalten werden können. Überschreiten die bei der Nutzung einer Anlage entstehenden Immissionen bei regelmäßigem Betrieb die für die Nachbarschaft maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze, dann genügt es zur Sicherung der Nachbarrechte nicht, in der Baugenehmigung den maßgeblichen Immissionsrichtwert als Grenzwert festzulegen und weitere Nebenbestimmungen vorzubehalten. Vielmehr muss die genehmigte Nutzung schon in der Baugenehmigung durch konkrete Regelungen eingeschränkt werden (BayVGH, B.v. 15.11.2011 - 14 AS 11.2328; U.v. 18.7.2002 - 1 B 98.2945; beide juris). Auch dieser Anforderung ist vorliegend in hinreichender Weise Genüge getan, indem entsprechend der fachlichen Einschätzung der unteren Immissionsschutzbehörde zahlreiche weitere Nebenbestimmungen zur Eindämmung der Lärmauswirkungen auf die Nachbarschaft getroffen wurden (vgl. Ziffern 1.1 und 1.3 bis 1.10 der „Auflagen aus Sicht des Immissionsschutzes“), wie z.B. das Geschlossenhalten der Hallentore der Annahmehalle und ggf. sonstiger Öffnungen während des Verladens des Getreides sowie des Betriebs lärmerzeugender Anlagen. Die Immissionsschutzbehörde ist - nachdem sie eine umfassende Plausibilitätsprüfung der schalltechnischen Prognose der B.L.G.mangels Ein- und Ausgabedaten sowie mangels genereller Informationen zum Rechenprogramm nicht durchführen konnte - auf Grundlage einer eigenen Würdigung zu dem Ergebnis gelangt, dass durch die vorgesehenen Maßnahmen (u.a. Einbau von Schalldämpfern) sowie die vollständige Einhausung des Verladebereichs für Getreide bei Beachtung der vorgeschlagenen Auflagen der ausreichende Schutz für die nächste schutzbedürftige Bebauung sicherstellen lässt (vgl. Bl. … … der Behördenakte). Da die Klägerseite dem nichts Substantielles entgegengehalten hat, ist für die Kammer unter Zugrundelegung der Bauvorlagen einschließlich der Betriebsbeschreibung nicht zu erkennen, weshalb die entsprechend dieser fachtechnischen Einschätzung in den Bescheid vom 29. Juni 2021 aufgenommenen Nebenbestimmungen - im Falle ihrer Umsetzung - nicht geeignet sein könnten, nachbarrechtsverträgliche Zustände herzustellen.
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5.2. Auch unter Berücksichtigung von zu erwartenden Luftschadstoffemissionen („Staubemissionen“) kann hier nicht von einer Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme zulasten der Klägerin ausgegangen werden.
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Das Landratsamt Main-Spessart hat im angegriffenen Genehmigungsbescheid auf Grundlage der immissionsschutzrechtlichen Stellungnahmen vom 6. Mai 2021 und vom 15. Juni 2021 zahlreiche Nebenbestimmungen zur Luftreinhaltung aufgenommen (Ziffern 2.1 bis 2.14 der „Auflagenvorschläge“). Die Immissionsschutzbehörde ist im Rahmen ihrer Stellungnahmen - wie bei den Lärmimmissionen - zu dem Ergebnis gelangt, dass durch die vorgesehenen Maßnahmen (u.a. Einbau von Absaugungen und Abluftfilteranlagen) sowie die vollständige Einhausung des Verladebereichs für Getreide bei Beachtung der vorgeschlagenen Auflagen der ausreichende Schutz für die nächste schutzbedürftige Bebauung sicherstellen lässt (vgl. Bl. …, … der Behördenakte). Die Immissionsschutzbehörde hat sich dabei mit zahlreichen Einzelfragen befasst und diese in Nebenbestimmungen 2.1 bis 2.14 näher geregelt (z.B. Ausführung und Betrieb der Schüttgosse, Ausführung und Betrieb der Entstaubungsanlagen, Lagerung und Transport des abgeschiedenen Staubs, Ausführung des Abluftkamins, Befüllvorgänge der Silos, Verladevorgänge, Fahrgeschwindigkeitsbegrenzung von 10 km/h, Ausführung der Fahrwege und Betriebsflächen). Die Kammer hegt keine Zweifel an der vorgenommenen fachlichen Bewertung der Immissionsschutzbehörde, zumal das Klägervorbringen sich mit den Nebenbestimmungen im Einzelnen nicht näher auseinandergesetzt hat. Es ist - auch unter Berücksichtigung der Entfernungen und Gebäudesituierungen - nicht ersichtlich und von Klägerseite her nicht substantiiert aufgezeigt worden, dass der Anlagenbetrieb der Beigeladenen trotz dieser umfangreichen Nebenbestimmungen erwarten lässt, eine für die Klägerin unzumutbare Staubbelastung hervorzurufen.
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5.3. Die Argumentation der Klägerseite, wonach die Anlage ein erhebliches Gefährdungspotential aufweise, da mit den Düngemitteln explosive Chemikalien gelagert würden und der Getreidestaub eine Explosion verursachen könne, führt ebenfalls nicht zu einer Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme.
43
Entgegen der Auffassung der Klägerseite sind an das Vorhaben keine störfallrechtlichen Anforderungen, insbesondere zu prüfende Regelungen der Störfall-Verordnung (12. BlmSchV), zu stellen. Bei dem umstrittenen Agrarstandort der Beigeladenen handelt es sich nicht um einen dem Anwendungsbereich der Störfall-Verordnung unterfallenden Betriebsbereich (vgl. § 1 Abs. 1 12. BImSchV). Für die im Agrarstandort der Beigeladenen gelagerten Düngemittel ergibt sich dies unmittelbar aus dem Genehmigungsbescheid, da unter Ziffer 2.12 der Nebenbestimmungen eindeutig bestimmt wurde, dass lediglich die Lagerung von Düngemitteln der Gruppe C nach Anhang I Nr. 5 der Gefahrstoffverordnung bzw. von Düngemitteln, welche nicht der Störfallverordnung (12. BImSchV) unterliegen, zulässig sind. Es ist auch nicht erkennbar und von der Klägerseite auch nicht aufgezeigt worden, unter welche Stoffkategorie des Anhangs I der 12. BImSchV der zu erwartende Getreidestaub fallen soll. Die in den fachlichen Stellungnahmen des Immissionsschutzes vom 6. Mai und 15. Juni 2021 getroffene Einschätzung, wonach Getreidestäube nicht in die 12. BImSchV eingeordnet werden können (vgl. Bl. … und … der Behördenakte), ist klägerseits nicht substanziell entkräftet worden.
44
Auch im Übrigen ist die Annahme einer vom Vorhaben der Beigeladenen ausgehenden Explosions- bzw. Brandgefahr mit Auswirkungen auf das klägerische Nachbargrundstück lediglich unsubstantiiert dargestellt worden. Es findet insbesondere keine tiefergehende Auseinandersetzung mit den konkreten baulichen Gegebenheiten und mit den Betriebsabläufen sowie mit dem Brandschutzkonzept der B.L.G.& … vom 20. November 2020 (Bl. … ff. der Behördenakte) statt, in dem die brand- und explosionsschutztechnischen Gesichtspunkte in den Blick genommen wurden und betont wurde, dass allen technischen und organisatorischen Schutzkonzepten die Verhinderung der Bildung explosionsfähiger Atmosphäre (= primärer Explosionsschutz) vorangestellt sei. Es wird auch lediglich behauptet, aber nicht näher dargestellt, inwieweit die genehmigte Anlage und deren Betriebsabläufe gegen den von Verbänden der Getreide und Futtermittelwirtschaft erstellten Leitfaden „Explosionsschutz in der Getreide- und Futtermittelwirtschaft“ (Stand: 9. November 2020) verstoßen sollte. Dass dem Schutz vor Explosionssicherheit im hiesigen Einzelfall nicht hinreichend Rechnung getragen wurde, ist somit nicht aufgezeigt worden.
45
Die seitens des Klägerbevollmächtigten aufgezeigten Zweifel an der Lagerung allein der von der Genehmigung gestatteten Düngemittel lassen sich nicht im Rahmen der hier erhobenen Drittanfechtungsklage gegen die Baugenehmigung vom 29. Juni 2021, sondern allenfalls im Rahmen eines gegebenenfalls einzuleitenden, behördlichen Verfahrens auf bauaufsichtliches Einschreiten bzw. eines immissionsschutzrechtlichen Verfahrens beurteilen.
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5.4. Die geltend gemachten immissionsschutzrechtlichen Beeinträchtigungen ziehen damit im Ergebnis weder in der Einzel- noch in der Gesamtbetrachtung eine Verletzung des bauplanungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme nach sich.
47
6. Weitere Rechtsverletzungen - insbesondere in bauordnungsrechtlicher Hinsicht - sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
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7. Nach alldem erweist sich die Klage als unbegründet und war mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
49
Da sich die Beigeladene durch eigene Antragsstellung am Prozessrisiko beteiligt hat, entsprach es der Billigkeit, die ihr entstandenen außergerichtlichen Aufwendungen der Klägerin aufzuerlegen, § 162 Abs. 3 i.V.m. § 154 Abs. 3 VwGO.
50
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.