Inhalt

VG Würzburg, Urteil v. 11.05.2022 – W 6 K 21.1371
Titel:

Verwertbarkeit eines fachärztlichen Gutachtens bei der Prüfung der Fahreignung

Normenketten:
StVG § 3 Abs. 1 S. 1
FeV § 11 Abs. 5, § 46 Abs. 1, Abs. 3, Anl. 4 Nr. 7.5.1, Anl. 4a
Leitsätze:
1. Das Bekanntwerden signifikanter Verhaltensauffälligkeiten stellt einen hinreichenden Anlass dar, der gem. § 46 Abs. 3 FeV iVm § 11 Abs. 2 S. 1 FeV iVm Nr. 7.5.1 Anl. 4 FeV aufklärungsbedürftige Zweifel an der Fahreignung begründet. Diesbezüglich ist es unerheblich, dass die Fahrerlaubnisbehörde von diesem Umstand in einem Kontext erfuhr, der in keinem direkten Zusammenhang mit einer Teilnahme am Straßenverkehr stand. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
2. Maßgeblich für die Verwertbarkeit eines Gutachtens sind gem. § 11 Abs. 5 FeV die Einhaltung der Grundsätze für die Durchführung der ärztlichen und der medizinisch-psychologischen Untersuchung sowie die Einhaltung der Grundsätze für die Erstellung der entsprechenden Gutachten aus Anl. 4a FeV. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Entzug der Fahrerlaubnis, psychische Störungen (Manie), Verwertbarkeit eines psychiatrischen Gutachtens, Fahrerlaubnis, Fahreignung, ärztliches Gutachten, psychiatrisches Gutachten, Verwertbarkeit, psychische Störung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 16840

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

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Die Klägerin wendet sich gegen den Entzug ihrer Fahrerlaubnis der Klassen B, L, M und S. 1.
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Die Klägerin suchte am 22. Dezember 2020 gegen 11:45 Uhr die Polizeistation G.  auf, wobei sie hierfür ihr eigenes Kraftfahrzeug nutzte. Sie gab gegenüber den Polizeibeamten an, Probleme mit dem Hausmeister, der für das von ihr bewohnte Mehrfamilienhaus zuständig sei, und diversen Unternehmen, wie etwa der Post und DHL, zu haben. Unter anderem teilte die Klägerin den Polizeibeamten mit, dass sie insgesamt sieben Mäntel bei dem Unternehmen Ba. bestellt habe und hiervon zwei Stück vermisse. Jedoch sei dies alles nicht so schlimm, da sie dem so genannten „B.-G.-F.“ angehöre und dort geheilt worden sei bzw. werde. Die Äußerungen der Klägerin waren nach Angaben der Polizei teilweise äußerst wirr. Durch anschließende Mitteilung der Polizeistation G. … … vom 22. Dezember 2020 wurde der zuständigen Fahrerlaubnisbehörde beim Landratsamt Main-Spessart (nachfolgend: Landratsamt) bekannt, dass die Beamten der Polizeistation G. … … aufgrund des Verhaltens der Klägerin begründete Zweifel an deren grundsätzlicher gesundheitlicher Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen hegten und daher um Einleitung eines entsprechenden Überprüfungsverfahren ersuchten.
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Mit Schreiben vom 29. Dezember 2020 teilte das Landratsamt der Klägerin unter Angabe der Ereignisse vom 22. Dezember 2020 und der einschlägigen Rechtsgrundlagen mit, dass Anlass zur Überprüfung der Fahreignung bestehe, und forderte die Klägerin auf bis spätestens 15. Februar 2021 einen Befundbericht ihres behandelnden Arztes über mögliche gesundheitliche Einschränkungen oder Erkrankungen, die die Fahreignung beeinträchtigen, vorzulegen. Die Klägerin kam dieser Aufforderung nach. Unterdessen teilte die Polizeistation G. … … dem Landratsamt mit Schreiben vom 28. Januar 2021 mit, dass die Klägerin am 13. Januar 2021 gegen 16:00 Uhr erneut auf der Dienststelle erschienen sei, um - angeblich - bösartiges Verhalten des Hausmeisters und durch ihn verursachte Beschädigungen an ihrem Fahrzeug zu melden. Die Äußerungen der Klägerin seien erneut durchsetzt gewesen mit Hinweisen auf eine „Heilung“ durch den „B.-G.-F.“. Auf polizeiliche Nachforschungen hin habe sich eine in derselben Wohneinheit lebende Nachbarin der Klägerin dahingehend geäußert, dass sie mit dieser Frau nichts zu tun haben wolle. Sie erinnere sich an einen Vorfall, bei dem die Klägerin sich von einem Feuermelder beobachtet gefühlt habe. Der von der Klägerin beschuldigte Hausmeister habe sich zu den Vorhaltungen der Klägerin dahingehend eingelassen, dass er die Wohnung der Klägerin, etwa zum Zwecke des Stromablesens, nur noch unter Zuziehung von Zeugen betrete. Sie sei im gesamtem Haus inzwischen bekannt. Seiner Ansicht nach habe sich der Zustand der Klägerin nochmals verschlimmert. Sie würde ihr Fahrzeug auch nicht mehr im mitgemieteten Carport parken, sondern in einer Seiten straße. Dieses Verhalten habe der Hausmeister auf ihren Verfolgungswahn zurückgeführt.
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Die Polizeistation G. setzte das Landratsamt mit weiterem Schreiben vom 4. Februar 2021 darüber in Kenntnis, dass die Klägerin eine an sie adressierte anwaltlich verfasste Abmahnung vom 1. Februar 2021 wegen neuerlicher Beschuldigungen des Hausmeisters sowie ein Attest ihrer Hausärztin Dr. med. G., G., vom 4. Februar 2021 vorgelegt habe, und übersandte diese Dokumente an das Landratsamt. Dem Attest lässt sich entnehmen, dass aus hausärztlich/internistischer Sicht keine Bedenken hinsichtlich der Fahrtauglichkeit der Klägerin bestünden. Neurologisch könne dies von Dr. med. G. nicht beurteilt werden.
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2. Daraufhin forderte das Landratsamt die Klägerin mit Schreiben vom 17. Februar 2021 auf, ein Gutachten eines Facharztes der Psychiatrie, der im Besitz einer verkehrsmedizinischen Qualifikation sein müsse und den die Klägerin frei auswählen könne, vorzulegen und bis zum 9. Februar 2021 eine entsprechende Begutachtungsstelle zu benennen. Das Landratsamt begründete die Aufforderung im Wesentlichen damit, dass im Interesse der Verkehrssicherheit geprüft werden müsse, ob die Klägerin gegenwärtig die Voraussetzung zum sicheren Führen von Kraftfahrzeugen erfülle. Insbesondere solle geklärt werden, ob die Klägerin an einer ihre Fahreignung ausschließende Erkrankung leide. Folgende Fragestellungen sollten daher im Rahmen der Untersuchung beantwortet werden:
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Liegt bei der Klägerin eine Krankheit vor, insbesondere eine psychische Erkrankung nach Kapitel 7 der Anlage 4 zur FeV, die gegenwärtig die Fahreignung ausschließt? Ist die Klägerin in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 gerecht zu werden? Sind weitere Untersuchungen, z.B. psychologische Test des Leistungsvermögens, erforderlich?
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Das Gutachten war dem Landratsamt bis zum 5. Mai 2021 vorzulegen. Auf die Folgen der nicht oder nicht fristgerechten Vorlage des Gutachtens gemäß § 11 Abs. 8 FeV wurde die Klägerin hingewiesen. Daraufhin benannte die Klägerin mit Erklärung vom 26. Februar 2021, eingegangen am 1. März 2021, die Praxis Drs. med. B., K., als Begutachtungsstelle, an der mit Schreiben vom 3. März 2021 eine Aufforderung zur Begutachtung der Klägerin mitsamt den begutachtungsrelevanten Unterlagen übersandt wurde. Am 24. März 2021 teilte die Praxis Drs. med. B. dem Landratsamt mit, dass die Klägerin den Begutachtungstermin abgesagt habe. Nach Anhörung am 25. März 2021 wurde der Klägerin erneut die Möglichkeit zur Begutachtung in der Praxis von Drs. med. B. gegeben, woraufhin das Landratsamt die begutachtungsrelevanten Unterlagen noch einmal dorthin übersandte. Die Frist zur Vorlage des Gutachtens beim Landratsamt wurde verlängert und auf den 26. Mai 2021 festgesetzt.
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Mit Schreiben vom 21. Juni 2021 teilte der Gutachter Dr. med. B. dem Landratsamt mit, dass die Gutachtenerstellung noch ca. eine Woche in Anspruch nehmen werde, da die Praxis pandemiebedingt völlig überlastet sei. Im Vorgriff auf das finale Gutachten teilte der Gutachter Dr. med. B. dem Landratsamt bereits mit, dass die Klägerin sich in einer manischen Phase mit sprunghaftem Denken, reduzierter Urteils- und Kritikfähigkeit, paranoidem Denken und teilweise systematisiertem Wahn befände. Der Gutachter diagnostizierte eine gereizte Manie, ein manieformes Syndrom und eine paranoide Psychose. Gleichzeitig stellte er die Verdachtsdiagnose hinsichtlich des Vorliegens einer bipolaren Erkrankung. Die Klägerin sei daher definitiv nicht mehr fahrtauglich.
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Mit Schreiben vom 21. Juni 2021 hörte das Landratsamt die Klägerin zum beabsichtigten Entzug der Fahrerlaubnis an und gab Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 7. Juli 2021.
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Das finale psychiatrische Gutachten von Dr. med. B., datiert vom 21. Juni 2021, ging am 25. Juni 2021 beim Landratsamt ein. Dr. med. B. diagnostizierte aufgrund einer Begutachtung der Klägerin am 8. Juni 2021 eine gereizte Manie sowie paranoide Psychose. Gleichzeitig bestand der Verdacht auf das Vorliegen einer bipolaren Erkrankung. Die Klägerin zeige keinerlei Krankheitseinsicht in die eigene Getriebenheit, die Sprunghaftigkeit, die Unfähigkeit zu logischen Verknüpfungen, die hochgradig geminderte bis annährend aufgehobene Kritikfähigkeit sowie in das aufgehobene Urteilsvermögen. Die Klägerin sei definitiv nicht in der Lage zu einer kritischen Eigenbeurteilung und zu einem vorsichtigen Fahrverhalten. Es seien Übergriffigkeiten und Übersprungshandlungen, definitiv eine Gefährdung des Straßenverkehrs, zu erwarten. Die Klägerin sei dringend behandlungsbedürftig, auch eine gewisse Selbstgefährdung könne nicht ausgeschlossen werden. Im Übrigen wird auf das psychiatrische Gutachten vom 21. Juni 2021 verwiesen.
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Mit Schreiben vom 29. Juni 2021, eingegangen am 30. Juni 2021, wandte sich die Klägerin an das Landratsamt und erhob „Widerspruch“ gegen den „Bescheid“ vom 21. Juni 2021. Sie trug vor, dass ihr die Fahrerlaubnis nicht aufgrund des Gutachtens von Dr. med. B. entzogen werden könne, zumal sie noch nie irgendwelche Vergehen im Straßenverkehr begangen habe. Der Gutachter und sie hätten keinen Draht zueinander gefunden. Er sei von Vornherein gegen sei eingestellt gewesen. Das Landratsamt möge daher ein Zweitgutachten einholen.
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3. Mit Bescheid vom 1. Juli 2021 entzog das Landratsamt der Klägerin die Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen (Nr. 1) und forderte sie auf, den Führerschein der Klassen B, L, M und S spätestens eine Woche nach Zustellung des Bescheides beim Landratsamt abzuliefern oder im Falle es Verlusts des Führerscheins innerhalb dieser Frist eine Versicherung an Eides statt über den Verbleib abzugeben (Nr. 2). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 des Bescheides wurde angeordnet (Nr. 4) und für den Fall der nicht oder nicht rechtzeitigen Erfüllung der Verpflichtung aus Nr. 2 des Bescheides ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR angedroht (Nr. 3). Der Klägerin wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt (Nr. 5) und für den Bescheid eine Gebühr von 100,00 EUR sowie Auslagen in Höhe von 7,36 EUR festgesetzt (Nr. 6). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Landratsamt die vorliegende fachärztliche Stellungnahme in seinen Wertungen und im Ergebnis für nachvollziehbar halte. Das Landratsamt habe daher keine Veranlassung ein Zweitgutachten anzuordnen. Aufgrund der fachärztlichen Stellungnahme stehe zur Überzeugung des Landratsamts fest, dass die Klägerin derzeit nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr geeignet sei. Auf die Begründung des am 2. Juli 2021 zugestellten Bescheides wird im Übrigen verwiesen.
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Der Führerschein der Klägerin ist am 8. Juli 2021 bei der Fahrerlaubnisbehörde des Landratsamts eingegangen.
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Am 21. Juli 2021 ließ die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten Widerspruch gegen den Bescheid vom 1. Juli 2021 einlegen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass derzeit kein Anlass bestehe von der fehlenden Fahreignung der Klägerin auszugehen. Bislang sei es zu keinerlei Beeinträchtigungen, Schädigungen oder Gefährdungen durch die Klägerin gekommen. Die durch den ärztlichen Gutachter Dr. med. B. getroffenen Schlussfolgerungen bedürften einer Überprüfung. Aufgrund der mit dem Fahrerlaubnisentzug verbundenen massiven Beeinträchtigungen der Rechte der Klägerin sei die Maßnahme rechtswidrig.
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Das Landratsamt half dem Widerspruch nicht ab und legte diesen der Regierung von Unterfranken am 10. August 2021 zur Entscheidung vor.
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4. Mit kostenpflichtigem Widerspruchsbescheid vom 17. September 2021 wies die Regierung von Unterfranken den Widerspruch der Klägerin zurück.
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Zur Begründung wurde - hinausgehend über die Begründung des Bescheids vom 1. Juli 2021 - im Wesentlichen vorgetragen, dass ausgehend von den Vorfällen auf der Polizeistation G. … … am 22. Dezember 2020 sowie am 13. Januar 2021, im Rahmen derer die Klägerin durch haltlose Anschuldigungen und wirre Äußerungen Zweifel an ihrer Fahreignung erweckt habe, das Landratsamt auf Grundlage von § 46 Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 2 FeV mit Schreiben vom 17. Februar 2021 die Vorlage eines Gutachtens eines Facharztes für Psychiatrie mit verkehrsmedizinischer Qualifikation angefordert habe, um zu klären, ob bei der Klägerin insbesondere eine psychische Erkrankung nach Kapitel 7 der Anlage 4 zur FeV vorliege, die gegenwärtig die Fahreignung ausschließe. Nachdem das ärztliche Gutachten von Dr. med. B. vom 21. Juni 2021 der Fahrerlaubnisbehörde vorgelegt worden sei, habe es keiner weitergehenden Prüfung der Begutachtungsanordnung des Landratsamtes vom 17. Februar 2021 mehr bedurft. Tatsachen, die sich aus diesem Gutachten ergeben, hätten selbstständige Bedeutung und seien insofern neue verwertbare Tatsachen. Das psychiatrische Gutachten sei auch verwertbar, da es nachvollziehbar und schlüssig sei. Demnach stehe fest, dass die Klägerin an einer behandlungsbedürftigen akuten Manie und paranoiden Psychose leide. Nach Nr. 7.5.1 der Anlage 4 zur FeV bestehe bei allen Manien keine Fahreignung, das gleiche gelte für akute schizophrene Psychosen gemäß Nr. 7.6.1 der Anlage 4 zur FeV. Nachdem bei der Klägerin keine Krankheitseinsicht bestehe und die Krankheit auch nicht behandelt werde, sei auch nicht von einer zwischenzeitlichen Widererlangung der Fahreignung auszugehen. Anlass für die Einholung eines Zweitgutachtens werde bei der eindeutigen fachlichen Beurteilung nicht gesehen. Darin, dass der Gutachter und die Klägerin „keinen Draht zueinander“ gefunden hätten und er angeblich von vornherein gegen sie eingestellt gewesen sei, sei kein Grund zu sehen, dass Gutachten inhaltlich in Zweifel zu ziehen. Warum die von dem Gutachter getroffenen Schlussfolgerungen in Frage gestellt werden und einer Überprüfung bedürfen, werde außerdem nicht näher ausgeführt. Sowohl die Diagnosen als auch die Schilderungen des Gesprächs und die Schlussfolgerungen ergäben im Hinblick auf die Mitteilungen der Polizei ein stimmiges Krankheitsbild. Der Klägerin stehe es aber frei, im Rahmen eines Antrags auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis ein neues Fahreignungsgutachten erstellen zu lassen. Dass es bislang noch zu keinerlei Beeinträchtigungen, Schädigungen oder Gefährdungen durch die Klägerin im Straßenverkehr gekommen sei, sei unerheblich. Der Entzug der Fahrerlaubnis aufgrund mangelnder Eignung sei eine Maßnahme der Gefahrenabwehr, die andere Verkehrsteilnehmer vor ungeeigneten Fahrzeugführern schützen solle. Die Ungeeignetheit der Klägerin zum Führen von Kraftfahrzeugen stehe zur Überzeugung der Widerspruchsbehörde fest. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV räume der Behörde kein Ermessen ein, weshalb die Fahrerlaubnis zu entziehen gewesen sei. Auf die Begründung des am 20. September 2021 zugestellten Widerspruchsbescheides wird im Übrigen verwiesen.
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5. Am 19. Oktober 2021 ließ die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten Klage erheben und beantragen,
den Bescheid des Landratsamts Main-Spessart vom 1. Juli 2021, in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Unterfranken vom 17. September 2021, aufzuheben.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Schlussfolgerungen des Arztes ohne die notwendigen eingehenden Untersuchungen erfolgt und nicht ausreichend seien, um die durch den angegriffenen Bescheid verursachten Rechtsbeeinträchtigungen zu begründen. Es sei zumindest erforderlich, eine ärztliche Begutachtung durchzuführen, die auch konkret auf die Auswirkungen einer möglichen Erkrankung auf die Fahreignung der betroffenen Person eingehe. Der Gutachter habe lediglich eine einmalige, relativ kurze Untersuchung durchgeführt, und allein hieraus seine Schlussfolgerungen getroffen. Ausführungen des Arztes, warum die festgestellte Erkrankung tatsächlich auch Auswirkungen auf die Fahrereigenschaft der Klägerin habe, fehlten bzw. seien zumindest nicht so dargestellt, dass diese nachvollzogen werden könnten. Es bedürfe daher zumindest noch weiterer eingehender Untersuchungen, um konkrete und zutreffende Schlussfolgerungen bezüglich der behaupteten fehlenden Fahreignung treffen zu können. Zudem sei es bislang zu keinen Unfällen oder sonstigen Verkehrsbeeinträchtigungen durch die Teilnahme der Klägerin am Straßenverkehr gekommen. Es seien bisher auch keine sonstigen Verhaltensweisen der Klägerin erkennbar gewesen, die auf eine konkrete Fahrungeeignetheit schließen ließen.
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Das Landratsamt beantragte für den Beklagten,
die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen auf die Ausführungen im angegriffenen Bescheid vom 1. Juli 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. September 2021 verwiesen. Darüber hinaus wurde bekräftigt, dass das Landratsamt keinen Mangel in dem psychiatrischen Gutachten vom 21. Juni 2021 feststellen könne. Der Gutachter sei detailliert auf die Erkrankung der Klägerin eingegangen und habe seine Feststellungen als Facharzt für Psychiatrie getroffen. Die Klägerin besitze demnach keinerlei Krankheitseinsicht und ihr Verhalten stelle eine Gefährdung des Straßenverkehrs dar. Dieses Verhalten, insbesondere das festgestellte paranoide Denken und die Wahnvorstellungen, könne angesichts des starken Verkehrsaufkommens nicht hingenommen werden und stelle eine akute Gefahr für alle anderen Verkehrsteilnehmer dar. Eine gewisse Selbstgefährdung der Klägerin sei zudem nicht auszuschließen. Allein die Tatsache, dass die Klägerin bislang weder einen Verkehrsunfall verursacht habe noch es zu sonstigen Verkehrsbeeinträchtigungen gekommen sei, sage nichts über die Fahreignung der Klägerin aus. Gerade durch die Beurteilung im Gutachten, wonach die Klägerin nicht zu einem vorsichtigen Fahrverhalten in der Lage sei, werde deutlich, welche Gefahren von der Klägerin im Straßenverkehr ausgingen.
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6. Die Beteiligten erklärten sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Über die Klage konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten auf deren Durchführung verzichtet haben, § 101 Abs. 2 VwGO.
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Die zulässige Klage, die sich in Anwendung von §§ 86 Abs. 1, 88 VwGO gegen die Nrn. 1 und 2 des Bescheides des Landratsamts Main-Spessart vom 1. Juli 2021 in Form des Widerspruchsbescheids der Regierung von Unterfranken vom 17. September 2021 richtet, ist unbegründet, da der angefochtene Verwaltungsakt rechtmäßig und die Klägerin dadurch nicht in ihren Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Klägerin wurde zu Recht die Fahrerlaubnis entzogen und die Rückgabe des Führerscheins gefordert.
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Das Gericht verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe des Bescheides vom 1. Juli 2021 und des Widerspruchsbescheides vom 17. September 2021 und sieht von einer erneuten Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO). Ergänzend ist noch Folgendes auszuführen:
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1. Die Entziehung der Fahrerlaubnis in Nr. 1 des Bescheids vom 1. Juli 2021 erfolgte rechtmäßig. Die Klägerin hatte ihre Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 und 2 FeV i.V.m. Nr. 7.5.1 der Anlage 4 zur FeV in Folge des Vorliegens einer gereizten Manie und akuten affektiven Psychose verloren und bis zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids am 17. September 2021 auch nicht wiedererlangt.
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Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FeV). Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV).
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Gemäß Anlage 4 zur FeV ist bei bestimmten Erkrankungen die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr teilweise ausgeschlossen, teilweise wird die Eignung abhängig von den Umständen des Einzelfalls beurteilt. Nach der hier einschlägigen Norm des § 11 Abs. 2 Satz 1 und 2 FeV ordnet die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines fachärztlichen Gutachtens an, wenn Tatsachen bekannt sind, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung begründen. Die behördlicherseits vorgegebene Fragestellung in der Gutachtensanordnung muss dabei insbesondere den sich aus § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV ergebenden Anforderungen gerecht werden. Der Betroffene soll sich für den Fall der Rechtmäßigkeit der Gutachtensanordnung auch darüber befinden können, ob er die mit einer Begutachtung regelmäßig verbundenen Eingriffe in sein Persönlichkeitsrecht und/oder sein Recht auf körperliche Unversehrtheit hinnehmen oder sich - mit der Gefahr, seine Fahrerlaubnis entzogen zu bekommen - einer entsprechenden Begutachtung verweigern will. In materieller Hinsicht setzt die Rechtmäßigkeit der Gutachtensanordnung vor allem voraus, dass sie den Grundsätzen der Anlassbezogenheit und Verhältnismäßigkeit genügt (vgl. BayVGH, B.v. 11.2.2008 - 11 C 08.1030 - juris). Vor diesem Hintergrund und im Hinblick darauf, dass eine Gutachtensanordnung nicht isoliert mit Rechtsmitteln angegriffen werden kann, kann auf die strikte Einhaltung der vom Verordnungsgeber für die Rechtmäßigkeit einer solchen Anordnung aufgestellten formalen Voraussetzungen nicht verzichtet werden (vgl. BayVGH, B.v. 27.11.2012 - 11 ZB 12.1596 - ZfSch 2013, 177).
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Gemäß Nr. 7.5.1 der Anlage 4 zur FeV ist bei allen Manien und sehr schweren Depressionen die Eignung weder für die Klassen A, A1, A2, B, BE, AM, L, T (Gruppe 1) noch für die Klassen C, C1, CE, C1E, D, D1, DE, D1E, FzF (Gruppe 2) gegeben. Nach Abklingen der manischen Phase und der relevanten Symptome einer sehr schweren Depression ist die Eignung gemäß Nr. 7.5.2 der Anlage 4 zur FeV bei der Gruppe 1 dann gegeben, wenn nicht mit einem Wiederauftreten gerechnet werden muss, ggf. unter medikamentöser Behandlung, bei der Gruppe 2 bei Symptomfreiheit. Bei mehreren abgelaufenen psychotischen Episoden bejaht Nr. 7.6.3 der Anlage 4 zur FeV - unter dem Vorbehalt regelmäßiger Kontrollen - die Kraftfahrereignung für die Gruppe 1 unter den vorgenannten Voraussetzungen grundsätzlich. Für die Gruppe 2 wird sie hingegen nur ausnahmsweise unter besonders günstigen Umständen angenommen. Die Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung (Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, in der Fassung vom 28.10.2019, in Kraft getreten am 31.12.2019, Kapitel 3.12.4) führen hinsichtlich der Eignung zum Führen von Fahrzeugen der Gruppe 1 insofern aus, dass bei jeder sehr schweren Depression, die z. B. mit depressiv-wahnhaften oder mit akuter Suizidalität einhergeht, und bei allen manischen Phasen die für das Kraftfahren notwendigen psychischen Fähigkeiten so erheblich herabgesetzt sind, dass ein ernsthaftes Risiko des verkehrswidrigen Verhaltens besteht. Nach Abklingen der manischen Phase und wenn die relevanten Symptome einer sehr schweren Depression nicht mehr vorhanden sind und - ggf. unter regelmäßig kontrollierter medikamentöser Prävention - mit ihrem Wiederauftreten nicht mehr gerechnet werden muss, ist in der Regel von einem angepassten Verhalten bei Teilnahme am Straßenverkehr mit einem Kraftfahrzeug auszugehen. Wenn mehrere manische oder sehr schwere depressive Phasen mit kurzen Intervallen eingetreten waren und deshalb der weitere Verlauf nicht absehbar ist, ist nicht von einem angepassten Verhalten bei Teilnahme am Straßenverkehr mit einem Kraftfahrzeug auszugehen, auch wenn zurzeit keine Störungen nachweisbar sind. Ein angepasstes Verhalten kann nur dann wieder angenommen werden, wenn - ggf. durch eine medikamentöse Prävention - die Krankheitsaktivität geringer geworden ist und mit einer Verlaufsform in der vorangegangenen Schwere nicht mehr gerechnet werden muss. Dies muss durch regelmäßige psychiatrische Kontrollen belegbar sein. Für Fahrer der Gruppe 2 ist Symptomfreiheit zu fordern. Nach mehreren depressiven oder manischen Phasen ist in der Regel nicht von einem angepassten Verhalten bei Teilnahme am Straßenverkehr mit einem Kraftfahrzeug auszugehen. Dies wird damit begründet, dass affektive Psychosen in abgesetzten, depressiven (melancholischen) oder/und manischen Phasen verlaufen, in denen emotionale Funktionen, nicht aber Intelligenzfunktionen gestört sind. Hierdurch wird im Falle depressiver Erkrankungen die Anpassungs- und Leistungsfähigkeit beim Führen eines Kraftfahrzeuges nicht beeinträchtigt, außer in den oben genannten sehr schweren depressiven Phasen. In manischen Phasen ist jedoch auch bei geringer Symptomausprägung mit Beeinträchtigungen der Anpassungs- und Leistungsfähigkeit zu rechnen.
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2. Bei Anlegung dieser Maßstäbe steht zur vollen Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin jedenfalls bis zu dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt, d.h. beim Erlass des Widerspruchsbescheids am 17. September 2021, zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht geeignet war.
32
Das Bekanntwerden der signifikanten Verhaltensauffälligkeiten der Klägerin stellt einen hinreichenden Anlass dar, der gemäß § 46 Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV i.V.m. Nr. 7.5.1 der Anlage 4 zur FeV aufklärungsbedürftige Zweifel an der Fahreignung der Klägerin begründete. Diesbezüglich ist es unerheblich, dass die Fahrerlaubnisbehörde von diesem Umstand in einem Kontext erfuhr, der in keinem direkten Zusammenhang mit einer Teilnahme der Klägerin am Straßenverkehr stand.
33
Der Frage, ob das psychiatrische Gutachten zu Recht angefordert wurde, ist nicht weiter nachzugehen, denn das Ergebnis des Gutachtens ist in jedem Fall als neue Tatsache verwertbar (vgl. BVerwG, U.v. 28.4.2010 - 3 C 2/10 - NJW 2010, 3319, Rn. 19; BayVGH, B.v. 18.4.2011 - 11 C 10.3167/11 CS 10.3168 - SVR 2011, 389).
34
Die Gutachtensaufforderung ist jedenfalls hinreichend nach Art und Umfang bestimmt, die Fragestellung wahrt die Grenzen der Verhältnismäßigkeit; die gesetzte Frist von über zwei Monaten ist ebenfalls ausreichend. Die genannte Rechtsgrundlage ist zutreffend, das der Behörde eröffnete Ermessen wurde fehlerfrei ausgeübt. Die erforderlichen Hinweise auf einen Arzt nach § 11 Abs. 2 FeV sowie § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV sind enthalten. Sonstige Fehler sind weder ersichtlich noch wurden sie vorgetragen.
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Es wird insofern lediglich ergänzend darauf hingewiesen, dass die Fragestellung im Rahmen der behördlichen Beibringungsanordnung, die sich auf psychische Erkrankungen nach Nr. 7 der Anlage 4 zur FeV bezieht, nicht schon deshalb rechtswidrig ist, weil sie nicht zwischen den in dieser Nummer genannten psychischen Erkrankungen differenziert. Nach gefestigter Rechtsprechung genügt es, wenn die Behörde auf psychische Erkrankungen im Sinne der Nr. 7 der Anlage 4 zur FeV im Allgemeinen abstellt (vgl. BayVGH, B.v. 31.3.2016 - 11 ZB 16.61 - juris). Dies gilt jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem für die nicht sachkundige Behörde aufgrund der Aktenlage nicht eindeutig festzustellen ist, von welcher psychischen Erkrankung auszugehen ist, sondern verschiedene Krankheitsbilder im Raum stehen (VG München, U.v. 7.7.2020 - M 26 K 19.1194 - juris Rn. 29).
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3. Insofern die Klägerin die Verwertbarkeit des psychiatrischen Gutachtens in Frage stellt, kann dem nicht gefolgt werden. Die von der Klägerin vorgetragenen Einwände können das Gutachten insofern nicht erschüttern.
37
Maßgeblich für die Verwertbarkeit eines Gutachtens sind gemäß § 11 Abs. 5 FeV die Einhaltung der Grundsätze für die Durchführung der ärztlichen und der medizinisch-psychologischen Untersuchung sowie die Einhaltung der Grundsätze für die Erstellung der entsprechenden Gutachten aus Anlage 4a zur FeV („Grundsätze für die Durchführung der Untersuchungen und die Erstellung der Gutachten“).
38
Diesen normativen Anforderungen wird das vorliegende psychiatrische Gutachten gerecht. Es leidet weder an durchgreifenden formellen noch materiellen Mängeln. Das Gericht schließt sich insofern den zutreffenden Ausführungen der Behörden im Ausgangs- und Widerspruchsbescheid an.
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Ergänzend ist noch Folgendes auszuführen:
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3.1 Die Grundsätze zur Durchführung der Untersuchung gemäß Nr. 1 der Anlage 4a zur FeV wurden befolgt. Insbesondere hat die Untersuchung anlassbezogen und unter Verwendung der von der Fahrerlaubnisbehörde zugesandten Unterlagen über die Betroffene stattgefunden. Dem Gutachten lässt sich zudem entnehmen, welche Feststellungen der Gutachter aufgrund der Untersuchung der Klägerin getroffen hat. Es ist erforderlich, aber auch ausreichend, wenn das Gutachten, wie vorliegend, die wesentlichen Grundlagen, Anknüpfungstatsachen und Schlussfolgerungen nachprüfbar darlegt (VG Würzburg, U.v. 28.3.2018 - W 6 K 17.1524 - juris Rn. 27).
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Auch eine Verletzung der Grundsätze zur Erstellung eines Gutachtens gem. Nr. 2 der Anlage 4a zur FeV kann nicht festgestellt werden. Danach muss ein Gutachten u.a. in allgemeinverständlicher Sprache abgefasst sowie nachvollziehbar und nachprüfbar sein. Die Nachvollziehbarkeit betrifft die logische Ordnung (Schlüssigkeit) des Gutachtens. Sie erfordert die Wiedergabe aller wesentlichen Befunde und die Darstellung der zur Beurteilung führenden Schlussfolgerungen. Die Nachprüfbarkeit betrifft die Wissenschaftlichkeit. Diese fordert, dass die Untersuchungsverfahren angegeben und, soweit die Schlussfolgerungen auf Forschungsergebnisse gestützt sind, die Quellen genannt werden (Buchst. a). Das Gutachten muss in allen wesentlichen Punkten, insbesondere im Hinblick auf die gestellten Fragen (§ 11 Abs. 6 FeV), vollständig sein. Der Umfang eines Gutachtens richtet sich dabei nach der Befundlage. Bei eindeutiger Befundlage wird das Gutachten knapper, bei komplizierter Befundlage ausführlicher erstattet (Buchst. b). Im Gutachten muss schließlich dargestellt und unterschieden werden zwischen der Vorgeschichte und dem gegenwärtigen Befund (Buchst. c).
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Die für das Urteil über die Fahrtauglichkeit der Klägerin maßgeblichen Umstände, mithin die diagnostizierte gereizte Manie und paranoide Psychose und die damit verbundenen Symptome, wie etwa das Vorliegen formaler und inhaltlicher Denkstörungen sowie Wahnvorstellungen und weiterer manieformer Symptome, wie die Unfähigkeit zu logischen Verknüpfungen, hochgradig geminderte bis annährend aufgehobene Kritikfähigkeit sowie aufgehobenes Urteilsvermögen, werden im Gutachten im Sinne der oben genannten Voraussetzungen nachvollziehbar und schlüssig aus dem ausführlichen psychiatrischen Explorationsgespräch hergeleitet und begründet. Zur Feststellung der fehlenden Krankheits- und Behandlungseinsicht bezieht sich der ärztliche Gutachter ebenfalls auf die aus dem psychiatrischen Explorationsgespräch gewonnenen Erkenntnisse. Auch die an diese Feststellungen unmittelbar anknüpfende Schlussfolgerung, die Klägerin sei nicht zu einem vorsichtigen Fahrverhalten in der Lage, und wegen zu erwartender Übergriffigkeiten sowie Übersprungshandlungen definitiv eine Gefährdung des Straßenverkehrs, ist schlüssig und nachvollziehbar dargelegt. Gleichermaßen geht hieraus deutlich hervor, dass die Klägerin aufgrund ihres Gesundheitszustands nicht in der Lage ist, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu genügen. Der Gutachter hat insoweit für die erkennende Kammer nachvollziehbar und nachprüfbar den Schluss von den festgestellten ärztlichen Befunden auf die fehlenden Fahreignung der Klägerin gezogen.
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3.2 Das Gutachten ist - auch im Hinblick auf die vom Landratsamt in der Gutachtensanordnung gestellten Fragen - in allen wesentlichen Punkten vollständig. Zwar werden unter dem Gliederungspunkt „Zusammenfassung und Beurteilung“ (S. 3 f. des Gutachtens) nicht alle drei Fragen optisch hervorgehoben und jeweils für sich abschnittsweise beantwortet. Jedoch werden alle aufgeworfenen Fragen in der Sache vollständig beantwortet.
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Die erste Frage, ob bei der Klägerin eine Krankheit vorliege, insbesondere eine psychische Erkrankung nach Kapitel 7 der Anlage 4 zur FeV, die gegenwärtig die Fahreignung ausschließe, wird von dem Gutachter dahingehend bejaht, dass dieser bei der Klägerin im Ergebnis eine gereizte Manie und paranoide Psychose, mithin psychische Erkrankungen im Sinne von Kapitel 7 der Anlage 4 zur FeV, namentlich der Nr. 7.5.1, diagnostiziert.
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Die zweite vom Landratsamt gestellte Frage, ob die Klägerin in der Lage sei, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 gerecht zu werden, beantwortet der Gutachter im Rahmen der „Zusammenfassung und Beurteilung“ (S. 3 f. des Gutachtens) eindeutig negativ, indem er zunächst die Symptome und Verhaltensweisen, die die Klägerin infolge ihrer psychischen Erkrankung nach den Feststellungen des Gutachters aufweist, konkret benennt und daran unmittelbar anknüpfend schlussfolgert, dass die Klägerin aufgrund ihres Gesundheitszustands nicht zu einem vorsichtigen Fahrverhalten in der Lage sei, und wegen zu erwartender Übergriffigkeiten sowie Übersprungshandlungen definitiv eine Gefährdung des Straßenverkehrs darstelle, mithin die Klägerin nicht in der Lage sei, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu genügen.
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Die dritte vom Landratsamt gestellte Frage dahingehend, ob weitere Untersuchungen, z.B. psychologische Test des Leistungsvermögens, erforderlich seien, wird zwar nicht explizit adressiert. Aus der fehlenden ausdrücklichen Feststellung, dass nach Ansicht des Gutachters weitere Untersuchungen der Klägerin erforderlich seien, ist jedoch nach lebensnaher Betrachtung der Umkehrschluss zulässig, dass solche zum gegenwärtigen Zeitpunkt gerade nicht notwendig seien. Ergänzend hierzu ist die Aussage des Gutachters in dessen vorläufigen Arztbrief vom 21. Juni 2021 zu berücksichtigen, insofern er bereits an dieser Stelle deutlich macht, dass nach seiner Einschätzung die Fahrtauglichkeit der Klägerin definitiv nicht gegeben sei und ein umgehender Fahrerlaubnisentzug dringend empfohlen werde.
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3.3 Auch die übrigen Anforderungen an ein Gutachten nach Nr. 2 der Anlage 4a zur FeV sind eingehalten. Im Gutachten wurde zunächst klar zwischen der Vorgeschichte (Anamnese) und dem aktuellen Untersuchungsbefund differenziert. Die Inhalte des psychiatrischen Explorationsgesprächs sind in dem Gutachten genau und detailliert widergegeben worden. Der Umfang des Gutachtens von knapp 3,5 Seiten ist in Anbetracht der eindeutigen Befundlage und der inhaltlich konzisen sowie aussagekräftigen Ausführungen nicht zu beanstanden. Insoweit ist auch das - pauschale und wenig substantiierte - Vorbringen der Klägerin dahingehend, dass die Schlussfolgerungen des Arztes ohne die notwendigen eingehenden Untersuchungen gezogen worden seien und die Untersuchung nur einmalig stattgefunden habe und dabei von relativ kurzer Dauer gewesen sei, unter Berücksichtigung des Umfangs und inhaltlichen Dichte des vorliegenden Gutachtens kaum nachvollziehbar. Dessen Aussagekraft und die sich daraus ergebenden Fahreignungszweifel vermag der von der Klägerin vorgebrachte Einwand jedenfalls nicht zu erschüttern.
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Zudem weist die Kammer in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Grundsätze zur Erstellung eines Gutachtens gemäß Nr. 2 der Anlage 4a zur FeV keine bestimmten Vorgaben hinsichtlich der Mindestdauer oder der Mindesthäufigkeit einer Untersuchung vorsehen. Vielmehr richtet sich der Umfang eines Gutachtens und der - dem Gutachten vorgelagerten Diagnostik - nach der Komplexität der jeweiligen Befundlage im Einzelfall (vgl. Nr. 2 Buchst. b).
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3.4 Auch der Umstand, dass die Art der Untersuchung nicht explizit genannt wurde, ist unschädlich, da sich aus den Umständen der Gutachtenerstellung unzweifelhaft ergibt, dass die Untersuchung in erster Linie aus einem Explorationsgespräch in Gestalt eines halbstrukturierten Interviews bestand, was einen üblichen und wesentlichen Bestandteil der psychiatrischen Diagnostik darstellt. Die - den hierdurch gewonnenen klinischen Eindruck - flankierende Durchführung von standardisierten Selbst- und Fremdbeurteilungsskalen wird zwar bei psychischen Krankheitsbildern in der Kommentierung der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung empfohlen (Schubert/Huetten/Reiman/Graw, Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahreignung, 3. Aufl. 2018, zu Kapitel 3.12, S. 235), aber nicht von Gesetzes wegen als Mindeststandard oder gar zwingend vorgegeben.
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4. Soweit der Klägerbevollmächtigte im Verwaltungs- und Klageverfahren die Kompetenz und das Vorgehen des begutachtenden Arztes in Frage stellt, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Bei dem Gutachter Dr. med. B. handelt es sich um einen Facharzt für Neurologie und Psychiatrie und Psychotherapie. Aufgrund seiner Ausbildung und fachlichen Spezialisierung sowie verkehrsmedizinischen Qualifikation bestehen deshalb keine Zweifel daran, dass er die Auswirkung einer gereizten Manie und paranoiden Psychose auf die Kraftfahreignung der Klägerin beurteilen kann.
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Auch die im Rahmen des Verwaltungsverfahrens vorgetragene Behauptung, wonach die Klägerin keinen Draht zu dem Gutachter gefunden habe und dieser von Vornherein gegen sie eingestellt gewesen sei, verfängt nicht. Zwar mag die Klägerin dies subjektiv so empfunden haben. Aus dem Gutachten selbst lassen sich aber weder eine entsprechende Voreingenommenheit noch derartige Emotionen des Gutachters entnehmen. Nähere Anhaltspunkte zu sonstigen Umständen, aus denen die Klägerin die empfundene Voreingenommenheit ableitet, wurden auch nicht dargelegt.
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Das psychiatrische Gutachten vom 21. Juni 2021 ist daher verwertbar und konnte seitens des Landratsamts als Entscheidungsgrundlage herangezogen werden. Der Einholung eines weiteren Gutachtens bedurfte es somit nicht.
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5. Ohne Bedeutung für die Anordnung des Entzugs der Fahrerlaubnis ist im Übrigen das Vorbringen, die Klägerin sei in der Vergangenheit im Straßenverkehr weder mit Verkehrsverstößen noch mit Fahrfehlern aufgefallen. Die sicherheitsrechtliche Fahrerlaubnisentziehung durch die Verwaltungsbehörde ist gemäß § 3 Abs. 1 StVG, § 46 Abs. 1 FeV eine, eigenen Voraussetzungen unterworfene, präventive Maßnahme zum künftigen Schutz der Sicherheit des Straßenverkehrs und der Individualrechtsgüter, namentlich Leib und Leben, der Verkehrsteilnehmer vor Gefährdungen durch unfähige und ungeeignete Kraftfahrer (vgl. BVerfG, B.v. 20.6.2002 - 1 BvR 2062/96 - BeckRS 2002, 22568, Rn. 48 zur Vorläufervorschrift § 15 b Abs. 1 StVZO; VG Aachen, B.v. 19.5.2020 - 3 L 309/20 - BeckRS 2020, 11581 Rn. 10) und hat, obschon sie im Einzelfall einschneidende Folgen für die Lebensführung des Betroffenen haben mag, keinen strafenden Charakter im rechtlichen Sinne (vgl. BayVGH, B.v. 14.2.2006 - 11 CS 05.1210 - juris Rn. 22). Eine Entziehung der Fahrerlaubnis wegen fehlender Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ahndet mithin keine Gesetzesverstöße der Vergangenheit und setzt daher auch keinen bereits begangenen Verstoß gegen das Straßenverkehrsrecht oder das Strafgesetzbuch voraus.
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6. Da sich die Klägerin im Ergebnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat, hatte das Landratsamt der Klägerin gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 und 2 FeV i.V.m. Nr. 7.5.1 der Anlage 4 zur FeV die Fahrerlaubnis zu entziehen, ohne dass ihm ein Ermessen eingeräumt war.
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Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides am 17. September 2021 (Zustellung: 20. September 2021) ihre Fahreignung bereits hätte wiedergewonnen haben können, wurden weder vorgetragen noch sind solche ersichtlich.
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7. Gegen den Bescheid im Übrigen bestehen keine rechtlichen Bedenken, insbesondere die Ablieferungspflicht des Führerscheins (Nr. 2 des Bescheides), bestehen keine rechtlichen Bedenken. Diesbezüglich wurden auch keine Einwände vorgebracht. Das Gericht verweist insofern auf die zutreffenden Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid, denen es folgt (§ 117 Abs. 5 VwGO).
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Die Klage konnte daher insgesamt keinen Erfolg haben.
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8. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.