Inhalt

FG Nürnberg, Urteil v. 06.05.2022 – 7 K 1023/21
Titel:

Einhaltung der Monatsfrist in Finanzsachen - Versand per Mail

Normenketten:
AO § 162 Abs. 1
FGO § 52a Abs. 3 S. 1, § 56, § 64 Abs. 1, § 66 Abs. 1
Leitsätze:
1. Eine handschriftlich unterzeichnete Beschwerde- oder Klageschrift, die als Anhang einer elektronischen Nachricht im pdf.-Format übermittelt wird, ist zu dem Zeitpunkt in schriftlicher Form bei Gericht eingereicht, in dem bei Gericht ein Ausdruck der den vollständigen Schriftsatz enthaltenden pdf.-Datei vorliegt (vgl. BGH-Beschluss vom 18.03.2015 XII ZB 424/14, HFR 2015, 704; BGH-Beschluss vom 04.02.2020 X ZB 11/18, FamRZ 2020, 847; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Urteil vom 16.08.2012 3 R 801/11, juris). Im Zeitpunkt seines Ausdruckes wandelt sich das elektronische Dokument in ein schriftliches Dokument (Finster in: JurisPK-ERV, § 64 FGO Rn. 37). (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein elektronisches Dokument, das unter Missachtung der Anforderungen von § 52a Abs. 3 und 4 FGO eingereicht wird, entfaltet keine Rechtswirkungen (Stapperfend in: Gräber, FGO, § 52a Rn. 31; BT-Drs. 17/12634, 25 zu § 130a Abs. 3 ZPO). Wird daher ein elektronisches Dokument weder qualifiziert elektronisch signiert noch auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht, ist die prozessuale Form nicht gewahrt. Ein solches Dokument ist, sofern die Verfahrensordnung wie im Streitfall Schriftform voraussetzt, nicht wirksam eingereicht. Dies gilt auch für Emails nebst Anhängen, die nicht auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht worden sind (vgl. FG Köln Urteil vom 25.01.2018 10 K 2732/17, EFG 2018, 761; BFH-Beschluss vom 26.07.2011 VII R 30/10, BStBl. II 2011, 925).  (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Klageerhebung
Fundstellen:
StEd 2022, 506
EFG 2022, 1386
DStRE 2023, 231
BeckRS 2022, 16810
LSK 2022, 16810

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

1
Streitig ist die Zulässigkeit der Erhebung einer Klage per Email, welcher eine pdf.-Datei mit handschriftlich unterzeichneter Klageschrift angehängt war.
2
An der Klägerin zu 3. - einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts - ist der Kläger zu 1. in Höhe von 6 v.H. und der Kläger zu 2. in Höhe von 94 v.H. beteiligt. Die Klägerin zu 3. erzielte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Anwesens C-Straße XX in D.
3
Die Kläger reichten für die Veranlagungszeiträume 2014 bis 2017 keine Steuererklärungen beim Finanzamt ein. Das Finanzamt schätzte die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 162 Abs. 1 AO durch Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen wie folgt:

VZ

Bescheid vom

Einkünfte der Klägerin zu 3. aus Vermietung und Verpachtung

Aufteilung auf die Kläger zu 1. und 2.: 6 v.H. / 94 v.H.

Vorbehalt der Nachprüfung

2014

20.04.2016

60.000 €

ja

ja

2015

01.06.2017

20.000 €

ja

ja

2016

07.11.2018

40.000 €

ja

ja

2017

19.02.2019

60.000 €

ja

ja

4
Mit Bescheiden jeweils vom 14.10.2020 hob das Finanzamt die Vorbehalte der Nachprüfung auf. Die Bescheide wurden den Klägern zu 1. und 2. gemäß § 183 Abs. 2 S. 2 AO einzeln bekanntgegeben.
5
Das Finanzamt schätzte auch die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für den Veranlagungszeitraum 2018 gemäß § 162 Abs. 1 AO und gab den Bescheid den Klägern zu 1. und 2. gemäß § 183 Abs. 2 S. 2 AO einzeln bekannt wie folgt:

VZ

Bescheid vom

Einkünfte der Klägerin zu 3. aus Vermietung und Verpachtung

Aufteilung auf die Kläger zu 1. und 2.:

6 v.H. / 94 v.H.

Vorbehalt der Nachprüfung

2018

09.10.2020

65.000 €

ja

ja

6
Gegen die Bescheide vom 14.10.2020 über die Aufhebung der Vorbehalte der Nachprüfung in den Bescheiden über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2014 bis 2017 als auch gegen den Bescheid vom 09.10.2020 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2018 wurde mit Schreiben vom 11.11.2020 - eingegangen beim Finanzamt am gleichen Tag per Telefax - jeweils Einspruch eingelegt. Die Einsprüche wurden trotz mehrfacher Aufforderungen nicht begründet.
7
Mit gemeinsamen Einspruchsentscheidungen vom 13.07.2021 (Dienstag) wies das Finanzamt die Einsprüche als unbegründet zurück und hob den Vorbehalt der Nachprüfung für den Veranlagungszeitraum 2018 auf. In der Rechtsbehelfsbelehrungder Einspruchsentscheidungen ist u.a. ausgeführt:
„Die Klage ist bei dem Finanzgericht Nürnberg, Deutschherrn straße 8 in 9..0429 Nürnberg, schriftlich oder als elektronisches Dokument einzureichen oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erklären.“
und
„Die Voraussetzungen zur elektronischen Einreichung regelt § 52a der Finanzgerichtsordnung. Nähere Informationen hierzu sind im Internet unter www.finanzgerichte.bayern.de im Ordner „Elektr. Poststelle“ erhältlich.“
8
Am 16.08.2021 - einem Montag - ging bei der Poststelle des Finanzgerichts Nürnberg um 21:41 Uhr eine Email mit dem Betreff „A+B GbR - Klageeinreichung“ ein. Die Email war von der Adresse <E@F.de> aus versandt worden. In deren Anhang befand sich eine Datei im pdf.-Format, welche eine durch E handschriftlich unterzeichnete Klageschrift enthielt.
9
Mit Schreiben des Berichterstatters vom 20.08.2021 wurde der Klägervertreter ergänzend aufgefordert, im Rahmen der Klagebegründung insbesondere auch eine Stellungnahme zur Frage der Zulässigkeit der per Email erhobenen Klage abzugeben.
10
Am 29.09.2021 reichte der Klägervertreter Erklärungen für sämtliche Streitjahre ein. Diese waren nicht unterzeichnet und wiesen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus wie folgt:

VZ

Einkünfte der Klägerin zu 3. aus Vermietung und Verpachtung

davon laufend (Verteilung 6 v.H. / 94 v.H.)

davon Abschreibung Altsubstanz (Kläger zu 2.)

davon Abschreibung Anteilserwerb (Kläger zu 2.)

davon Abschreibung Anteilserwerb (Kläger zu 1.)

2014

- 3.249 €

93.054,30 €

- 48.896,25 €

- 36.028,27 €

- 11.377,35 €

2015

- 47.744 €

45.519,88 €

- 48.207,56 €

- 34.245,20 €

- 10.810,15 €

2016

- 3.301 €

63.624,16 €

- 47.777,25 €

- 14.551,95 €

- 4.595,35 €

2017

34.442 €

105.368,44 €

- 47.777,25 €

- 14.551,95 €

- 4.595,35 €

2018

- 91.949 €

- 25.025,06 €

- 47.777,25 €

- 14.551,95 €

- 4.595,35 €

11
Die Unterscheidung der Abschreibungen in Altsubstanz und Anteilserwerb beruhte auf Anteilserwerben der Kläger zu 1. und 2. vom 28.11. bzw. 30.11.2005, welche in ergänzenden Verzeichnissen erfasst waren. Ursprünglich war der Kläger zu 2. in Höhe von 75 v.H. an der Gesellschaft beteiligt gewesen („Altsubstanz“). Der Anteilserwerb in 2005 verteilte sich zu 19 v.H. auf den Kläger zu 2. und zu 6 v.H. auf den Kläger zu 1. Diese beiden Kläger entrichteten Anschaffungskosten in Höhe von 967.448,58 € bzw. 305.510,08 € für einen damaligen Buchwert in Höhe von insgesamt 1.078.115,68 €.
12
Zur Zulässigkeit der Klage wird für die Kläger im Wesentlichen ausgeführt:
13
Die Klage sei unter Wahrung der Schriftform eingereicht worden. Der Versand der Klage sei nicht per Fax, sondern an die „von Ihnen angegebene“ E-Mail-Adresse erfolgt.
14
Klassisch sei die Einreichung einer Klage in der Form, dass die unterzeichnete Klageschrift in Papier an das Finanzgericht versandt werde. Daneben sei auch die Übermittlung per Telefax möglich. Das in Papier vorliegende Dokument - die Klageschrift - werde durch das Fax eins zu eins wiedergegeben. Im Rahmen der Digitalisierung und Modernisierung sei die Email als Neues hinzugekommen und habe sich im Geschäftsverkehr durchgesetzt. Sie sei das neue Faxgerät, dessen „Weiterentwicklung“. Faxnummer und Email-Adresse würden auch in den offiziellen Schreiben des Finanzgerichts Nürnberg angegeben werden.
15
Die Klageschrift vom 16.08.2021 sei in der Form, wie sie auch auf dem Postweg oder per Fax zugehen würde, an das Finanzgericht versandt worden. Die Klageschrift sei nicht in der Form eingereicht worden, dass die Anforderungen einer Klage in dem dafür vorgesehenen Email-Text aufgeführt und einzeln dargestellt worden seien. Die übersandte Klageschrift vom 16.08.2021 enthalte eine eigenhändige Unterschrift. Da eine elektronische Signatur dazu diene, die eigenhändige Unterschrift zu ersetzen, würde eine solche dazu führen, dass die Klageschrift zweimal unterzeichnet worden wäre. Die Einreichung per Email erfülle damit dieselben Voraussetzungen wie im Falle eines Versandes per Post oder Fax, ein Unterschied zwischen den verschiedenen Übermittlungswegen sei nicht zu erkennen. Auch würden beim Empfänger eingehende Faxschriftstücke heute nicht mehr auf Papier ausgedruckt, sondern am PC empfangen werden. Die Klageschrift vom 16.08.2021 sei in klassischer Form auf Papier erstellt und unter Verwendung des neuen Mediums Email eingereicht worden.
16
Aus der eingereichten Klageschrift würden sich keine Zweifel über den Aussteller und den Willen der Klageschrift ergeben.
17
Darüber hinaus sei ein Versand per Email viel sicherer als ein solcher per Fax. Eine Email habe immer einen aus der Adresse erkennbaren Absender, während der Versand eines Faxes ohne Absenderkennung möglich sei.
18
In dem abgekoppelten Verfahren zur Umsatzsteuer 2018 und 2019 habe sich das Finanzamt grundsätzlich bereiterklärt, dem Klagebegehren zu entsprechen (zum Beispiel BFH-Beschluss vom 25.07.1991 III B 10/91, Rz. 9, juris). Da beide Verfahren zusammenhängen würden (von der eingereichten Klage sei die Umsatzsteuer abgekoppelt worden), werde aufgrund des Parallelverfahrens davon ausgegangen, dass auch in diesem Verfahren eine Einigung auf dieser Basis erfolgen könne.
19
Die Frage, ob eine pdf.-Datei ein elektronisches Dokument oder ein Schriftstück ist, sei von grundsätzlicher Bedeutung.
20
Die Kläger beantragen,
- für 2014 den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 20.04.2016 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 14.10.2020 und der Einspruchsentscheidung vom 13.07.2021 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung unter Berücksichtigung einer von der quotalen Verteilung abweichenden Abschreibung für die Klägerin zu 3. in Höhe von -3.247 €, den Kläger zu 1. in Höhe von -5.794 € und den Kläger zu 2. in Höhe von +2.546 € festgestellt werden;
- für 2015 den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 01.06.2017 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 14.10.2020 und der Einspruchsentscheidung vom 13.07.2021 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung unter Berücksichtigung einer von der quotalen Verteilung abweichenden Abschreibung für die Klägerin zu 3. in Höhe von -47.743 €, den Kläger zu 1. in Höhe von -8.078 € und den Kläger zu 2. in Höhe von -39.664 € festgestellt werden;
- für 2016 den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 07.11.2018 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 14.10.2020 und der Einspruchsentscheidung vom 13.07.2021 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung unter Berücksichtigung einer von der quotalen Verteilung abweichenden Abschreibung für die Klägerin zu 3. in Höhe von -3.300 €, den Kläger zu 1. in Höhe von -777 € und den Kläger zu 2. in Höhe von -2.522 € festgestellt werden;
- für 2017 den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 19.02.2019 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 14.10.2020 und der Einspruchsentscheidung vom 13.07.2021 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung unter Berücksichtigung einer von der quotalen Verteilung abweichenden Abschreibung für die Klägerin zu 3. in Höhe von +38.443 €, den Kläger zu 1. in Höhe von +1.726 € und den Kläger zu 2. in Höhe von +36.717 € festgestellt werden;
- für 2018 den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 09.10.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.07.2021 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung unter Berücksichtigung einer von der quotalen Verteilung abweichenden Abschreibung für die Klägerin zu 3. in Höhe von -91.949 €, den Kläger zu 1. in Höhe von -6.096 € und den Kläger zu 2. in Höhe von -85.852 € festgestellt werden;
- für den Fall des Unterliegens die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung;
- für den Fall des Obsiegens die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren.
21
Das beklagte Finanzamt beantragt,
- die Klage abzuweisen.
22
Zur Begründung führt es im Wesentlichen aus:
23
Eine per E-Mail ohne qualifizierte elektronische Signatur erhobene Klage genüge den Anforderungen des § 64 Abs. 1 FGO nicht und sei unzulässig (vgl. FG München vom 05.06.2020 7 K 685/20, juris).
24
Gemäß § 64 Abs. 1 FGO sei für die Erhebung der Klage Schriftform vorgeschrieben.
25
Die Voraussetzungen zur elektronischen Einreichung seien in § 52a FGO geregelt. Ein entsprechender Hinweis sei in den Rechtsbehelfsbelehrungen der Einspruchsentscheidungen vom 13.07.2021 erfolgt. Gemäß § 52a Abs. 3 FGO müsse ein elektronisches Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 52 a Abs. 4 FGO eingereicht werden. Dies sei nicht erfolgt.
26
Dem Gericht liegen zur Entscheidung 1 Band Rechtsbehelfsakten des beklagten Finanzamts vor; auf dessen Inhalt und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 06.05.2022 wird verwiesen.
27
Auf den vom Klägervertreter E übermittelten Telefaxen wird die Nummer des rufenden Teilnehmers mit „unknown“ und die Absender-Kennung mit „Keine Sender-ID verfügbar“ angezeigt. Das Telefax der Kanzlei F übermittelt Telefaxe unter der Rufnummer „+49…“ und der Absender-Kennung „+49 …“ (vgl. Telefax vom 08.03.2022). Der als Prozessbevollmächtigter unterzeichnende E ist nicht auf dem Briefkopf der Kanzlei F aufgeführt.

Entscheidungsgründe

28
Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
29
Bis zum Ablauf der Klagefrist am 16.08.2021 (24:00 Uhr) lag keine wirksame Klage bei Gericht vor. Die Email des Prozessbevollmächtigten vom 16.08.2021 erfüllt nicht die Anforderungen an eine wirksame Klageerhebung. Die bloße Übermittlung einer pdf.-Datei wahrt nicht die nach § 64 Abs. 1 FGO erforderliche Schriftform. Eine elektronische Klageerhebung scheitert am gewählten Übermittlungsweg. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war nicht zu gewähren.
30
1. Im Streitfall endete die Klagefrist am 16.08.2021, 24:00 Uhr.
31
1. a. Gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO beträgt die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf. Bei der Übermittlung eines schriftlichen Verwaltungsaktes durch die Post im Inland gilt für die Bekanntgabe die Drei-Tages-Fiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO. Im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen (§ 122 Abs. 2 letzter Halbsatz AO).
32
1. b. Gemäß § 55 Abs. 1 FGO beginnt die Frist für einen Rechtsbehelf nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Behörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, ist die Einlegung des Rechtsbehelfs grundsätzlich innerhalb eines Jahres seit Bekanntgabe i.S.d. § 54 Abs. 1 FGO zulässig (§ 55 Abs. 2 Satz 1 FGO).
33
Nach Rechtsprechung des BFH muss die Rechtsbehelfsbelehrungkeinen Hinweis auf die Möglichkeit der Einlegung auf elektronischem Weg enthalten. Grundsätzlich genügt eine Wiederholung des Gesetzeswortlautes, bei der Klage also § 64 Abs. 1 FGO mit dem Inhalt, die Klage sei bei dem Gericht schriftlich oder zur Niederschrift zu erheben. Darüber hinaus sind nicht zwingend vorgeschriebene Angaben möglich; diese müssen richtig, vollständig und unmissverständlich sein. Weist die Rechtsbehelfsbelehrungauf die Möglichkeit der Einlegung auf elektronischem Weg hin, genügt die Angabe, dass für den elektronischen Weg § 52a FGO gilt (BFH-Beschluss vom 21.05.2021 II S 5/21 (PKH), BFH/NV 2021, 1204).
34
1. c. Im Streitfall begann die einmonatige Klagefrist mit Ablauf des 16.07.2021 (Freitag) und endete mit Ablauf des 16.08.2021 (Montag).
35
(1) Die Einspruchsentscheidungen vom 13.07.2021 galten am 16.07.2021 als bekanntgegeben. Zwar enthalten die Entwürfe des Finanzamts zu den Einspruchsentscheidungen im angehängten Absendevermerk kein Datum und keine Unterschrift des Bediensteten der Poststelle über die Aufgabe zur Post. Die Entwürfe enthalten jedoch einen Absendevermerk der zuständigen Sachbearbeiterin der Rechtsbehelfsstelle vom 13.07.2021, und die vom Klägervertreter mit Telefax vom 29.09.2021 vorgelegten Einspruchsentscheidungen tragen einen darauf angebrachten Eingangsstempel der Kanzlei F vom 14.07.2021. An der Aufgabe der Einspruchsentscheidungen zur Post am 13.07.2021 bestehen keine Zweifel.
36
(2) Die Frist zur Erhebung der Klage betrug einen Monat und begann mit Ablauf des 16.07.2021. Die Erhebung der Klage war nicht wegen unterbliebener oder unrichtiger Rechtsbehelfsbelehrunginnerhalb eines Jahres seit Bekanntgabe zulässig. Die streitgegenständlichen Einspruchsentscheidungen waren mit zutreffenden Rechtsbehelfsbelehrungen versehen, welche dem Wortlaut des § 64 Abs. 1 FGO entsprechen. Zusätzlich wiesen die Entscheidungen auf die Möglichkeit der Erhebung der Klage beim FG Nürnberg als elektronisches Dokument und die Voraussetzungen hierzu in § 52a FGO sowie weitere Informationen unter www.finanzgerichte.bayern.de hin. Diese Belehrung ist nach ständiger Rechtsprechung ausreichend und genügt den Anforderungen des § 55 Abs. 1 FGO.
37
(3) Die Frist zur Erhebung der Klage endete daher mit Ablauf des 16.08.2021 (24:00 Uhr).
38
2. Bis zu diesem Zeitpunkt lag keine wirksame Klageerhebung bei Gericht vor. Die Email des Prozessbevollmächtigten vom 16.08.2021 erfüllt nicht die Anforderungen an eine wirksame Klageerhebung. Die bloße Übermittlung einer pdf.-Datei auf elektronischem Weg wahrt nicht die nach § 64 Abs. 1 FGO erforderliche Schriftform. Die als elektronisches Dokument zu wertende pdf.-Datei wurde nicht auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht.
39
2. a. Gemäß § 64 Abs. 1 FGO ist die Klage bei dem Gericht schriftlich zu erheben.
40
Bei der Klageschrift nach § 64 FGO handelt es sich um einen sog. „bestimmenden Schriftsatz“ (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 30. April 1979 GmS-OGB 1/78, HFR 1980, 257). Durch diesen wird eine für das Verfahren wesentliche Prozesshandlung vollzogen und aus diesem Grund an ihre Einreichung vom Gesetz besondere verfahrensrechtliche Folgen geknüpft. So wird mit Einreichung der Klageschrift im finanzgerichtlichen Verfahren die Streitsache rechtshängig (§ 66 Abs. 1 FGO) und durch eine rechtzeitige Einreichung die Klagefrist (§ 47 FGO) gewahrt.
41
Die Schriftlichkeit soll dabei gewährleisten, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können. Außerdem muss feststehen, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist.
42
2. b. Eine handschriftlich unterzeichnete Beschwerde- oder Klageschrift, die als Anhang einer elektronischen Nachricht im pdf.-Format übermittelt wird, ist zu dem Zeitpunkt in schriftlicher Form bei Gericht eingereicht, in dem bei Gericht ein Ausdruck der den vollständigen Schriftsatz enthaltenden pdf.-Datei vorliegt (vgl. BGH-Beschluss vom 18.03.2015 XII ZB 424/14, HFR 2015, 704; BGH-Beschluss vom 04.02.2020 X ZB 11/18, FamRZ 2020, 847; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Urteil vom 16.08.2012 3 R 801/11, juris). Im Zeitpunkt seines Ausdruckes wandelt sich das elektronische Dokument in ein schriftliches Dokument (Finster in: JurisPK-ERV, § 64 FGO Rn. 37).
43
2. c. Gemäß § 52a Abs. 1 FGO i.d.F. vom 12.12.2019 (gültig im Zeitraum von 01.01.2020 bis 31.12.2021) können vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen, schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Beteiligten sowie schriftlich einzureichende Auskünfte, Aussagen, Gutachten, Übersetzungen und Erklärungen Dritter nach Maßgabe von § 52a Abs. 2 bis 6 FGO als elektronisches Dokument bei Gericht eingereicht werden. Das elektronische Dokument ist eingegangen, sobald es auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts gespeichert ist (§ 52a Abs. 5 Satz 1 FGO).
44
Bei einer pdf.-Datei handelt es sich regelmäßig um solch ein elektronisches Dokument (Finster in: jurisPK-ERV § 64 FGO Rn. 17).
§ 52a Abs. 3 Satz 1 FGO sieht vor, dass das elektronische Dokument entweder (1) mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder (2) von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden muss.
45
Durch das Erfordernis des sicheren Übermittlungsweges soll sichergestellt werden, dass das vom Verfasser erstellte Dokument unverändert bei Gericht eingeht (Stapperfend in: Gräber, FGO, § 52a Rn. 20). Auch soll die Identität des Absenders aufgrund der Übersendung auf einem sicheren Übermittlungsweg feststellbar und damit die Authentizität der Unterschrift nachweisbar sein (Finster in: jurisPK-ERV, § 52a FGO Rn. 61 ff.)
46
In § 52a Abs. 4 FGO i.d.F. vom 12.12.2019 werden als sichere Übermittlungswege geregelt:
Nr. 1: De-Mail-Kontos bei Anmeldung und Bestätigung
Nr. 2: Besonderes elektronisches Anwaltspostfach
Nr. 3: Identifizierungsverfahren mit Behörde
Nr. 4: Sonstiges
47
Ein elektronisches Dokument, das unter Missachtung der Anforderungen von § 52a Abs. 3 und 4 FGO eingereicht wird, entfaltet keine Rechtswirkungen (Stapperfend in: Gräber, FGO, § 52a Rn. 31; BT-Drs. 17/12634, 25 zu § 130a Abs. 3 ZPO). Wird daher ein elektronisches Dokument weder qualifiziert elektronisch signiert noch auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht, ist die prozessuale Form nicht gewahrt. Ein solches Dokument ist, sofern die Verfahrensordnung wie im Streitfall Schriftform voraussetzt, nicht wirksam eingereicht. Dies gilt auch für Emails nebst Anhängen, die nicht auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht worden sind (vgl. FG Köln Urteil vom 25.01.2018 10 K 2732/17, EFG 2018, 761; BFH-Beschluss vom 26.07.2011 VII R 30/10, BStBl. II 2011, 925). Das FG Berlin-Brandenburg (Gerichtsbescheid vom 02.05.2019 7 K 7019/19, juris) hat eine an das Finanzamt gerichtete Email, der eine pdf.Datei der unterschriebenen „Klageschrift“ anhängt war, mangels Einhaltung eines sicheren Übertragungsweges i.S.d. § 52a Abs. 4 FGO nicht als wirksame Klageerhebung angesehen.
48
Ist ein elektronisches Dokument für das Gericht zur Bearbeitung nicht geeignet, ist dies dem Absender unter Hinweis auf die Unwirksamkeit des Eingangs und die geltenden technischen Rahmenbedingungen unverzüglich mitzuteilen (§ 52a Abs. 6 Satz 1 FGO) und kann ggf. zum Zeitpunkt dieser Einreichung als eingegangen gelten (§ 52a Abs. 1 Satz 2 FGO). Die Vorschrift ist nicht anwendbar bei Fehlern im Rahmen der vorgeschriebenen Authentifizierung wie solche der Nichteinhaltung sicherer Übermittlungswege (Finster in: jurisPK-ERV, § 52a FGO Rn. 150). Sie findet regelmäßig Anwendung bei defekten, virenverseuchten oder unleserlichen Dateien.
49
2. d. Im Streitfall lag vor Ablauf der Klagefrist am 16.08.2021 (24:00 Uhr) weder eine schriftlich noch eine elektronisch wirksam erhobene Klage bei Gericht vor.
50
(1) Die Klage war bis zum Ablauf der Klagefrist nicht schriftlich erhoben worden. Die Email des Klägervertreters ging erst um 21:41 Uhr dieses Tages bei der Poststelle des Gerichts ein. Der für eine wirksame schriftliche Klageerhebung erforderliche Ausdruck der pdf.-Datei noch an diesem Tag und damit vor Ablauf der Klagefrist war im gewöhnlichen Geschäftsgang nicht zu erwarten und erfolgte tatsächlich auch nicht.
51
(2) Auch wurde die Klage nicht mittels pdf.-Datei elektronisch erhoben. Der Dateianhang zur Email vom 16.08.2021, „A+B GbR Klageeinreichung.pdf“, ist ein elektronisches Dokument, welches weder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen ist noch auf einem sicheren Übermittlungsweg i.S.d. § 52a Abs. 4 FGO bei Gericht eingereicht wurde. Die Email samt Anhang entfaltet damit keine Rechtswirkungen. Die Voraussetzungen des § 52a Abs. 3 FGO an eine wirksame Klageerhebung im Zeitpunkt der Speicherung der Datei auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts liegen nicht vor. § 52a Abs. 6 FGO ist nicht einschlägig.
52
3. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war den Klägern nicht zu gewähren.
53
Gemäß § 56 Abs. 1 FGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden gehindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen und (auch in der Folgezeit) die Tatsachen zu dessen Begründung glaubhaft zu machen.
54
Zwar darf ein Kläger eine Frist unter Verwendung besonderer Sorgfalt auf die Fristwahrung bis zuletzt ausschöpfen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Verletzung der Pflicht zu unverzüglichen Information nach § 52a Abs. 2 Satz 3 FGO in der bis 31.12.2017 geltenden Fassung schied jedoch aus, wenn der Kläger auch bei unverzüglicher Mitteilung die Klagefrist nicht hätte wahren können (BFH-Beschluss vom 26.07.2011 VII R 30/10, BStBl. II 2011, 925).
55
Im Streitfall wurde der Prozessbevollmächtigte mit Schreiben des Berichterstatters vom 20.08.2021 auf die Problematik der Zulässigkeit der Klageerhebung per Email hingewiesen.
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Er hat jedoch innerhalb von 14 Tagen keinen Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt und auch in dem Antwortschriftsatz vom 29.09.2021 lediglich ausgeführt, die Klage sei unter Wahrung der Schriftform eingereicht worden. Der Versand der Klage sei nicht per Fax, sondern an die angegebene E-Mail-Adresse erfolgt. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde nicht gestellt.
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Durch das Gericht war ein rechtzeitiger Hinweis auf die ungenügende Form der Klageerhebung per Email mit pdf.-Anhang bei einer Klageeinreichung in den Abendstunden bzw. wenige Stunden vor Ablauf der Klagefrist weder möglich noch geboten. Der BFH erachtete in seinem Beschluss vom 26.07.2011 VII R 30/10 (BStBl. II 2011, 925) das Erfordernis einer Überprüfung der Formvorschriften durch das Gericht bereits am Tag des Eingangs der Klage als zu knapp bemessen.
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4. Soweit die Kläger unter Hinweis auf den Beschluss des BFH vom 25.07.1991 III B 10/91 (juris) und die Sachbehandlung wegen Umsatzsteuer 2018 und 2019 eine Änderung der angefochtenen Bescheide begehren, war dem nicht zu entsprechen.
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Während sich in den Verfahren wegen Umsatzsteuer 2018 und 2019 aufgrund der eingereichten Erklärungen eine höhere Steuerfestsetzung ergab, begehren die Kläger für die streitigen Veranlagungszeiträume eine Minderung der festgestellten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung; eine hierfür greifende Korrekturvorschrift außerhalb des Klageverfahrens ist nicht ersichtlich. Auch hat der Vertreter des beklagten Finanzamts in der mündlichen Verhandlung solch eine Änderung der angefochtenen Bescheide abgelehnt. Der hier entscheidende Senat ist nicht an die Sachbehandlung wegen Umsatzsteuer 2018 und 2019 durch das Finanzamt bzw. einen anderen Senat des Gerichts gebunden, sondern entscheidet die Streitsache aufgrund eigener Würdigung der Sach- und Rechtslage.
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Nach alldem war die Klage durch Prozessurteil abzuweisen.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 143 Abs. 1 FGO.
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6. Die Revision an den BFH wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wurde nicht zugelassen. Die Frage, ob eine Klage durch Übermittlung einer pdf.-Datei als Anhang zu einer Email wirksam erhoben werden kann, ist durch die Gesetzeslage und die höchstrichterliche Rechtsprechung insbesondere des BGH (vgl. Beschluss vom 04.02.2020 X ZB 11/18, FamZR 2020, 847) hinreichend geklärt.