Inhalt

FG München, Urteil v. 05.05.2022 – 15 K 194/20
Titel:

Umfang des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO

Normenketten:
DSGVO Art. 15, Art. 30, Art. 4 Nr. 1
FGO § 73 Abs. 1 S. 2, § 86 Abs. 3 S. 1
Leitsatz:
Personenbezogene Daten sind Einzelangaben (so ausdrücklich § 3 Abs. 1 BDSG alte Fassung), also nicht etwa Akten oder Aktensammlungen (so Erw. 15 zur DSGVO). Personenbezogene Daten können nach der Rspr. des EuGH auch in Volltexten enthaltene Tatsachenangaben über den Betroffenen sein (Ausführlich dargestellt im Urteil des FG München, Urteil vom 04.11.2021 - 15 K 118/20 -, EFG 2022, 299, auf das zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird). (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO, Datenschutzgrundverordnung
Rechtsmittelinstanz:
BFH München vom -- – II R 23/22
Weiterführende Hinweise:
Revision zugelassen
Fundstellen:
StEd 2022, 461
StEd 2022, 461
EFG 2022, 1357
DStRE 2023, 311
LSK 2022, 16182
BeckRS 2022, 16182

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.
1
Streitig ist, welchen Umfang der Auskunftsanspruch des Klägers aus Art. 15 (Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) hat, sowie ob dieser erfüllt wurde.
2
1. Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 07.11.2019 an das Landesamt für Steuern (BayLfSt, Landesamt, die beklagte Behörde, die Beklagte) „Akteneinsicht gem. § 15 Abs. 1 2. Halbsatz, Abs. 2 DSGVO“ und die Zurverfügungstellung der Information als Kopie. Er verlange auch die Zurverfügungstellung der möglicherweise vorhandenen Hand- und Nebenakten. Er verlange Auskunft, wie und durch welche Dienststelle die Akten bzw. Daten verarbeitet worden seien; in diesen Bereichen sei eine Farbkopie zu erstellen, damit Verarbeitungsvermerke der jeweils zuständigen Bearbeiter nach o.g. Grundlage unterschieden werden könnten; hierbei beziehe er sich auf Art. 30 DSGVO.
3
2. Die Beklagte erteilte dem Kläger mit Schreiben vom 17.12.2019 eine Auskunft, nach der ihr die Beschwerde des Klägers vom 07.01.2016 und dessen E-Mails vom 24.11.2016 und vom 14.12.2016 an das damalige Bayerische Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat (BayStMFLH, im folgenden auch Ministerium) vorlägen, sowie die diesbezüglich zwischen dem Kläger und dem Ministerium ergangene weitere Korrespondenz. Zu diesen Beschwerden gebe es interne Korrespondenz zwischen dem Ministerium, dem Landesamt und dem Finanzamt Neu-Ulm. Daneben lägen dem Landesamt auch noch Stellungnahmen eines anderen Steuerpflichtigen zu den hier relevanten Beschwerden vor.
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Dem Landesamt lägen die E-Mail des Klägers vom 01.02.2019 hinsichtlich der Dienstaufsichtsbeschwerden, dem Befangenheitsantrag und dem Strafantrag gegen Beschäftigte des Finanzamts Neu-Ulm, sowie die diesbezügliche weitere Korrespondenz zwischen dem Kläger und dem Landesamt vor. Weiterhin gebe es auch zu diesem Vorgang interne Korrespondenz mit dem Finanzamt Neu-Ulm und Aktenvermerke und -notizen des BayLfSt. Schließlich verfüge das Landesamt über die vom Kläger gestellten Anträge auf Akteneinsicht an das Finanzamt Neu-Ulm vom 28.10.2019 und an das Landesamt vom 07.11.2019. Auch zu diesen Anträgen läge interne Korrespondenz zwischen dem Finanzamt Neu-Ulm und dem Landesamt vor. Eine weitere Auskunft werde nicht erteilt. Das Auskunftsschreiben war mit einer Rechtsbehelfsbelehrungversehen. Wegen der Einzelheiten und der Begründung wird auf das genannte Schreiben verwiesen.
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3. Mit Schreiben vom 13.01.2020 erhob der Kläger zusammen mit Klagen gegen das Finanzamt Neu-Ulm und das Ministerium auch Klage gegen den Ablehnungsbescheid vom 17.12.2019. Das Gericht erfasste die Klagen getrennt. Gegenstand dieses Verfahrens und dieser Entscheidung ist alleine die Klage gegen das Landesamt.
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Der Kläger beantragt in seiner Klageschrift Einsichtnahme in die verarbeiteten personenbezogenen Daten im weiteren Sinne und auch die jeweils zusammenhängenden Akten und Schriftstücke mit Bezug zu persönlichen Informationen, insbesondere Akteneinsicht in Notizen, Akteneinträge und Kommunikation mit Bezug zu den personenbezogenen Daten des Klägers. In seiner weiteren Klagebegründung trägt er im Wesentlichen vor, die Steuerakten seien nachträglich manipuliert worden. So sei etwa ein Antrag nach § 202 Abgabenordnung (AO) entfernt worden und später behauptet worden, ein solcher sei nicht gestellt worden. Der Betriebsprüfer habe zu dem in der Schlussbesprechung vereinbarten später falsche Erklärungen abgegeben. Letztlich hätten weitere Falschbehauptungen zur Einleitung eines Strafermittlungsverfahrens gegen den Kläger geführt. Auch bei der Beantwortung der Dienstaufsichtsbeschwerde seien wieder falsche Angaben gemacht worden. Insbesondere sei es für den Kläger von Interesse, wer denn nun tatsächlich die Ermittlungen im Landesamt geführt habe, wer denn tatsächlich Akten unterdrückt habe und Tatsachen vertuscht habe bzw. falsche Tatsachen in den Untersuchungsbericht geschrieben habe. Es bestehe der Verdacht, dass weiterhin falsche Tatsachen in den Akten stünden.
7
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte zu verpflichten, ihm Auskunft durch Überlassung von (Farb-)Kopien sämtlicher in seinen Akten enthaltenen Schreiben zu erteilen.
8
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte entgegnet der Klage, dass der Auskunftsanspruch des Klägers aus Art. 15 der DSGVO mit dem Bescheid vom 17.12.2019 erfüllt worden sei. Aus dieser Vorschrift ergebe sich kein Akteneinsichtsrecht. In der Auskunft sei dem Kläger erläutert worden, welche Schreiben dem Beklagten im Einzelnen noch vorlägen, die dem Kläger bereits bekannt seien. Eine Verpflichtung zur Übersendung einer Kopie habe weder bestanden noch bestehe sie, wenn die betroffene Person über die Daten bereits verfüge. Mit Überlassung des Pfades zum „Allgemeinen Informationsschreiben der Finanzverwaltung“ seien dem Kläger auch die Metadaten aus Art. 15 Abs. 1 a) - h) DSGVO mitgeteilt worden. Keine Auskunft könne dem Kläger erteilt werden über interne Stellungnahmen und Vermerke. Diese enthielten Geschäftsgang- und Bearbeitungsvermerke sowie rechtliche Stellungnahmen. Erstere hätten unzweifelhaft keinen Bezug zu der Person des Klägers und stellten daher keine personenbezogenen Daten i.S. des Art. 4 Nr. 1 DSGVO dar. Auch bei den rechtlichen Analysen handele es sich nicht um personenbezogene Daten. Vielmehr wiesen diese zunächst einmal keinen Personenbezug zum Kläger auf. Erst bei der Feststellung des Ergebnisses der rechtlichen Bewertung in Bezug auf den Kläger werde der Personenbezug in einem zweiten Schritt hergestellt. Dieses Ergebnis der aufsichtlichen Prüfung sei dem Kläger jedoch jeweils durch die Bescheidung der Dienstaufsichtsbeschwerden mitgeteilt worden, weshalb sich insoweit eine weitere Auskunft erledige. Ferner lägen dem Finanzamt noch Stellungnahmen weiterer Personen außerhalb der Finanzverwaltung vor. Insoweit stünden deren Rechte und das Steuergeheimnis entgegen. Auch aus dem Gesichtspunkt eines Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über einen Auskunftsantrag sei dem Kläger keine Akteneinsicht zu gewähren. In die Erwägungen sei einzustellen, dass bei einer Dienstaufsichtsbeschwerde der Petent lediglich ein Recht auf Entgegennahme, deren sachliche Prüfung und ihre Bescheidung habe. Ein Anspruch auf Erledigung im Sinne des Petenten bestehe nicht. Weiteren Rechtsschutz könne ein Beschwerdeführer nicht für sich in Anspruch nehmen. Es sei klargestellt, dass dem Kläger die Akteneinsicht nicht in der Absicht verwehrt werde, irgendwelches Verwaltungshandeln zu verschleiern. Vielmehr sei die Gewährung einer Akteneinsicht schlichtweg nicht zweckmäßig. Gegen eine solche sprächen Schutzinteressen Dritter und das fehlende Schutzbedürfnis des Klägers an der Kenntnis interner Verwaltungsabläufe.
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Wegen der Einzelheiten wird auf das schriftsätzliche Vorbringen verwiesen.
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Wegen der Argumentation im Weiteren wird auf das schriftsätzliche Vorbringen der Beteiligten verwiesen.
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4. Die Beklagte hat zunächst die Übersendung der Akten an das Gericht verweigert. Auf den Antrag des Klägers hat das Gericht die Sache dem BGH zur Entscheidung nach § 86 Abs. 3 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) vorgelegt und das Verfahren im Einvernehmen mit den Beteiligten zum Ruhen gebracht. Der BFH hat den Antrag nach § 86 Abs. 3 S. 1 FGO als unzulässig verworfen. Dieser setze voraus, dass zunächst das Finanzgericht entscheide, welche Akten es tatsächlich für entscheidungserheblich halte und deren Vorlage angeordnet habe, woran es im Streitfall fehle.
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5. Nach Aufnahme des Verfahrens hat das Gericht die Beklagte aufgefordert, die den Rechtsstreit betreffenden Akten vorzulegen, also den Antrag des Klägers auf Auskunft, die erteilte Auskunft, sowie gegebenenfalls zu diesem Vorgang ausgetauschten Schriftwechsel. Diesem Ersuchen ist die Beklagte nachgekommen. Dem Kläger ist Akteneinsicht angeboten worden.
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6. Mit Beschluss vom 03.08.2021 hat das Gericht nach § 73 Abs. 1 Satz 2 FGO die getrennte Verhandlung und Entscheidung der drei vom Kläger ursprünglich in der Klageschrift zusammengefassten und von der Geschäftsstelle des Gerichts bereits unter gesonderten Aktenzeichen registrierten Klagen gegen das Finanzamt, das bayerische Landesamt für Steuern, sowie das bayerische Staatsministerium der Finanzen und für Heimat beschlossen.
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Über die Klage gegen das Finanzamt ist bereits am 04.11.2021 unter dem Az. 15 K 118/20 entschieden worden. Gegen dieses Urteil ist eine Revision anhängig.
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7. Auf Anforderung des Gerichts vom 29.11.2021 hat die Beklagte mit Schreiben vom 16.12.2021 die Auskünfte gegenüber dem Kläger ergänzt. Es hat ausführlich den Aufbau des E-Akte-Systems erläutert und eine Kopie der Betreffs der vorhandenen Schriftstücke - auch zur Vorlage an den Kläger - vorgelegt.
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8. Im vorliegenden Verfahren gegen das Landesamt hat das Gericht am 14.03.2022 einen Gerichtsbescheid erlassen, in dem es die Klage unter Zulassung der Revision abgewiesen hat. Mit Schreiben vom 22.03.2022 hat der Kläger Antrag auf mündliche Verhandlung und auf Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des BFH über die genannte Revision gestellt. Daraufhin wurde ein Termin für die mündliche Verhandlung auf den 21.04.2022 bestimmt. Die Entscheidung über den Antrag auf Ruhen des Verfahrens hat das Gericht bis zu einer Gegenäußerung der Beklagten zurückgestellt.
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9. Mit Schreiben vom 11.04.2022 hat der Kläger einen Antrag auf Terminverlegung wegen einer geplanten Familienreise während der bayerischen Schulferien gestellt. In einem am selben Tag geführten Telefonat des Vorsitzenden mit dem Kläger wurde dieser auf die bis dahin unzureichende Darlegung seiner Verhinderung hingewiesen, sowie avisiert, dass der Termin bei entsprechender Darlegung bzw. Glaubhaftmachung auf den 05.05.2022 verlegt werde, also nach den Osterferien. Die Frage, ob er bis dahin aus dem Urlaub zurück sei, hat der Kläger sinngemäß bejaht, seinen Ruhensantrag telefonisch nochmals begründet, sowie darauf hingewiesen, dass er im Beruf zeitlich stark belastet sei. Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 12.04.2022 eine Darlegung seiner Verhinderung nachgereicht hatte, verbunden mit einem Antrag auf eine „Schriftsatzfrist von 2 Monaten“, sowie wiederholtem Antrag auf Ruhen und auf Aussetzung des Verfahrens, hat das Gericht den Termin auf den 05.05.2022 verlegt. Es hat dem Kläger nochmals mitgeteilt, dass eine weitere Stellungnahmefrist von 2 Monaten nicht in Betracht käme und über die übrigen Anträge aufgrund der mündlichen Verhandlung entschieden werde.
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10. Im Laufe des 03.05.2022 ist bei Gericht ein Antrag des Klägers eingegangen, in dem dieser die drei Berufsrichter namentlich, sowie auch sämtliche weiteren Richter des Gerichts wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnt, die früher in leitender Stelle bei einem Finanzamt, beim Landesamt oder beim Ministerium tätig gewesen sind bzw. überhaupt früher einer dieser Körperschaften angehört haben. Auf das Antragsschreiben wird verwiesen.
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11. Auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 05.05.2022, zu der der Kläger nicht erschienen ist, wird verwiesen.
II.
21
Die Klage ist entscheidungsreif.
22
Das Gericht hat nach § 251 ZPO bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn beide Parteien dies beantragen. Ein Ruhen war danach nicht anzuordnen, da sich die Beklagte dagegen verwahrt hat (§ 251 Zivilprozessordnung i.V.m. § 155 Satz 1 FGO).
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Das Gericht kann nach § 74 FGO anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung eines anderen Rechtsstreits auszusetzen sei, sofern die Entscheidung ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet. Eine Aussetzung des Verfahrens kommt mangels Vorgreiflichkeit des vor dem BFH zu entscheidenden Rechtsstreits für das hiesige Verfahren nicht in Betracht. Die Revision vor dem BFH betrifft zwar ebenfalls einen Anspruch aus Art. 15 DSGVO. Allerdings betrifft der hiesige Fall andere Beklagte und gänzlich andere Verfahren (Beschwerdeverfahren hier - Besteuerungsverfahren dort), für die z.T. unterschiedliche Maßstäbe gelten. Auch die Frage, ob der Auskunftsanspruch jeweils erfüllt worden ist, ist in jedem Einzelfall gesondert zu prüfen. Selbst wenn man dem Kläger dahin folgte, dass die Revision beim BFH eine vergleichbare Rechtsfrage betrifft oder als Musterverfahren geführt wird, rechtfertigt dies nach der std. Rspr. keine Aussetzung nach § 74 FGO (BFH, Beschluss vom 24.09.2012 - VI B 79/12 -, BFH/NV 2013, 70, m.w.N.).
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Es war nicht geboten, dem Antrag des Klägers auf Beiziehung der Akte des Finanzamts Augsburg, Bußgeld- und Strafsachenstelle, zu folgen. Es ist nicht ersichtlich oder auch nur substantiiert dargelegt, welchen Einfluss der Inhalt dieser Akte bei einer anderen Behörde auf die hier zu entscheidende Rechtsfrage des Umfangs der durch Art. 15 DSGVO zu gewährenden Auskunft durch die Beklagte haben soll. Im Übrigen wäre die - behauptete oder erwiesene - Richtigkeit oder Fehlerhaftigkeit der Inhalte einer Akte für die Beurteilung des Umfangs des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO ohne Bedeutung.
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Der Senat entscheidet mit der geschäftsplanmäßigen Besetzung, weil der im Laufe des vorletzten Tages vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung gestellte Befangenheitsantrag rechtmissbräuchlich und offensichtlich unzulässig ist. Dem Kläger fehlt daher insoweit das Rechtsschutzbedürfnis. In den Fällen, in denen das Ablehnungsgesuch wegen Rechtsmissbrauchs oder aus anderen Gründen offensichtlich unzulässig ist, kann der Ablehnungsantrag in den Gründen der Hauptsacheentscheidung unter Mitwirkung der abgelehnten Richter zurückgewiesen werden (BFH-Beschluss vom 04.03.2014 - VII B 131/13 -, Rn. 8, BFH/NV 2014, 1055, m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind gegeben, wenn ein ganzer Spruchkörper abgelehnt wird und keine konkreten Anhaltspunkte vorgebracht werden, die bei vernünftiger objektiver Betrachtung auf eine Befangenheit jedes einzelnen Mitglieds des Spruchkörpers hindeuten können (BFH-Beschlüsse vom 20.11.2009 III S 20/09, BFH/NV 2010, 454, und in BStBl II 2003, 422). Ein Befangenheitsantrag ist rechtsmissbräuchlich, wenn der gegen sämtliche Richter eines Gerichts geltend gemachte Ablehnungsgrund derart allgemeiner Natur ist, dass er seine Besonderheit und Eigenart für den einzelnen Richter verloren hat und nicht mehr individuell begrenzbar ist. Behauptete Rechtsfehler, die in einem früheren Verfahren unterlaufen sein sollen, sind kein Befangenheitsgrund, es sei denn, dass ganz besondere Umstände dargetan werden, die dafür sprechen, dass die mögliche Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung der Richter gegenüber der ablehnenden Partei beruht (BFH, Beschluss vom 31.08.1999 - V B 53/97 -, Rn. 11, BFH/NV 2000, 244, m.w.N.).
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So ist es im Streitfall. Der Kläger hat die Berufsrichter des erkennenden Gerichts mit dem Grund abgelehnt, es sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die jedes einzelne Mitglied des Senats „in einer Leitungsebene eines Finanzamts“ oder an leitender Stelle entweder im „Landesministerium für Steuern“ (gemeint ist wohl das Landesamt für Steuern) oder aber im Ministerium der Finanzen und für Heimat tätig gewesen sei. Abgelehnt werden auch alle anderen Richter des Finanzgerichts, die diese Merkmale erfüllen. Der Kläger beruft sich dabei formal auf § 51 Abs. 3 FGO, tatsächlich aber auf die die Gruppenzugehörigkeit zur bayerischen Finanzrichterschaft. Wenn aus einer früheren Tätigkeit in der Finanzverwaltung eine Befangenheit abgeleitet würde, dürfte sich über ganz Bayern hinweg schwerlich ein Spruchkörper bilden lassen, den der Kläger nicht als befangen ansähe.
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Eine Individualisierung, wie sie § 51 Abs. 3 FGO vorsieht, im Sinne einer Vorbefassung mit der Sache bei einer der beteiligten Körperschaften bzw. das Innehaben einer wirklich leitenden Position, hat der Kläger nicht substantiiert vorgetragen. Sie kann im Übrigen schon deshalb nicht vorliegen, weil keiner der Berufsrichter des Senats in leitender Position bei der beklagten Körperschaft, also beim Landesamt für Finanzen, tätig war. Dass der Kläger schon bei einer früheren Tätigkeit eines Richters beim Finanzamt oder dem Ministerium (also nichtbeteiligten Körperschaften) einen Generalverdacht auf Befangenheit äußert, belegt für den Senat deutlich das Fehlen der von der Rspr. geforderten Individualisierung (BFH, Beschluss vom 07.05.1974 - IV S 5/74 -, BStBl II 1974, 385).
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Dass es dem Kläger nicht auf eine unbefangene Richterschaft ankommt, sondern auf eine Verschleppung des Prozesses, zeigt sich für das Gericht weiter darin, dass er in seinem früheren Verfahren (gegenüber dem Finanzamt) noch keine Bedenken im Sinne der behaupteten „Gruppenbefangenheit“ geäußert hat und diese nun kurz vor dem bereits auf Antrag verlegten Sitzungstermin erfolgt, nachdem ihm mitgeteilt worden ist, dass über seinen Ruhensantrag aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden werde. Aus seiner weiteren Begründung des Befangenheitsantrags wird deutlich, dass er offensichtlich eine Ablehnung des Ruhensantrages befürchtet. Denn er stützt sich auf Gründe, auf die er auch seinen Ruhensantrag gestützt hatte; offenkundig versucht der Kläger, eine Entscheidung des Gerichts zu verschleppen, getrieben von der Befürchtung, sie werde rechtlich dem Gerichtsbescheid folgen.
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Das Gericht hat in Ausübung seines Ermessens entschieden, über den Antrag auf Ablehnung der Berufsrichter aufgrund mündlicher Verhandlung zu entscheiden. Die ehrenamtlichen Richter haben an der Entscheidung über die Richterablehnung mitgewirkt (vgl. BFH, Beschluss vom 21.05.1992 - V B 232/91 -, BStBl II 1992, 845), ebenso die abgelehnten Richter. Die Entscheidung wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung bekanntgegeben.
30
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
31
1. Die Klage ist zulässig.
32
a. Der Rechtsweg zu den Finanzgerichten ist nach § 32i Abs. 2 AO eröffnet, da sich die Klage der betroffenen Person gegen das Bayerische Landesamt für Steuern als Finanzbehörde (§ 6 Abs. 2 Nr. 1 AO) hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten auf Rechte aus der DSGVO (hier: Art. 15 Abs. 1 DSGVO) stützt.
33
Der Rechtsweg bestimmt sich nach dem Streitgegenstand. Im Streitfall richtet sich der Antrag auf Auskunft aus der DSGVO gegen das Landesamt für Steuern in dessen Funktion als Aufsichtsbehörde gegenüber dem Finanzamt. Diese Aufsicht ist Teil der Funktion der Finanzbehörde als Mittelbehörde des dreistufigen Behördenaufbaus in der Steuerverwaltung.
34
Nach dem sog. zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff wird der Streitgegenstand im Allgemeinen als der prozessuale Anspruch durch die erstrebte, im Klageantrag umschriebene Rechtsfolge und den Klagegrund, d.h. den Sachverhalt, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll, gekennzeichnet (std. Rspr., vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.09.2012 - 7 B 5/12 -, Rn. 6, NVwZ 2012, 1563). Bei einem Verpflichtungsbegehren wird zu seiner Bestimmung, Umgrenzung und Präzisierung auch die gesetzliche Anspruchsgrundlage herangezogen (ebenda; BFH-Beschluss vom 07.04.2020 - 2015 II B 82/19 -, BStBl II 2020, 624; BVerwG, Beschluss vom 18.11.2019 - 10 B 20/19 -, BFH/NV 2020, 336, Rz 7; im Ergebnis ebenso: BFH, Beschluss vom 16.06.2020 - II B 65/19 -, BStBl II 2020, 622). Auch im Fall eines einheitlichen Klageantrags können daher mehrere Streitgegenstände vorliegen. Voraussetzung hierfür ist, dass der Antrag auf mehrere Sachverhalte und Ansprüche gestützt wird (BGH, Beschluss vom 27.11.2013 - III ZB 59/13 -, BGHZ 199, 159, Rn. 16).
35
Gegenstand der Klage ist nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Klageschrift ausdrücklich der Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO hinsichtlich der zum Zwecke der Besteuerung verarbeiteten Daten, insbesondere im Zusammenhang mit der Behandlung von Aufsichtsbeschwerden des Klägers gegen das Finanzamt Neu-Ulm.
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Als Finanzbehörde wird die Beklagte auch dann tätig, wenn sie im Rahmen ihrer Aufsicht über die örtlichen Finanzbehörden tätig wird. Die Funktion als Aufsichtsbehörde ist immer dann funktionale Finanzverwaltung, wenn die Aufsicht - wie im Streitfall - eine ordnungsgemäße Steuerverwaltung sicherstellen soll.
37
b. Statthafte Klageart für die gerichtliche Geltendmachung eines gegen eine Behörde gerichteten Auskunftsanspruchs aus Art. 15 Abs. 1 der DSGVO ist die Verpflichtungsklage (FG München, Urteil vom 04.11.2021 - 15 K 118/20 -, EFG 2022, 299).
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c. Die Klage richtet sich auch gegen den richtigen Beklagten. Passivlegitimierter der datenschutzrechtlichen Ansprüche aus der DSGVO ist der Verantwortliche (Art. 15 Abs. 1 DSGVO). Das ist nach Art. 4 Nr. 7 DSGVO die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet. Auch § 2a AO knüpft die Verantwortlichkeiten im Zusammenhang mit dem Schutz personenbezogener Daten an die Finanzbehörde bzw. Stelle öffentlicher Verwaltung. Damit ist Zurechnungssubjekt der Rechte und Pflichten im Bereich des Datenschutzes die jeweils im Rahmen ihrer Aufgabenzuständigkeit über diese Verarbeitung entscheidende Behörde. Der Anspruch kann sich daher nur auf die in der Entscheidungskompetenz der jeweiligen Behörde liegende Verarbeitung von Daten und auf diese Daten richten. Das ist im Streitfall - da Auskunft über die im Aufsichtsverfahren über nachgeordnete Behörden verarbeiteten Daten begehrt wird - das beklagte Landesamt.
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2. Die Klage ist unbegründet
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Der Kläger hat einen Anspruch auf Auskunft nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO, der allerdings nicht die begehrte, über die bisher erteilten Auskünfte hinausgehende Einsicht in Verwaltungsdokumente umfasst. Auskunft über die vom Anspruch des Klägers umfassten Daten hat die Beklagte im Schreiben vom 17.12.2019 und ergänzend in der auch dem Kläger erteilten Auskunft vom 16.12.2021 bereits erteilt, so dass der Anspruch insoweit durch Erfüllung erloschen ist.
41
Die DSGVO ist auch insoweit anwendbar, als Daten im Bereich der direkten Steuern verarbeitet werden (FG München, Urteil vom 04.11.2021 - 15 K 118/20 -, EFG 2022, 299).
42
Passivlegitimierter des Anspruchs ist die für die Datenverarbeitung verantwortliche Stelle, das ist - wie bereits oben ausgeführt - die Beklagte für die im Rahmen ihrer Aufsicht über das Finanzamt Neu-Ulm verarbeiteten Daten.
43
Der sachliche Anwendungsbereich der DSGVO ist im Streitfall insoweit eröffnet, als die Verarbeitung personenbezogener Daten zu beurteilen ist (a.), jedoch nur insoweit, als die personenbezogenen Daten durch das Landesamt zum Teil auch automatisiert oder teilautomatisiert verarbeitet werden (b.).
44
Der bereits dadurch umgrenzte Auskunftsanspruch ist mit Blick auf die Beschränkungen des Auskunftsrechts in der DSGVO selbst, sowie durch die AO und allgemeine Grundsätze entsprechend eingegrenzt (c.).
45
Er gewährt kein Akteneinsichtsrecht oder ein Recht auf Einsicht in Verwaltungsdokumente (d.), und wurde - soweit er besteht - von der Beklagten erfüllt.
46
a. Der sachliche Anwendungsbereich der DSGVO ist im Streitfall nur insoweit eröffnet, als die Verarbeitung personenbezogener Daten zu beurteilen ist.
47
Die DSGVO gilt für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nicht automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen (Art. 2 Abs. 1 DSGVO).
48
Personenbezogene Daten sind nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Nach der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 oder der Vorgängernorm der DSGVO, der RL 95/46/EG, sind dies alle Informationen über eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person. Aus der unterschiedlichen Begrifflichkeit „beziehen“ statt „über“ ergibt sich kein wesentlich unterschiedlicher Bedeutungsgehalt. Personenbezogene Daten sind demnach Einzelangaben (so ausdrücklich § 3 Abs. 1 BDSG alte Fassung), also nicht etwa Akten oder Aktensammlungen (so Erw. 15 zur DSGVO). Personenbezogene Daten können nach der Rspr. des EuGH auch in Volltexten enthaltene Tatsachenangaben über den Betroffenen sein (Ausführlich dargestellt im Urteil des FG München, Urteil vom 04.11.2021 - 15 K 118/20 -, EFG 2022, 299, auf das zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird).
49
(1) In den Anwendungsbereich fallende personenbezogene Daten sind ohne Zweifel die in Datenbankfeldern gespeicherten Einzelangaben mit Bezug auf die Steuernummer oder den Namen des Klägers (FG München, Urteil vom 04.11.2021 - 15 K 118/20 -, EFG 2022, 299, m.w.N.). Diese Einzelangaben als Einträge in Datenbankfeldern können anhand der Feldbezeichnung („der Kategorie“) leicht als auf den Kläger bezogene Daten von anderen Feldeinträgen abgeschieden werden, die nicht auf den Kläger bezogen sind. Beispielsweise ist der Feldeintrag „01.01.1990“ dann leicht als personenbezogenes Datum des Betroffenen erkennbar, wenn er im Datenbankfeld „Geburtsdatum“ im Stammdatensatz des Betroffenen steht. Der Eintrag ist mittels Vergleich mit der Realität leicht als richtig oder falsch beurteilbar. Steht der Feldeintrag „01.01.1990“ dagegen in dem Datenbankfeld mit der Bezeichnung „Anlage der Akte“, so zeigt der Eintrag erst einmal keinen Personenbezug.
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(2) Ungleich schwieriger ist die Klassifizierung als personenbezogenes Datum bei Textpassagen oder ganzen Schriftstücken: Wenn die Feldbezeichnung maßgebend für die Beantwortung der Frage ist, ob ein Feldeintrag ein personenbezogenes Datum darstellt, dann ist der im Feld „Dokumenteninhalt“ in einem E-Akte-System (oder gar in einer Papierakte) gespeicherte Text zunächst einmal ohne Personenbezug. Natürlich besteht die naheliegende Vermutung, dass jedes Dokument in einer Akte zumindest auch einen potentiellen Bezug zu der Person hat, die an dem Verwaltungsverfahren beteiligt ist, zu dessen Dokumentation die Akte geführt wird. Dieser Bezug durch den zu unterstellenden generischen Feldbezeichner („hat vermutlich auch einen Bezug zum Betroffenen des Verwaltungsverfahrens“) ist aber deutlich loser - mittelbarer - als der durch einen eindeutig personenbezogenen, spezifischen Kategorienbezeichner (wie etwa „Geburtsdatum“) hergestellte - direkte - Personenbezug. Während die unter dem spezifischen Bezeichner gespeicherte Einzelangabe unmittelbar eine personenbezogene Aussage und damit ein Datum darstellt, bedarf der unter dem generischen Bezeichner gespeicherte Textinhalt eines menschlichen Interpretationsaktes, um eine darin etwa enthaltene, auf den Betroffenen bezogene Aussage zu extrahieren. Dies gilt für E-Akten und Papierakten gleichermaßen.
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Diesen Interpretationsakt, der bei Volltextpassagen oder ganzen Schriftstücken erst den Personenbezug herstellt, bezeichnet der Senat in seiner bisher zu diesem Thema ergangenen Rspr. (FG München, Urteil vom 04.11.2021 - 15 K 118/20 -, EFG 2022, 299, m.w.N.; FG München, Urteil vom 05.05.2022 - 15 K 193/20 -, noch nicht veröffentlicht) als „Heben“ von Daten. Erst nach diesem „Heben“ hat der Senat die Anwendung der DSGVO auf Akteninhalte für gegeben erachtet (a.a.O.). Systematisch hat er dieses Ergebnis daraus hergeleitet, dass er vor dem Akt des „Hebens“ eine beabsichtigte Speicherung in einem Dateisystem nicht für gegeben erachtet hat. Dabei hat sich der Senat von der sehr weiten Auslegung des Begriffs der personenbezogenen Daten des EuGH in dessen Urteil vom 20.12.2017 (- C-434/16 [Korrekturanmerkungen]-, Rn. 34) leiten lassen, wonach die Korrekturanmerkungen des Prüfers der juristischen Staatsprüfung personenbezogene Daten darstellen können. Zugrunde gelegt hat der Senat auch die Differenzierung des EuGH in seiner Entscheidung vom 17.07.2014 (- C-141/12 und C-372/12 [Entwurfsschrift]-, CR 2015, 103), wonach in einer „Entwurfsschrift“ enthaltene Angaben über den Verfahrensbeteiligten personenbezogene Daten darstellten, nicht aber die rechtliche Analyse, die nicht Gegenstand einer Nachprüfung durch den Antragsteller und einer Berichtigung sein könne.
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In Fortführung und Ausdifferenzierung dieser Rspr. sieht der Senat vor dem „Heben“ von in Schriftstücken in Akten enthaltenen Angaben schon keinen ausreichenden Personenbezug, um von „personenbezogenen Daten“ sprechen zu können. Erst die beabsichtigte Speicherung einer personenbezogenen Angabe unter einem spezifischen, personenbezogenen (Feld-)Bezeichner erzeugt somit ein dem Anwendungsbereich der DSGVO unterliegendes personenbezogenes Datum. Die Speicherung unter einem generischen Bezeichner vermag dies noch nicht, weil eine automatisierte Datenverarbeitung erst durch die Zuordnung eines spezifischen Bezeichners ermöglicht wird.
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Der Senat hat diese fehlende Zuordnung eines spezifischen Bezeichners bislang vor allem unter dem Gesichtspunkt der „fehlenden Strukturiertheit“ (FG München, Urteil vom 04.11.2021 - 15 K 118/20 -, EFG 2022, 299, m.w.N.) diskutiert, später auch als Klassifikationsproblem und unter dem Gesichtspunkt des unzumutbaren Aufwands eine Einsicht in Verwaltungsdokumente abgelehnt (FG München, Gerichtsbescheid vom 03.02.2022 - 15 K 1212/19 -, juris).
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Die geschärfte Sicht des Senats widerspricht nicht den vorstehend zitierten Entscheidungen des EuGH („Korrekturanmerkungen“, „Entwurfsschrift“ und EuGH, Urteil vom 10.07.2018 - C-25/17 [Zeugen Jehovas] -, Celex-Nr. 62017CJ0025). Die Korrekturanmerkungen der Prüfer weisen einen so engen Bezug zur konkreten Prüfungsarbeit auf, dass von einer immanenten Zuordnung eines auf den Prüfling bezogenen, spezifischen Bezeichners ausgegangen werden kann. Im Besuchsblatt der Zeugen Jehovas erkannte der EuGH eine nur wenige Daten umfassende strukturierte Sammlung und ging ebenfalls von einer solchen immanenten Zuordnung aus. Entsprechendes gilt für die „Entwurfsschrift“.
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Dagegen weisen die in einer umfangreicheren Verwaltungsakte gesammelten Schriftstücke keine solche Strukturiertheit und vor allem eine ungleich höhere Anzahl von Einzelangaben auf. Diese erschließen sich ohne explizites „Heben“ dem Aktenleser nicht. Eine leichte Wiederauffindbarkeit von Daten ist bei der Vielzahl von Angaben in Schriftstücken gerade nicht gegeben (vgl. dazu FG München, Urteil vom 04.11.2021 - 15 K 118/20 -, EFG 2022, 299, m.w.N.).
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(3) Nach Maßgabe diese Rechtsgrundsätze stellen somit Schriftstücke in einer Akte als Textpassage schon keine personenbezogenen Daten dar. Enthaltene Einzelangaben tragen vor dem expliziten „Heben“, der Zuordnung eines spezifischen, personenbezogenen Bezeichners lediglich die Chance der Verarbeitung in sich. Die Schwelle zur „beabsichtigten“ automatisierten Verarbeitung ist vor dem „Heben“ noch nicht überschritten. Dies gilt jedenfalls solange, als etwa in Sachverhaltsschilderungen enthaltene Angaben noch nicht zu einer konkreten Verarbeitung gekürt sind. Solange also, als sie noch nicht konkret als Grundlage einer Verwaltungsentscheidung zu dienen bestimmt sind.
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Damit sind auch Schriftwechsel zwischen verschiedenen Verwaltungsstellen zunächst einmal keine personenbezogenen Daten des Betroffenen und werden es auch nicht durch bloße Veraktung. Gleiches gilt für Aktenvermerke der verschiedenen Bearbeiter der Beklagten.
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Personenbezogen werden in den Schriftstücken enthaltene Angaben jedoch in dem Moment, als sie zur Verarbeitung gekoren werden. Da dem Betroffenen die der Entscheidung zugrunde gelegten Daten jedoch mit der Entscheidungsbegründung bekanntgegeben sind, ist der Auskunftsanspruch in aller Regel und auch im Streitfall durch die Entscheidungsbegründung erfüllt.
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Soweit in den Datenbanken der Beklagten personenbezogene Daten unter Bezeichnern gespeichert sind (etwa dessen Anschrift) liegen personenbezogene Daten vor; auf eine Auskunft über diese dem Kläger bekannten Daten richtet sich die Klage jedoch ersichtlich nicht.
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b. Der sachliche Anwendungsbereich der DSGVO ist nur insoweit eröffnet, als die personenbezogenen Daten durch die Beklagte zum Teil auch automatisiert oder teilautomatisiert verarbeitet werden (Art. 2 Abs. 1 Alt. 1 DSGVO). Die Akteninhalte, in die der Kläger Einsicht begehrt, werden jedoch manuell verarbeitet. Sie sind weder in einem Dateisystem gespeichert noch sollen sie in einem Dateisystem gespeichert werden, weshalb der sachliche Anwendungsbereich der DSGVO insoweit nicht eröffnet ist.
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Wie ausgeführt stellen die Volltextdokumente in einer Akte als solche keine personenbezogenen Daten dar. Selbst wenn die noch ungehobenen Angaben darin als personenbezogene Daten betrachtet würden, unterlägen sie nicht dem Anwendungsbereich der DSGVO, weil sie vor ihrer „Hebung“ nicht automatisiert verarbeitet werden und sie weder in einem Dateisystem gespeichert sind, noch gespeichert werden sollen.
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(1) Eine zumindest teilautomatisierte Datenverarbeitung liegt vor, wenn Datenverarbeitungsanlagen zum Einsatz kommen (Kühling/Buchner, Kommentar zur DS-GVO und zum BDSG, Beck, 3. Auflage, DS-GVO Art. 2 Rn. 15 - Kühling -). Eine konkrete Definition der „automatisierten Datenverarbeitung“ findet sich in der DSGVO nicht. Dies entspricht dem Willen des Verordnungsgebers, ein technologieneutrales Schutzsystem zu gestalten, das auch zukünftige technologische Entwicklungen abdeckt (vergleiche Erw. 15). In der Konsequenz ist der Begriff der teilautomatisierten Datenverarbeitung sehr weit auszulegen (Kühling, DSGVO Art. 2 Rn. 15). Hierunter fallen unproblematisch sämtliche Bearbeitungsschritte, die mit Hilfe der Computersysteme der Steuerverwaltung ausgeführt werden.
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Die Erstellung eines Schreibens unter Verwendung von Daten mit einen PC unter Nutzung eines handelsüblichen Schreibprogramms ist dabei nicht bereits als automatisierte Datenverarbeitung anzusehen, da die Rechte des Betroffenen hierbei nicht stärker gefährdet werden, als bei Erstellung eines Texts mit einer Schreibmaschine. Entsprechend ist nach Auffassung des erkennenden Senats die gereihte Ablage von Volltextdokumenten in einer Akte, ohne dass damit eine weitere Strukturierung verbunden wäre, noch nicht als automatisierte Datenverarbeitung anzusehen (vgl. FG München, Urteil vom 05.05.2022 - 15 K 193/20 -, noch nicht veröffentlicht).
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(2) Eine nicht automatisierte Verarbeitung unterliegt dem Anwendungsbereich der DSGVO nur, wenn die personenbezogenen Daten in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen (Art. 2 Abs. 1 Alt. 2 DSGVO).
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„Nicht automatisiert“ bedeutet „manuelle“ Verarbeitung (Erw. 15). Es darf kein Teilschritt der Verarbeitung automatisiert stattfinden. Soweit die Steuerverwaltung Schriftgut in Papierform in Steuerakten ablegt, ist eine solche manuelle Verarbeitung gegeben. Nichts Anderes gilt nach Auffassung des erkennenden Senats für die nicht mit der „Hebung“ von personenbezogenen Daten verbundenen, nicht weiter strukturierten Ablage in einem E-Akte-System. Ähnlich wie bei der Verwendung eines Schreibprogramms anstelle einer Schreibmaschine ist die Gefährdung der Rechte des Betroffenen durch die Ablage von Schriftstücken in einem E-Akte-System unwesentlich erhöht im Vergleich zu einer Ablage in Papierakten, so dass bei wertender Betrachtung auch bei der Ablage in E-Akten von einer manuellen Verarbeitung auszugehen ist.
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(2.1) Wann eine (vorgesehene) Speicherung in einem Dateisystem (Art. 2 Abs. 1 DSGVO) vorliegt, ist noch nicht hinreichend geklärt. Art. 4 Nr. 6 DSGVO definiert das Dateisystem als „jede strukturierte Sammlung personenbezogener Daten, die nach bestimmten Kriterien zugänglich sind, unabhängig davon, ob diese Sammlung zentral, dezentral oder nach funktionalen oder geographischen Gesichtspunkten geordnet geführt wird“. Nach der h.M. ist dieser Begriff im Wesentlichen gleichbedeutend mit dem in der Vorgängervorschrift der DSGVO (der RL 95/46) verwendeten Begriff der Datei (Kühling, DSGVO Art. 6 Nr. 6 Rn. 1). Eine Sammlung ist nach gängiger Vorstellung eine planmäßige, strukturierte Zusammenstellung einzelner Angaben, die einen inneren Zusammenhang vorweisen, entweder durch Gleichartigkeit der Informationen (z.B. Kundendaten) oder des Zwecks (z.B. Zugangskontrolle) der Sammlung (Kühling, DSGVO Art. 4 Nr. 6 Rn. 3). Nach dem BDSG a.F. war damit ein gleichartiger Aufbau der Zusammenstellung gemeint, eine äußere Form, die eine gewisse Anordnung aufweisen muss. Danach durfte kein zufälliger oder wechselnder Aufbau der Angaben vorliegen. Vielmehr bedurfte es eines formalen Ordnungsschemas (ebenda).
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(2.2) Rechtsprechung des EuGH zur Auslegung des Begriffs „Dateisystem“ liegt - soweit ersichtlich - noch nicht vor. Zum in der Vorgängervorschrift der DSGVO verwendeten Begriff der „Datei“ fordert der EuGH (EuGH, Urteil vom 10.07.2018 - C-25/17 -, Celex-Nr. 62017CJ0025), dass die „Sammlung personenbezogener Daten“ nach bestimmten Kriterien so strukturiert sein müssen, dass sie in der Praxis der späteren Verwendung leicht wiederauffindbar sind (ausführlich hierzu: FG München, Urteil vom 05.05.2022 - 15 K 193/20 -, noch nicht veröffentlicht).
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(2.3) Der erkennende Senat zieht Erw. 15 zur DSGVO als entscheidenden Maßstab zur Begrenzung des Anwendungsbereichs auf Akten heran (FG München, Urteil vom 04.11.2021 - 15 K 118/20 -, EFG 2022, 299; FG München, Urteil vom 05.05.2022 - 15 K 193/20 -, noch nicht veröffentlicht). Danach sollen Akten oder Aktensammlungen sowie ihre Deckblätter, die nicht nach bestimmten Kriterien geordnet sind, nicht in den Anwendungsbereich der DSGVO fallen.
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Die DSGVO führt nicht näher aus, wann Akten oder Aktensammlungen „nicht nach bestimmten Kriterien geordnet sind“. Allerdings kann damit nicht gemeint sein, dass eine einzelne Akte innerhalb einer Aktensammlung etwa nach dem einem Kriterium „Name“ bzw. „Steuernummer“ aufgefunden werden kann, da sonst jede Aktensammlung „nach bestimmten Kriterien geordnet“ erschiene und deren Ausnahme vom Anwendungsbereich der DSGVO gänzlich leerliefe. Denn eine Aktensammlung ohne wenigstens ein Ordnungskriterium zur Reihung der enthaltenen Akten ist praktisch kaum vorstellbar.
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Demgemäß fordert die wohl h.M. in der Literatur zur Bejahung einer „Ordnung nach Kriterien“ (Erw. 15), dass die Sammlung nach zumindest zwei Kriterien sortierbar ist (Kühling, DSGVO Art. 2 Rn. 18), was bei der Sammlung der Steuerakten, die lediglich nach Az. bzw. Steuernummer abgelegt sind, aber auch bei den Akten der Beklagten, nicht der Fall ist. In besonderem Maße gilt dies für die Inhalte jeder einzelnen Akte, in der Dokumente als Volltext ohne weitere „Ordnung nach Kriterien“ in historischer Reihung abgelegt sind.
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Wie der Senat in seiner Entscheidung vom 05.05.2022 (- 15 K 193/20 -, noch nicht veröffentlicht), herausgearbeitet hat, fehlt Schriftstücke-Sammlungen die von der DSGVO geforderte „Strukturiertheit“ auch insoweit, als auch sachverhaltsschildernde Textpassagen ohne Kategorisierung, also bevor eine kategorisierende Zuordnungsentscheidung getroffen worden ist, noch keinen hinreichenden Personenbezug aufweisen (FG München, Urteil vom 05.05.2022 - 15 K 193/20 -, noch nicht veröffentlicht, Tz. II.2.b.2.3). Darin drückt sich gleichzeitig die fehlende Strukturiertheit solcher Textstellen aus.
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Im Ergebnis bleibt somit festzuhalten, dass der Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO nicht die Einsicht in Verwaltungsdokumente bzw. die diese enthaltenen Akten gewährleistet (FG München, Gerichtsbescheid vom 03.02.2022 - 15 K 1212/19 -, juris; FG München, Urteil vom 04.11.2021 - 15 K 118/20 -, EFG 2022, 299; FG München, Urteil vom 05.05.2022 - 15 K 193/20 -, noch nicht veröffentlicht). Gerade darauf kommt es dem Kläger aber an.
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c. Danach kommt es auf Begrenzungen des Auskunftsrechts nicht mehr an. Das Vorliegen personenbezogener Daten bzw. der Anwendbarkeit der DSGVO unterstellt, schließen auch die Ausschlussgründe der DSGVO und der AO eine aus dem Auskunftsrecht abgeleitete Einsicht in Akten des Landesamtes über Aufsichtsverfahren aus (ausführlich zu den Ausschlussgründen: FG München, Gerichtsbescheid vom 03.02.2022 - 15 K 1212/19 -, juris).
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Im Streitfall greift insbesondere die Beschränkung des § 32c Abs. 1 Nr. 3 a AO ein.
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Das Recht auf Auskunft besteht danach nicht, wenn die personenbezogenen Daten nur deshalb gespeichert sind, weil sie auf Grund gesetzlicher Aufbewahrungsvorschriften nicht gelöscht werden dürfen und die Auskunftserteilung einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde sowie eine Verarbeitung zu anderen Zwecken durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen ausgeschlossen ist.
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So ist es aber im Streitfall. Eine künftige Verarbeitung der in den Akten des Landesamts zu früheren Eingaben des Klägers vorhandenen Schriftwechsel ist nicht vorgesehen und auch nicht zu erwarten. Die jeweils durch die Eingaben des Klägers vorgenommenen Aufsichtsmaßnahmen sind abgeschlossen.
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Da das Landesamt nicht für die Besteuerung des Klägers zuständig ist, sind Verarbeitungen von im Rahmen der Eingaben des Klägers dem Landesamt bekannt gewordenen Informationen für andere Zwecke als die der Bearbeitung der Eingaben organisatorisch ausgeschlossen. Für die Akten gelten während ihrer Aufbewahrung nach Maßgabe der Aktenführungsvorschriften strikte Geheimhaltungsregeln und technische Sicherungen. Anderes ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
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d. Der dem Kläger zustehende Auskunftsanspruch insoweit, dass ihm Auskunft zu geben war, dass die Beklagte seiner Person zuordenbare Vorgänge in ihren Akten hat, und welche,ist hinreichend erfüllt worden. Insoweit hat die Beklagte Auskunft bzw. ergänzende Auskunft erteilt. Den darüber hinausgehenden, streitgegenständlichen Anspruch auf Überlassung von Kopien der in den Akten enthaltenen Dokumente bzw. Akteneinsicht hat der Kläger nach dem Vorstehenden nicht.
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3. Das Finanzgericht brauchte die entscheidungserheblichen Rechtsfragen nicht dem EuGH vorzulegen (Gräber, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., FGO § 115, Rn. 84). Erstinstanzliche Gerichte sind unionsrechtlich nicht zur Vorlage verpflichtet (BFH, Beschluss vom 14.01.2014 - III B 89/13 -, BFH/NV 2014, 521).
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Ergänzung der bereits erteilten Auskunft im Laufe des Gerichtsverfahrens ist gegenüber dem tatsächlichen und beibehaltenen Klagebegehren unwesentlich, so dass das Gerichts keinen Anlass sieht, bei der Kostenentscheidung ein auch nur geringes anteiliges Obsiegen des Klägers bzw. Nachgeben der Beklagten zu berücksichtigen.
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5. Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zugelassen, da der Frage nach dem Umfang des Auskunftsrechts im Bereich der Steuerverwaltung nach der Einführung der DSGVO im Jahr 2018 grundsätzliche Bedeutung beizumessen ist. Darüber hinaus erscheint angesichts der oben zitierten widerstreitenden Entscheidungen der Finanzgerichte zum Anwendungsbereich der DSGVO im Bereich der direkten Steuern die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.