Titel:
Widerruf der Feststellung der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit
Normenketten:
LuftSiG § 7 Abs. 1a S. 1, S. 3, Abs. 3 S. 1
LuftSiZÜV § 5 Abs. 1
BayVwVfG Art. 49
Leitsätze:
1. Nach dem strengen Ansatz des Gesetzes ist es Sache einer im Luftsicherheitsbereich tätigen Person, (rechtzeitig) im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht (§ 7 Abs. 3 S. 2 LuftSiG) einen vollständigen Nachweis zu erbringen, dass keinerlei Zweifel an seiner Zuverlässigkeit (mehr) verbleiben. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nach § 5 Abs. 1 S. 1 LuftSiZÜV ist die Zuverlässigkeit einer im Luftsicherheitsbereich tätigen Person bereits dann zu verneinen, wenn daran Zweifel verbleiben, sodass es nicht erforderlich ist, explizit eine Unzuverlässigkeit festzustellen; vielmehr genügen bloße Zweifel an der Zuverlässigkeit, um eine solche nicht (mehr) festzustellen. Umgekehrt folgt daraus, dass zuverlässig im Sinne dieser Normen nur ist, wer die Gewähr dafür bietet, die ihm obliegenden Pflichten zum Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs, insbesondere vor Flugzeugentführungen und Sabotageakten, jederzeit in vollem Umfang zu erfüllen. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Entscheidung der Sicherheitsbehörde über die Zuverlässigkeit der überprüften Personen unterliegt vollständiger gerichtlicher Kontrolle; der Behörde steht kein Beurteilungsspielraum zu. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Widerruf der Feststellung der Zuverlässigkeit, Zweifel wegen Anhaltspunkten psychischer Erkrankung, Nichterfüllung der obliegenden Mitwirkungspflicht, Fehlende Mitwirkung bei der Ausräumung der Zweifel, Maßgeblicher Entscheidungszeitpunkt, luftsicherheitsrechtliche Zuverlässigkeit, persönliche Zuverlässigkeit, Luftsicherheit, Widerruf, psychische Erkrankung, Mitwirkungspflicht, Gutachten, gerichtliche Kontrolle, Beurteilungsspielraum
Fundstelle:
BeckRS 2022, 16093
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist für den Beklagten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Streitgegenständlich ist ein Widerrufsbescheid des Beklagten vom … September 2021, mit dem ein früherer Bescheid des Beklagten vom … Juli 2017, mit dem die persönliche Zuverlässigkeit des Klägers gemäß § 7 Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG) festgestellt worden war, aufgehoben worden ist.
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1. Der Kläger, geboren am ..., ist seit dem Jahr 1990 als Chemiefacharbeiter bei der Firma ... beschäftigt. Seit 2017 ist er nach Feststellung der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit mit Bescheid der Regierung von Oberbayern - Luftamt S. (im Folgenden Luftamt) vom … Juli 2017 im Bereich der sicheren Lieferkette eingesetzt. Zu diesem Zeitpunkt lagen bei den beteiligten Stellen noch keine negativen Erkenntnisse zum Kläger vor.
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Im Zuge der Nachberichtspflicht wurde dem Luftamt durch das Bayerische Landeskriminalamt und das zuständige Kriminalfachdezernat 10 des Polizeipräsidiums … folgender Sachverhalt mitgeteilt (Bl. 47ff. der vorgelegten Behördenakte - BA): Der Kläger war am … Januar 2021 aufgrund einer häuslichen Streitigkeit mit der Ehefrau, in deren Verlauf der Kläger sich in dem Wohnzimmer des gemeinsamen Hauses eingeschlossen und er mit einem Schlagstock hantiert hatte, von der Polizei in Gewahrsam genommen worden. Da er während des Transports zur Polizeidienststelle Suizidgedanken äußerte, wurde er von der Polizei letztlich wegen Selbst- und Fremdgefährdung im ... (im Folgenden Bezirkskrankenhaus) untergebracht. Dort wurde er am nächsten Tag ohne Verordnung einer Medikation wieder entlassen. Das von der Polizei eingeleitete Strafverfahren wurde mit Verfügung der Staatsanwaltschaft München I vom ... Februar 2021 nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt (Bl. 52 BA).
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Das Luftamt forderte am … März 2021 (Bl. 43 BA) beim Kläger daraufhin die Vorlage des Entlassungsberichts des Bezirkskrankenhauses an und gab diesem zugleich Gelegenheit zur Stellungnahme zu den durch den Vorfall aufgekommenen Zweifeln an seiner Zuverlässigkeit bis spätestens ... April 2021. Am gleichen Tag forderte das Luftamt auch vom Arbeitgeber des Klägers eine Stellungnahme an (Bl. 45 BA).
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Mit Schreiben vom ... April 2021 übersandte der Kläger dem Luftamt per Post und per E-Mail folgende Unterlagen:
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- Seiten 3 und 4 des Entlassungsberichts des Bezirkskrankenhauses vom … Januar 2021 (Bl. 36 BA), wonach sich der Kläger von Suizidalität klar distanziert gezeigt habe. Im Vordergrund habe eine depressive Symptomatik, einhergehend mit Antriebsminderung, Schlafstörungen, Interessen- und Freudlosigkeit bei familiärer Konflikt- und Trennungssituation gestanden. Der Kläger habe einen weiteren Verbleib in der Klinik abgelehnt und eine zeitnahe Entlassung gewünscht. Die Entlassung sei daraufhin bei fehlenden Hinweisen auf eine akute Selbst- oder Fremdgefährdung erfolgt. Medikamente wurden dem Kläger nicht mitgegeben und auch nicht verschrieben.
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- Individuelle Information zur psychotherapeutischen Sprechstunde der Psychologischen Psychotherapeutin Fr. … vom … März 2021 mit der Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode (Bl. 39 BA).
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- Bestätigung der Ehefrau des Klägers vom … März 2021 zum Vorfall vom … Januar 2021 (Bl. 41 BA). Darin bestätigt die Ehefrau, dass trotz des Notrufs am … Januar 2021 weder ihre Kinder noch sie selbst sich in Gefahr befunden hätten. Der Notruf sei auf Anraten eines Psychologen zum Schutz ihres Ehemannes erfolgt, der sich zu diesem Zeitpunkt in einer psychischen Krise befunden, dies selbst jedoch nicht wahrgenommen habe. Bei dem Notruf habe sie eine von dem Kläger für Dritte ausgehende Gefahr klar verneint.
9
- Bestätigung Dr. H2. (Psychiatrie und Psychotherapie, Neurologie) vom … März 2021 (Bl. 42 BA), wonach sich der Kläger seit ... März 2021 aus eigener Initiative in der ambulanten psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung befinde.
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Am … April 2021 äußerte sich der Arbeitgeber des Klägers auf die Anfrage des Luftamts. Der Kläger habe eine wichtige Rolle in der Fertigung komplizierter Produkte (Merkmalsfertigung) inne, er sei stets als sehr gewissenhafter und kompetenter Kollege aufgetreten, der bei Kollegen und Vorgesetzten sehr geschätzt sei. Es seien keine negativen Informationen bekannt.
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Mit Schreiben vom … Mai 2021 (Bl. 28 BA) erklärte das Luftamt gegenüber dem Kläger, dass nach Beurteilung des vorgelegten Entlassungsberichts des Bezirkskrankenhauses vom … Januar 2021 die bestehenden Zweifel an der Zuverlässigkeit nicht hätten ausgeräumt werden können. Es bestünden Zweifel, ob der Kläger nach dem Gesamtbild seiner Persönlichkeit jederzeit das erforderliche Maß an Verantwortungsbewusstsein und Selbstbeherrschung aufbringe, um die ihm obliegenden Pflichten zum Schutz der Sicherheit des Luftverkehrs zu erfüllen. Es werde daher bis spätestens ... Juli 2021 um Vorlage eines Gutachtens eines Facharztes für Psychiatrie gebeten, das folgende Fragen klären solle:
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„Kann bei [dem Kläger] eine Selbst- und Fremdgefährdung ausgeschlossen werden?
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Kann [der Kläger] nach dem Gesamtbild seiner Persönlichkeit jederzeit das erforderliche Maß an Verantwortungsbewusstsein und Selbstbeherrschung aufbringen um die ihm obliegenden Pflichten zum Schutz der Sicherheit des Luftverkehrs zu erfüllen?“
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Mit E-Mail-Nachricht vom … Juni 2021 (Bl. 15ff. BA) erklärte der Kläger unter Vorlage von Kopien des entsprechenden E-Mail-Verkehrs, dass er sich an zahlreiche Stellen und Ärzte gewandt habe, es aber unmöglich sei, einen Facharzt für Psychiatrie zu finden, der das geforderte Gutachten erstelle oder jemals ein solches Gutachten erstellt habe. Er könne daher das geforderte Gutachten nicht vorlegen. Er sei nun 54 Jahre alt und habe sich nie etwas zu Schulden kommen lassen. Er habe außerdem noch die Sicherheitsüberprüfung Ü2 und sei seit 30 Jahren beim gleichen Arbeitgeber beschäftigt. Dies sage doch auch etwas über seine Zuverlässigkeit und Korrektheit aus. Er bitte daher, dies in der Bewertung durch das Luftamt zu berücksichtigen und ihm noch eine Chance zu geben, seine Zuverlässigkeit unter Beweis zu stellen. Der Verlust der Tauglichkeit werde ihn höchstwahrscheinlich in die Arbeitslosigkeit führen. Es habe sich im Januar 2021 um eine Ausnahmesituation gehandelt, die unter anderem auch durch eine schwere psychische Erkrankung seiner Tochter, zu viel Alkohol an dem fraglichen Tag und die damals noch nicht diagnostizierte Depression hervorgerufen worden sei. Er befinde sich seit damals in ärztlicher Behandlung und habe einen von der Krankenkasse bewilligten P.platz. Ergänzend übermittelte der Kläger zu diesem Schreiben den vollständigen Entlassungsbericht des Bezirkskrankenhauses vom … Januar 2021 und medizinische Unterlagen zur Bestätigung der Erkrankung seiner Tochter.
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Der Entlassungsbericht des Bezirkskrankenhauses nennt als Diagnosen eine Anpassungsstörung (ICD-10 F42.3) und eine arterielle Hypertonie.
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Die Vorlage eines Gutachtens, wie in der Anhörung vom … Mai 2021 gefordert, erfolgte auch in der Folge nicht.
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2. Mit streitgegenständlichem Bescheid vom … September 2021 (Bl. 4 BA), mit Postzustellungsurkunde am … September 2021 zugestellt (Bl. 3 BA), widerrief das Luftamt die mit Entscheidung vom … Juli 2017 getroffene Feststellung der persönlichen Zuverlässigkeit i.S.v. § 7 LuftSiG des Klägers (Nr.1) und verbot dem Kläger die Aufnahme oder Ausübung einer Tätigkeit, die durch ihre konkrete Funktion oder durch Arbeitsabläufe dazu geeignet ist, einen unmittelbaren Einfluss auf die Sicherheit des Luftverkehrs zu nehmen (Nr. 2). Der Widerruf wurde auf Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) i.V.m. § 7 LuftSiG i.V.m. § 5 Abs. 1 Luftsicherheits-Zuverlässigkeitsüberprüfungsverordnung (LuftSiZÜV) gestützt; es lägen nachträglich eingetretene Tatsachen vor, die bei Neubeantragung eine Antragsablehnung rechtfertigen würden, wobei ohne einen Widerruf das öffentliche Interesse (Schutz der Luftsicherheit) gefährdet wäre. Insbesondere wurde auf § 5 Abs. 1 Satz 2 LuftSiZÜV zum Genügen verbleibender Zweifel an der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit für einen Widerruf der Zuverlässigkeitsfeststellung und auf § 7 Abs. 3 Satz 2 LuftSiG zur Mitwirkungspflicht bei der Ausräumung von Zweifeln an der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit hingewiesen. In der Bescheidsbegründung wird zur pflichtgemäßen Ermessensausübung und Verhältnismäßigkeit hinsichtlich des Widerrufs ausgeführt. Die Maßnahme in Ziffer 2 des Bescheidstenors wurde auf § 7 Abs. 6, § 10 Satz 1 LuftSiG gestützt. Auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheides wird verwiesen.
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3. Der Kläger ließ durch seinen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom … Oktober 2021, eingegangen am selben Tag, Klage zum Verwaltungsgericht München erheben und beantragen,
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Der Bescheid vom 21. September 2021 (Az. 25-49-3787-BEV990000830) wird aufgehoben.
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Die Klagebegründung erfolgte am … Januar 2022 unter Vorlage eines fachärztlichen Gutachtens von Herrn PD Dr. H2. vom … November 2021. Daraus ergibt sich auch, dass dem Kläger seitens des Psychiaters und Neurologen Dr. H2. eine mittelgradige depressive Episode diagnostiziert und ein Antidepressivum (Sertralin mit einer Dosis 75 mg/Tag) verordnet wurde, die der Kläger aktuell auch einnehme. Auch die Psychotherapeutin Dr. H2. H2. habe u.a. die Diagnose mittelgradige depressive Episode getroffen. Das Gutachten trifft die zusammenfassende Beurteilung, dass aus neurologisch-psychiatrischer Sicht die Zuverlässigkeit im Sinne des Luftverkehrsrechts gegeben sei. Die bei dem Kläger vorliegende depressive Störung sei gut mit Psychopharmaka und einer begleitenden Psychotherapie behandelbar. Es liege beim Kläger kein Mangel der charakterlichen Eignung vor. Auf den Inhalt des Gutachtens, dem keine körperliche Untersuchung des Klägers zu Grunde lag, wird im Übrigen inhaltlich Bezug genommen. Der Kläger ließ seinen Bevollmächtigten in der Klagebegründung ausführen, dass jedenfalls mit dem Gutachten sämtliche Zweifel an der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit des Klägers ausgeräumt seien. Die aufgeworfenen Fragen seien für den Kläger positiv beantwortet worden. Es bestünden keine Gründe für die Annahme, es drohe seitens des Klägers aktuell oder künftig ein Verstoß gegen die Anforderungen zur Wahrung der Sicherheit des Luftverkehrs. Im Übrigen wird auf den Inhalt der Klagebegründung verwiesen.
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Das Luftamt übersandte die Behördenakte und erwiderte für den Beklagten mit Schreiben vom … Februar 2022. Der Beklagte beantragt
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Das Gutachten sei nicht rechtzeitig im Verwaltungsverfahren vorgelegt worden. Maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage sei der Zeitpunkt der Behördenentscheidung. Der Kläger könne einen neuen Antrag auf Feststellung der Zuverlässigkeit stellen, wenn alle erforderlichen Unterlagen vorlägen. Es werde darauf hingewiesen, dass das vorgelegte Gutachten vom … November 2021 den Anforderungen nicht genüge. Es ergäben sich daraus Anhaltspunkte für eine Medikamentenabhängigkeit. Zudem fehle eine positive Zukunftsprognose gänzlich.
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Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom … März 2022 legte der Kläger eine E-Mail des Gutachter,s vom ... März 2022 vor. Darin erklärt der Gutachter PD Dr. H2., er habe eine positive Prognose gestellt. Anhaltspunkte für eine schlechte Prognose sehe er nicht. Die Krankheit könne gut behandelt werden. Das Störungsbild sei remittiert und werde weiterhin lege artis psychopharmakologisch und psychotherapeutisch behandelt.
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Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene Klage hat keinen Erfolg.
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1. Da es sich um eine Anfechtungsklage handelt und das einschlägige Recht keine anderweitige Regelung trifft, ist für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage des vorliegend streitgegenständlichen Widerrufs der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeitsfeststellung vom … Juli 2017 der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgeblich, vorliegend der … September 2021 (BayVGH, B.v. 30.11.2020 - 8 ZB 19.1757 - juris Rn. 10 mit w.N.z.Rspr.).
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2. Unter Zugrundelegung dieses maßgeblichen Zeitpunkts ist der streitgegenständliche Bescheid formell und materiell rechtmäßig.
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Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Das Gericht folgt der zutreffenden Begründung des streitgegenständlichen Bescheides (§ 117 Abs. 5 VwGO). Zutreffend hat der Beklagte darin ausgeführt, dass mit dem Vorfall am … Januar 2021 und dem Verhalten des Klägers dabei Erkenntnisse auftraten, die Zweifel an der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit begründeten. Entgegen der dem Kläger nach § 7 Abs. 3 LuftSiG obliegenden Mitwirkungspflicht hat dieser die Zweifel an seiner luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt nicht ausgeräumt. Verbleibende Zweifel, wie vorliegend, gehen zu Lasten des Klägers und berechtigten den Beklagten zum rechtmäßigen Widerruf der zuvor mit Entscheidung vom … Juli 2017 getroffenen Feststellung der persönlichen Zuverlässigkeit im Sinne von § 7 LuftSiG. Insbesondere hat der Kläger das berechtigt von ihm geforderte Gutachten eines Facharztes für Psychiatrie nicht im behördlichen Verwaltungsverfahren vorgelegt und ist auch insoweit seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen.
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Die seitens des Klägers im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen sind nicht geeignet, die durch die Erkenntnisse zum Vorfall am … Januar 2021 begründeten Zweifel hinsichtlich der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit des Klägers auszuräumen. Nach dem strengen Ansatz des Gesetzes wäre es aber Sache des Klägers gewesen, (rechtzeitig) im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht (§ 7 Abs. 3 Satz 2 LuftSiG) einen vollständigen Nachweis zu erbringen, dass keinerlei Zweifel an der Zuverlässigkeit (mehr) verbleiben; auch die amtliche Begründung zu § 7 LuftSiG (Gegenäußerung der Bundesregierung - Bundestags-Drucksache 15/2361 - S. 36, zu Nr. 12) betont, dass es dem jeweils Betroffenen obliegt, einen entstandenen Verdacht auszuräumen. Auf Grundlage des Vorfalles vom … Januar 2021 und des Entlassungsberichts des Bezirkskrankenhauses, war es geboten und der Kläger auch verpflichtet, das geforderte Gutachten beizubringen.
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3. Die Kammer weist lediglich ergänzend auf Folgendes hin: Selbst wenn unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung eines ordnungsmäßen Verwaltungsverfahrens (Art. 20 Abs. 3 GG) bei Berücksichtigung der vom Kläger nachgewiesenen und für den Beklagten ersichtlichen Bemühungen des Klägers, innerhalb der vom Beklagten gesetzten (sehr kurzen) Frist einen Gutachter für die Erstellung des geforderten Gutachtens zu finden, der maßgebliche Zeitpunkt zur Beurteilung von Sach- und Rechtslage ausnahmsweise auf die mündliche Verhandlung verlegt würde, so würde auch dies vorliegend nicht zu einem anderen Ergebnis führen.
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Denn ungeachtet des Umstands, dass der Gutachter, wie von dem Beklagten beanstandet, dem vorgelegten Gutachten vom … November 2021 nicht, wie etwa bei der bekannten medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU), auch eine körperliche Untersuchung zugrunde gelegt hat, verblieben auch bei Berücksichtigung des Gutachtens zur Überzeugung der Kammer (§ 108 Abs. 1 VwGO) bei Gesamtwürdigung des Einzelfalles des Klägers (§ 7 Abs. 1a Satz 1 LuftSiG) Zweifel an dessen luftsicherheitsrechtlicher Zuverlässigkeit.
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Gemäß § 7 Abs. 1a Satz 1 LuftSiG bewertet die Luftsicherheitsbehörde die Zuverlässigkeit des Betroffenen aufgrund einer Gesamtwürdigung des Einzelfalles. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 LuftSiZÜV ist die Zuverlässigkeit bereits dann zu verneinen, wenn daran Zweifel verbleiben. Es ist also nicht erforderlich, explizit eine Unzuverlässigkeit festzustellen, vielmehr genügen bloße Zweifel an der Zuverlässigkeit, um eine solche nicht (mehr) festzustellen. Umgekehrt folgt daraus, dass zuverlässig im Sinne dieser Normen nur ist, wer die Gewähr dafür bietet, die ihm obliegenden Pflichten zum Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs, insbesondere vor Flugzeugentführungen und Sabotageakten, jederzeit in vollem Umfang zu erfüllen. Wegen des gerade beim Luftverkehr hohen Gefährdungspotenzials und der Hochrangigkeit der zu schützenden Rechtsgüter sind dabei strenge Anforderungen zu stellen. Daher ist die Zuverlässigkeit bereits dann zu verneinen, wenn an ihr auch nur geringe Zweifel bestehen (BVerwG U.v. 15.7.2004 - 3 C 33/03 - BVerwGE 121, 257, Leitsatz 2, juris).
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Die Entscheidung der Sicherheitsbehörde über die Zuverlässigkeit der überprüften Personen unterliegt vollständiger gerichtlicher Kontrolle. Der Behörde steht kein Beurteilungsspielraum zu (Meyer in Grabherr/Reidt/Whysk, Luftverkehrsgesetz Kommentar, Stand Januar 2019, LuftSiG § 7 Rn. 81; BVerwG, U.v. 15.7.2004 - 3 C 33/03 - juris Rn. 16).
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Dies zu Grunde gelegt, ist festzuhalten, dass bei dem Kläger nach wie vor eine noch nicht abschließend therapierte psychische Erkrankung vorliegt, für deren Behandlung der Kläger (derzeit noch) Medikamente einnehmen muss, und die in der Vergangenheit unter den besonderen Umständen des … Januar 2021 bereits zu einem Vorfall geführt hat. Das Gericht kann dem Gutachten keine Aussage dahingehend entnehmen, dass diese Krankheit bereits überwunden wäre und der Kläger auch etwa bei Absetzen der Medikation uneingeschränkt die strengen Anforderungen des Luftsicherheitsrecht erfüllen würde. Dabei ist dem Gericht bewusst, dass der Kläger derzeit auf einem guten Weg ist und die Einnahme der Medikamente, wie von der Ehefrau im Rahmen der mündlichen Verhandlung verdeutlicht, langsam verringert wird. Auch verkennt das Gericht nicht, dass der Gutachter die psychische Erkrankung für gut behandelbar erachtet. Sie bleibt aber gleichwohl derzeit noch behandlungsbedürftig und der Kläger muss weiter Medikamente einnehmen, um die Krankheit „im Griff“ zu haben.
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Insgesamt lässt sich zur Überzeugung des Gerichts bei Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keine Feststellung treffen, dass keinerlei Zweifel an der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit des Klägers mehr bestehen.
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Verbleiben damit aber Zweifel, so ist die Zuverlässigkeit des Klägers nach dem strengen Ansatz des Gesetz- und Verordnungsgebers zu verneinen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 LuSiZÜV).
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4. Der unterlegene Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO).
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5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 und Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).