Titel:
Ausschluss von Angeboten im Auswahlverfahren beim Abschluss versorgungsrechtlicher Konzessionsverträge
Normenketten:
EnWG § 46 Abs. 1, § 47 Abs. 5
GWB § 19, § 33
Leitsatz:
Im Hinblick auf eine unbillige Behinderung anderer Bewerber, wenn Angebote ungeeigneter Bieter berücksichtigt werden, muss nicht nur eine formelle Eignungsprüfung, sondern auch eine materielle Eignungsprüfung erfolgen. Im Rahmen dieser Prüfung ist zu ermitteln, ob der betreffende Bieter bzw. der vorgesehene Pächter für den konkreten Auftrag geeignet ist. Ausgehend von den eingereichten Nachweisen ist zu untersuchen, ob er tatsächlich die erforderliche Fachkunde und Leistungsfähigkeit aufweist, um die ausgeschriebene Leistung einwandfrei zu erbringen. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Konzessionsverfahren, Ausschluss, Frist, Eignungsnachweis, Mantelgesellschaft, Auswahlverfahren, Konzessionsverträge, Gasversorgung, Elektrizitätsversorgung, Diskiminierungsverbot, einstweilige Verfügung, Verfügungsanspruch, umgekehrte Eingungsleihe, Newcomer
Rechtsmittelinstanzen:
LG München I, Berichtigungsbeschluss vom 10.05.2022 – 4 HK O 2033/22
LG München I, Berichtigungsbeschluss vom 02.06.2022 – 4 HK O 2033/22
Fundstellen:
BeckRS 2022, 15843
EnWZ 2022, 286
LSK 2022, 15843
Tenor
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 17.02.2022 wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin kann die Vollstreckung hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Der Streitwert des Verfahrens wird auf 200.000,- €.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten darüber, ob der Ausschluss der Angebote der Antragsstellerin bei der Nutzung öffentlicher Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, die zu einem Elektrizitätsversorgungsnetz bzw. zu einem Gasversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung im Gebiet der Antragsgegnerin gehören, und der angekündigte Abschluss der Konzessionsverträge mit der … gegen die Anforderung an ein transparentes und diskriminierungsfreies Auswahlverfahren verstoßen.
2
Die Antragstellerin ist ein regionaler Netzbetreiber und betreibt Strom- und Gasnetze in weiten Teilen Bayerns. Sie ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der ….
3
Die Antragsgegnerin ist eine kreisfreie Stadt mit rund 137.400 Einwohnern.
4
Altkonzessionar für die Gas- und Stromversorgungsnetze bei der Antragsgegnerin sind die …. Die bestehenden Wegenutzungsverträge der Antragsgegnerin mit der … für die Gas- und Stromversorgung endeten jeweils am 30.11.2020.
5
Am 30.11.2018 gab die Antragsgegnerin im elektronischen Bundesanzeiger bekannt, dass die bestehenden Wegenutzungsverträge für Strom und Gas am 30.11.2020 auslaufen (Anlage AST1 und AST2). Gleichzeitig forderte die Antragsgegnerin Energieversorgungsunternehmen, die an dem Abschluss eines neuen Strom- bzw. Gaskonzessionsvertrages interessiert sind, jeweils dazu auf, ihre Interessenbekundung schriftlich bis zum 29.03.2019 bei der Antragsgegnerin einzureichen. Eine solche Interessensbekundung hat die Antragsstellerin für beide Netze abgegeben.
6
Am 10.07.2019 versandte die Antragsgegnerin für beide Netze jeweils sogenannte erste Verfahrensbriefe nebst Anlagen (Anlage AST3 - Strom, und AST4 - Gas). Mit diesen ersten Verfahrensbriefen teilte die Antragsgegnerin den Bietern die Mindestanforderungen an die Angebote, sowie ihre Auswahlkriterien nebst Gewichtung, Bewertungsmethodik und Erläuterungen zu den Auswahlkriterien mit und forderte diese zur Abgabe indikativer Angebote auf.
7
Hinsichtlich des Inhalts der ersten Verfahrensbriefe wird auf die Anlagen AST3 und AST4 Bezug genommen.
8
Dies führte zu verschiedenen Nachfragen und Rügen durch die Antragstellerin, die zu dem als Anlage AST5 bis AST9 vorgelegten Schriftverkehr zwischen den Parteien führten und in einem Gerichtsverfahren überprüft wurden. Auf das als AST11 vorgelegte Urteil des Landgerichts München I vom 21.02.2020 (37 O 14556/19) und das als Anlage AST14 vorgelegte Urteil des OLG München vom 01.10.2020 (29 U 1705/20 Kart.) wird insoweit Bezug genommen.
9
Die Antragsgegnerin passte daher mit den als Anlagen AST12 und AST13 vorgelegten zweiten Verfahrensbriefen vom 15.07.2020 und den als Anlagen AST15 und AST16 vorgelegten dritten Verfahrensbriefen vom 16.12.2020 die Auswahlkriterien des Konzessionsverfahrens an.
10
Die Antragstellerin gab sodann die als Anlagen AST19 und AST20 auszugsweise vorgelegten indikativen Angebote ab und erläuterte hierin, dass die Antragstellerin die Netze nicht selbst betreiben, sondern diese an die zu diesem Zweck als hundertprozentige Tochtergesellschaft der Antragstellerin gegründete … verpachten wolle, die wiederum die technische und kaufmännische Betriebsführung im Rahmen eines umfassenden Betriebsführungsvertrages von der Antragstellerin durchführen würde lassen. Dem beigefügt waren die als Anlagen AST21 bis AST39 vorgelegten Unterlagen, auf welche Bezug genommen wird.
11
Mit den als Anlagen AST46 und AST47 vorgelegten Schreiben vom 18.08.2021 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass die vergabeleitende Stelle Zweifel an der Eignung der Antragstellerin habe, weil die vorgesehene Pächterin personell nur mit einem Geschäftsführer, der zudem entgegen den Entflechtungsbestimmungen des … zugleich Prokurist der … sei und die … weder über die erforderliche Fachkunde und Leistungsfähigkeit zur Überwachung der Antragstellerin als Betriebsführerin, noch über die erforderliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verfüge.
12
Diese Bedenken versuchte die Antragstellerin mit den als Anlagen AST48 und AST49 vorgelegten Stellungnahmen vom 31.08.2021 zu zerstreuen. Mit dem als Anlagen AST50 und AST51 vorgelegten Schreiben vom 18.10.2021 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass der Konzessionsausschuss der … in seiner Sitzung vom 04.10.2021 beschlossen habe, die Angebote der Antragstellerin wegen fehlender Eignung auszuschließen und die Konzessionen an den einzigen weiteren Bewerber, die …, zu vergeben.
13
Die hiergegen mit Schreiben vom 16.11.2021 (Anlagen AST52 und AST53) erhobenen Rügen hat die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 07.02.2022 (Anlagen AST56 und AST55) zurückgewiesen.
14
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin durch Beantragung einer einstweiligen Verfügung nach § 47 Abs. 5 Satz 3 ENWG.
15
Die Antragstellerin trägt vor,
der Ausschluss der Angebote der Antragstellerin sei schon deshalb unzulässig, weil er den in den ersten Verfahrensbriefen vorgegebenen Verfahren widerspreche. Danach seien die Eignungsnachweise mit dem indikativen Angebot abzugeben gewesen. Auf dieser Grundlage habe die Eignungsprüfung erfolgen sollen, und zwar vor der Aufforderung zur Abgabe des finalen Angebots. Nur dies entspreche dem mit der frühen Vorlage der Eignungsnachweise verfolgten Zweck, ungeeignete Bewerber frühzeitig auszusortieren und nur geeignete Bewerber zur Abgabe eines finalen Angebots aufzufordern und diese nach den mitgeteilten Auswahlkriterien zu bewerten. Nach der Aufforderung zur Abgabe der finalen Angebote sei ein Ausschluss daher unzulässig gewesen.
16
Darüber hinaus liege auch kein Ausschlussgrund vor. Es gebe keine gesicherten Erkenntnisse, dass die Antragstellerin und ihre Pächterin nicht über die erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit und/oder Zuverlässigkeit verfüge, das Elektrizitätsversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung in der Stadt gemäß den gesetzlichen Vorschriften zu betreiben. Die Antragstellerin habe durch Vorlage aller geforderten Eignungsnachweise nachgewiesen, dass sie über die erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit verfüge. Hierzu zähle auch die Eigenerklärung der Energienetze Ingolstadt GmbH als künftige Pächter und Netzbetreiber gemäß Abschnitt D III in Verbindung mit Abschnitt D 15 der ersten Verfahrensbriefe.
17
Die Antragstellerin stellt folgende Anträge, wobei sie in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, die unter den Ziffern 1. und 2. der Anträge gewählten Formulierungen seien zwar auf dasselbe gerichtet, würden dem Gericht aber jedoch die Möglichkeit eröffnen, den richtigen Verbotstenor zu wählen:
1.) Die Antragsgegnerin hat es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, zu unterlassen,
- a)
-
die Verfahren
- b)
-
auf Basis des Beschlusses des Konzessionsausschusses der Stadt Ingolstadt vom 04.10.2021 einen Vertrag über die Nutzung öffentlicher Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, die zu einem Elektrizitätsversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung im Gebiet der Antragsgegnerin gehören, mit der … abzuschließen, …/Seite 3 von 36
- c)
-
auf Basis des Beschlusses des Konzessionsausschusses der … vom 04.10.2021 einen Vertrag über die Nutzung öffentlicher Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, die zu einem Gasversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung im Gebiet der Antragsgegnerin gehören, mit der … abzuschließen.
2. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, die Verfahren
- zum Abschluss eines Vertrags über die Nutzung öffentlicher Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, die zu einem Elektrizitätsversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung im Gebiet der Antragsgegnerin gehören und
- zum Abschluss eines Vertrags über die Nutzung öffentlicher Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, die zu einem Gasversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung im Gebiet der Antragsgegnerin gehören,
in den Stand vor den Beschlüssen des Konzessionsausschusses der … vom … 04.10.2021 über den Ausschluss der Angebote der Antragstellerin und die Konzessionierung der … zurückzuversetzen und die Verfahren durch eine diskriminierungsfreie Bewertung der eingereichten verbindlichen Angebote unter Einschluss der verbindlichen Angebote der Antragstellerin und eine darauf basierende Auswahlentscheidung fortzusetzen.
18
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
19
Sie hält die Antragstellung, bei der sich das Gericht aussuchen möge, welchem Antrag es stattgibt, für eine unzulässige alternative Klagehäufung.
20
Im Übrigen sei der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auch unbegründet.
21
Die Antragsgegnerin habe die Angebote der Antragstellerin im Wettbewerb um die Vergabe der Strom- und Gaskonzession mangels Eignung nicht zur Wertung zugelassen und vom weiteren Verfahren ausgeschlossen. Der Ausschluss sei erfolgt, weil das Angebot der Antragstellerin vorsehe, den zukünftigen Netzbetrieb durch ein ungeeignetes Unternehmen, die … (im Folgenden: …), dessen Eignung unstreitig ebenfalls nachzuweisen gewesen wäre, ausführen zu lassen.
22
Die Antragstellerin habe nicht vorgehabt, die … bis zum Zeitpunkt der Netzbetriebsübernahme mit einer eigenen personellen und fachlichen Grundausstattung auszustatten, den sich aufgrund der Auswahl des Geschäftsführers der … abzeichnenden Verstoß gegen die Entflechtungsvorschriften auszuräumen und ihre Verpflichtungszusage zur finanziellen Ausstattung der … auch noch auf jene Verbindlichkeiten zu erstrecken, die sich aus dem Schuldbeitritt der … zu den Angeboten der Antragstellerin ergeben.
23
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.03.2022 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
24
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, der innerhalb der Frist des § 47 Abs. 5 EnWG erhoben wurde, war mangels Verfügungsanspruchs zurückzuweisen.
25
Die Frage, mit welcher Tenorierung ein Verbotstenor erfolgen müsste, und ob eine unzulässige alternative Klagehäufung vorlag, konnte daher offenbleiben.
26
Der Ausschluss der Angebote der Antragstellerin und der angekündigte Abschluss der Konzessionsverträge mit der … verstößt nicht gegen die Anforderungen an ein transparentes und diskriminierungsfreies Auswahlverfahren.
27
Im Einzelnen gilt folgendes:
28
1. Die Kammer kann nicht erkennen, dass die Antragsgegnerin dadurch, dass sie die Antragstellerin nicht bereits vor der Aufforderung zur Abgabe des finalen Angebots ausgeschlossen, sondern ihr weiterhin die Möglichkeit gegeben hat, die Eignungsnachweise für die vorgesehene Pächterin der Netze vorzulegen, gegen das Diskriminierungsverbot des § 46 Abs. 1 EnWG und § 19 GWB in Verbindung mit § 33 GWB verstoßen hat.
29
Aus der Regelung in Abschnitt B und H des ersten Verfahrensbriefes, wonach die Eignungsnachweise mit dem indikativen Angebot abzugeben sind, folgt keine Verpflichtung der Antragsgegnerin, potenziell geeigneten Bewerbern auch noch nach Abgabe des indikativen Angebots die Möglichkeit zu eröffnen, noch nicht vorgelegte Eignungsnachweise nachzureichen. Dies gilt umso mehr, als die Parteien im vorliegenden Fall längere Zeit und sogar gerichtlich darum gerungen haben, welche die rechtlich zulässigen Auswahlkriterien für das Konzessionsverfahren sind und die Antragsgegnerin die Auswahlkriterien aufgrund der Nachfrage und Rügen der Antragstellerin mehrmals angepasst hat.
30
2. Die Voraussetzungen für den Ausschluss der Antragstellerin waren im vorliegenden Fall gegeben, weil die Antragstellerin entgegen den auf Seite 8 der Anlagen AST3 und AST4 (erste Verfahrensbriefe) niedergelegten Voraussetzungen, nämlich die form- und fristgerechte Einreichung von Nachweisen und Erklärungen, auch nicht innerhalb der von der Antragsgegnerin gesetzten Nachfrist vorgelegt hat. Die Antragsgegnerin musste daher davon ausgehen, dass die Antragstellerin, bzw. die von ihr vorgesehene Pächterin der Netze, jedenfalls zum Zeitpunkt der Vergabe nicht über die erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit und/oder Zuverlässigkeit verfügen würde, das Elektrizitätsversorgungsnetz bzw. das Gasversorgungsnetz gemäß den gesetzlichen Vorschriften zu betreiben. Aufgrund dieser, zum Zeitpunkt der Konzessionierung vorliegenden gesicherten Erkenntnisse durfte die Antragsgegnerin die Antragsstellerin aus dem Verfahren ausschließen:
31
a) Die Antragstellerin hatte die … als ausschließlich für das ausgeschriebene Konzessionsgebiet zuständigen Netzbetreiber vorgesehen. Bereits im Bietergespräch vom 18.06.2021 (Anlage AST40, 1. Seite) kommunizierte die Antragsgegnerin die Aspekte, die zu diesem Zeitpunkt Zweifel an der Eignung der … zum Betrieb der Netze aufkommen ließen. Der Antragstellerin wurde mitgeteilt, dass es sich bei der … um eine „leere Hülle“ handele, deren Organisationsstruktur noch unklar sei. Es wurde in diesem Zusammenhang um Klarstellung gebeten, wie die Ausstattung der … in Bezug auf eine Genehmigung nach § 4 EnWG aussehen solle. Darüber hinaus erging auch ein Hinweis darauf, dass die Unbundling-Vorschriften eingehalten werden müssten.
32
Die Antragstellerin nahm zu keinem Zeitpunkt die Zweifel der Antragsgegnerin zum Anlass, ihr Angebot - solange es noch zulässig möglich gewesen wäre - entsprechend anzupassen oder nachzubessern.
33
Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Antragstellerin sowohl für sich selbst als auch für die Pächterin sämtliche formellen Eignungserklärungen vorgelegt hat. Wie die Antragsgegnerin bereits in dem als Anlagenkonvolut AG2 vorgelegten Bescheiden vom 18.08.2021 ausgeführt hat, hat gerade auch im Hinblick auf eine unbillige Behinderung der anderen Bewerber, wenn Angebote ungeeigneter Bieter berücksichtigt werden (vgl. BGH, Urteil vom 28.01.2020, EnZR 116/18) nicht nur eine formelle Eignungsprüfung, sondern auch eine materielle Eignungsprüfung erfolgen; im Rahmen dieser Prüfung ist zu ermitteln, ob der betreffende Bieter, bzw. der vorgesehene Pächter für den konkreten Auftrag geeignet ist. Ausgehend von den eingereichten Nachweisen ist zu untersuchen, ob er tatsächlich die erforderliche Fachkunde und Leistungsfähigkeit aufweist, um die ausgeschriebene Leistung einwandfrei zu erbringen.
34
Zwar kann für die Eignungsprüfung eines „Newcomers“, wie die zum Zeitpunkt der Konzessionierung noch nicht im Netzbetrieb tätigen …, nicht der Nachweis einer bereits erfolgten Tätigkeit verlangt werden, da dies jeden Newcomer grundsätzlich vom Wettbewerb ausschließen würde.
35
Die Antragstellerin hat jedoch für ihre Tochtergesellschaft immer nur behauptet, diese könne die Aufgaben der Gas- und Stromversorgung erfüllen, hat hierfür aber trotz mehrmaliger Nachfrage durch die Antragsgegnerin keine geeigneten, vergleichbaren Nachweise vorgelegt. Sie hat insbesondere auch nicht dargelegt, wie sie die Pächterin in Zukunft über das eingezahlte Stammkapital in Höhe von 25.000 € finanziell und personell ausstatten wird, sondern lediglich versichert, dass sie im Falle der Konzessionierung sämtliche Anforderungen der Behörde erfüllen wird. Dies ist eine Behauptung, aber kein Eignungsnachweis, der es der Antragsgegnerin ermöglicht hätte, die Geeignetheit der Pächterin zu überprüfen.
36
b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 18.05.2020 (Az: 16 U 66/19 Kart.), die sich u.a. auch mit der von der Antragstellerin in Anspruch genommenen sogenannten umgekehrten Eignungsleihe befasst. In dieser Entscheidung ging es um die Frage, ob die Ausgründung einer separaten Netzgesellschaft zulässig ist. Die Frage, wie eine solche ausgegründete Gesellschaft auszustatten ist, wurde dort weder vom Gericht, noch von der im Urteil erwähnten Stellungnahme der Bundesnetzagentur thematisiert.
37
Auch im Fall der sogenannten umgekehrten Eignungsleihe kann nicht davon abgesehen werden, den zukünftigen Netzbetreiber entsprechend personell und finanziell auszustatten. Die Antragstellerin hat jedoch immer nur versichert, dies in Zukunft zu tun, nicht jedoch - obwohl sie hierzu mehrfach von der Antragsgegnerin aufgefordert worden ist - dargelegt, wie sie die Tochtergesellschaft in Zukunft finanziell und personell ausstatten wird.
38
Da hierzu keinerlei Erklärungen erfolgten und Nachweise vorgelegt wurden, musste die Antragsgegnerin daher zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidung davon ausgehen, dass die zukünftige Pächterin nicht über die erforderliche Leistungsfähigkeit verfügt, das Elektrizitätsversorgungsnetz, bzw. das Gasversorgungsnetz der Stadt Ingolstadt gemäß den gesetzlichen Vorschriften zu betreiben. Der Ausschluss der Antragstellerin war daher rechtmäßig.
39
2. Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung war daher mit der Kostenfolge des § 91 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
40
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.