Titel:
Erkrankung, Leistungen, Wiedereinsetzung, Widerspruchsbescheid, Bescheid, Antragstellung, Frist, Ausbildungsverkehr, Widerspruch, Tod, Aufhebung, Verschulden, Glaubhaftmachung, Widerspruchsverfahren, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Antrag auf Wiedereinsetzung, Kosten des Verfahrens
Schlagworte:
Erkrankung, Leistungen, Wiedereinsetzung, Widerspruchsbescheid, Bescheid, Antragstellung, Frist, Ausbildungsverkehr, Widerspruch, Tod, Aufhebung, Verschulden, Glaubhaftmachung, Widerspruchsverfahren, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Antrag auf Wiedereinsetzung, Kosten des Verfahrens
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 22.06.2022 – 11 ZB 22.617
Fundstelle:
BeckRS 2022, 15362
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt von dem Beklagten einen Ausgleich für gemeinwirtschaftliche Leistungen im Ausbildungsverkehr.
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Der Kläger betreibt als eingetragener K. ein O..
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Mit Antrag vom 9. Juni 2020, eingegangen am 10. Juni 2020, beantragte der Kläger bei der ... Ausgleichszahlungen für Leistungen der P. im Ausbildungsverkehr für das Jahr 2019 sowie eine Vorauszahlung für das Jahr 2020.
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Mit Schreiben vom 10. Juni 2020 führte der Kläger aus, dass infolge eines Todesfalles in der Familie viele Dinge in Vergessenheit geraten seien und er darum bitte, den nicht fristgerechten Antrag nachträglich zu bearbeiten.
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In einem Telefongespräch vom 25. Juni 2020 teilte der Kläger auf Nachfrage der ... mit, dass am ...2020 sein Bruder überraschend verstorben sei. Dies sei für ihn besonders schmerzlich gewesen, da er jahrelang keinen Kontakt zu seinem Bruder gehabt und erst vor Kurzem wieder Kontakt aufgenommen habe.
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Mit Bescheid vom 23. Juli 2020 lehnte die ... den Antrag des Klägers vom 9. Juni 2020 auf Ausgleich gemeinwirtschaftlicher Leistungen im Ausbildungsverkehr für das Jahr 2019 sowie den Antrag auf Wiedereinsetzung vom 10. Juni 2020 ab. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über den Ausgleich gemeinwirtschaftlicher Leistungen im Ausbildungsverkehr nach § 45a Personenbeförderungsgesetz (PBefAusglV) sei der Antrag auf Gewährung eines Ausgleichs bis zum 31. Mai jeden Jahres bei der zuständigen Genehmigungsbehörde zu stellen. Der Antrag des Klägers sei nachweislich erst zehn Tage nach Ablauf der Frist (10. Juni 2020) eingegangen und werde deshalb abgelehnt. Der Kläger sei auch nicht aufgrund unverschuldeter Gegebenheiten gehindert gewesen, die Antragstellung fristgerecht vorzunehmen, weshalb der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ebenfalls abgelehnt werde. Es sei nicht glaubhaft gemacht worden, dass durch den Tod des Verwandten die Alltagsgeschäfte durch den Kläger vorübergehend nicht mehr hätten erledigt werden können. Insbesondere habe der Todesfall nicht in so engem zeitlichen Zusammenhang zur Abgabefrist gestanden, dass eine vorübergehende Handlungsblockade nachvollziehbar sei.
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Hiergegen legte der Kläger am 19. August 2020 Widerspruch ein. Die Gründe für die vom Kläger beantragte Wiedereinsetzung seien nicht umfassend aufgeklärt worden. Der Kläger habe glaubhaft dargelegt, dass der Tod seines Bruders für ihn so einschneidend gewesen sei, dass die Antragsfrist dadurch völlig übersehen worden sei. Im Rahmen des geführten Telefonats sei dem Kläger ausdrücklich mitgeteilt worden, dass weitere schriftliche Ausführungen über die im Telefonat gemachten Angaben hinaus nicht erforderlich seien. Tatsächlich beruhe allerdings die Ablehnung des Wiedereinsetzungsantrags darauf, dass der Kläger in dessen Rahmen nicht ausreichend dargelegt habe, aus welchen Gründen er an der Einhaltung der Frist gehindert gewesen sei. Aufgrund des Gebots des fairen Verwaltungsverfahrens wäre es allerdings erforderlich gewesen, den Kläger darauf hinzuweisen, dass für die Wiedereinsetzung weitergehende und tiefgreifende Ausführungen und eine Glaubhaftmachung erforderlich seien. Ergänzend sei daher auszuführen, dass zu dem am ... 2020 verstorbenen Bruder seit ca. acht Jahren wegen eines Familienzwists kein Kontakt mehr bestanden habe. Erst am 5. Mai 2020, einen Tag vor dem 63. Geburtstag des Bruders, sei es zur Aussöhnung zwischen den beiden Brüdern und einer Wiederannäherung gekommen. Nur zwei Tage später habe der Bruder einen Herzinfarkt erlitten und sei bis zu seinem Tod am ... 2020 künstlich am Leben erhalten worden. Diese Phase sei für den Kläger ausgesprochen belastend gewesen. Es sei hinzugetreten, dass in diesem Zeitraum ein langjähriger Mitarbeiter des Klägers überraschend wegen einer schweren Erkrankung seiner Ehefrau kurzfristig aus dem Betrieb ausgeschieden sei. Zudem hätten die mit der COVID-19-Pandemie verbundenen Beschränkungen, die insbesondere im O. zu ganz erheblichen Einschränkungen und Beeinträchtigungen führen würden, den Kläger nahezu handlungsunfähig gemacht. Er habe in dieser Phase unter massiven Existenzängsten und Depressionen gelitten. Er sei nicht in der Lage gewesen, Büroarbeiten auszuführen, da er sich auf nichts habe konzentrieren können und mit der Situation völlig überfordert gewesen sei. Der Ausfall der Vergütung stelle für den Kläger eine unzumutbare Härte dar.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 2020 wies die ... den Widerspruch zurück. Auch unter Berücksichtigung der erstmals im Widerspruchsverfahren vorgetragenen Argumente sei der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückzuweisen. Der Tod eines Angehörigen könne ein Grund zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sein, sofern die Handlungsfähigkeit des Antragstellers dadurch derart eingeschränkt werde, dass nicht einmal Vorkehrungen wie zum Beispiel eine Bevollmächtigung eines Dritten rechtzeitig möglich wären. Der Kläger habe Depressionen und Existenzängste bedingt durch den Tod seines Bruders und die COVID-19-Pandemie vorgetragen. Auch wenn man unterstelle, dass dies die Schwelle eine Erkrankung im medizinischen Sinne überschreite, hätte der Kläger die Führung der Geschäfte und damit auch die Überwachung von Fristen für die Zeit der Erkrankung einem anderen übertragen können. Dies gelte umso mehr, als die COVID-19-Pandemie bereits seit März das Betriebsgeschehen massiv beeinträchtigt habe und selbst nach dem Tod des Bruders genügend Zeit gewesen sei, um Dritte mit der Wahrnehmung der wichtigsten geschäftlichen Aufgaben zu beauftragen. Es sei dem Kläger daher zumutbar gewesen, den Antrag rechtzeitig zu stellen.
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Hiergegen hat der Kläger am 20. November 2020 Klage erhoben. Er beantragt,
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unter Aufhebung des Bescheids der ... vom 23. Juli 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der ... vom 14. Oktober 2020 den Beklagten zu verpflichten, ihm antragsgemäß einen Ausgleich für gemeinwirtschaftliche Leistungen im Ausbildungsverkehr nach § 45a Personenbeförderungsgesetz für das Jahr 2019 zu bewilligen.
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Es sei zwar zutreffend, dass es sich bei dem Bruder des Klägers nicht um ein Mitglied des unmittelbaren Hausstands gehandelt habe. Allerdings sei die psychische Beeinträchtigung des Klägers in erheblichem Umfang erhöht, weil er seit ca. acht Jahren keinen Kontakt mehr zu seinem Bruder gehabt habe, nachdem es zu familiären Verwerfungen gekommen sei. Erst am 6. Mai 2020, d.h. einen Tag vor dem 63. Geburtstag des Bruders, sei es wieder zu einer Annäherung und einem sehr intensiven, positiven Gespräch zwischen beiden Brüdern gekommen. Umso mehr habe der Herzinfarkt nur zwei Tage nach diesem Gespräch und der am 19. Mai 2021 [recte: 2020] eingetretene Tod des Bruders den Kläger ganz erheblich erschüttert und psychisch massiv beeinträchtigt. Die Situation sei dadurch verschärft worden, dass ein langjähriger Mitarbeiter des Klägers nahezu zeitgleich wegen einer bei seiner Ehefrau diagnostizierten Erkrankung kurzfristig aus dem Betrieb ausgeschieden sei. Bei dem Kläger handle es sich um einen eingetragenen K., der für alle wesentlichen Betriebsabläufe selbst verantwortlich sei und nicht auf eine umfangreiche Büroorganisation bzw. strukturelle Zuarbeit anderer Mitarbeiter zurückgreifen könne. Insbesondere die Tätigkeit gegenüber Behörden und in diesem Fall auch die Antragstellung falle ausschließlich in seinen eigenen Zuständigkeitsbereich. Als Kleinbetrieb bestünde auch keine Möglichkeit, im Vorfeld umfangreiche Vorkehrungen für Verhinderungsfälle zu treffen. Während der Erkrankung seines Bruders und insbesondere durch dessen überraschenden Tod habe der Kläger für mehrere Wochen den Fokus nicht mehr auf die betriebliche Tätigkeit richten können. Er sei in diesem Zeitraum in einer Abwärtsspirale gefangen gewesen, die zielgerichtetes Arbeiten nahezu unmöglich gemacht habe. Zudem sei im Hinblick auf den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu berücksichtigen, dass der Kläger von dem Beklagten zum damaligen Zeitpunkt auch nicht auf die Notwendigkeit einer eventuellen Glaubhaftmachung der Umstände und einer eventuellen Präzisierung der zugrundeliegenden Sachverhalte angehalten worden oder auf deren Notwendigkeit hingewiesen worden sei.
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Der Beklagte beantragt,
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Der Kläger habe eine Ausschlussfrist versäumt. Gründe für eine Wiedereinsetzung bestünden nicht, wobei im Übrigen auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen werde.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25. Januar 2022 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
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1. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Ausgleich gemeinwirtschaftlicher Leistungen nach § 45a Personenbeförderungsgesetz (PBefG) zu, weil er den hierzu erforderlichen Antrag nicht innerhalb der Frist des § 7 Abs. 1 Satz 1 PBefAusglV gestellt hat. Danach ist der Antrag auf Gewährung eines Ausgleichs vom Unternehmer bis zum 31. Mai jeden Jahres für das vorangegangene Kalenderjahr bei der zuständigen Genehmigungsbehörde zu stellen. Diese Frist wurde durch den erst am 10. Juni 2020 bei der ... eingegangenen Antrag nicht gewahrt.
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2. Dem Kläger kann auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wer den. Zwar ist eine Wiedereinsetzung in die Frist des § 7 Abs. 1 Satz 1 PBefAusglV grundsätzlich möglich (BayVGH, B.v. 9.4.2002 - 11 ZB 01.2803 - juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 27.6.2002 - 11 ZB 01.2772 - juris Rn. 15; VG München, U.v. 1.8.2001 - M 23 K 01.1573 - juris Rn. 30; OVG NW, U.v. 12.12.1983 - 13 A 2257/82, NVwZ 1984, 387). Der Kläger hat allerdings nicht glaubhaft gemacht, dass er ohne Verschulden an der Einhaltung dieser Frist gehindert war.
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a) Verschuldet ist ein Fristversäumnis, wenn der Betroffene nicht die Sorgfalt walten lässt, die für einen gewissenhaften, seine Rechte und Pflichten sachgerecht wahrnehmenden Beteiligten geboten und ihm nach den gesamten Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist (OVG Berlin U.v. 13.11.1997 - 5 B 77.96 - BeckRS 1997, 16289 Rn. 20). Dabei ist eine individuelle Betrachtung anhand eines Verkehrskreises, dem der Betroffene angehört, anzustellen. Während der Maßstab bei juristischen Laien großzügiger, bei Rechtsbesorgern und Behörden hingegen strenger ist, gilt für Gewerbetreibende wie den Kläger ein Mittelweg: Insoweit bestehen erhöhte Sorgfaltspflichten bei der Wahrung von Fristen, die sich auf einen wesentlichen Bestandteil der Geschäftstätigkeit beziehen (zum Ganzen Baer in Schoch/Schneider, VwVfG, Stand Juli 2020, § 32 Rn. 18). Um eine solche Frist mit Bezug zu einem wesentlichen Bestandteil der Geschäftstätigkeit handelt es sich hier, da von der rechtzeitigen Antragstellung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 PBefAusglV die Zahlung eines Ausgleichs nach § 45a PBefG abhängt. Der Kläger unterliegt damit - obgleich Einzelkaufmann eines Kleinunternehmens - als Gewerbetreibender strengeren Anforderungen hinsichtlich seiner Obliegenheiten zur Fristwahrung als Privatpersonen.
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b) Die durch den Kläger im Rahmen seines Wiedereinsetzungsantrags angegebenen und später vertieften Gründe rechtfertigen vor diesem Hintergrund nicht die Annahme fehlenden Verschuldens. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass sich der Kläger damals in einer sehr schwierigen Situation befunden hat, die ihn stark belastet hat. Dies stellt allerdings noch keinen ausreichenden Wiedereinsetzungsgrund dar. Diesbezüglich hat der Kläger mit Schreiben vom 10. Juni 2020 zunächst vorgetragen, dass wegen eines Todesfalls in der Familie viele Dinge in Vergessenheit geraten seien, wobei er auf telefonische Rückfrage der ... angab, dass sein Bruder überraschend verstorben sei. Im Widerspruchsverfahren hat er seinen Vortrag dahingehend konkretisiert, dass der Tod seines Bruders für ihn so einschneidend gewesen sei, dass die Antragsfrist dadurch völlig übersehen worden und er infolge des Zusammentreffens verschiedener Umstände nahezu handlungsunfähig gewesen sei. Er habe in dieser Phase unter massiven Existenzängsten und Depressionen gelitten. Er sei nicht in der Lage gewesen, Büroarbeiten auszuführen, da er sich auf nichts habe konzentrieren können und mit der Situation völlig überfordert gewesen sei. Im Klageverfahren hat er sodann im Wesentlichen ausgeführt, dass er für mehrere Wochen den Fokus nicht mehr auf die betriebliche Tätigkeit habe richten können. Er sei in diesem Zeitraum in eine Abwärtsspirale gefangen gewesen, die zielgerichtetes Arbeiten nahezu unmöglich gemacht habe. In der mündlichen Verhandlung hat er schließlich auf das schwere Schicksal seines am 8. November 2020 verstorbenen Sohnes hingewiesen.
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c) Insoweit kann dahinstehen, ob zusätzlich zu den ursprünglich vorgetragenen Gründen, die wesentlich auf den Tod des Bruders abstellen, auch die durch den Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen weiteren Umstände im Zusammenhang mit der Erkrankung seines Sohnes noch berücksichtigt werden können. Gemäß Art. 32 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG ist der Antrag auf Wiedereinsetzung innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Zweiwochenfrist für den Wiedereinsetzungsantrag ist nur gewahrt, wenn während ihres Laufs neben dem Antrag auch die Tatsachen zu seiner Begründung zur Kenntnis gebracht werden. Sie können nachträglich lediglich noch ergänzt und verdeutlicht werden, soweit sich ein solches späteres Vorbringen auf den fristgerecht geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrund beschränkt (vgl. OVG Koblenz, B.v. 24.8.1972 - 2 B 119/72, NJW 1972, 2326 zu § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Das „Nachschieben“ neuer Gründe ist hingegen nicht zulässig (vgl. Michler in BeckOK VwVfG, 53. Ed., Stand 1.10.2021, § 32 Rn. 23 zu § 32 Abs. 2 Satz 1 VwVfG). Vorliegend kann offen bleiben, ob es sich bei der erstmals in der mündlichen Verhandlung erwähnten Erkrankung des Sohnes des Klägers lediglich um eine zulässige Vertiefung der bisherigen oder um ein unzulässiges Nachschieben neuer Gründe handelt. Selbst wenn man den erstmaligen Vortrag aus der mündlichen Verhandlung für die Frage des Verschuldens berücksichtigt, begründet dies kein unverschuldetes Fristversäumnis. Denn der für die Frage des Verschuldens maßgebliche Zeitpunkt ist vorliegend früher, nämlich im Rahmen eines Organisationsverschuldens, anzusetzen.
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d) Das maßgebliche Verschulden liegt in einem Organisationsmangel des klägerischen Gewerbebetriebs. Der Kläger war dafür verantwortlich, dass die für seinen Gewerbebetrieb wesentlichen Fristen überwacht wurden (vgl. OVG Berlin U.v. 13.11.1997 - 5 B 77.96 - BeckRS 1997, 16289 Rn. 20). Da sein Betrieb auf die regelmäßige Einhaltung von Fristen angewiesen war, musste er seine betrieblichen Abläufe so organisieren, dass ein Fristversäumnis auch im Fall seiner persönlichen Verhinderung ausgeschlossen war. Er musste also - etwa durch sachgerechte Vertretungsorganisation - dafür Sorge tragen, dass im Falle seiner Arbeitsunfähigkeit oder sonstigen Verhinderung jedenfalls die für seinen Gewerbebetrieb wesentlichen Fristen anderweitig überwacht und eingehalten wurden. Eine solche Organisation war in seinem eigenen Interesse zur Abwendung von Schäden für sein Unternehmen zu erwarten.
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e) Dabei kann dahinstehen, inwieweit es sich vorliegend aufgrund des Zusammentreffens tragischer Umstände zum Zeitpunkt des Fristablaufs um eine persönliche Ausnahmesituation für den Kläger handelte. Insoweit werden nach der Rechtsprechung Vorkehrungen zu Fristwahrungen grundsätzlich auch dann verlangt, wenn beispielsweise eine Abwesenheit nicht vorhersehbar war. So muss ein Unternehmen dafür Sorge tragen, dass Posteingänge etwa bei Unglücksfällen oder gefährlichen Erkrankungen weiter bearbeitet werden (BGH, B.v. 2.7.2008 - IV ZB 5/08 - NJW-RR 2008, 1565 Rn. 12; BGH, B.v. 20.11.1986 - VII ZB 11/86 - juris Rn. 6). Dies ist auf den vorliegenden Fall, in dem der Kläger zwar nicht abwesend, aber nach seinem Vortrag faktisch arbeitsunfähig war, übertragbar.
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f) Dabei berücksichtigt die Kammer, dass der Kläger lediglich ein Kleinunternehmen mit wenigen Mitarbeitern ohne umfangreiche Büroorganisation geführt hat. Auch vor diesem Hintergrund hat der Kläger allerdings nicht glaubhaft gemacht, dass es ihm unmöglich war, seinen Betrieb so zu organisieren, dass jedenfalls die wesentlichen Fristen auch dann überwacht und eingehalten werden konnten, wenn er persönlich daran gehindert war. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung zwar angegeben, dass die übrigen Mitarbeiter des Unternehmens lediglich Fahrtätigkeiten ausgeübt hätten und er allein für die anfallenden Bürotätigkeiten zuständig gewesen sei. Allerdings lasse er sich - gerade auch angesichts seines fortgeschrittenen Alters - mitunter von seiner Tochter hierbei helfen, die ihm auch weiterhelfe, wenn er überfordert sei. Der Kläger war damit bei Bürotätigkeiten nicht ohne jede Hilfe, sondern konnte bei Bedarf grundsätzlich auf seine Tochter zurückgreifen. Dass ihm dennoch die Organisation einer Vertretung für den Verhinderungsfall, die laufende Fristen überwacht, nicht möglich oder zumutbar war, ist nicht glaubhaft gemacht. Insoweit handelt es sich auch nicht um Tätigkeiten, die nur der Kläger persönlich ausführen konnte: Die Überwachung von Fristen ließ sich ohne große Schwierigkeiten oder Fachkenntnisse mithilfe eines Fristenkalenders auch durch eine Vertretungsperson adäquat sicherstellen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die vorläufige Voll streckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.