Titel:
Kein Anspruch auf Auswechslung eines Pflichtverteidigers trotz Bestellung vor Ablauf der Stellungnahmefrist
Normenkette:
StPO § 140, § 141, § 142
Leitsatz:
Wird ein Strafverfahren, in dem die Frist zur Benennung eines Pflichtverteidigers noch läuft, zu einem anderen Strafverfahren, in dem bereits ein Pflichtverteidiger bestellt ist, hinzuverbunden, so ist es aufgrund des in Haftsachen geltenden Beschleunigungsgrundsatzes unschädlich, wenn der in dem führenden Verfahren bestellte Pflichtverteidiger vor Ablauf der Stellungnahmefrist auch für das hinzuverbundene Verfahren bestellt wird. (Rn. 5 – 8) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bestellung, Beiordnung, Pflichtverteidiger, Fristablauf, Stellungnahme, verbundenes Verfahren, Auswechslung
Rechtsmittelinstanz:
LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 09.03.2022 – 13 Qs 16/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 15112
Tenor
Der Antrag des Angeklagten, auf Auswechslung des Pflichtverteidigers wird als unbegründet zurückgewiesen.
Gründe
1
Mit Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg -Ermittlungsgerichtvom 27.12.2021 wurde dem Angeklagten Rechtsanwalt K. als Pflichtverteidiger beigeordnet. Davor war dem Angeklagten Gelegenheit gegeben worden, einen Verteidiger zu benennen. Er benannte Frau Rechtsanwältin K., die jedoch terminlich verhindert war.
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Pflichtverteidiger K. war bei der Haftbefehlseröffnung im Einverständnis des Angeklagten zugegen.
3
Gegen den Angeklagten ist ein weiteres Strafverfahren beim Amtsgericht Nürnberg unter dem Aktenzeichen 803 Js 27820/21 anhängig. In diesem Verfahren wurde der Angeklagte mit Zustellung der Anklage am 27.12.2021, zugegangen beim Angeklagten am 17.01.2022, aufgefordert, einen Pflichtverteidiger zu benennen. Jedoch wurde dieses Verfahren mit Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg am 12.01.2022 zum führenden Verfahren 803 Js 31244/21 verbunden.
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Der Antrag des Rechtsanwalts L. auf Beiordnung als Pflichtverteidiger vom 14.01.2022, gerichtet an das Amtsgericht Nürnberg -Ermittlungsgerichtbezieht sich auf ein Verfahren 473 Gs 945/21 (PI Fürth, By5401-025604-21/7). Das dazugehörige Schreiben des Angeklagten vom 02.01.2022 (Bl. 171 der Akte) bezieht sich ebenfalls auf ein Verfahren unter dem eben erwähnten polizeilichen Aktenzeichen. Dieses Verfahren ist jedoch zu keinem Zeitpunkt beim Amtsgericht Nürnberg anhängig gewesen.
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Grundsätzlich ist zwar zutreffend, dass Rechtsanwalt L. bemängelt, dass Rechtsanwalt K. bereits vor Ablauf der gesetzten Frist im Verfahren 803 Js 27820/21 als Pflichtverteidiger beigeordnet wurde. Jedoch liegt hier die Besonderheit vor, dass bereits im Hauptverfahren am 27.12.2021 mit Einverständnis des Angeklagten Rechtsanwalt K. als Pflichtverteidiger beigeordnet wurde. Allein durch die Verbindung des Verfahrens 803 Js 27820/21 zum führenden Verfahren wurde die Frist zur Benennung eines Pflichtverteidigers nicht eingehalten.
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Da es sich vorliegend aber um eine Haftsache handelt, die beschleunigt zu bearbeiten ist, liegen in diesem speziellen Fall keine Gründe vor, den Pflichtverteidiger auszuwechseln.
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Darüber hinaus wurde nicht vorgetragen, dass das Vertrauensverhältnis zu Rechtsanwalt K. gestört sei. Vielmehr hat Rechtsanwalt K. ausreichend Kontakt zum Angeklagten, sodass eine Auswechslung des Pflichtverteidigers nicht in Betracht kommt.
8
Insbesondere mit Blick auf den Beschleunigungsgrundsatz war es möglich, mit Rechtsanwalt K. einen frühzeitigen Hauptverhandlungstermin (28.02.2022) zu vereinbaren. Leider musste dieser Termin coronabedingt verschoben werden. Während mit Rechtsanwalt K. ein neuerlicher früher Hauptverhandlungstermin, 21.03.2022, 09.30 Uhr, abgesprochen werden konnte, wäre bei einer Pflichtverteidigerauswechslung mit Rechtsanwalt L. ein Termin am 11.04.2022 möglich gewesen, was mit dem Beschleunigungsgrundsatz keinesfalls vereinbar gewesen wäre.
9
Der Antrag auf Auswechslung des Pflichtverteidigers war daher zurückzuweisen.