Titel:
Rechtliches Interesse des Gesellschafters für Beitritt zu Rechtsstreit zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer
Normenketten:
ZPO § 66 Abs. 1
GmbHG § 46 Nr. 8
Leitsatz:
Durch die klageweise Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer ist mittelbar die Stellung des Gesellschafters betroffen. (Rn. 11 – 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Gesellschafter, Nebenintervention, rechtliches Interesse, Geschäftsführer, Ersatzanspruch
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Beschluss vom 02.06.2022 – 7 W 578/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 13415
Tenor
1. Die Nebenintervenientin wird hinsichtlich der Widerklage zum Rechtsstreit zugelassen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Zwischenverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Nebenintervenientin vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Nebenintervenientin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Nebenintervenientin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der Streitwert für das Zwischenverfahren wird auf 53.116,30 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Der Kläger und die Nebenintervenientin sind Inhaber von jeweils 2 Geschäftsanteilen über jeweils 25.000 DM an der Beklagten. Der Kläger ist neben Frau … Geschäftsführer der Beklagten. Nach § 11 Abs. 3 der Satzung werden Gesellschafterbeschlüsse mit 80 % der abgegebenen Stimmen gefasst.
2
Am 26.05.2020 fasste die Gesellschaft jeweils gegen die Stimmen des Klägers verschiedene Beschlüsse (K27), darin unter anderem folgende:
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TOP 8: Bestätigung zur Beauftragung der Geschäftsführungsprüfung an Herrn Wirtschaftsprüfer … wegen u.a. fehlerhafter Jahresabschlüsse, Rechtsgrundlagen sowie Überprüfung der Angemessenheit der gezahlten Geschäftsführergehälter und über Leistungen an Personal und Räumlichkeiten an die … oder andere mit dem Geschäftsführer … verbundene Gesellschaften
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TOP 9 Rückforderungen wegen von Herrn … pflichtwidrig vorgenommener Zahlungen zulasten der Gesellschaft, dies auch etwa hinsichtlich noch nicht ausgezahlter oder künftiger Gehalts- oder sonstiger vermeintlicher Zahlungsansprüche, einschließlich Lohnsteuern und weiteren Zahlungen, etwa an Herrn Steuerberater …
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TOP 10: Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Herrn … wegen pflichtwidriger und gesellschaftsschädigender Handlungen gemäß vorstehenden TOP's 3-9 sowie Einleitung und Abwehr gerichtlicher Verfahren diesbezüglich.
3
Der Kläger erstrebt mit der Klage die Feststellung der Nichtigkeit sämtlicher am 26.05.2020 gefasster Beschlüsse insbesondere da er keinem Stimmverbot unterlegen sei.
4
Die Beklagte erhebt gegen den Kläger Widerklage auf Zahlung von 53.116,30 € mit folgenden Begründungen:
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der Kläger habe als Geschäftsführer das Bauträgerobjekt … als eigenes, ihm privat zuzurechnendes, Projekt behandelt und nur nach außen als ein offizielles Bauträgerprojekt der Beklagten abgewickelt und es dabei unterlassen, hierüber Rechenschaft zu legen. Es bestehe der Verdacht, dass er sich aus Veräußerungserlösen persönlich bereichert habe und zudem mit der Firma … persönlich verbunden sei. Der Beklagten drohe eine Verurteilung zur Zahlung eines Vorschusses von mindestens 150.000 € wegen behaupteter Gewährleistungsmängel. Für die Aufklärung dieses Sachverhaltes sei der Beklagten ein Sonderaufwand von 30.000 € entstanden, wovon ein 1. Teilbetrag von 10.000 € gegen den Kläger geltend gemacht werde
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der Kläger habe die Zahlung von Bürokosten (Personalgestellung und Raumnutzung) in Höhe von insgesamt 431.163 € an mit ihm verbundene Unternehmen veranlasst, ohne dass hierfür Gegenleistungen erbracht worden seien. Hiervon werde ein Teilbetrag von 43.116, geltend gemacht.
5
Die Mitgesellschafterin … erklärte am 15.05.2021 Beitritt auf Seiten der Beklagten mit der Ankündigung, sich dem Widerklageantrag anzuschließen.
6
Die Nebenintervenientin trägt vor,
sie habe ein rechtliches Interesse an der Nebenintervention, da sie zu 50 % an der Beklagten beteiligt sei. Hieraus ergebe sich ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Rechtmäßigkeit der mit ihren Stimmen gefassten Beschlüsse der Gesellschaft. Denn diese Beschlüsse seien wiederum Voraussetzung dafür, dass die Gesellschaft gegen ihren Geschäftsführer Schadensersatzansprüche im Rahmen einer Widerklage geltend machen könne. Nur sie selbst habe abstimmen können, da der Kläger einem Stimmverbot unterlegen sei. Außerdem habe der Kläger die Nebenintervenientin nicht an der Feststellung von Jahresabschlüssen durch die Beklagte beteiligt.
7
Der Kläger und Widerbeklagte trägt vor,
die Nebenintervenientin können lediglich ein wirtschaftliches Interesse geltend machen das darin bestehe, dass der Beklagten durch die Widerklage Zahlungsmittel zufließen. Ihre rechtliche Stellung als Mitgesellschafterin sei durch diese Widerklage nicht betroffen. Hieran ändere nichts ein von der Nebenintervenientin hergestellte Zusammenhang zwischen der Widerklage und den Beschlüssen der Gesellschafterversammlung am 26.05.2020.
8
Auch aus einer angeblichen unterlassenen Beteiligung der Nebenintervenientin an der Feststellung von Jahresabschlüssen könne die Nebenintervenientin keine Argumente herleiten.
Entscheidungsgründe
9
Der Antrag der Nebenintervenientin auf Beitritt auf Seiten der Beklagten zur Unterstützung der Widerklage ist zulässig und begründet.
10
Ein rechtliches Interesse am Obsiegen einer Partei hat jemand dann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits mittelbar oder unmittelbar auf seine privat- oder öffentlich-rechtlichen Verhältnisse rechtlich günstig oder ungünstig einwirkt (vergleiche Zöller ZPO § 66 Rn. 8).
11
Zwar ist Streitgegenstand der Widerklage nicht die Feststellung der Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit von Beschlüssen der Gesellschaft selbst, so wie dies im Verfahren des BGH ZIP 2013, 483 der Fall war. Jedoch unterliegen gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG der Bestimmung der Gesellschafter die Geltendmachung von Ersatzansprüchen, welche der Gesellschaft aus der Gründung oder Geschäftsführung gegen Geschäftsführer oder Gesellschafter zustehen, sowie die Vertretung der Gesellschaft in Prozessen, welche sie gegen die Geschäftsführer zu führen hat. D.h. die Gesellschaft kann nur dann gegen den Kläger als ihr Geschäftsführer und Gesellschafter widerklagend vorgehen, wenn sie hierzu die entsprechenden Beschlüsse wirksam gefasst hat. Darin unterscheidet sich der vorliegende Fall von den Fällen, in denen die Gesellschaft Zahlungsansprüche gegen einen Nichtgesellschafter geltend macht, was sich lediglich wirtschaftlich auf die Stellung eines Gesellschafters auswirkt.
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Somit kommt es auf die Wirkung der Stimme der Nebenintervenientin bei der Abstimmung gemäß § 46 Nummer 8 GmbH-Gesetz an, wodurch zumindest mittelbar ihre Stellung als Mitgesellschafterin betroffen ist. Zudem macht der Kläger im Rahmen seiner Klage geltend, dass die Nebenintervenientin ihrerseits kein Stimmrecht habe, denn er sei von den Kauf- und Abtretungsverträgen, mit denen er Geschäftsanteile an die Nebenintervenientin übertragen habe, wirksam zurückgetreten.
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Kosten: § 91 Abs. 1 ZPO
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Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nummer 11,700 11,709 Satz 2 ZPO