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VG München, Urteil v. 04.02.2022 – M 27 K 20.33131
Titel:

Unbegründeter Asylfolgeantrag eines jordanischen Staatsangehörigen

Normenkette:
AsylG § 71
Leitsatz:
Eine persönliche Anhörung in der mündlichen Verhandlung kann unterbleiben, wenn der Asylfolgeantragsteller in seiner Anhörung beim Bundesamt erklärt, dass er selbst bei der Rückkehr nach Jordanien keine Befürchtungen habe. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zulässiges Folgeantragsverfahren, Unbegründeter Folgeantrag auf internationalen Schutz, Unbegründeter Folgeantrag auf Asylanerkennung, Vorliegen von Abschiebungsverboten (verneint), Rücken- und Schulterschmerzen, zulässiges Folgeantragsverfahren, unbegründeter Folgeantrag auf internationalen Schutz, unbegründeter Folgeantrag auf Asylanerkennung, Vorliegen von Abschiebungsverboten
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 31.05.2022 – 15 ZB 22.30516
Fundstelle:
BeckRS 2022, 13363

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet. 

Tatbestand

1
Der 1977 geborene Kläger ist jordanischer Staatsangehöriger mit muslimischer Glaubenszugehörigkeit. Er war vor mehr als 20 Jahren bereits erstmals in das Bundesgebiet gekommen und hatte dort erfolglos Asyl beantragt (Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - vom 29. Januar 2003 - Az. …). In der Zeit zwischen 2003 und 2014, in der er sich aufgrund einer Duldung sowie eines humanitären Bleiberechts weiterhin im Bundesgebiet aufgehalten hatte, war er mehrfach für jeweils drei bis vier Wochen zu Erholungszwecken nach Jordanien gereist. Mit einem Visum reiste er 2014 von dort erneut in das Bundesgebiet ein und stellte dort am 4. März 2020 einen Asylfolgeantrag.
2
In einer persönlichen Anhörung durch das Bundesamt am 24. Juli 2020 trug der Kläger im Wesentlichen zur Begründung seines Asylfolgeantrags vor, in Jordanien würden seine Mutter, ein Bruder und zwei Schwestern von ihm leben, sein Vater sei bereits gestorben. Er sei in Jordanien bis zur 10. Klasse zur Schule gegangen und anschließend aufgrund einer Umschulung als Maler tätig gewesen. Den Asylfolgeantrag habe er aufgrund seines Gesundheitszustands gestellt, da er an Rückenschmerzen und Schulterbeschwerden leide. Hierzu legte er ein Attest einer … Klinik vom 9. Dezember 2019 vor (Diagnose Polyathralgie, chronisches LWS-Syndrom), auf das Bezug genommen wird. Das könnte zwar auch in Jordanien behandelt werden, doch habe er hier in Deutschland 17 Jahre lang gearbeitet und wolle deshalb auch hier behandelt werden. Ferner sei er seit 2012 mit einer ebenfalls jordanischen Staatsangehörigen verheiratet, mit der er zwei Kinder habe. Mit seiner Ehefrau sei er 2014 von Jordanien nach Deutschland gekommen, weil es Ärger mit der Familie seiner Frau gegeben habe. Diese habe sich von 2012 bis 2014 bei ihren Eltern in Jordanien aufgehalten, die Heirat mit ihm sei ihren Eltern unbekannt gewesen. Zu ihm habe sie Telefonkontakt gehalten. Seine Ehefrau müsse bei einer Rückkehr nach Jordanien befürchten, von ihrem großen Familienstamm, der überall Einfluss habe, bedroht und getötet zu werden. Er persönlich habe keine Befürchtungen bei der Rückkehr nach Jordanien. Eines seiner Kinder sei krank.
3
Mit Bescheid vom 3. November 2020, dem Kläger am 7. November 2020 mit Postzustellungsurkunde zugestellt, lehnte das Bundesamt dessen Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, dessen Asylantrag sowie dessen Antrag auf subsidiären Schutz als unbegründet ab (Nr. 1 bis 3) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Der Kläger wurde unter Androhung der Abschiebung nach Jordanien aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 36 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe auch mit seinem - zulässigen - neuerlichen Vortrag keine begründete Furcht vor Verfolgung oder ernsthaftem Schaden glaubhaft machen können. Insbesondere habe er keine Verfolgungshandlung im flüchtlingsrechtlichen Sinn vorgetragen. Die von ihm vorgetragenen Gründe betreffend seine Ehefrau und seine Töchter müssten in deren Asylverfahren vorgetragen werden, im Übrigen seien auch diese Gründe nicht glaubhaft, zumal er die jordanischen Sicherheitsbehörden um Schutz bitten könne und ihm und seiner Familie innerhalb Jordaniens eine interne Fluchtalternative zur Verfügung stünde, etwa bei seinem Bruder in Amman. Auch gebe es keine Hinweise auf das Vorliegen von Abschiebungsverboten. Die von ihm vorgetragenen Erkrankungen seien nicht lebensbedrohlich und jedenfalls in Jordanien behandelbar; das gelte auch für die für seine Tochter vorgetragenen Erkrankungen (Amblyopie, Hyperopie, Entwicklungsstörungen). Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen.
4
Der Kläger ließ am … November 2020 durch seine Bevollmächtigten Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht München erheben und zuletzt sinngemäß beantragen,
5
unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamts vom 3. November 2020 die Beklagte zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen und ihn als Flüchtling anzuerkennen, hilfsweise, diese zu verpflichten, ihm den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen, hilfsweise, diese zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
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Die Klage wurde nicht weiter begründet.
7
Die Beklagte legte am 24. November 2020 die Behördenakten vor, und beantragte mit Schriftsatz vom 8. Dezember 2020,
8
die Klage abzuweisen.
9
Mit Beschluss vom 22. November 2021 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.
10
In der mündlichen Verhandlung am 4. Februar 2022, in der die Gerichts- und Behördenakten im Asylverfahren der Ehefrau und der Töchter des Klägers (M 27 K 20.33133) beigezogen wurden, erklärte der Bevollmächtigte des Klägers, sein Mandant befinde sich derzeit in Haft, einen kurzfristigen Vorführungstermin habe er bei der Justizvollzugsanstalt nicht erreichen können.
11
Die Klage der Ehefrau und der beiden 2015 und 2017 geborenen Töchter des Klägers gegen deren ablehnenden Bescheid des Bundesamts vom 21. Oktober 2020 war vom Bayerischen Verwaltungsgericht München mit Urteil ebenfalls vom 4. Februar 2022 als unbegründet abgelehnt worden (M 27 K 20.33133).
12
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten im vorliegenden Verfahren sowie im beigezogenen Verfahren M 27 K 20.33133 verwiesen.

Entscheidungsgründe

13
Das Gericht konnte über die Klage verhandeln und entscheiden, obwohl nicht alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung anwesend oder vertreten waren, da in den Ladungsschreiben auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war (§ 102 Abs. 2 VwGO).
14
Die Klage ist unbegründet, da der angegriffene Bescheid auch bei Beurteilung der Sach- und Rechtslage zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG) rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, der auf die von ihm begehrte Verpflichtung der Beklagten keinen Anspruch hat (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die vom Kläger zur Begründung seines Asylantrags genannten Gründe sind ohne flüchtlings- bzw. asylrechtliche Relevanz. Wegen der näheren Begründung wird insoweit unter Absehen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 77 Abs. 2 AsylG auf die Begründung des angegriffenen Bescheids des Bundesamts, der das Gericht folgt, Bezug genommen.
15
Ergänzend ist auszuführen, dass der Kläger auch im gerichtlichen Verfahren keine Gründe genannt hat, aus denen sich nach Art oder nach Intensität eine asylerhebliche Verfolgungs- oder Bedrohungslage entnehmen lässt, und dass er auch hiernach weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß §§ 3 ff. AsylG noch auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG und auch nicht auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG hat. Da er in seiner Anhörung beim Bundesamt erklärt hatte, dass er selbst bei der Rückkehr nach Jordanien keine Befürchtungen habe, konnte eine persönliche Teilnahme des derzeit inhaftierten Klägers in der mündlichen Verhandlung unterbleiben. Aus den im streitgegenständlichen Bescheid genannten Gründen hat der Kläger - auch im Hinblick auf die Abweisung der Klage seiner Ehefrau und seiner beiden Töchter gegen deren ablehnenden Bundesamtsbescheid mit Urteil ebenfalls vom 4. Februar 2022 (M 27 K 20.33133), auf deren Gründe Bezug genommen wird - auch keinen Anspruch auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Neuere ärztliche Unterlagen zu den vom Kläger geltend gemachten Rücken- und Schulterbeschwerden wurden im gerichtlichen Verfahren nicht vorgelegt.
16
Auch die vom Bundesamt nach Maßgabe der § 34, § 38 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG erlassene Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sind rechtlich nicht zu beanstanden. Schließlich begegnet auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG keinen rechtlichen Bedenken. Auch insoweit wird gemäß § 77 Abs. 2 AsylG auf die Begründung im Bescheid des Bundesamts Bezug genommen.
17
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
18
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.