Titel:
Unwirksamer Bebauungsplan - Veröffentlichung von Unterlagen im Internet
Normenketten:
VwGO § 47
BauGB § 3 Abs. 2, § 4a Abs. 4
BayGO Art. 26
Leitsätze:
1. Den Anforderungen des § 4a Abs. 4 Satz 1 BauGB, den Inhalt der Bekanntmachung nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB und die nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB auszulegenden Unterlagen ins Internet einzustellen und über ein zentrales Internetportal des Landes zugänglich zu machen, wird nicht genüge geleistet, wenn die eingestellten Planunterlagen (teilweise) nur mit Eingabe eines Benutzernamens und Passwortes abrufbar sind. (Rn. 23 – 24)
2. Die Ausfertigung einer Bebauungsplansatzung erfolgt durch handschriftliche Unterzeichnung des ersten Bürgermeisters oder dessen Stellvertreters auf der Originalurkunde unter Angabe des Datums. Zwar bedarf es hierbei keiner handschriftlichen Datumsangabe durch den Unterzeichner selbst, die Ausfertigung erfordert jedoch zumindest, dass überhaupt ein Datum der Ausfertigung angegeben ist. (Rn. 27 – 28)
Schlagworte:
Normenkontrolle, Bekanntmachung, umweltbezogene Stellungnahmen, Veröffentlichung im Internet, Datumsangabe bei Ausfertigung, Bebauungsplan, Anstoßwirkung
Fundstellen:
BayVBl 2023, 744
DVBl 2022, 1337
DÖV 2022, 1006
BeckRS 2022, 13355
LSK 2022, 13355
Tenor
I. Der am 23. Juli 2021 bekannt gemachte Bebauungsplan mit integrierter Grünordnung „K. I“ des Antragsgegners ist unwirksam.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Der Antragsteller wendet sich gegen den Bebauungsplan mit integrierter Grünordnung „K. I“, bekannt gemacht am 23. Juli 2021.
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In der Marktgemeinderatssitzung vom 11. April 2019 fasste der Antragsgegner den Beschluss, den Bebauungsplan „K. I“ für ein neues Wohnbaugebiet in H. aufzustellen. Ziel der Planung ist es, neues Baurecht für familiengerechte Wohngebäude und gemischt genutzte Gebäude zu schaffen. Das Plangebiet liegt im Ortsteil H. des Antragsgegners und grenzt im Süden an vorhandene Wohnbebauung entlang der G.straße an. Im Osten, Norden und Westen wird das Baugebiet durch landwirtschaftliche Flächen begrenzt. Der Antragsteller ist u.a. Eigentümer der Grundstücke FlNrn. …1, …2 und …7 jeweils Gemarkung H., die im östlichen Bereich des Plangebiets liegen. Auf dem Grundstück FlNr. …1 Gemarkung H. befindet sich das Wohngebäude des Antragstellers einschließlich einer gewerblichen Nutzung (Einrichtungsberatung und Objektplanung); im Übrigen sind die Grundstücke weitgehend unbebaut und grenzen im Osten jeweils an einen Weg sowie das Grundstück FlNr. …2 Gemarkung H. im Süden an die G. straße.
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Im Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung erhob der Antragsteller Einwendungen. In der Marktgemeinderatssitzung des Antragsgegners vom 1. Juli 2021 wurden die eingegangenen Stellungnahmen und Einwendungen abgewogen und der Bebauungsplan „K. I“ als Satzung beschlossen. Die Planurkunde wurde - ohne Angabe eines Datums - vom ersten Bürgermeister des Antragsgegners unterzeichnet und vom 23. Juli 2021 bis 6. September 2021 an der Amtstafel des Antragsgegners ausgehängt. Die weiteren Planunterlagen (Begründung, Umweltbericht) enthalten weder Unterschrift noch Datum.
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Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 8. Oktober 2021 erhob der Antragsteller Normenkontrollantrag, der mit Schriftsatz vom 10. Januar 2022 begründet wurde. Er ist der Ansicht, der Bebauungsplan leide an formellen und materiellen Mängeln.
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Der Aufstellungsbeschluss habe nicht die notwendige Anstoßfunktion, da er lediglich eine textliche Umschreibung des vorgesehenen Plangebiets enthalte; ein Übersichtsplan fehle. Die öffentliche Bekanntmachung der Auslegung des Planentwurfs enthalte keinen Hinweis auf umweltbezogene Informationen; der bloße Hinweis auf den Umweltbericht genüge nicht den gesetzlichen Anforderungen. Zudem enthalte diese Bekanntmachung einen Hinweis auf eine nicht mehr existente Rechtslage zu § 47 Abs. 2a VwGO, der geeignet sei, potentielle Einwendungsführer von Einwendungen abzuhalten. Der Antragsgegner habe relevante Planunterlagen nicht ins Internet eingestellt und keine Vorprüfung nach dem UVPG durchgeführt. Da sich das Plangebiet vollständig im Außenbereich befinde, sei der maßgebliche Schwellenwert überschritten. Schließlich könne die Reihenfolge von Ausfertigung und Bekanntmachung nicht nachvollzogen werden, da die Planurkunde nicht mit Datumsangaben versehen sei.
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Der Bebauungsplan sei nicht erforderlich. Ihm fehle die Vollzugsfähigkeit, da der Antragsteller nicht beabsichtige, seine Grundstücke über den Bestand hinaus zu bebauen oder zu verkaufen. Der Antragsgegner habe nicht untersucht, ob bei einer Nichtumsetzung der Planung auf ca. 20 v.H. der überplanten Fläche seine städtebaulichen Ziele noch erreichbar seien. Der Bebauungsplan verstoße gegen das Anpassungsgebot, weil der demographische Wandel nicht berücksichtigt sei und nicht ersichtlich sei, warum anstelle einer Innenentwicklung eine Ortsrandabrundung notwendig sei. Die Planung widerspreche dem Bayerischen Klimagesetz. Sie verstoße gegen das Entwicklungsgebot, da die Änderung des Flächennutzungsplans nicht mehr weiterverfolgt worden sei und die Planung eine Außenbereichsentwicklung vorsehe und damit nicht zur Vermeidung einer ungeordneten Innenbereichsentwicklung beitrage. Weiter leide der Bebauungsplan an Abwägungsfehlern bezüglich des Hochwasserschutzes, der Belastung des Antragstellers mit Erschließungsbeiträgen und der Verpflichtung zu bodensparendem Bauen. Schließlich sei die Planung nicht von den gesetzlichen Festsetzungsmöglichkeiten gedeckt. Die Kombination von fester Grundflächenvorgabe bei gleichzeitiger Bezugnahme auf die Grundflächenzahl sei unzulässig. Die Festsetzungen zum Haustyp seien nicht nachvollziehbar, fehlende Höhenbezugspunkte für Straßenflächen seien problematisch, weil sich der natürliche Geländeverlauf, auf den in der Festsetzung Nr. 2.4.2 Bezug genommen werde, nach Herstellung der Erschließungsstraße nicht mehr ermitteln lasse und die textlichen Festsetzungen zu Garagen widersprächen den zeichnerischen Festsetzungen der Bauräume. Die gestalterischen Festsetzungen werden pauschal mit der Ortstypik begründet, ohne dass sich damit die engen Vorgaben rechtfertigen ließen.
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Der Antragsteller beantragt,
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den Bebauungsplan „K. I“ des Antragsgegners für unwirksam zu erklären.
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Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Die Anstoßfunktion sei gewährleistet, da auch eine Umschreibung des Plangebiets genüge und die Flurnummern exakt bestimmt seien. An umweltbezogenen Informationen liege nur der Umweltbericht vor, der keine sinnvoll zu differenzierenden Themenblöcke umfasse. Es genüge daher, auf diesen hinzuweisen und diesen auszulegen. Vertrauensgesichtspunkte seien durch einen möglicherweise fehlerhaften Verweis auf § 47 Abs. 2a VwGO nicht tangiert. Eine UVPG-Vorprüfung sei nicht erforderlich gewesen, da schon die Baulandfläche nur bei 19.860 m2 liege; da nur Flächen relevant seien, die von baulichen Anlagen überdeckt werden dürfen, reduziere sich die maßgebliche Fläche auf 9.930 m2.
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Die Verwirklichung des Bebauungsplans sei nicht dauerhaft ausgeschlossen. Die Flächen des Antragstellers stellten nur einen verhältnismäßig geringen Anteil dar. Dem Anpassungsgebot sei Rechnung getragen, da nur die Errichtung von „Bungalows“, nicht aber ein erdgeschossiges und barrierefreies Wohnen ausgeschlossen sei. Die Vorgaben zum Maß der baulichen Nutzung beruhten auf dem legitimen Ziel, Flächen einzusparen. Eine Innenentwicklung könne nur auf Flächen betrieben werden, auf die Zugriff bestehe, was hier nicht der Fall sei. Auch habe die Antragsgegnerin Bebauungsvarianten nach Norden und Osten geprüft. Die vorliegende Planung sei aber am geeignetsten, die städtebaulich gewünschte Weiterentwicklung zu ermöglichen. Das 2021 in Kraft getretene Bayerische Klimagesetz habe beim Aufstellungsbeschluss 2019 und der Öffentlichkeitsbeteiligung 2020 noch gar nicht berücksichtigt werden können. Im Übrigen seien dessen Zielvorgaben auch ohne planerische Detailvorgaben über die Bauvorschriften gewährleistet. Welche konkreten Planungselemente zur Erfüllung der Vorbildfunktion hätten aufgenommen werden müssen, sei nicht klar. Auch das Entwicklungsgebot sei beachtet; die Planung schließe an bestehende Bebauung an. Abwägungsfehler lägen nicht vor. Eine Hochwassergefahr sei nicht gegeben. Die Problematik von Starkregenereignissen sei erkannt worden, aber aufgrund der Topographie unwahrscheinlich. Mögliche Abflusskorridore seien topographisch vorgegeben und freigehalten; zusätzlich habe man entsprechende Hinweise aufgenommen. Die Dimensionierung von Regenwasserzisternen sei in Nr. 13.2 der Festsetzungen geregelt. Das Entstehen einer Erschließungsbeitragspflicht sei gesetzliche Folge, nicht verhinderbar und grundsätzlich kein abwägungserheblicher Belang. Die Erschließung entspräche den üblichen Anlagen und Ausbauanforderungen. Entsprechend dem Umweltbericht seien alle Flächen besichtigt, die Potentiale beurteilt und die Planung mit der unteren Naturschutzbehörde abgestimmt. Ein Verstoß gegen die Verpflichtung zu bodensparendem Bauen sei nicht feststellbar. Die beanstandeten Festsetzungen seien weder widersprüchlich noch unbestimmt. § 19 Abs. 4 Satz 3 BauNVO lasse abweichende Bestimmungen zu und die Höhenlage sei hinreichend bestimmt. Unklarheiten durch die Zulassung verschiedener Haustypen auf allen Grundstücken gebe es nicht und auch die Regelung zu Garagen sei eindeutig: entweder könnten Grenzgaragen errichtet werden oder grenznahe Garagen, diese dann aber nur mit dem festgesetzten Mindestabstand. Das Motiv für die gestalterischen Festsetzungen ergebe sich aus der Begründung.
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Die Landesanwaltschaft Bayern als Vertreterin des öffentlichen Interesses hat sich nicht am Verfahren beteiligt.
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Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Planaufstellungsakten des Antragsgegners verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Der Normenkontrollantrag ist zulässig und begründet.
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1. Der innerhalb der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellte Normenkontrollantrag ist zulässig. Insbesondere ist der Antragsteller als Eigentümer von Grundstücken im Geltungsbereich des angefochtenen Bebauungsplans antragsbefugt (vgl. BVerwG, B.v. 31.1.2018 - 4 BN 17.17 - juris Rn. 5; U.v. 29.6.2021 - 4 CN 6.19 - juris Rn. 11).
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2. Der Normenkontrollantrag ist auch begründet. Die angegriffene Planung leidet an beachtlichen Verfahrensfehlern, die zur Gesamtunwirksamkeit des angefochtenen Bebauungsplans führen.
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a) Die Bekanntmachung vom 26. Februar 2021 zur Beteiligung der Öffentlichkeit im Zeitraum vom 8. März 2021 bis 12. April 2021 enthält keine Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind (§ 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB).
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Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB sind Ort und Dauer der Auslegung sowie Angaben dazu, welche umweltbezogenen Informationen verfügbar sind, mindestens eine Woche vor der öffentlichen Auslegung nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB ortsüblich bekannt zu machen. Dies soll eine Anstoßwirkung entfalten und interessierte Bürger dazu ermuntern, sich über die gemeindlichen Planungsabsichten zu informieren und gegebenenfalls mit Anregungen und Bedenken zur Planung beizutragen. Die Pflicht zur Angabe, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, zielt darauf, eine breitere Öffentlichkeit für Entscheidungsverfahren im Umweltbereich zu interessieren und ihre Beteiligungsbereitschaft zu fördern, um hierdurch Vollzugsdefiziten zu Lasten der Umwelt entgegenzuwirken. Die Informationen müssen eine erste inhaltliche Einschätzung ermöglichen, welche Umweltbelange in den vorliegenden Stellungnahmen und sonstigen Unterlagen behandelt werden. Dieses Ziel gebietet es, als strukturierendes Merkmal den Inhalt der Informationen zu wählen. Mit der Pflicht, Angaben zu Arten von Informationen zu machen, verlangt § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB daher, die Information entsprechend ihrem Inhalt nach Gattungen oder Typen zusammenzufassen und die so gebildeten Themenblöcke schlagwortartig zu charakterisieren (vgl. BVerwG, U.v. 20.1.2021 - 4 CN 7.19 - juris Rn. 12). Im Rahmen dieser Bekanntmachung darf die Gemeinde - anders als bei der Frage, welche umweltbezogenen Stellungnahmen tatsächlich ausgelegt werden (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB) - nicht zwischen wesentlichen und unwesentlichen umweltbezogenen Informationen unterscheiden (vgl. BVerwG, U.v. 6.6.2019 - 4 CN 7.18 - juris Rn. 15, 23; U.v. 29.9.2015 - 4 CN 1.15 - juris Rn. 8). Das Bekanntmachungserfordernis erstreckt sich vielmehr auch auf solche Informationen, die die Gemeinde für unwesentlich hält und nicht auszulegen beabsichtigt (vgl. BVerwG, U.v. 18.7.2013 - 4 CN 3.12 - juris Rn. 21). Diesen Anforderungen wird die Bekanntmachung vom 26. Februar 2021 nicht gerecht.
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In der Bekanntmachung gem. § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB vom 26. April 2021 hat der Antragsgegner keine Angaben dazu gemacht, welche umweltbezogenen Informationen verfügbar sind, sondern ausschließlich darauf hingewiesen, dass der Bebauungsplan-Entwurf samt Grünordnungsplan, Begründung und Umweltbericht in der Gemeindeverwaltung zur Einsichtnahme ausliegt. Dies genügt § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB - auch soweit der Antragsgegner meint, den Anforderungen mit dem Hinweis auf den ausliegenden Umweltbericht ausreichend Rechnung getragen zu haben - nicht (vgl. BVerwG, U.v. 18.7.2013 - 4 CN 3.12 - juris Rn. 22; BayVGH, U.v. 13.12.2012 - 15 N 08.1561 - juris Rn. 31). Entgegen der Ansicht des Antragsgegners sind Stellungnahmen mit umweltbezogenen Informationen, so des Wasserwirtschaftsamts Deggendorf vom 31. August 2020 zu Starkregenereignissen, des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Pfarrkirchen vom 29. September 2020 zu bodensparendem Bauen und des Landratsamts Rottal-Inn zu Verkehrs- und Gewerbelärm, auch tatsächlich vorhanden. Die vom Antragsgegner im Rahmen der Abwägungsentscheidung angeführte Bekanntmachung vom 23. April 2021 für eine Öffentlichkeitsbeteiligung vom 3. Mai 2021 bis 4. Juni 2021, mit der formelle Fehler korrigiert worden sein sollen, findet sich weder in den vorgelegten Planaufstellungsakten oder im Internetauftritt des Antragsgegners, noch konnte diese vom Antragsgegner vorgelegt werden.
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Der Verstoß gegen die Bekanntmachung nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB ist gemäß § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB auch beachtlich, da die Angaben zu umweltbezogenen Informationen vollständig fehlen (vgl. BayVGH, B.v. 31.3.2020 - 15 N 17.1717 - juris Rn. 19). Der Fehler wurde seitens des Antragstellers in der Begründung des Normenkontrollantrags vom 10. Januar 2022, die dem Antragsgegner innerhalb der Jahresfrist des § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB zugestellt wurde (vgl. BVerwG, U.v. 14.6.2012 - 4 CN 5.10 - juris Rn. 27), ausdrücklich gerügt.
22
b) Die auszulegenden Unterlagen sind seitens des Antragstellers nicht vollständig in das Internet eingestellt und zugänglich gemacht worden (§ 4a Abs. 4 BauGB).
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Nach § 4a Abs. 4 Satz 1 BauGB sind der Inhalt der ortsüblichen Bekanntmachung nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB und die nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB auszulegenden Unterlagen zusätzlich in das Internet einzustellen und über ein zentrales Internetportal des Landes zugänglich zu machen. Anders als die bis zum 12. Mai 2017 geltende Kann-Bestimmung der Vorgängerfassung handelt es sich bei dem zum Zeitpunkt der Öffentlichkeitsbeteiligung geltenden § 4a Abs. 4 Satz 1 BauGB in der Fassung vom 4. Mai 2017 (BGBl I 1057) um eine Verpflichtung der Gemeinde zur Veröffentlichung im Internet (vgl. OVG SH, U.v. 22.11.2021 - 1 KN 13/16 - juris Rn. 57).
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Unabhängig davon, dass zwar die Bekanntmachungen für die Öffentlichkeitsbeteiligung vom 25. August 2020 und vom 26. Februar 2021 im Internet veröffentlicht sind, während die in der Abwägung angeführte Bekanntmachung vom 23. April 2021 dort nicht zu finden ist, sind die eingestellten Planunterlagen („Bebauungsplan“, „BPL Begründung“ und „BPL Umweltbericht“) zur Auslegung vom 8. März 2021 bis 12. April 2021 jedenfalls nicht vollständig für die Öffentlichkeit zugänglich. Bei verschiedenen Abrufeversuchen des Senats sowie eines Abrufs des Bevollmächtigten des Antragstellers im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 24. Mai 2022 zeigte sich, dass die ins Internet eingestellte Begründung des Bebauungsplans („BPL Begründung“) teilweise nur mit Anmeldung, d.h. unter Angabe eines Benutzernamens und Passwortes, aufgerufen werden kann. Es ist daher davon auszugehen, dass ein ungehinderter Zugriff auch im maßgeblichen Zeitraum der öffentlichen Auslegung nicht möglich war. Damit bestehen jedoch Zugangshindernisse, die geeignet sind, die Öffentlichkeit von einer Einsichtnahme abzuhalten. Den Anforderungen des § 4a Abs. 4 Satz 1 BauGB, den Inhalt der Bekanntmachung nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB und die nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB auszulegenden Unterlagen ins Internet einzustellen und über ein zentrales Internetportal des Landes zugänglich zu machen, wird nicht genüge geleistet, wenn die eingestellten Planunterlagen (teilweise) nur mit Eingabe eines Benutzernamens und Passwortes abrufbar sind.
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Dieser Fehler ist auch gem. § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 1 BauGB beachtlich, da nur die fehlende Zugänglichmachung über ein zentrales Internetportal des Landes gem. § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 Buchst e) BauGB unbeachtlich ist (vgl. Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand August 2021, § 214 Rn. 41a, 50c). Dabei kann offen bleiben, ob dieser Fehler vom Antragsteller durch den Vortrag, § 4a Abs. 4 BauGB sei bezüglich der Einstellung relevanter Planunterlagen nicht beachtet worden, wobei insoweit allerdings hinsichtlich umweltbezogener Stellungnahmen der Einschätzungsspielraum der Gemeinde nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB zu beachten wäre (vgl. BVerwG, U.v. 18.7.2013 - 4 CN 3.12 - juris Rn. 21), ausreichend dargelegt ist. Denn die Kontrollbefugnis des Senats ist mangels Ablauf der Jahresfrist des § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des am 23. Juli 2021 bekannt gemachten Bebauungsplans nicht eingeschränkt (vgl. NdsOVG, U.v. 13.10.2015 - 1 KN 66/14 - juris Rn. 30; VGH BW, U.v. 24.1.2013 - 5 S 913/11 - juris Rn. 61).
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c) Der Bebauungsplan leidet ferner an einem Ausfertigungsmangel gem. Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GO.
27
Bebauungspläne sind als Satzung nach § 10 Abs. 1 BauGB gemäß Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GO auszufertigen und (anschließend) bekanntzumachen (vgl. BVerwG, B.v. 27.1.1999 - 4 B 129.98 - juris Rn. 5; BayVGH, U.v. 1.7.2014 - 15 N 12.333 - juris Rn. 26 f.). Die Ausfertigung erfolgt hierbei durch handschriftliche Unterzeichnung des ersten Bürgermeisters oder dessen Stellvertreters auf der Originalurkunde unter Angabe des Datums (vgl. BayVGH, U.v. 10.10.2018 - 2 N 16.1285 - juris Rn. 20; Dietlein/Knierim in Dietlein/Suerbaum, BeckOK Kommunalrecht Bayern, Stand 1.5.2022, Art. 26 GO Rn. 11.1; Glaser in Widtmann/Grasser/Glaser, GO, Stand Februar 2022, Art. 26 Nr. 3 Buchst. a). Dem genügt die ohne Datumsangabe unterzeichnete Satzungsurkunde mit den zeichnerischen und textlichen Festsetzungen hier nicht.
28
Zwar ist die Form der Datumsangabe in verschiedenen Varianten denkbar und bedarf es keiner handschriftlichen Datumsangabe durch den Unterzeichner selbst, die Ausfertigung erfordert jedoch zumindest, dass überhaupt ein Datum der Ausfertigung angegeben ist (vgl. OVG NW, U.v. 25.11.2020 - 7 A 3893/19 - juris Rn. 40 f.; NdsOVG, U.v. 9.9.2014 - 1 KN 215/12 - juris Rn. 23). Soweit der Antragsgegner meint, die Angabe des Gemeindestempels genüge (vgl. Dietlein/Knierim in Dietlein/Suerbaum, a.a.O., Art. 26 Rn. 11.1), ist damit nicht das hier angebrachte (undatierte) Gemeindesiegel zu verstehen, sondern ein Datumsstempel, der seitens der Gemeindeverwaltung angebracht wurde (vgl. Glaser in Widtmann/Grasser/Glaser, a.a.O., Art. 26 Nr. 3 Buchst. a). Mangels Unterzeichnung und Datumsangabe auf den übrigen Planunterlagen, insbesondere der Begründung und des Umweltberichts, lässt sich - unabhängig davon, dass diese nicht separat auszufertigen sind (vgl. BayVGH, U.v. 19.1.2001 - 26 N 98.581 - juris Rn. 32) - hier auch kein Rückschluss auf den möglichen Zeitpunkt der Ausfertigung ziehen (vgl. VGH BW, U.v. 8.5.1990 - 5 S 3064/88 - juris Rn. 22). Auch befinden sich die zeichnerischen und textlichen Festsetzungen auf einer einheitlichen Urkunde, so dass es nicht darauf ankommt, dass die Datumsangabe gegebenenfalls nicht auf allen Bestandteilen oder Anlagen erforderlich ist (vgl. BayVGH, U.v. 25.4.1996 - 9 N 94.599 - BayVBl 1997, 278), solange die „gedankliche Schnur“ gewahrt bleibt (vgl. dazu: BayVGH, U.v. 5.10.2021 - 15 N 21.1470 - juris Rn. 41).
29
Das Fehlen der Datumsangabe der Ausfertigung ist ein beachtlicher Formfehler, da § 214 BauGB nur für Verstöße gegen Anforderungen des BauGB Anwendung findet (vgl. Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O., § 214 Rn. 37; § 10 Rn. 108). Auch auf die Frist des § 215 Abs. 1 Satz 1 BauGB kommt es insoweit - unabhängig davon, dass dieser Mangel vom Antragsteller auch gerügt wurde - nicht an.
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3. Offen bleiben kann, ob der Bebauungsplan an weiteren Fehlern, insbesondere im Hinblick auf die zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses fehlende Genehmigung des im Parallelverfahren geänderten Flächennutzungsplans leidet oder ob die vom Antragsteller gerügten materiellen Mängel zum Erfolg führen würden. Die o.g. formellen Fehler führen allesamt zur Gesamtnichtigkeit des angefochtenen Bebauungsplans.
31
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
32
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
33
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).
34
Der Antragsgegner hat die Ziffer I. der Entscheidungsformel nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils in derselben Weise zu veröffentlichen, wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre (§ 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).