Titel:
Darlehensverzicht eines Gesellschafter-Geschäftsführers
Normenkette:
EStG § 3c Abs. 2 S. 1, § 19, § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 2, Abs. 4
Leitsätze:
1. Auch wenn ein Darlehen des Gesellschafter-Geschäftsführers der Gesellschaft aus im Gesellschaftsverhältnis liegenden Gründen gewährt worden war, kann der spätere Verzicht darauf nach den Gesamtumständen des Einzelfalls durch das zugleich bestehende Anstellungsverhältnis veranlasst sein und dann insoweit zu Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit führen, als die Darlehensforderung noch werthaltig ist. (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Vorliegen deutlicher Hinweise darauf, dass die Gesellschafter trotz der zum Zeitpunkt des Darlehensverzichts bestehenden Verlustsituation reelle Chancen sahen, durch Umsatzsteigerungen der Gesellschaft zukünftig Gewinne in erheblicher Höhe zu erzielen, kann für eine Veranlassung des Verzichts durch das Gesellschaftsverhältnis sprechen. (redaktioneller Leitsatz)
3. Auch der Verzicht auf die Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens gegen Besserungsschein fällt unter die Regelung des § 20 II 1 Nr. 7 EStG und § 20 II 2 EStG. Es ist nicht geboten, den Verlust erst dann zu berücksichtigen, wenn endgültig feststeht, dass die auflösende Bedingung nicht mehr eintreten kann. (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Einkünfteerzielungsabsicht kann im Rahmen des § 20 II 1 Nr. 7 EStG und § 20 II 2 EStG auch dann bejaht werden, wenn es dem Gesellschafter nicht auf die Erzielung von Zinserträgen, sondern auf die Stärkung der Gesellschaft ankommt. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Kapitaleinkünfte
Rechtsmittelinstanzen:
BFH München vom -- – VIII R 8/22
BFH München, Urteil vom 19.11.2024 – VIII R 8/22
Weiterführende Hinweise:
Revision zugelassen
Fundstellen:
EFG 2022, 1373
GmbH-Stpr 2022, 339
ZInsO 2023, 51
LSK 2022, 13152
BeckRS 2022, 13152
DStRE 2022, 1415
Tenor
1. Der Einkommensteuerbescheid für 2009 vom (…) in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom (…) wird dahingehend geändert, dass ein weiterer Verlust von (66% von Betrag D) € bei den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen, die der tariflichen Einkommensteuer unterliegen, berücksichtigt wird.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.
3. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu 30% und der Beklagte zu 70%.
4. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
5. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Die Beteiligten streiten darüber, wie der Verzicht auf ein nachrangiges unbesichertes Darlehen, das der Kläger einer Gesellschaft gewährt hatte, bei der er sowohl Gesellschafter als auch Geschäftsführer war, und Zinsen für ein diesbezügliches Refinanzierungsdarlehen bei den Einkünften des Klägers zu berücksichtigen sind.
2
Der Kläger hatte gemeinsam mit (…) im Jahr (…) (das Unternehmen) gegründet. Im für den Streitfall maßgeblichen Zeitraum (…) wurde der Betrieb zunächst als (…) KG geführt (KG, …). An der KG war der Kläger im Jahr 2009 mit einem Kommanditanteil von (…) € an der Gesamteinlage von (…) €, mithin zu 1x,x%, beteiligt. Als (…) übte er gleichzeitig die Funktion des Geschäftsführers der KG aus (…).
3
In den Jahren 2008/2009 geriet (das Unternehmen) zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten. Nach starkem Wachstum in den Vorjahren war eine neue Produktionsstätte errichtet und das Personal aufgestockt worden. Die Investitionen waren in großem Umfang fremdfinanziert. Der Absatz konnte jedoch nicht wie geplant gesteigert werden.
4
Vor diesem Hintergrund stellten die Gesellschafter der KG zunächst im Januar bzw. Februar 2009 Finanzmittel von insgesamt (…) € als Darlehen zur Verfügung. Die Darlehenshöhe der einzelnen Gesellschafter bestimmte sich dabei nach dem Verhältnis der Einlagen. Der Kläger gewährte der KG entsprechend mit Vertrag vom 06.02.2009 (Darlehensvertrag) ein nachrangiges Darlehen über (Betrag D) €, das mit 4,5% zu verzinsen war. Sicherheiten waren nicht vereinbart.
5
Zur Rückzahlung des Darlehens enthielt der Darlehensvertrag in Nr. 4 folgende Regelung:
(Die Darlehensnehmerin) verpflichtet sich, das ihr gewährte Darlehen zum 31.07.2009 in vollem Umfang zu tilgen.
Sollte vorher ein neuer Gesellschafter in die Gesellschaft eintreten und seine Einlage erbringen, wird mit Erbringung dieser Einlage der volle Darlehensbetrag fällig.
Die Laufzeit des Darlehens verlängert sich um jeweils einen Monat, wenn sich die Rahmenbedingungen - Aufnahme eines neuen Gesellschafters - nicht bis zum 31.07.2009 realisiert haben.
Über den in diesem Falle neu zu definierenden Fälligkeitstermin wird zwischen der Darlehensgeberin und der Darlehensnehmerin dann neu verhandelt.“
6
Zur Finanzierung der Darlehensgewährung nahm der Kläger selbst ein zinspflichtiges Darlehen bei der (…) auf (Refinanzierungsdarlehen), für das ein variabler Zinssatz galt.
7
Auf Grund Gesellschafterbeschlusses vom (…) 2009 wurde die KG in die (…) GmbH (GmbH) umgewandelt. Der Formwechsel erfolgte im Innenverhältnis rückwirkend zum 31.12.2008, 24.00 Uhr, so dass ab diesem Zeitpunkt, d.h. ab dem 01.01.2009, 0.00 Uhr (steuerlicher Umwandlungsstichtag), alle seither getätigten Geschäfte als für Rechnung der GmbH geführt behandelt wurden. Der Formwechsel wurde auch vom für die KG bzw. GmbH zuständigen Finanzamt rückwirkend berücksichtigt.
8
Der Kläger war entsprechend der Beteiligung an der KG mit einer Einlage von (…) € am Stammkapital der GmbH von insg. (…) € beteiligt (Anteil von 1x,x%). Nach dem Gesellschaftsvertrag übte er zudem die Funktion eines Geschäftsführers der Gesellschaft kraft Sonderrechts aus, eine Abberufung war nur aus wichtigem Grund möglich (…).
9
Nachdem sich die finanzielle Situation der GmbH zum Ende 2009 weiter verschlechterte (…), verzichteten sämtliche Gesellschafter mit Vertrag vom (…) 2009 auf ihre Rechte aus den Darlehensverträgen vom Januar bzw. Februar 2009 (Darlehensverzichtsvertrag). Der Verzicht beinhaltet das Recht auf Tilgung/Rückzahlung der Darlehensbeträge, nicht jedoch auf die bereits aufgelaufenen Zinsforderungen (…). Der Verzicht stand unter der auflösenden Bedingung, dass die GmbH wirtschaftlich und finanziell in der Lage ist, sämtliche Darlehen, bezüglich derer die Gesellschafter den Verzicht erklärt hatten, in vollständiger Höhe aus einem Bilanzgewinn oder einem Liquidationsüberschuss zurückzuzahlen („Besserungsschein“, …). Für den Fall, dass die auflösende Bedingung eintreten sollte und die Darlehen den Gesellschaftern ganz oder teilweise zurückgewährt wurden, waren diese gehalten, der GmbH diese Beträge unverzüglich durch Einzahlung als Einlage in die freie Rücklage wieder zur Verfügung zu stellen (…). Im Jahresabschluss der GmbH wurde der Darlehensverzicht in vollem Umfang als gewinnerhöhender sonstiger betrieblicher Ertrag erfasst.
10
Ebenfalls am (…) 2009 erhöhten die Gesellschafter das Stammkapital der GmbH um (…) € auf (…) €. Der neue Anteil (…) wurde allein von einem anderen Gesellschafter übernommen. Der Anteil des Klägers am Stammkapital der GmbH belief sich somit ab diesem Zeitpunkt auf 1x,x%.
11
Trotz dieser Maßnahmen erzielte die GmbH für 2009 einen handelsrechtlichen Verlust von (…) € und die Bilanz auf den 31.12.2009 wies einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von (…) € aus.
12
Im Jahr 2010 stiegen die Umsätze zwar deutlich auf (…) € an (2009: rd. (…) €, 2008: rd. (…) €). Gewinne konnten jedoch weder in 2010 noch in den Folgejahren erzielt werden. Die Einnahmen des Klägers aus der Tätigkeit als Geschäftsführer beliefen sich im Jahr 2009 auf (…) €, (…). Im (…) beendete der Kläger seine Tätigkeit als Geschäftsführer. Am (…) wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet.
13
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2009, die am (…) beim damals zuständigen Finanzamt (…) einging, machten die Kläger bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit Werbungskosten von (Betrag D) € auf Grund des Darlehensverzichts geltend. Das Finanzamt (…) veranlagte die Kläger mit Bescheid vom (…) zunächst antragsgemäß, wobei die Festsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erfolgte.
14
Auf Grund eines Wohnsitzwechsels wurde das beklagte Finanzamt (…) (Finanzamt) für die Kläger zuständig. Es vertrat die Auffassung, dass der Darlehensverzicht nicht zu Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit führe, sondern eine verdeckte Einlage darstelle. Im geänderten Einkommensteuerbescheid 2009 vom (…) berücksichtigte es die Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit von (Betrag D) € folglich nicht mehr. Gleichzeitig hob es den Vorbehalt der Nachprüfung auf.
15
Die Kläger erklärten zudem (…) Zinsen aus dem Refinanzierungsdarlehen als der tariflichen Einkommensteuer unterliegende negative Kapitaleinkünfte (für 2011: (Betrag Z) €, (…). Das beklagte Finanzamt berücksichtigte diese Einkünfte nur nach dem Teileinkünfteverfahren mit 60%. Entsprechende Einkommensteuerbescheide ergingen für 2011 am (…).
16
Gegen die genannten Bescheide legten die Kläger durch ihren steuerlichen Vertreter jeweils fristgerecht Einspruch ein. Während der Einspruchsverfahren wurde der Einkommensteuerbescheid 2011 (…) aus hier unstreitigen Gründen mehrfach geändert. Der letzte Änderungsbescheid erging (…) am (…).
17
In der Einspruchsentscheidung vom (…) verband das beklagte Finanzamt die Einsprüche zu gemeinsamer Entscheidung. Die Zinsen aus dem Refinanzierungsdarlehen wurden für (…) 2009 (…) in voller Höhe als der tariflichen Einkommensteuer unterliegende negative Kapitaleinkünfte berücksichtigt und die Einkommensteuer (…) entsprechend herabgesetzt. Im Übrigen wurden die Einsprüche als unbegründet zurückgewiesen. Auf Grundlage der Einspruchsentscheidung ergibt sich für 2009 eine Einkommensteuer von (…) €, für 2011 von (…) € (…).
18
Gegen die Einspruchsentscheidung erhoben die Kläger die vorliegende Klage, die am (…) beim Finanzgericht einging (…).
19
In der mündlichen Verhandlung am 17.02.2022 kamen die Beteiligten im Wege der tatsächlichen Verständigung überein, dass der Darlehensrückzahlungsanspruch aus dem streitgegenständlichen Darlehen zum Zeitpunkt des Verzichts am (…) 2009 nur noch zu 34%, also in Höhe von (34% von Betrag D) € werthaltig gewesen ist.
20
Die Kläger sind der Auffassung, der Darlehensverzicht führe im Jahr 2009 zu Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit, soweit das Darlehen zu diesem Zeitpunkt noch werthaltig war. Die (…) geltend gemachten Zinsen für das Refinanzierungsdarlehen seien in voller Höhe als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen.
21
Der Darlehensverzicht habe vorrangig der Sicherung des Arbeitsplatzes und dem damit verbundenen Erhalt der Lohneinkünfte von rd. (…) € jährlich gedient. Für den Kläger sei damals subjektiv die Sicherung seines Gehaltes, das er jeden Monat erzielte, vorrangig gewesen. Bei einem Verlust des Arbeitsplatzes oder einer Reduzierung des Gehalts hätte er seine laufenden Zahlungsverpflichtungen nicht mehr bedienen können. Seine Stellung als Geschäftsführer kraft Sonderrechts ändere nichts daran, dass eine mögliche Insolvenz direkt zum Verlust seines Arbeitsplatzes geführt hätte.
22
Der Beteiligungsanteil sei mit 1x,x% nur gering gewesen. Auf Grund der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft hätten die Gesellschafter auch keine nennenswerten Dividendenausschüttungen erwarten können.
23
Soweit das Darlehen zum Zeitpunkt des Darlehensverzichts nicht mehr werthaltig gewesen sei, führe dies zu einem nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 2, Abs. 4 EStG zu berücksichtigenden Verlust bei den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen. Die erforderliche Einnahmeerzielungsabsicht habe vorgelegen, der Kläger habe im Jahr 2009 auch tatsächlich einen Zinsüberschuss erzielt. Der Umstand, dass der Verzicht unter einer auflösenden Bedingung erklärt worden sei, stehe dem nicht entgegen. Die Verlustberücksichtigung nach § 20 EStG sei nicht durch eine gemäß § 20 Abs. 8 EStG vorrangige Berücksichtigung des nicht werthaltigen Teils des Darlehensnennbetrags im Rahmen des § 17 EStG ausgeschlossen. Zum Zeitpunkt der Darlehenshingabe habe insbesondere kein Passivierungsverbot bestanden, die Rückzahlung des Darlehens sei aus sonstigem freien Vermögen möglich gewesen.
24
Die Kläger beantragen,
- 1.
-
den Einkommensteuerbescheid 2009 vom (…) in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom (…) dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit ein Betrag von (34% von Betrag D) als Werbungskosten und bei den Einkünften des Klägers aus Kaptalvermögen, die der tariflichen Einkommensteuer unterliegen, ein weiterer Verlust von (66% von Betrag D) € berücksichtigt wird,
- 2.
-
den Einkommensteuerbescheid 2011 vom (…) in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom (…) dahingehend zu ändern, dass Finanzierungsaufwendungen für das Darlehen bei (…) in Höhe von (Betrag Z) € als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit anstatt aus Kapitalvermögen in Höhe von (60% von Betrag Z) € berücksichtigt werden.
25
Das Finanzamt beantragt,
26
Es ist weiterhin der Auffassung, dass der Darlehensverzicht hinsichtlich des werthaltigen Teils nicht zu Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit führe. Der Verzicht sei vorrangig gesellschaftsrechtlich veranlasst. Als Geschäftsführer kraft Sonderrechts habe der Kläger einen Verlust der Geschäftsführerstellung nicht befürchten müssen, wenn er auf seine Darlehensforderung nicht verzichtet hätte. Das Darlehen sei als ungesichertes Nachrangdarlehen gewährt worden und zusammen mit dem Kläger hätten alle weiteren Gesellschafter konzertiert im Zusammenhang mit einer Erhöhung des Stammkapitals verzichtet. Der Verzicht habe zudem unter der auflösenden Bedingung der wirtschaftlichen Besserung der GmbH gestanden, wobei sich der Kläger zusammen mit den übrigen Gesellschaftern verpflichtet habe, im Falle des Eintritts der auflösenden Bedingung eine Zahlung in die Kapitalrücklage der GmbH zu leisten. Da zum Zeitpunkt des Verzichts Aussicht auf Besserung der wirtschaftlichen Lage bestanden habe, seien die Renditeerwartungen des Klägers aus der Beteiligung im Verhältnis zur Höhe der erzielbaren Einnahmen aus der Geschäftsführertätigkeit auch im Zeitpunkt des Verzichts (noch) nicht von untergeordneter Bedeutung gewesen.
27
Eine Berücksichtigung des nicht werthaltigen Teils der Darlehensforderung als Ausfallverlust gemäß § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 2 EStG sei in den Streitjahren nicht möglich.
28
Das Darlehen sei nicht mit der erforderlichen Einkünfteerzielungsabsicht gewährt worden. Die von der Rechtsprechung angenommene tatsächliche Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht sei angesichts der konkreten Umstände des Streitfalls widerlegt, da der Kläger unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Dauer der Kapitalüberlassung, der sich voraussichtlich ergebenden Einnahmen und der voraussichtlich anfallenden Aufwendungen nicht mit einem ZInsüberschuss habe rechnen können. Die Absicht des Klägers, durch die Stärkung der Gesellschaft irgendwann Einkünfte gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu erzielen, sei nicht auf den gesondert zu beurteilenden Tatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG gerichtet.
29
In den Streitjahren sei jedenfalls kein endgültiger Ausfallverlust entstanden. Der Verzicht habe unter der auflösenden Bedingung gestanden, dass die GmbH wirtschaftlich und finanziell in der Lage ist, die Darlehensforderungen in vollständiger Höhe aus einem Bilanzgewinn oder einem Liquidationsüberschuss zurückzuzahlen. Auf einen solchen Verzicht unter auflösender Bedingung sei die Entscheidung des BFH vom 06.08.2019, VIII R 18/16, BStBl II 2020, 833, die sich auf den endgültigen Darlehensverzicht eines Gesellschafters bezieht, nicht übertragbar. Der Verzicht auf eine nicht werthaltige Forderung werde vom BFH dem gesetzlich geregelten Tatbestand der Veräußerung der Forderung gleichgestellt. Das Gebot der Folgerichtigkeit gebiete es, die der Veräußerung gleichgestellten Tatbestände auch hinsichtlich des Zeitpunkts der Verlustentstehung gleichzustellen. Wenn schon die vage Aussicht einer Quotenzahlung zum Abschluss eines Insolvenzverfahrens die Entstehung eines Ausfallverlustes hinausschiebt, müsse dies erst recht für den Verzicht mit „Besserungsschein“ gelten, durch den die Fortführung des Schuldners gesichert werden soll. Durch diese Bewertung werde auch der Wille des Klägers vollumfänglich berücksichtigt. Er habe sich bewusst gegen einen endgültigen Verzicht entschieden und zum Ausdruck gebracht, dass er - wenn auch bedingt - an seiner Forderung auch hinsichtlich des nicht werthaltigen Teils noch festhalten möchte.
30
Einer Berücksichtigung des Verlusts aus dem Darlehensverzicht im Rahmen des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 2 EStG stehe der in § 20 Abs. 8 EStG normierte Vorrang gewerblicher Einkünfte entgegen, da die Darlehensgewährung zu nachträglichen Anschaffungskosten im Sinne des § 17 Abs. 2 EStG führen würde.
31
Dies gelte auch nach der neueren Rechtsprechung des BFH zu Finanzierungshilfen im Anwendungsbereich des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23.10.2008 (MoMiG, BGBl I 2008, 2026; vgl. BFH, Urteil vom 11.07.2017, IX R 36/15, BStBl II 2019, 208). Das nachrangige Darlehen sei als verdeckte Einlage in die GmbH zu werten. Nach der vertraglichen Vereinbarung sei die Rückzahlung vom Eintritt eines neuen Gesellschafters und der Zahlung seiner Einlage an die Gesellschaft abhängig gewesen. Diese Vereinbarung sei vergleichbar mit einer qualifizierten Nachrangabrede im Sinne des § 5 Abs. 2a EStG, wonach eine Verbindlichkeit nur aus zukünftigen Gewinnen oder aus einem Liquidationsüberschuss, nicht aber aus dem freien Vermögen der Gesellschaft zu erfüllen sei.
32
Nach der Rechtsprechung des BFH seien auch die bisherigen Grundsätze zu eigenkapitalersetzenden Darlehen weiter anzuwenden, wenn der Gesellschafter eine eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe bis zum 27.09.2017 geleistet hat oder wenn eine Finanzierungshilfe des Gesellschafters bis zu diesem Tag eigenkapitalersetzend geworden ist. Bei Anwendung dieser Grundsätze mit der Folge, dass gemäß § 20 Abs. 8 EStG gewerbliche Einkünfte Vorrang vor Einkünften aus Kapitalvermögen haben, könnte sich zwar auf Grund des Teileinkünfteverfahrens gemäß § 3c Abs. 2 S. 1 EStG abstrakt generell ein Nachteil gegenüber der Verlustermittlung gemäß § 20 Abs. 4 S. 1 EStG ergeben. Dieser Nachteil sei dem Kläger aber auf Grund einer am Zweck der Vertrauensschutz gewährenden Rechtsprechung ausgerichteten Beurteilung des Einzelfalles zumutbar und zurechenbar. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass der Kläger durch die Ausgestaltung der Besserungsabrede den wirtschaftlichen Veranlassungszusammenhang im Zeitpunkt des Verzichts nicht endgültig aufgegeben habe. Die zeitliche Verknüpfung des nachgelagerten Verzichts mit der formwechselnden Umwandlung lasse zudem bei wertender Betrachtung auf einen Gesamtplan schließen, auf dessen Grundlage sich der Darlehensverzicht als Übertragung im Zuge der Umwandlung darstelle. Vor diesem Hintergrund könne der Kläger den Vorteil der uneingeschränkten Verlustermittlung nach § 20 Abs. 4 S. 1 EStG nicht in Anspruch nehmen und sich stattdessen nur auf das Entstehen von Anschaffungskosten im Sinne des § 17 Abs. 2 EStG unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens berufen.
33
Die Refinanzierungskosten seien zutreffend als negative Einkünfte aus Kapitalvermögen berücksichtigt worden. Für (…) 2011 (…) komme insoweit nur eine Berücksichtigung nach dem Teileinkünfteverfahren in Betracht. Denn ab diesem Zeitpunkt genüge gemäß § 3c Abs. 2 S. 7 EStG für die Anwendung des Teileinkünfteverfahrens die Absicht des Steuerpflichtigen, Einkünfte zu erzielen.
34
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Akten des Finanzamts, die Gerichtsakte sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 17.02.2022 nach § 105 Abs. 3 S. 2 FGO verwiesen.
Entscheidungsgründe
35
2. Soweit sich die Kläger gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 wenden, ist die Klage teilweise begründet.
36
a) Die Kläger sind nicht dadurch in ihren Rechten verletzt, dass das beklagte Finanzamt einen Verlust im Zusammenhang mit dem Verzicht auf den Darlehensrückzahlungsanspruch nicht als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt hat.
37
aa) Nach § 9 Abs. 1 S. 2 EStG sind Werbungskosten bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Das Einkommensteuergesetz enthält allerdings keine ausdrückliche Regelung dazu, nach welchen Grundsätzen Werbungskosten einer Einkunftsart zuzuordnen sind, wenn - wie etwa bei einem Darlehen durch einen Gesellschafter-Geschäftsführer - neben anderen Einkunftsarten auch Lohneinkünfte (§ 19 Abs. 1 EStG) in Betracht kommen.
38
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH entscheidet der engere und wirtschaftlich vorrangige Veranlassungszusammenhang. Danach sind die Aufwendungen der Einkunftsart zuzuordnen, die im Vordergrund steht und die Beziehungen zu den anderen Einkünften verdrängt.
39
Gewährt ein Arbeitnehmer ein Darlehen, um Zinsen zu erwirtschaften, stehen regelmäßig die Einkünfte aus Kapitalvermögen im Vordergrund. Der Verlust der Darlehensforderung kann allerdings als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen sein, wenn der Arbeitnehmer das Risiko des Darlehensverlusts aus beruflichen Gründen bewusst auf sich genommen hat. Ob im konkreten Einzelfall berufliche Gründe vorliegen, ist durch Abwägung aller Umstände zu entscheiden. Als Indiz für solche beruflichen Gründe gilt nach der Rechtsprechung etwa der Umstand, dass ein außenstehender Dritter, insbesondere eine Bank, kein Darlehen mehr gewährt hätte und daher jedenfalls nicht die Nutzung des Geldkapitals zur Erzielung von Zinseinkünften im Vordergrund steht.
40
Allerdings kann auch in diesen Fällen der Steuerpflichtige aus anderen, nicht im Arbeitsverhältnis liegenden Gründen das Darlehen gegeben haben, wenn er etwa mit seinem Arbeitgeber und Darlehensnehmer auch gesellschaftsrechtlich verbunden und das Darlehen gesellschaftsrechtlich veranlasst ist. Um in diesen Fällen entscheiden zu können, ob das Darlehen aus im Arbeitsverhältnis oder aus im Gesellschaftsverhältnis liegenden Gründen gewährt worden ist, ist die Höhe der Beteiligung des Arbeitnehmers, das Verhältnis der Höhe der Lohneinkünfte im Vergleich zu den möglichen Beteiligungserträgen (Renditeentwicklungen und -erwartungen) sowie die Frage, welche Konsequenzen sich für den Arbeitnehmer hätten ergeben können, wenn er seinem Arbeitgeber die entsprechende Finanzierungsmaßnahme nicht gewährt hätte, zu berücksichtigen (insg. BFH, Urteil vom 25.11.2010, VI R 34/08, BStBl II 2012, 24, unter II. 1. a), m.w.N).
41
Auch wenn ein Darlehen aus im Gesellschaftsverhältnis liegenden Gründen gewährt worden war, kann der spätere Verzicht darauf durch das zugleich bestehende Arbeitsverhältnis veranlasst sein und dann insoweit zu Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit führen, als die Darlehensforderung noch werthaltig ist. Der zu einem späteren Zeitpunkt ausgesprochene Verzicht auf den Darlehensrückzahlungsanspruch stellt eine weitere selbständig zu würdigende Finanzierungsmaßnahme dar, die nicht zwingend auf denselben Motiven gründen musste wie die zeitlich vorangehende Darlehensgewährung selbst (vgl. BFH, Urteil vom 25.11.2010, VI R 34/08, BStBl II 2012, 24, unter II. 2. b).
42
Maßgebend für die Beurteilung des Veranlassungszusammenhangs sind die Gesamtumstände des jeweiligen Einzelfalles. Dabei geht der BFH regelmäßig davon aus, dass Maßnahmen zur Stützung einer Gesellschaft durch einen Gesellschafter-Geschäftsführer, der nicht nur unwesentlich am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt ist, eher durch die Gesellschafterstellung und weniger durch die berufliche Tätigkeit veranlasst sind (vgl. BFH, Urteil vom 16.11.2011, VI R 97/10, BStBl II 2012, 343, unter II. 1. b), m.w.N.). In einem Fall, in dem der Steuerpflichtige nur noch über eine Beteiligung von 1,64% verfügte, hat er hingegen eine Veranlassung durch das Arbeitsverhältnis für naheliegend gehalten (vgl. Urteil vom 25.11.2010, VI R 34/08, BStBl II 2012, 24, unter II. 2. a), 3. b).
43
Zweifel an der beruflichen Veranlassung gehen zu Lasten des den Werbungskostenabzug begehrenden Arbeitnehmers. Deshalb trägt der Arbeitnehmer auch hinsichtlich der beruflichen Veranlassung der Darlehenshingabe bzw. des -verzichts die Feststellungslast (vgl. BFH, Urteil vom 07.02.2008, VI R 75/06, BStBl II 2010, 48, unter II. 1. c), m.w.N.).
44
bb) Unter Heranziehung dieser Grundsätze ist der erkennende Senat nicht zu der Überzeugung gelangt, dass der Darlehensverzicht der nichtselbständigen Arbeit des Klägers zuzuordnen ist. Bei Würdigung der Gesamtumstände des vorliegenden Falles kann nicht festgestellt werden, dass die Darlehensgewährung oder der spätere Verzicht vorrangig aus im Arbeitsverhältnis liegenden Gründen vorgenommen wurden. Die Behauptung des Klägers, ihm sei damals subjektiv die Sicherung seines Gehaltes vorrangig gewesen, wird nicht hinreichend durch die objektiven Umstände gestützt. Es sprechen vielmehr wesentliche Umstände dafür, dass die Stützungsmaßnahmen vorrangig durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind.
45
(1) Das gilt insbesondere für die Gewährung des Darlehens, die im Februar 2009 erfolgte.
46
Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger mit einem Anteil von 1x,x% an der KG beteiligt. Es liegen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass er seinerzeit davon ausging, keine nennenswerten Erträge mehr aus der Beteiligung an der Gesellschaft erzielen zu können (…).
47
Gleichzeitig kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger damals ein wesentliches Gehalt als Geschäftsführer erwarten konnte. Im vorgelegten Geschäftsführervertrag aus dem Jahr (…) war sogar ausdrücklich vorgesehen, dass er neben der im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Gewinnverteilungsregelung keine weiteren Bezüge erhalten sollte (…). Weitere Umstände, auf Grund derer darauf geschlossen werden kann, dass er entgegen dieser Regelung bereits zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung im Februar 2009 für die Folgejahre ein beachtliches Geschäftsführergehalt erwarten konnte, sind weder konkret dargelegt noch nachgewiesen.
48
Es ist auch weder vorgetragen noch nach Aktenlage ersichtlich, dass der Kläger für den Fall, dass er das Darlehen nicht gewährt, mit einer Kündigung des Geschäftsführervertrags oder sonstigen Nachteilen gerade im Hinblick auf seine Stellung als Geschäftsführer rechnen musste.
49
Die konkreten Umstände der Darlehensgewährung stehen eindeutig im Zusammenhang mit der Stellung des Klägers als Gesellschafter und nicht als Geschäftsführer. Die Darlehensgewährung erfolgte im Rahmen einer abgestimmten Stützungsmaßnahme sämtlicher Gesellschafter, wobei sich der Beitrag jedes Einzelnen nach dem Anteil an der KG richtete. Das Darlehen des Klägers wurde zudem als Nachrangdarlehen gewährt und diente somit der Stärkung des wirtschaftlichen Eigenkapitals der Gesellschaft.
50
(2) Ebenso konnte nicht zur Überzeugung des erkennenden Senats festgestellt werden, dass der im (…) 2009 erfolgte Darlehensverzicht vorrangig durch die Stellung des Klägers als Geschäftsführer veranlasst war.
51
(a) Der Kläger bezog zwar in den Jahren 2009 - (…) ein nicht unerhebliches Gehalt als Geschäftsführer (2009: (…) €; (…). Da kein Geschäftsführervertrag vorgelegt wurde, aus dem sich diese Gehaltsansprüche ergeben, kann jedoch nicht festgestellt werden, inwieweit die in (…) bezogenen Gehälter bereits zum Zeitpunkt des Darlehensverzichts in der letztlich gewährten Höhe zu erwarten waren.
52
(b) Die Beteiligung des Klägers an der GmbH war mit 1x,x% nicht so gering, dass die daraus zu erwartenden Einkünfte - zukünftige Gewinnausschüttungen und ein etwaiger Veräußerungsgewinn - zwangsläufig deutlich niedriger ausfallen mussten als die Geschäftsführergehälter. Das Verhältnis zwischen den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und der Beteiligung an der GmbH hing vielmehr entscheidend von der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung der GmbH ab.
53
Die Behauptung, dass der Kläger angesichts der wirtschaftlichen Situation der GmbH zum Zeitpunkt des Darlehensverzichts keine nennenswerten Gewinnausschüttungen mehr erwarten konnte, mag kurzfristig zutreffend gewesen sein. Mittel- und langfristig kann eine solche Feststellung jedoch nicht getroffen werden. Es liegen deutliche Hinweise darauf vor, dass die Gesellschafter trotz der damaligen Verlustsituation reelle Chancen sahen, durch Umsatzsteigerungen zukünftig Gewinne in erheblicher Höhe zu erzielen.
54
(…) Angesichts der sonstigen Rahmenbedingungen und zukünftigen Entwicklungen erscheint diese Einschätzung auch nicht von vornherein unrealistisch. (Das Unternehmen) bestand bereits seit (…) Jahren und war am Markt etabliert. Nach starkem Wachstum in den vergangenen Jahren waren mit der neuen Produktionsstätte die Kapazitäten für größere Stückzahlen geschaffen worden. Die Geschäftsführung hatte entsprechend mit Absatzsteigerungen geplant, die während der allgemeinen Wirtschaftskrise in 2008 und insbesondere 2009 nicht realisiert werden konnten. Für das 1. Quartal 2010 war aber bereits in 2009 ein Auftragsbestand von (…) generiert worden. Tatsächlich konnte in 2010 eine deutliche Umsatzsteigerung auf rd. (…) € erreicht werden. Noch im Januar 2011 prognostizierte die Geschäftsführung für 2011 eine weitere Umsatzsteigerung auf rd. (…) € und ein positives Jahresergebnis von rd. (…) € (…).
55
Umstände, die darauf schließen lassen, dass der Kläger gleichwohl bereits Ende 2009 davon ausging, Gewinne der GmbH würden dauerhaft ausbleiben oder nur noch in so geringem Umfang erzielt werden, dass die zu erwartenden Einkünfte aus der Beteiligung (Gewinnausschüttungen und ein etwaiger Veräußerungsgewinn) die zukünftigen Geschäftsführergehälter deutlich unterschreiten, sind demgegenüber nicht vorgetragen und nach Aktenlage auch nicht ersichtlich.
56
Die vom Kläger geltend gemachten monatlichen Zahlungsverpflichtungen begründen nicht, dass der Darlehensverzicht unabhängig von möglichen zukünftigen Erträgen aus der Beteiligung vorrangig der Sicherung seiner laufenden Einkünfte als Geschäftsführer diente.
57
(c) Es kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger Beeinträchtigungen gerade im Hinblick auf seine Position als Geschäftsführer zu befürchten hatte, falls er den Darlehensverzicht verweigert hätte.
58
Seine Position entsprach nicht der eines typischen angestellten Geschäftsführers, dem von seinem Arbeitgeber jederzeit gekündigt werden konnte. Als Geschäftsführer kraft Sonderrechts konnte er nur aus wichtigem Grund abberufen werden. Seine Tätigkeit als Geschäftsführer war damit auch nach Umwandlung der KG in die GmbH an die Stellung als Gesellschafter geknüpft und beide Funktionen waren gleichermaßen vom Bestand der Gesellschaft abhängig.
59
Besondere Umstände, auf Grund derer eine Weigerung des Klägers, an dem Darlehensverzicht teilzunehmen, gleichwohl spezifische Nachteile für seine Stellung als Geschäftsführer oder das damit verbundene Gehalt zur Folge gehabt hätte, sind nicht vorgetragen und nach Aktenlage auch nicht ersichtlich.
60
(d) Wesentlich für eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung sprechen die konkreten Umstände des Darlehensverzichts. Ebenso wie bereits die Darlehensgewährung handelte es sich um eine abgestimmte Stützungsmaßnahme sämtlicher Gesellschafter, die zeitgleich mit einer (von einem anderen Gesellschafter getragenen) Kapitalerhöhung durchgeführt wurde. Die Darlehensgeber waren bei Eintritt der auflösenden Bedingung gehalten, die zurückgewährten Darlehensbeträge unverzüglich durch Einzahlung als Einlage in die freie Rücklage der GmbH wieder zur Verfügung zu stellen (…). Beabsichtigt war mithin eine langfristige Stärkung des Eigenkapitals durch die Gesellschafter.
61
b) Auf Grund des Darlehensverzichts sind im Jahr 2009 negative Einkünfte gemäß § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 2, Abs. 4 EStG in Höhe des zum damaligen Zeitpunkt nicht werthaltigen Teils des Darlehensrückzahlungsanspruchs, der sich nach der tatsächlichen Verständigung der Beteiligten auf (66% von Betrag D) € beläuft, zu berücksichtigen.
62
aa) Nach der Neuregelung durch das Unternehmenssteuerreformgesetz können Substanzverluste unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 2, Abs. 4 EStG zu negativen Einkünften aus Kapitalvermögen führen.
63
Diese Regelung ist in zeitlicher Hinsicht auf das im Jahr 2009 begründete Darlehen des Klägers anzuwenden (vgl. § 52a Abs. 10 S. 6 EStG a.F., heute § 52 Abs. 28 S. 15 EStG).
64
bb) Nach der Rechtsprechung des BFH fällt der Verzicht auf die Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens unter die Regelung des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 2 EStG (vgl. BFH, Urteil vom 06.08.2019, VIII R 18/16, BStBl II 2020, 833).
65
Das gilt nach Auffassung des erkennenden Senats auch für einen Darlehensverzicht unter auflösender Bedingung („Besserungsschein“, vgl. auch FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19.11.2018, 3 K 1846/15, EFG 2019, 610-614, unter III. 3. b) cc); Förster/von Cölln/Lentz, DB 2020, 353, 358; Förster in Förster/Neumann, StbJb 2012/13, 339, 361).
66
Der auflösend bedingte Forderungsverzicht führt - für die Dauer bis zum Bedingungseintritt - zum Wegfall der Forderung und der Eintritt der Bedingung entfaltet keine Rückwirkung (vgl. BFH, Urteil vom 24.10.2017, VIII R 19/16, BStBl II 2019, 34, unter II. 2. a) aa), m.w.N.). Der BFH ist dementsprechend auch in anderen Zusammenhängen davon ausgegangen, dass die Vereinbarung einer Besserungsabrede nichts an den steuerlichen Folgen ändert, die das maßgebliche Recht für den Fall eines Forderungsverzichts vorsieht, solange der „Besserungsfall“ nicht eingetreten ist (vgl. bspw. zu Betriebsausgaben beim Verzicht auf ein Darlehen im Betriebsvermögen, BFH, Urteil vom 18.04.2012, X R 7/10, BStBl II 2013, 791, unter II. 2. b) bb); zur Passivierung der Forderung beim Schuldner BFH, Urteil vom 12.07.2012, I R 23/11, BFH/NV 2012, 1901-1904, unter II. 2. a).
67
Den Verlust auf Grund eines Darlehensverzichts im Rahmen des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 2, Abs. 4 EStG davon abweichend erst zu berücksichtigen, wenn endgültig feststeht, dass die auflösende Bedingung nicht mehr eintreten kann, hält der erkennende Senat nicht für geboten. Er folgt dem Finanzamt insbesondere nicht darin, dass der Darlehensverzicht mit „Besserungsschein“ hinsichtlich des Zeitpunkts der Verlustberücksichtigung ebenso behandelt werden müsse wie ein Ausfallverlust in der Insolvenz. Die vom Darlehensgeber zivilrechtlich wirksam vorgenommene Rechtsänderung - die bis zum Eintritt der Bedingung bestehen bleibt - begründet einen wesentlichen Unterschied im Hinblick auf die steuerlichen Folgen, der auch im Rahmen des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 2, Abs. 4 EStG beachtlich ist.
68
cc) Eine Berücksichtigung des Verlustes aus dem Darlehensverzicht nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 2, Abs. 4 EStG scheitert nach Auffassung des erkennenden Senats nicht an einer fehlenden Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers.
69
(1) Auch bei Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 EStG ist grundsätzlich das Vorliegen einer Einkünfteerzielungsabsicht zu prüfen und für jede einzelne Kapitalanlage getrennt zu beurteilen. Die mit der Abgeltungsteuer eingeführten Besonderheiten der Einkünfte aus Kapitalvermögen bedingen zwar eine tatsächliche (widerlegbare) Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht. Diese Vermutung ist jedoch widerlegt, wenn ein positives Ergebnis einer Kapitalanlage in laufenden Erträgen oder Gewinnen im Sinne des § 20 Abs. 2 EStG auf Dauer von vornherein ausgeschlossen erscheint. Die praktische Unmöglichkeit, Marktentwicklungen zuverlässig vorherzusagen, kann insoweit nicht zu Lasten des Steuerpflichtigen gehen. Die Feststellungslast trifft das Finanzamt. Widerlegt wäre die Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht etwa bei einem fest vereinbarten Negativzins (negative Einnahmen). Sind künftig positive Zinseinnahmen möglich, greift die Vermutung (vgl. BFH, Urteil vom 09.07.2019, X R 9/17, BStBl II 2021, 418, unter II. 4. c), m.w.N.).
70
(2) Im Streitfall war ein positiver Zinsüberschuss bei Darlehensgewährung nicht ausgeschlossen. Nach Überzeugung des erkennenden Senats kam es dem Kläger auf die Erzielung eines Zinsüberschusses jedoch nicht an. Die Darlehensgewährung war vielmehr durch das Bestreben motiviert, die KG zu stärken und positive Einkünfte aus der Beteiligung zu erzielen.
71
Die Zinsen für das Refinanzierungsdarlehen lagen in den ersten Monaten nach der Darlehensgewährung höher als die Zinsen, die der Kläger von der KG für das von ihm gewährte Darlehen erhalten sollte. Ausweislich des Jahreskontoauszugs 2009 für das Refinanzierungsdarlehen fielen für Februar Zinsen von (…) € an. Das entspricht bei einer Darlehenssumme von (…) € unter Zugrundelegung der im Kontoauszug ausgewiesenen Darlehensauszahlung am (…) und der bankenüblichen 30-Tage-Regel für die Verzinsung (…) einem Zinssatz von 4,75% p.a. Die Zinsen für die Monate März bis Mai 2009 beliefen sich jeweils auf (…) €, was ebenfalls einem Zinssatz von 4,75% p.a. entspricht. Das der KG gewährte Darlehen war hingegen nur mit 4,5% p.a. zu verzinsen.
72
Bei Darlehensgewährung erschien es nicht ausgeschlossen, dass der variable Zinssatz für das Refinanzierungsdarlehen in der Folgezeit sinken würde, so dass die anfänglichen Verluste kompensiert werden könnten. Ab Juni belief sich der Zinssatz für das Refinanzierungsdarlehen tatsächlich auf unter 4,5% p.a. Bis zum 31.07.2009, an dem das Darlehen nach der vertraglichen Vereinbarung planmäßig zurückbezahlt werden sollte, waren die anfänglichen Verluste fast kompensiert und bis zum Verzicht auf die Rückzahlung der Darlehensforderung überstiegen die Zinsforderungen aus dem hingegebenen Darlehen die Refinanzierungszinsen (vgl. die Zinswerte im Jahreskontoauszug 2009 für das Refinanzierungsdarlehen).
73
Da das der KG gewährte Darlehen nach der vertraglichen Vereinbarung planmäßig zum 31.07.2009 zurückbezahlt werden sollte, musste der Kläger zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung gleichwohl eher mit einem negativen Zinsüberschuss rechnen. Ein positiver Zinsüberschuss hätte bei planmäßigem Ablauf nur im Falle einer zeitnahen Senkung des Refinanzierungszinses und auch dann nur in geringer Höhe erzielt werden können. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bei Darlehensgewährung eine so zeitnahe und weitreichende Senkung des Zinssatzes für das Refinanzierungsdarlehen erwartete, dass ein bedeutsamer Zinsüberschuss bis zum geplanten Rückzahlungstermin erwirtschaftet werden könnte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Ebenso ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass er bereits zu diesem Zeitpunkt von einer bedeutsamen Verlängerung der Darlehenslaufzeit ausging.
74
Mit der Gewährung des unbesicherten Nachrangdarlehens war zudem ein nicht unerhebliches Ausfallrisiko verbundenen, falls kein neuer Gesellschafter zusätzliche Finanzmittel einbringen und sich die wirtschaftliche Situation der KG weiter verschlechtern würde. Es ist nicht zu erwarten, dass ein vernünftiger Kapitalanleger dieses Risiko wegen der Möglichkeit eines geringen positiven Zinsüberschusses eingehen würde. Entscheidendes Motiv für die Darlehensgewährung kann deshalb nach Überzeugung des erkennenden Senats nur gewesen sein, die KG zu stärken.
75
Seinerzeit schien es auch nicht ausgeschlossen, dass der Kläger aus der KG mittel- bis langfristig positive Beteiligungserträge bzw. einen positiven Veräußerungsgewinn erzielen könnte (vgl. dazu die Ausführungen unter II. 2. a) bb) (2) (b), die sich auf den Zeitpunkt des Darlehensverzichts beziehen, und umso mehr für den Zeitpunkt der Darlehensgewährung gelten, in dem sich die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft noch deutlich besser darstellte).
76
(3) Welche Bedeutung der Absicht eines Gesellschafters, durch die Gewährung eines Darlehens seine Gesellschaft zu stärken und so positive Beteiligungseinkünfte bzw. einen positiven Veräußerungsgewinn zu erzielen, für die Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht im Rahmen des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 2 EStG zukommt, wird in der Rechtsprechung der Finanzgerichte und im Schrifttum unterschiedlich gesehen.
77
Das FG Düsseldorf und das FG Berlin-Brandenburg haben bei der Prüfung des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 2 EStG die Einkünfteerzielungsabsicht verneint, wenn ein Gesellschafterdarlehen nicht gewährt wurde, um Zinserträge zu erzielen, sondern um die Gesellschaft zu stärken (vgl. zu einem verzinslichen Gesellschafterdarlehen in der Krise FG Düsseldorf, Urteil vom 28.01.2020, 10 K 2166/16 E, EFG 2020, 444-448, unter I. 2. b) aa); zu einem zinsfreien Gesellschafterdarlehen FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18.04.2018, 3 K 3138/15, EFG 2018, 1366-1370, unter V. 1.).
78
Im Schrifttum wird hingegen vielfach gefordert, bei der Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht im Rahmen des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, bei der auch die Absicht zur Erzielung von Kapitalerträgen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG oder eines Veräußerungsgewinns gemäß § 17 EStG zu berücksichtigen sei. Teilweise wird die Einkünfteerzielungsabsicht dabei ausdrücklich auch bei zinslosen Gesellschafterdarlehen bejaht, bei denen Zinseinkünfte von vornherein ausgeschlossen sind und allein Erträge aus der Beteiligung in Betracht kommen (vgl. insg. Förster/von Cölln/Lentz, DB 2020, 353, 358; Jachmann-Michel, BB 2020, 727, 734; Kahlert, DStR 2018, 229, 231; Krumm, FR 2020, 197, 206; Levedag, GmbHR 2021, 637, 639; Werth, FR 2020, 530, 536).
79
(4) Der erkennende Senat schließt sich der Auffassung des Schrifttums an, nach der die Einkünfteerzielungsabsicht im Rahmen des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 2 EStG auch dann bejaht werden kann, wenn es dem Gesellschafter nicht auf die Erzielung von Zinserträgen sondern auf die Stärkung der Gesellschaft ankommt.
80
Nach dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmungen ist eine Beschränkung der Einkünfteerzielungsabsicht auf bestimmte Arten von Kapitaleinkünften im Rahmen des § 20 EStG nicht zwingend.
81
Der BFH hat - vor dem Hintergrund der alten Rechtslage - auch bereits entschieden, dass in die Renditebetrachtung einer wesentlichen Beteiligung im Rahmen des § 20 EStG die Wertsteigerung der Gesellschaft mit einzubeziehen ist. Selbst die vorrangige oder ausschließliche Erwartung einer Wertsteigerung steht dem Abzug von Aufwendungen im Zusammenhang mit der Beteiligung als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht entgegen. Dabei hat der BFH es ausdrücklich als unerheblich erachtet, dass der Veräußerungsgewinn gemäß § 17 EStG zu Einkünften aus Gewerbebetrieb führt. Diese Rechtsprechung wird damit begründet, dass der Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG und das Ausschüttungsverhalten der Kapitalgesellschaft in einer Wechselwirkung in der Weise stehen, dass thesaurierte Gewinne regelmäßig den Veräußerungsgewinn erhöhen und Ausschüttungen ihn ermäßigen (vgl. BFH, Urteil vom 02.05.2001, VIII R 32/00, BStBl II 2001, 668, unter 1., m.w.N.).
82
Diese Erwägungen können auch in der vorliegenden Konstellation herangezogen werden. Denn niedrigere Zinsen für ein Stützungsdarlehen kommen dem Gesellschafter regelmäßig in Form von höheren Gewinnausschüttungen oder einem höheren Veräußerungs- bzw. Auflösungsgewinn zu Gute. Höhere Darlehenszinsen mindern hingegen seine Einkünfte aus der Beteiligung (vgl. auch den Hinweis auf die o.g. Entscheidung bei Werth, FR 2020, 530, 536).
83
(5) Dem steht nach Auffassung des erkennenden Senats im Streitfall nicht entgegen, dass es sich bei der Darlehensempfängerin bei Abschluss des Darlehensvertrags noch um eine Personengesellschaft handelte und der Kläger deshalb zu diesem Zeitpunkt nur Einkünfte aus der KG und nicht aus einer Kapitalgesellschaft erzielen konnte. Die Einkünfteerzielungsabsicht im Rahmen des § 20 EStG aus diesem Grund zu verneinen, würde in einem Wertungswiderspruch zu den Bestimmungen des Umwandlungssteuerrechts stehen, nach denen ein Formwechsel auch rückwirkend möglich ist (vgl. § 25 i.V.m. § 9 S. 2 und 3, § 20 Abs. 5 S. 1 UmwStG). Nach der dargestellten Rechtsprechung des BFH kommt es zudem auf die steuerrechtliche Qualifikation der Einkünfte als solche aus gewerblicher Tätigkeit oder Kapitalvermögen nicht an (vgl. BFH, Urteil vom 02.05.2001, VIII R 32/00, BStBl II 2001, 668, unter 1.).
84
dd) Der im Streitfall zu berücksichtigende Verlust beläuft sich auf (66% von Betrag D) €.
85
Ein nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 2, Abs. 4 EStG zu berücksichtigender Verlust ergibt sich bei einem Darlehensverzicht nur soweit, als das Darlehen zum Zeitpunkt des Verzichts nicht werthaltig war.
86
Der Verzicht eines Gesellschafters auf eine Forderung gegenüber seiner Kapitalgesellschaft führt zu einer (verdeckten) Einlage der Forderung im Sinne des § 20 Abs. 2 S. 2 EStG. Ist die erlassene Forderung nicht mehr vollwertig, so beschränkt sich die Einlage auf den werthaltigen Teil. Beim Gesellschafter führt der Forderungsverzicht in derselben Höhe zu einem Zufluss. Stehen dem durch die Einlage bewirkten Zufluss Anschaffungskosten in gleicher Höhe gegenüber, fällt kein Gewinn im Sinne des § 20 Abs. 4 EStG an. In Höhe des nicht werthaltigen Teils der Forderung liegt hingegen ein Forderungsausfall vor, der als Verlust steuerlich wirksam wird, soweit der Steuerpflichtige auch für diesen Teil der Forderung Anschaffungskosten getragen hat (vgl. BFH, Urteil vom 06.08.2019, VIII R 18/16, BStBl II 2020, 833).
87
Der Kläger hat das Darlehen der GmbH selbst gewährt. Ihm sind somit Anschaffungskosten in Höhe des Darlehensnennbetrags entstanden.
88
Auf Grund der tatsächlichen Verständigung der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung ist nicht mehr streitig, dass der Darlehensrückzahlungsanspruch des Klägers zum Zeitpunkt des Verzichts am (…) 2009 nur noch in Höhe von 34% des Nennbetrags von (Betrag D) €, also (34% von Betrag D) werthaltig gewesen ist. Der nichtwerthaltige Teil, der als Verlust im Rahmen des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 2 Abs. 4 EStG Berücksichtigung finden kann, beläuft sich somit auf einen Anteil von 66% und einen Betrag von (66% von Betrag D) €.
89
Dieser Verlust ist im Rahmen des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 2, Abs. 4 EStG in voller Höhe der tariflichen Besteuerung zu Grunde zu legen. Der Abgeltungssteuertarif des § 32d Abs. 1 EStG, die eingeschränkte Verlustverrechnung nach § 20 Abs. 6 EStG und das Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 EStG finden gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 S. 1 Buchst. b), S. 2 EStG in der damals geltenden Fassung keine Anwendung (vgl. auch BFH, Urteil vom 06.08.2019, VIII R 18/16, BStBl II 2020, 833, unter II.1.). Der Kläger war zum Zeitpunkt des Verzichts auf die Darlehensforderung mit einem Anteil von über 10% an der GmbH beteiligt.
90
ee) Einer Berücksichtigung des Verlustes aus dem Verzicht auf den nicht werthaltigen Teil des Darlehensrückzahlungsanspruchs nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 2, Abs. 4 EStG steht nicht die Regelung des § 20 Abs. 8 EStG i.V.m. § 17 EStG entgegen.
(1) § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 2, Abs. 4 EStG findet gemäß § 20 Abs. 8 EStG nur Anwendung, soweit die betreffenden Einkünfte nicht gleichzeitig zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören. Dazu zählen auch Einkünfte im Sinne des § 17 EStG (vgl. § 17 Abs. 1 S. 1 EStG).
91
Ein Vorrang des § 17 EStG kann allerdings nur bejaht werden, soweit dessen Anwendungsbereich reicht. Allein eine wesentliche Beteiligung im Sinne des § 17 EStG führt nicht generell dazu, dass die Berücksichtigung von (positiven oder negativen) Einkünften gemäß § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 2, Abs. 4 EStG ausgeschlossen ist (vgl. Jachmann-Michel, BB 2020, 727, 734; Krumm, FR 2020, 197, 205; Werth, FR 2020, 530, 534).
92
(2) Die Berücksichtigung des Verlustes aus dem Verzicht auf den nicht werthaltigen Teil des Darlehensrückzahlungsanspruchs nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 2, Abs. 4 EStG entfällt danach nicht gemäß § 20 Abs. 8 EStG auf Grund einer vorrangigen Anwendung des § 17 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 2a S. 3 Nr. 2, S. 4 EStG. Der Streitfall fällt nicht in den zeitlichen Anwendungsbereich des neuen § 17 Abs. 2a EStG.
93
§ 17 Abs. 2a EStG findet erstmals auf Veräußerungen im Sinne des § 17 Abs. 1, 4 oder 5 EStG nach dem 31.07.2019 Anwendung, § 52 Abs. 25a S. 1 EStG. Die Auflösung der Gesellschaft gilt gemäß § 17 Abs. 4 S. 1 EStG als Veräußerung. Maßgeblich ist somit in diesen Fällen der Zeitpunkt der Auflösung der Gesellschaft. Die GmbH wurde durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens im (…) aufgelöst (vgl. § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG).
94
Einen Antrag auf Anwendung des § 17 Abs. 2a EStG (vgl. § 52 Abs. 25a S. 2 EStG) hat der Kläger nicht gestellt.
95
(3) Im Streitfall scheidet eine Berücksichtigung des Verlusts aus dem Verzicht auf den nicht werthaltigen Teil der Darlehensforderung bei den Einkünften nach § 20 Abs. 2 S. 1
96
Nr. 7, S. 2, Abs. 4 EStG nicht gemäß § 20 Abs. 8 EStG i.V.m. § 17 EStG a.F. aus.
97
Nach § 17 Abs. 1 und 4 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb unter den dort genannten Voraussetzungen der Gewinn aus der Auflösung von Kapitalgesellschaften. Steuerbar ist auch ein aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft entstehender Verlust. Auflösungsverlust im Sinne von § 17 Abs. 1, 2 und 4 EStG ist der Betrag, um den die im Zusammenhang mit der Auflösung der Gesellschaft vom Steuerpflichtigen (persönlich) getragenen Kosten (Auflösungskosten entsprechend § 17 Abs. 2 EStG) und seine Anschaffungskosten den gemeinen Wert des zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft übersteigen. Anschaffungskosten sind auch die nachträglichen Anschaffungskosten (vgl. § 255 Abs. 1 S. 2 HGB; siehe insg. BFH, Urteil vom 11.07.2017, IX R 36/15, BStBl II 2019, 208, unter II. 1., m.w.N.).
98
(a) Nach den Grundsätzen, die der BFH nach der Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG im Geltungsbereich des § 17 a.F. heranzieht, liegen hinsichtlich des zum Zeitpunkt des Verzichts auf den Rückzahlungsanspruch nicht werthaltigen Teils der Darlehensforderung keine nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung vor, die nach § 20 Abs. 8 EStG i.V.m. § 17 EStG a.F. der Verlustberücksichtigung im Rahmen des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 2, Abs. 4 EStG entgegenstehen könnten.
99
(aa) Im Geltungsbereich des § 17 a.F. ist nach der Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG der handelsrechtliche Begriff der Anschaffungskosten gemäß § 255 Abs. 1 HGB der Beurteilung nach § 17 Abs. 2 und 4 EStG zu Grunde zu legen.
100
Den (nachträglichen) Anschaffungskosten der Beteiligung können danach grundsätzlich nur solche Aufwendungen des Gesellschafters zugeordnet werden, die nach handels- und bilanzsteuerrechtlichen Grundsätzen zu einer offenen oder verdeckten Einlage in das Kapital der Gesellschaft führen. Darunter fallen insbesondere Nachschüsse im Sinne der §§ 26 ff. GmbHG, sonstige Zuzahlungen nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB wie Einzahlungen in die Kapitalrücklage, Barzuschüsse oder der Verzicht auf eine noch werthaltige Forderung. Aufwendungen aus Fremdkapitalhilfen wie der Ausfall eines vormals „krisenbedingten“, „krisenbestimmten“ oder „in der Krise stehen gelassenen“ Darlehens oder der Ausfall mit einer Bürgschaftsregressforderung, die vor Einführung des MoMiG als „eigenkapitalersetzend“ angesehen wurden, führen hingegen grundsätzlich nicht mehr zu Anschaffungskosten der Beteiligung.
101
Etwas anderes kann sich ergeben, wenn die vom Gesellschafter gewährte Fremdkapitalhilfe aufgrund der vertraglichen Abreden mit der Zuführung einer Einlage in das Gesellschaftsvermögen wirtschaftlich vergleichbar ist. Dies kann der Fall sein bei einem Gesellschafterdarlehen, dessen Rückzahlung auf Grundlage der von den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen - wie beispielsweise der Vereinbarung eines Rangrücktritts im Sinne des § 5 Abs. 2a EStG - im Wesentlichen denselben Voraussetzungen unterliegt wie die Rückzahlung von Eigenkapital. In einem solchen Fall käme dem Darlehen auch bilanzsteuerrechtlich die Funktion von zusätzlichem Eigenkapital zu (siehe insg. BFH, Urteil vom 11.07.2017, IX R 36/15, BStBl II 2019, 208, unter II. 4.).
102
(bb) Im Rahmen des § 17 EStG vorrangig zu berücksichtigende nachträgliche Anschaffungskosten sind im Hinblick auf den Teil der Forderung, der bei dem Verzicht auf den Rückforderungsanspruch nicht mehr werthaltig war, nicht deshalb anzunehmen, weil bereits die Darlehensgewährung wie eine verdeckte Einlage zu werten ist.
103
Das vom Kläger gewährte nachrangige Darlehen ist mit der Zuführung einer Einlage in das Gesellschaftsvermögen nicht wirtschaftlich vergleichbar. Die Rückzahlung unterlag nicht im Wesentlichen denselben Voraussetzungen wie die Rückzahlung von Eigenkapital.
104
Es liegt insbesondere keine qualifizierte Nachrangabrede im Sinne des § 5 Abs. 2a EStG vor, wonach eine Verbindlichkeit nur aus zukünftigen Gewinnen oder aus einem Liquidationsüberschuss, nicht aber aus dem freien Vermögen der Gesellschaft zu erfüllen ist (vgl. dazu BFH, Urteil vom 19.08.2020, XI R 32/18, BStBl II 2021, 279). Nach Nr. 1 des Darlehensvertrags war lediglich ein nachrangiges Darlehen vereinbart. Eine Beschränkung der Rückzahlung, die einer qualifizierten Nachrangabrede entsprechen würde, ergibt sich weder aus dem Wortlaut des Darlehensvertrags noch liegen sonstige Anhaltspunkte vor, auf Grund derer im Wege der Auslegung auf einen derartigen Willen der Vertragspartner geschlossen werden kann.
105
Die vertraglichen Vereinbarungen zur Rückzahlung des Darlehens sind nicht mit einem solchen qualifizierten Rangrücktritt vergleichbar.
106
Entgegen der Auffassung des Finanzamts war die Rückzahlung des Darlehens nicht zwingend vom Eintritt eines neuen Gesellschafters und der Zahlung seiner Einlage abhängig. Eine Auslegung der vertraglichen Vereinbarung dahingehend, dass die Darlehensrückzahlung verbindlich ausgeschlossen sein sollte, bis ein neuer Gesellschafter seine Einlage erbracht hat, kommt nach Auffassung des erkennenden Senats nicht in Betracht. Der Fälligkeitstermin für den Rückzahlungsanspruch wurde zwar in gewissem Umfang von dieser Voraussetzung bestimmt. So sollte das Darlehen mit Erbringung der Einlage eines neuen Gesellschafters unabhängig vom eigentlich vereinbarten Termin sofort fällig werden. Umgekehrt sollte sich die Laufzeit des Darlehens um jeweils einen Monat verlängern, falls diese Voraussetzung bis zum 31.07.2009 nicht erfüllt sein sollte. Für diesen Fall war aber zugleich vorgesehen, dass über einen Fälligkeitstermin neu verhandelt werden sollte. Die Vertragspartner wollten demnach im Darlehensvertrag vom 06.02.2009 gerade noch keine verbindlichen Regelungen dazu treffen, zu welchem Zeitpunkt und unter welchen Voraussetzungen die Rückzahlung des Darlehens erfolgen sollte, falls die Erbringung einer Einlage durch einen neuen Gesellschafter nicht wie geplant erfolgen würde.
107
Unabhängig davon ist eine Regelung, wonach der Fälligkeitszeitpunkt eines Anspruchs auf Darlehensrückzahlung von der Einbringung weiterer Eigenmittel durch einen neuen Gesellschafter abhängig gemacht wird, nach Auffassung des erkennenden Senats nicht mit einer Regelung gleichzusetzen, nach der die Rückzahlung des Darlehens nur aus künftigen Gewinnen und einem Liquidationsüberschuss, nicht aber aus freiem Vermögen der darlehensschuldenden Gesellschaft erfolgen darf.
108
Der Umstand, dass das Darlehen wirtschaftlich die Funktion hatte, Liquiditätsengpässe bis zur Einbringung weiterer Eigenmittel durch einen neuen Gesellschafter zu überbrücken, lässt noch nicht darauf schließen, dass die Rückzahlung im Wesentlichen denselben Beschränkungen unterliegen sollte wie Eigenkapital. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass eine solche Beschränkung der damaligen Interessenlage der darlehensgebenden Gesellschafter und der Darlehensnehmerin - damals noch der KG - entsprochen hätte.
109
Gegen die Annahme einer solchen Rückzahlungsbeschränkung spricht hingegen, dass die im Januar bzw. Februar 2009 gewährten Gesellschafterdarlehen bei der GmbH tatsächlich passiviert und erst mit dem Verzicht gewinnerhöhend ausgebucht wurden (…). Dieses Verzichts hätte es nicht bedurft, wenn die Darlehensrückzahlung nach dem Willen der Vertragspartner bereits nach dem Darlehensvertrag Beschränkungen unterlegen hätte, die im Wesentlichen denen von Eigenkapital entsprachen.
110
(b) Der Berücksichtigung des Verlustes aus dem Verzicht auf den zum damaligen Zeitpunkt nicht werthaltigen Teil der Darlehensforderung nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 2, Abs. 4 EStG steht nicht entgegen, dass die Gewährung (oder ggf. auch das Stehenlassen bis zum Verzicht) des streitgegenständlichen Darlehens nach den vor dem MoMiG geltenden Grundsätzen, die aus Gründen des Vertrauensschutzes weiterhin anzuwenden sind, als „eigenkapitalersetzende“ Finanzhilfe zu nachträgliche Anschaffungskosten im Sinne des § 17 Abs. 2 EStG führen könnte.
111
(aa) Zu nachträglichen Anschaffungskosten einer Beteiligung führen nach der früheren Rechtsprechung des BFH vor Einführung des MoMiG neben offenen und verdeckten Einlagen auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungs- oder Auflösungskosten waren. Nachträgliche Anschaffungskosten hat der BFH u.a. angenommen beim Ausfall des Gesellschafters mit seinem Anspruch auf Rückzahlung eines der Gesellschaft gewährten Darlehens, wenn die Hingabe des Darlehens durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst war. Für die Beurteilung, ob eine Finanzierungshilfe durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst war, hat der BFH darauf abgestellt, ob sie eigenkapitalersetzend war. Er hat dies bejaht, wenn der Gesellschafter der Gesellschaft zu einem Zeitpunkt, in dem ihr die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute nur noch Eigenkapital zugeführt hätten (Krise der Gesellschaft), stattdessen ein Darlehen gewährt oder eine wirtschaftlich entsprechende andere Rechtshandlung im Sinne des § 32a Abs. 1 und 3 GmbHG a.F. vorgenommen hatte (sogenanntes funktionelles Eigenkapital). Lagen diese Voraussetzungen nicht vor, hatte die Finanzierungshilfe (auch gesellschaftsrechtlich) nicht die Funktion von Eigenkapital und der Gesellschafter war insoweit wie jeder Drittgläubiger zu behandeln (BFH, Urteil vom 11.07.2017, IX R 36/15, BStBl II 2019, 208, unter II. 1. a), m.w.N.).
112
Der IX. Senat des BFH hält es aus Gründen des Vertrauensschutzes für geboten, diese Rechtsprechungsgrundsätze für einen Übergangszeitraum weiterhin anzuwenden. Für den Vertrauensschutz ist auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem der Steuerpflichtige die für ihn endgültige wirtschaftliche Disposition getroffen hat. Dies war nach den bisherigen Grundsätzen entweder der Zeitpunkt der Hingabe einer von vornherein eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfe oder des Stehenlassens einer Finanzierungshilfe bei Eintritt der Krise. Lag der jeweils maßgebliche Stichtag vor dem 27.09.2017, wird der IX. Senat des BFH den Fall auch in Zukunft nach Maßgabe der bisher geltenden Grundsätze beurteilen (vgl. BFH, Urteil vom 11.07.2017, IX R 36/15, BStBl II 2019, 208, unter II. 5.).
113
Nach Auffassung des erkennenden Senats führt diese „Vertrauensschutz-Rechtsprechung“ allerdings nicht dazu, dass eine Berücksichtigung des Verlustes aus dem Verzicht auf den nicht werthaltigen Teil des Rückzahlungsanspruchs nach § 20 Abs. 8 EStG i.V.m. § 17 EStG a.F. im Streitfall ausgeschlossen ist.
114
(bb) Eine vorrangige Anwendung des § 17 EStG a.F. könnte bereits deshalb abzulehnen sein, weil nachträgliche Aufwendungen für eigenkapitalersetzende Finanzhilfen nach den vor dem MoMiG geltenden Grundsätzen nur dann zu nachträglichen Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 EStG führen, wenn sie nicht bereits bei anderen Einkunftsarten berücksichtigt werden. Der BFH lehnt nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung insbesondere dann ab, wenn die betreffenden Aufwendungen Werbungskosten im Rahmen des § 20 EStG darstellen (vgl. BFH, Urteil vom 11.07.2017, IX R 36/15, BStBl II 2019, 208, unter II. 1. a), m.w.N.). Vor diesem Hintergrund wäre es konsequent, Vermögensverluste, die nunmehr nach § 20 Abs. 2 EStG bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen sind, unter Geltung der bisherigen Grundsätze ebenfalls nicht als nachträgliche Anschaffungskosten in den § 17 EStG a.F. einzubeziehen (vgl. Förster, in Förster/Neumann, StbJb 2012/13, S. 339, 360 f.).
115
(cc) Die „Vertrauensschutz-Rechtsprechung“ des BFH kann nach Auffassung des erkennenden Senats im Streitfall jedenfalls nicht dazu führen, dass der Verlust aus dem Verzicht auf den Rückforderungsanspruch hinsichtlich des nicht werthaltigen Teils der Darlehensforderung nach § 20 Abs. 8 EStG i.V.m. § 17 EStG a.F. im Rahmen des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 2 EStG keine Berücksichtigung findet.
116
Die „Vertrauensschutz-Rechtsprechung“ des BFH beruht nicht auf einer gesetzlichen Grundlage. Vielmehr hat der BFH die weitere Anwendung der früheren Rechtsprechungsgrundsätze für erforderlich gehalten, weil er bei seiner Entscheidungsfindung davon ausgehen musste, der Anteilseigner würde ansonsten einen steuerlich unbeachtlichen Darlehensverlust erleiden. Die „Vertrauensschutz-Rechtsprechung“ ist einer Billigkeitsregelung im Sinne des § 163 AO vergleichbar. Sie sollte aber nicht dazu führen, dass ein Steuerpflichtiger schlechter gestellt ist, als er bei Anwendung der geltenden Gesetze, nämlich des § 20 Abs. 2 und 4 EStG, stünde (vgl. Jachmann-Michel, BB 2018, 2329, 2331; Levedag, GmbHR 2021, 637, 644; FG Düsseldorf, Urteil vom 28.01.2020, 10 K 2166/16 E, EFG 2020, 444, unter I. 2. b. cc).
117
Die Anwendung der „Vertrauensschutz-Rechtsprechung“ des BFH würde den Kläger im Streitfall benachteiligen, weil er zu mehr als 10% an der GmbH beteiligt war, und ein Verlust nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 S. 1 Buchst. b), S. 2 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung somit nicht der Abgeltungssteuer und der beschränkten Verlustverrechnung nach § 20 Abs. 6 EStG unterliegt.
118
3. Die gegen den Einkommensteuerbescheid 2011 gerichtete Klage ist zulässig aber unbegründet. Der Kläger ist nicht dadurch in seinen Rechten verletzt, dass die geltend gemachten Zinsaufwendungen für das Refinanzierungsdarlehen vom Finanzamt nur nach dem Teileinkünfteverfahren bei den Einkünften aus Kapitalvermögen und nicht in voller Höhe als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt wurden.
119
Eine Berücksichtigung der Zinsaufwendungen für das Refinanzierungsdarlehen als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit kommt nicht in Betracht. Die Aufwendungen für das Refinanzierungsdarlehen waren nach Überzeugung des erkennenden Senats nicht vorrangig durch seine Tätigkeit als Geschäftsführer veranlasst (siehe dazu oben unter II. 2. a).
120
Bei den Kapitaleinkünften konnte ein Veranlassungszusammenhang der Refinanzierungskosten im Veranlagungszeitraum 2011 lediglich mit Beteiligungseinkünften aus der GmbH gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG bestehen. Nachdem der Kläger Ende 2009 auf den Darlehensrückzahlungsanspruch und damit auf weitere Zinserträge verzichtet hat, scheidet ein Veranlassungszusammenhang mit Zinseinkünften gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG aus. Dem steht der vereinbarte „Besserungsschein“ nicht entgegen (vgl. BFH, Urteil vom 24.10.2017, VIII R 19/16, BStBl 2019, 34). Im Streitfall waren Zinserträge im „Besserungsfall“ auch deshalb nicht zu erwarten, weil der Kläger nach der vertraglichen Vereinbarung gehalten war, einen nach Eintritt der auflösenden Bedingung zurück gewährten Darlehensbetrag unverzüglich durch Einzahlung als Einlage in die freie Rücklage der GmbH wieder zur Verfügung zu stellen (…).
121
Eine Berücksichtigung der geltend gemachten Zinsaufwendungen, die über die vom Finanzamt vorgenommene Berücksichtigung nach dem Teileinkünfteverfahren hinausgeht, kommt danach jedenfalls nicht in Betracht (vgl. § 3c Abs. 2 S. 1, S. 2 (heute S. 7) EStG, § 3 Nr. 40 S. 1 Buchst. d), S. 2 EStG, § 32d Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Buchst. b), S. 2 EStG, jeweils in der für das Streitjahr geltenden Fassung, vgl. insb. zum zeitlichen Anwendungsbereich des § 3c Abs. 2 S. 2 EStG a.F. (heute S. 7) die Regelung in § 52 Abs. 8a S. 3 EStG a.F.). (…)
122
4. Da die Berechnung des für das Jahr 2009 festzusetzenden Steuerbetrags mit einem nicht unerheblichen Aufwand verbunden ist, wird sie dem Finanzamt übertragen (§ 100 Abs. 2 S. 2 FGO).
123
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz beruht auf § 151 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 1 und Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
124
6. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 1 FGO zugelassen. Im Streitfall entscheidungserhebliche Rechtsfragen bei der Prüfung des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 2 EStG sind von grundsätzlicher Bedeutung (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und eine Entscheidung des BFH ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).