Inhalt

LArbG München, Urteil v. 06.04.2022 – 5 Sa 786/21
Titel:

Ermittlung des tariflichen Leistungsentgelts im Bereich der Metall- und Elektroindustrie

Normenketten:
BGB § 315, § 319
Entgeltrahmentarifvertrag für die Bayerische Metall- und Elektroindustrie (ERA-TV Bayern) § 6, § 7
Leitsätze:
Die Rechtsprechung des BAG (18.05.2014, 10 AZR 699/13 (= BeckRS 2014, 72126)) zur Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers bei einer unterdurchschnittlichen Beurteilung, die zum ERA-TV BW ergangen ist, findet auf die inhaltlich gleichen Regelungen des ERA-TV Bayern Anwendung. Da die Beklagte zu dem streitigen Beurteilungskriterium keine Tatsachen vorgetragen hat, die auch unter Berücksichtigung ihres Ermessensspielraums geeignet sind, die unterdurchschnittliche Beurteilung zu tragen, hat der Kläger Anspruch auf eine Leistungszulage, die insoweit einer Bewertung mit der durchschnittlichen Punktzahl entspricht.
Bei der Überprüfung der Richtigkeit einer Beurteilung zur Ermittlung des Leistungsentgelts nach dem ERA-TV Bayern besteht ein System der abgestuften Darlegungs- und Beweislast. Bestreitet der Arbeitnehmer ihre Richtigkeit, ist es zunächst Sache des Arbeitgebers, seine Bewertung anhand von Tatsachen zu konkretisieren und plausibel zu machen. Der Arbeitnehmer hat hierzu substanziiert Stellung zu nehmen. Bleibt die Beurteilung danach streitig, hat derjenige, der einen Wert unterhalb oder oberhalb der tariflichen Normalleistung von 15 % behauptet, jeweils dafür die Beweislast zu tragen (Anschluss an BAG BeckRS 2014, 72126 zum ERA-TV Baden-Württemberg). (Rn. 40 und 41) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
tarifliche Leistungsbeurteilung, Darlegungs- und Beweislast
Vorinstanz:
ArbG Augsburg, Endurteil vom 19.10.2021 – 8 Ca 341/21
Fundstelle:
BeckRS 2022, 12958

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Augsburg vom 19.10.2021, Az.: 8 Ca 341/21 unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 623,10 brutto nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 10.07.2021 zu zahlen.
2. Von den Kosten der ersten Instanz trägt der Kläger 9/10 und die Beklagte 1/10. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger % und die Beklagte %.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über die Leistungszulage des Klägers für das Jahr 2020.
2
Der am ...1961 geborene Kläger ist seit dem 12.09.1988 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Facharbeiter, zuletzt mit einer Eingruppierung in EG 6b und einem monatlichen Bruttoentgelt von circa € 4.000,00 (Gesamtjahresbrutto im Jahr 2020: € 57.679,91) beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers finden die Tarifverträge der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie Anwendung, so der Manteltarifvertrag (MTV) und der Entgeltrahmentarifvertrag für die Bayerische Metall- und Elektroindustrie (ERA-TV Bayern).
3
Die maßgeblichen Bestimmungen des ERA-TV Bayern zur Leistungsbeurteilung lauten auszugsweise:
„III.
Leistungsabhängiges Entgelt
§ 6 Allgemeine Bestimmungen
1. Grundsätze
Zusätzlich zum Grundentgelt wird ein leistungsabhängiges Entgelt bezahlt. Dieses ist als Prozentsatz zum monatlichen Grundentgelt zu ermitteln.
Mit dem leistungsabhängigen Entgelt wird eine Leistung abgegolten, die über der Bezugsleistung liegt.
Bezugsleistung ist eine Leistung, die von durchschnittlich geeigneten Arbeitnehmern bei voller Übung und ausreichender Einarbeitung ohne Gesundheitsschädigung und ohne gesteigerte Anstrengung auf Dauer zu erreichen ist.
Bei der Gestaltung der Arbeits- und Leistungsbedingungen sind die in § 13 MTV geregelten Grundsätze einzuhalten.
Vergleichbare Leistungsergebnisse sollen unabhängig von den jeweils vereinbarten Grundsätzen zur Ermittlung des Leistungsergebnisses zu gleichen Verdienstchancen im leistungsabhängigen Entgelt führen.
Soweit sich das leistungsabhängige Entgelt nach der Leistung mehrerer Arbeitnehmer richtet (z.B. im Gruppenakkord), sind die Grundsätze für die Verteilung mit Zustimmung des Betriebsrates festzulegen. lm Nichteinigungsfall ist gem. § 23 Abschn. D MTV zu verfahren.
2. Entgeltgrundsätze und Methoden
Das Leistungsergebnis ist im Rahmen der Entgeltgrundsätze Zeitentgelt, Leistungsentgelt (Akkord. Prämie), Zielentgelt mit den nachfolgenden Methoden zu ermitteln.
a) bei Zeitentgelt mit der Methode Leistungsbeurteilung
b) bei Leistungsentgelt (Prämie oder Akkord) mit der Methode Kennzahlenvergleich
c) bei Zielentgelt mit der Methode Soll / lst-Vergleich im Rahmen einer Zielvereinbarung
6. Festlegung der Leistung-Entgelt-Relation (I) Jede Vereinbarung zum leistungsabh5ngigen Entgelt gemäß Ziffer 2 muss so gestaltet werden. dass im Durchschnitt der von der Vereinbarung erfassten Arbeitnehmer regelmäßig ein leistungsabhängiges Entgelt von 14% der Grundentgeltsumme dieser Arbeitnehmer erreicht werden kann.
(II) Das individuelle leistungsabhängige Entgelt beträgt zwischen 0% und 28%.
7. Betriebliches Volumen des leistungsabhängigen Entgelts (I) Die Summe der leistungsabhängigen Entgelte soll bezogen auf den Betrieb 14% der Grundentgeltsumme ergeben. In die Berechnung werden nur Arbeitnehmer einbezogen, die dem Grunde nach einen Anspruch auf ein leistungsabhängiges Entgelt haben. Arbeitnehmer mit einer Betriebszugehörigkeit unter 6 Monaten bleiben bei der Ermittlung des Durchschnitts unberücksichtigt.
(II) Wenn das leistungsabhängige Entgelt im Betriebsdurchschritt 13% unterschreitet, so sind die Gründe zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zu beraten und gegebenenfalls Maßnahmen zu ergreifen, um die Ursachen zu bereinigen. Unterschreitet das leistungsabhängige Entgelt im Betriebsdurchschnitt 12.5% so ist eine Aufzahlung auf 13% vorzunehmen. Die Einzelheiten sind mit dem Betriebsrat zu vereinbaren. Bei Nichteinigung ist gem. § 23 Abschn. D MTV zu verfahren.
(III) Wenn das leistungsabhängige Entgelt im Betriebsdurchschnitt 15% überschreitet. so sind die Gründe zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zu beraten und gegebenenfalls Maßnahmen zu ergreifen, um die Ursachen zu bereinigen. Auch der 15% überschreitende Anteil ist tarifliches Leistungsentgelt, wenn er auf tariflichem Grundentgelt beruht und mit einer tariflichen Methode ermittelt wurde. Ausgewiesene außer- und übertarifliche Entgeltbestandteile werden hierbei nicht berücksichtigt.
(IV) Der Arbeitgeber informiert den Betriebsrat einmal jährlich über die erreichten Durchschnitte der leistungsabhängigen Entgelte in Prozent, bezogen auf den Betrieb und die jeweiligen Vereinbarungen oder Kostenstellen. Hierzu erhält der Betriebsrat eine Liste der Arbeitnehmer mit der Entgeltgruppe und den leistungsabhängigen Entgelten.
Zeitentgelt
§ 7 Leistungsbeurteilung
1. Arbeitnehmer erhalten je nach Leistung eine Leistungszulage, die in einem Prozentsatz zum tariflichen Grundentgelt auszuweisen und bei jeder Tariferhöhung entsprechend anzuheben ist.
Die zu gewährende Leistungszulage ist auf der Grundlage der Ergebnisse einer methodischen Leistungsbeurteilung festzusetzen.
2. Bei Neueingestellten bzw. aus dem Berufsausbildungsverhältnis übernommenen erfolgt die Leistungsbeurteilung spätestens zum Ablauf des 3. Monats nach der Einstellung bzw. der Übernahme, Diese Frist kann in den Entgeltgruppen 6 bis 12 durch freiwillige Betriebsvereinbarung bis zum Ablauf des 6. Monats verlängert werden.
3. Die Leistungszulage wird vom Arbeitgeber oder dessen Beauftragten aufgrund einer Beurteilung der Leistung des einzelnen Arbeitnehmers festgesetzt und ab dem der Festsetzung folgenden Entgeltabrechnungszeitraum gezahlt.
4. Für die Beurteilung der Leistung ist ein Beurteilungsbogen entsprechend dem Muster in Ziff. 11 zu verwenden.
Das Ergebnis der Beurteilung des einzelnen Arbeitnehmers wird durch eine Punktzahl zum Ausdruck gebracht.
Der Wert eines Punktes beträgt 0,28% des jeweiligen Tarifgrundentgelts bei maximal 100 erreichbaren Punkten.
Anmerkung:
Der Punktwert von 028% ergibt bei einer mittleren Punktzahl von 50 Punkten (mittleres Leistungsniveau entsprechend der Beurteilungsstufe C des Beurteilungsbogens eine Leistungszulage von 14%. Damit ergibt sich eine individuelle Spanne der Leistungszulagen von 0 bis 28%."
4
Ausschlussfristen werden in § 22 MTV geregelt. Hierzu heißt es in § 22 Ziff. 3 MTV:
„(I) Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind wie folgt schriftlich geltend zu machen:
a) Ansprüche auf Zuschläge nach § 6 sofort, spätestens innerhalb von 2 Monaten nach Abrechnung der Entgeltperiode, bei der sie hätten abgerechnet werden müssen
b) alle übrigen Ansprüche innerhalb von 3 Monaten nach ihrer Fälligkeit. Die Geltendmachung ist vom Arbeitgeber schriftlich zu bestätigen.
(II) Eine Geltendmachung nach Ablauf der unter (I) festgesetzten Frist ist ausgeschlossen, es sei denn, dass die Einhaltung dieser Frist wegen eines unabwendbaren Ereignisses nicht möglich gewesen ist.
(III) Ist ein Anspruch rechtzeitig erhoben worden und lehnt der Arbeitgeber seine Erfüllung ab, so hat der Arbeitnehmer den Anspruch innerhalb von 6 Monaten nach Ablehnung durch den Arbeitgeber gerichtlich geltend zu machen. Eine spätere Geltendmachung ist ausgeschlossen."
5
Der Kläger erhält eine jährliche Leistungsbeurteilung gem. § 7 ERA-TV Bayern unter Verwendung des in § 7 Ziff. 11 ERA-TV Bayern vorgesehenen Leistungsbeurteilungsbogens. Mit seiner Leistungsbeurteilung für die Jahre 2016 (Bl. 18 d.A.), 2017 (Bl. 19 d.A.), 2018 (Bl. 20 d.A.) und 2019 (Bl. 21 d.A.) erhielt der Kläger jeweils 45 Punkte. In der Leistungsbeurteilung für das Jahr 2019 erhielt der Kläger für das Beurteilungsmerkmal „Persönlicher Einsatz“, das nach den Angaben im Leistungsbeurteilungsbogen zu beurteilen ist zum Beispiel anhand von „Arbeiten in unterschiedlichen Arbeits- und Organisationsstrukturen; Initiative; Übernahme von Verantwortung; Einbringen bzw. Umsetzen von Ideen und Anregungen; Umgang mit Arbeits- und Gesundheitsschutz“, eine Bewertung mit der Stufe „B“ (Die Leistung entspricht im allgemeinen den Erwartungen). Die anderen Beurteilungsmerkmale waren mit „C“ bewertet (Die Leistung entspricht in vollem Umfang den Erwartungen). Die mittlere Punktzahl von 50 entspricht nach den dargestellten tariflichen Regeln einer Leistungszulage von 14%.
6
Für den Kläger wurde mit der Leistungsbeurteilung für das Jahr 2019 vom 17.01.2020 (Bl. 21 d.A.) eine Leistungszulage von 12,6% festgestellt, die ab Januar 2020 entgeltwirksam war. Am 29.01.2020 hat hierzu ein Personalgespräch mit dem Kläger stattgefunden. Mit Schreiben vom 31.01.2020 hat der Kläger Einspruch gegen die Leistungsbeurteilung eingelegt. Am 04.03.2020 hat sich die paritätische Kommission hiermit befasst. Mit Schreiben vom 23.07.2020 (Bl. 25 d.A.). hat die Beklagte dem Kläger mitgeteilt, dass die paritätisch besetzte Kommission zu keinem eindeutigen Ergebnis gekommen ist und angefragt, ob der Kläger seinen Einspruch aufrechterhalten möchte und ein Organisationsvertretergespräch gem. § 23 MTV organisiert werden soll. Dies hat der Kläger mit E-Mail vom 23.07.2020 bejaht. Am 02.12.2020 hat sodann ein Organisationsvertretergespräch stattgefunden. Hierzu hat die Beklagte dem Kläger per E-Mail am 22.12.2020 (Bl. 26 d.A.). mitgeteilt, dass auch dieses hinsichtlich des Merkmals „Persönlicher Einsatz“, dass der Kläger mit 10, statt mit 5 Punkten bewertet sehen möchte, wiederum zu einer Parität geführt hat, nachdem kein Verfahrensfehler festgestellt werden konnte und eine Änderung der Leistungsbeurteilung nicht stattfindet. Der Kläger wurde außerdem auf den Rechtsweg hingewiesen.
7
Mit Schreiben der IG-Metall vom 09.02.2021, eingegangen bei der Beklagten am 15.02.2021, hat der Kläger für das Jahr 2020 eine Nachzahlung in Höhe von € 620,00 brutto geltend gemacht (13,24 x einen zusätzlichen monatlichen Bruttobetrag von 47,07 berechnet aufgrund der Differenz von 12,6% und 14% des tariflichen Grundentgelts). Außerdem hat der Kläger mit Schreiben der IG-Metall vom 18.02.2021, eingegangen bei der Beklagten am 23.02.2021, für die Jahre 2015 bis 2020 eine Nachzahlung in Höhe von € 4.852,55 brutto (berechnet auf der Differenz von 12,6% und 14% bezogen auf die Gesamtjahresbruttovergütung) verlangt. Mit Schreiben vom 15.03.2021 hat die Beklagte die geltend gemachten Ansprüche zurückgewiesen.
8
Mit seiner Klage vom 07.07.2021, der Beklagten zugestellt am 10.07.2021, hat der Kläger u.a. auch seinen Anspruch auf eine Leistungszulage von 14% für das Jahr 2020 weiterverfolgt. Er hat geltend gemacht, dass seine Leistungsbeurteilungen seit Jahren fehlerhaft seien und nicht seiner tatsächlichen Leistung entsprechen. Eine durchschnittliche Bewertung erreiche 50 Punkte und dies entspreche einer Leistungszulage von 14%. Einsprüche des Klägers seien jeweils über den Betriebsrat erfolgt und ab 2017 seien bei der Personalabteilung Ansprüche auf höhere Leistungszulage geltend gemacht worden. Aufgrund seiner Einsprüche habe sich im Jahr 2019 erstmals die Paritätische Kommission mit seinen Leistungsbeurteilungen befasst. Etwas Schriftliches habe er damals nicht erhalten.
9
Die Beurteilung für das Jahr 2019 sei für ihn nicht nachvollziehbar. Auch das Personalgespräch Ende Januar 2020 habe diesbezüglich zu keiner Klärung geführt. Er gehe davon aus, dass willkürlich die unterdurchschnittliche Beurteilung B gewählt worden sei, damit 45 Punkte rauskommen. Die Reduzierung des Leistungsentgelts habe seine Ursache in der Haltung seines direkten Vorgesetzten zu ihm und nicht in seiner Leistung. Ihm stehe daher für die Jahre 2015 bis April 2021 eine Leistungszulage in Höhe von 14% des Gesamtbruttobetrages für das jeweilige Jahr und damit insgesamt in Höhe von € 5.144,05 brutto zu.
10
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
Die Beklagte wird verurteilt, € 5.144,05 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Zustellung der Klage an den Kläger zu zahlen.
11
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
12
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, der Kläger habe keinen Anspruch auf die geltend gemachte Vergütung und sich zunächst auf tarifvertragliche Ausschlussfristen sowie auf die Verjährung der Ansprüche berufen. Die geltend gemachten Ansprüche des Klägers für die Jahre 2015 bis einschließlich Oktober 2020 seien verfallen.
13
Für den restlichen Teil der Ansprüche ab November 2020 bestehe ebenfalls kein Anspruch. Soweit der Kläger eine andere als die durchgeführte Leistungsbeurteilung anstrebe, sei das von ihm nachzuweisen. Der Kläger trage nach allgemeinen Grundsätzen die volle Darlegungs- und Beweislast für die von ihm geforderte Leistungszulage. Hierzu fehle ein substantiierter Vortrag. Im Übrigen sei die Bewertung des Klägers mit 5 Punkten unter der Rubrik „Persönlicher Einsatz“ in die Beurteilungsstufe „B“ in der Leistungsbeurteilung vom 17.01.2020 zu Recht erfolgt. Es habe eine Vielzahl von Gründen für Beanstandungen gegeben (Vorfälle vom 16.12.2019, 12.01.2021, 03.11.2020, 05.11.2020, 05.03.2021, 25.03.2021 und 20.05.2021).
14
Insbesondere habe der Kläger am 16.12.2019 an der zum damaligen Zeitpunkt neuen Z.-Flachschleifmaschine den Abrichtdiamanten unbrauchbar gemacht, indem er versucht habe, die Schleifscheibe an der Seite abzurichten. Der Kläger habe dies testen wollen, ohne dass die Anforderung in diesem Ablauf notwendig gewesen wäre. Die damals neue Maschine habe die technische Möglichkeit einer Schleifscheibe zum Schleifen von Nuten, auch an der Seite abzurichten. Diese Funktion sei bei der damals ausgeübten Tätigkeit nicht benötigt worden (lediglich Planfläche flachschleifen). Der Kläger habe die Möglichkeit der Seitenabrichtung testen wollen und im Anschluss daran ungerechtfertigte Schuldzuweisungen gegenüber einem seiner Kollegen erhoben, da dieser Kollege die Schleifscheibe ursprünglich aufgebaut hatte.
15
Der Kläger hat demgegenüber den Vortrag der Beklagten bestritten und u.a. geltend gemacht, dass Ende Oktober 2019 eine neue Flachschleifmaschine „Z.“ im Arbeitsbereich eingetroffen sei und er an einer Schulung teilgenommen habe, um die Bedienung der neuen Maschine zu lernen. Der Mitarbeiter vom Hersteller Z. habe dem Kläger ausdrücklich gesagt, er solle einfach alles ausprobieren, denn so könne man am besten lernen. Der Kläger habe befürchtet, dass wenn er mal seitlich die Schleifscheibe abrichten müsse, es dann das erste sei, was er zu hören bekomme, ob er es immer noch nicht könne. Deshalb habe der Kläger das eine oder andere ausprobieren müssen und dies mit seinem Teamleiter Herrn P. besprochen. Dieser habe nichts dagegen gehabt. Ein neuer Abrichtdiamant koste vielleicht 50-100 €. Andere Arbeitskollegen hätten bei einem erheblich höheren Schaden keine Abzüge bekommen. Im Übrigen obliege der Beklagten bei einer unterdurchschnittlichen Beurteilung entsprechend der Rechtsprechung bei Zeugnissen die Darlegungs- und Beweislast.
16
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der ersten Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze vom 07.07.2021, 29.09.2021 und 12.10.2021 Bezug genommen Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es dahingestellt bleiben kann, ob Ansprüche des Klägers verjährt, beziehungsweise verfallen sind, da es die vom Kläger geforderte Leistungszulage nicht feststellen könne. Dem Vortrag des Klägers sei nicht zu entnehmen, dass die methodische Leistungsbeurteilung nach § 7 ERA-TV Bayern anders wie getroffen zu erfolgen hätte. Der Beklagten obliege - entsprechend der Rechtsprechung zu unterdurchschnittlichen Zeugnissen und entgegen der Auffassung des Klägervertreters - nicht die Darlegungs- und Beweislast. Der Kläger müsse vielmehr grundsätzlich die für einen höheren Zahlungsanspruch sprechenden Tatsachen vortragen und beweisen. Allein die Auffassung, dass die Beurteilung auf das schlechte, persönliche Verhältnis zum verantwortlichen Vorgesetzten zurückzuführen sei, genüge hierfür nicht.
17
Auch aus dem gegen die Leistungsbeurteilung 2019 (wirksam ab dem 01.01.2020) durchgeführten Einspruchsverfahren gemäß § 7 Ziffer 8 ERA-TV Bayern könne keine günstigere Beurteilung abgeleitet werden. Sowohl in der paritätischen Kommission vom 04.03.2020 (Bl. 22 d.A.) wie im Organisationsgespräch nach § 23 MTV vom 03.12.2020 (Bl. 26 d.A.) sei keine Einigung erzielt worden. Ein fehlendes einheitliches Ergebnis zeige, dass die Vertreter vor Ort keine höhere Beurteilung treffen konnten. Beim Organisationsgespräch sei zudem festgestellt worden, dass kein Verfahrensfehler der Beurteilung zugrunde liege. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass bei der Leistungsbeurteilung, aber auch innerhalb des betrieblichen Schlichtungsverfahrens ein Ermessenspielraum bestehe. Ein Ermessungsfehlgebrauch habe nicht mit Mehrheit festgestellt werden können.
18
Gegen dieses Urteil vom 19.10.2021, dem Kläger zugestellt am 09.12.2021, legte dieser am 09.12.2021 Berufung ein, welche er mit einem am 09.02.2022 eingegangenen Schriftsatz begründete, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zu diesem Tag verlängert worden war.
19
Der Kläger macht geltend, dass das Arbeitsgericht von einer unzutreffenden Verteilung der Darlegungslast bzw. Beweislast ausgegangen ist, die nicht der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entspricht (BAG 18.06.2014, 10 AZR 699/13, BAGE 148, 271-289, Rn. 40 - 43). Dieses gehe im Hinblick auf die Leistungsbeurteilung von einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast aus. Bezogen auf die Regelung der §§ 17 ff. des EntgeltrahmenTarifvertrages für Beschäftigte in der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg vom 16. September 2003 (ERA-TV BW) sei das BAG zu dem Ergebnis gekommen, dass bei einer unterdurchschnittlichen Beurteilung die Darlegungs- und Beweislast beim Arbeitgeber liege. In Anwendung dieser Grundsätze habe es mithin der Beklagten oblegen, die Bewertung anhand von Tatsachen zu konkretisieren und plausibel zu machen.
20
Der Vortrag der Beklagten, dass der Kläger den Abrichtdiamanten der neuen Z.-Flachschleifmaschine unbrauchbar gemacht habe durch seinen testweisen Versuch, die Schleifscheibe an der Seite abzurichten, sei nicht geeignet, eine unterdurchschnittliche Beurteilung gerade bei dem Kriterium „persönlicher Einsatz“ zu begründen. Der Kläger habe sich insofern vielmehr in besonderer Weise eingesetzt, um die Einsatzmöglichkeiten der Maschine zu eruieren. Zudem sei der Kläger dem Vortrag der Beklagten substantiiert entgegengetreten und habe insbesondere vorgetragen, dass er sowohl von dem Leiter seiner Schulung dazu aufgefordert war, Dinge an der Maschine auszuprobieren, als auch, dass der Vorgang mit seinem Vorgesetzten abgestimmt war. Diesem Vortrag sei die Beklagte nicht mehr entgegengetreten, womit sie ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen bzw. beweisfällig geblieben sei.
21
Selbst dann, wenn die Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast zutreffend sein sollte, beruhe das Urteil auf einer Rechtsverletzung. Der Kläger habe konkret und substantiiert dargelegt, weshalb er auch im Hinblick auf das Kriterium „persönlicher Einsatz“ mindestens durchschnittlich zu beurteilen war und dass die Ausführungen der Beklagten zur Einstufung des Klägers in die Beurteilungsstufe B im Hinblick auf das Beurteilungskriterium „persönlicher Einsatz“ nicht zutreffend sind und Beweis dafür angeboten. Das Arbeitsgericht wäre folgerichtig verpflichtet gewesen, die angebotenen Beweise zu erheben.
22
Der Kläger hat eingewandt, dass, soweit die Beklagte zur Begründung der unterschiedlichen Beurteilung weitere Vorfälle anführe, diese bereits deshalb zur Begründung einer unterdurchschnittlichen Beurteilung der persönlichen Bereitschaft nicht geeignet seien, da diese Vorfälle zeitlich nach dem Beurteilungszeitpunkt lagen. Im Übrigen hat der Kläger auf den erstinstanzlichen Vortrag Bezug genommen. Die Berechnung seiner Forderungen mit dem Gesamtbruttojahresbetrag und nicht ausgehend vom tariflichen Grundentgelt konnte der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 06.04.2022 nicht erläutern.
23
Der Kläger beantragt,
Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Augsburg, Kammer Neu-Ulm, vom 19. Oktober 2021, Az. 8 Ca 341/21, wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 807,52 € (brutto) nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an den Kläger zu zahlen.
24
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
25
Die Beklagte macht unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag geltend, dass das Arbeitsgericht Augsburg zu Recht davon ausgegangen ist, dass der Kläger keinen Anspruch auf die begehrte Zahlung gegen die Beklagte hat. Der Kläger trage nach allgemeinen Grundsätzen die volle Darlegungs- und Beweislast für die von ihm geforderte Leistungszulage. Es fehle bereits an substantiiertem Vortrag für ein Leistungsentgelt in der aus der Klage ersichtlichen Höhe. Eine Beweiserhebung sei daher nicht erforderlich gewesen.
26
Aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur tarifvertraglichen Regelung in Baden-Württemberg könne der Kläger keinen Vorteil für sich herleiten, da dieser Tarifvertrag unstreitig auf den vorliegenden Fall keine Anwendung finde. Zudem hätten die Tarifvertragsparteien in § 6 ERA-TV Bayern die allgemeinen Bestimmungen zur Ermittlung eines leistungsabhängigen Entgelts vereinbart. Nach § 6 Ziff. 1 werde mit dem leistungsabhängigen Entgelt eine Leistung abgegolten, die über der Bezugsleistung liegt. Die Bezugsleistung selbst sei nach diesem Tarifvertrag eine Leistung, die von durchschnittlich geeigneten Arbeitnehmern bei voller Übung und ausreichender Einarbeitung ohne Gesundheitsschädigung und ohne gesteigerte Anstrengung auf Dauer zu erreichen ist. Der Tarifwortlaut halte demnach fest, dass das leistungsabhängige Entgelt für eine Leistung über der Bezugsleistung gezahlt wird, die Bezugsleistung selbst somit mit dem Grundentgelt entsprechend der Eingruppierung abgedeckt ist. Diese stelle die durchschnittliche Leistung dar.
27
In § 6 Ziff. 7 ERA-TV Bayern sei geregelt, dass die Summe der leistungsabhängigen Entgelte bezogen auf den gesamten Betrieb 14% der Grundentgeltsumme ergeben solle. Diese Regelung sage jedoch nichts über die durchschnittliche Leistungszulage des einzelnen Arbeitnehmers aus, sondern sei vielmehr als rechnerisches Mittel zu sehen, was insgesamt durchschnittlich als Kostenbelastung in Folge der Leistungszulage in einem Betrieb zu zahlen ist. Lediglich das betriebliche Volumen des leistungsabhängigen Entgelts werde - wie aus der Überschrift des Regelungsabschnittes ersichtlich - geregelt. Das individuelle leistungsabhängige Entgelt liege hingegen zwischen 0% und 28% (vgl. § 6 Ziff. 6 (II) ERATV Bayern).
28
Eine „tarifliche Normalleistung“ von 14 Prozent im ERA-TV der bayerischen M+E Industrie gebe es nicht. Die „Normalleistung“ des Arbeitnehmers entspreche vielmehr dem tariflichen Begriff der „Bezugsleistung“ (= 100 Prozent) in § 6 Ziffer 1 Satz 4 ERA-TV Bayern. Denn allein schon für die Zahlung des Grundentgelts werde ein Mindestmaß an Leistung des Arbeitnehmers erwartet. Dieses Mindestmaß sei wiederum in § 6 Ziffer 1 Satz 4 ERA-TV Bayern definiert.
29
Die Tarifvertragsparteien hätten sich bei der Schaffung des ERA-TV Bayern für die Definition der zu erwartenden Leistung des Arbeitnehmers an den Vorgaben des REFA orientiert. REFA verwende für den Begriff der „Normalleistung“ folgende Definition: Bezeichnung für ein Leistungsniveau, das von REFA als Bezugsleistung für die Bestimmung von Leistungsvorgaben, z. B. von Soll-Zeiten (Standards) verwendet wird. Sie sei dadurch charakterisiert, dass sie von durchschnittlich geeigneten, geübten und eingearbeiteten Beschäftigten ohne gesteigerte Anstrengung auf Dauer zu erreichen ist, sofern Arbeitssystem (-platz), Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung benutzergerecht gestaltet sind.
30
Für den Begriff der „Bezugsleistung“ verwende REFA folgende Definition: Kennzeichnet ein Leistungsniveau, das tarifvertraglich vereinbart ist und von durchschnittlich geeigneten, hinreichend eingearbeiteten Beschäftigten in optimierten und ergonomisch gestalteten Arbeitssystemen ohne gesteigerte Anstrengung auf Dauer erreicht werden kann. Entspricht der REFA-Normalleistung und ist Grundlage der Leistungsgradbeurteilung sowie von Leistungsvorgaben (z. B. Soll-Zeiten).
31
Es verbleibe daher bei den allgemeinen Grundsätzen, nach denen derjenige die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass der Tatbestand der für ihn günstigen Rechtsnorm - hier einer Leistung über der Normalleistung - erfüllt ist. Die vom Bundesarbeitsgericht für den ERA-TV der Metallindustrie Nordwürttemberg / Nordbaden angenommene abgestufte Darlegungs- und Beweislast gelte für den ERA-TV der bayerischen M+E Industrie nicht.
32
Die pauschale Erwähnung des Urteils des BAG (18. 06.2014, 10 AZR 699/13, Rn 43) ersetze keinen substantiierten Sachvortrag. Denn auch die vom BAG angenommene abgestufte Darlegungs- und Beweislast solle nach den Ausführungen des Gerichts nur dann eingreifen, wenn nach beiderseitigem substantiierten Sachvortrag die Beurteilung streitig bleibe. Das Urteil des BAG betreffe also eine Situation, in der nach dem substantiierten Vorbringen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer und nach eventueller Beweisaufnahme kein eindeutiges Ergebnis über die Richtigkeit der Leistungsbeurteilung erzielt worden sei (non liquet). Vorliegend fehle es wie bereits dargelegt an substantiiertem Sachvortrag des Klägers für die beanspruchte Leistungszulage.
33
Außerdem bestehe bei der Leistungsbeurteilung für den Arbeitgeber ein Ermessensspielraum, der nur auf grobe Fehlerhaftigkeit und Ermessensfehlgebrauch überprüft werden könne. Der Vorgesetzte des Klägers, Herr S.H., habe am 17.01.2020 eine Leistungsbeurteilung des Klägers vorgenommen. Im Rahmen dieser Leistungsbeurteilung sei der Kläger unter Persönlicher Einsatz zu Recht in die Beurteilungsstufe B eingestuft worden. Es sei immer wieder zu Beanstandungen hinsichtlich des Einsatzes des Klägers gekommen. So habe am 16.12.2019 der Kläger an der zum damaligen Zeitpunkt neuen Z. Flachschleifmaschine den Abrichtdiamanten unbrauchbar gemacht, indem er versucht habe, die Schleifscheibe an der Seite abzurichten. Der Kläger habe dies testen wollen, ohne dass dies notwendig gewesen wäre. Die damals neue Maschine habe die technische Möglichkeit, die Schleifscheibe, zum Schleifen von Nuten, auch an der Seite abzurichten. Diese Funktion sei bei der damals ausgeübten Tätigkeit nicht benötigt worden (lediglich Planfläche flachschleifen). Der Kläger habe die Möglichkeit der Seitenabrichtung testen wollen. Im Anschluss daran habe der Kläger ungerechtfertigte Schuldzuweisungen gegenüber einem seiner Kollegen erhoben, da dieser Kollege die Schleifscheibe ursprünglich aufgebaut hatte. Wenn der Kläger von einem „Leiter einer Schulung“ spreche, sei unklar wen er damit meine. Es könne ein Einweiser des Maschinenherstellers gemeint sein. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass dieser dem Kläger vorgeschlagen habe, Dinge auszuprobieren, wie z. B. die Schleifscheibe an der Seite abzurichten. Hierauf komme es im Übrigen auch nicht an. Weisungsgebunden sei der Kläger lediglich seinem Vorgesetzten, der die aktuell betrieblichen Notwendigkeiten verfolge und kein Interesse daran gehabt habe, etwas auszuprobieren. Der Vorgesetzte habe den Kläger nicht beauftragt, Dinge auszuprobieren.
34
Auch in den Jahren 2020 und 2021 habe es weitere Beanstandungen gegeben. Zudem berufe sich die Beklagte hinsichtlich der geltend gemachten Zahlungsansprüche hilfsweise auf tarifvertragliche Ausschlussfristen. Damit seien die geltend gemachten Ansprüche bis einschließlich Oktober 2020 verfallen. Der Kläger habe erstmals mit Schreiben der IG Metall vom 09.02.2021, eingegangen am 15.02.2021, für 12 Monate eine Nachzahlung in Höhe von € 623,00 brutto geltend gemacht. Das Entgelt des Klägers sei gemäß § 16 Ziffer 1. (II) MTV am Schluss des jeweiligen Kalendermonats fällig. Das Entgelt für den Monat Oktober 2020 sei daher bis 31.10.2020 zur Zahlung fällig gewesen. Dieser Anspruch habe damit innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit bis spätestens 31.01.2021 geltend gemacht werden müssen (§ 22 Ziffer 1. (I) MTV). Dies sei nicht erfolgt.
35
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze vom 09.02.2022, 22.03.2022 und 30.03.2022 samt ihren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

36
Die zulässige Berufung ist überwiegend begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage weitgehend zu Unrecht abgewiesen.
I.
37
Die gem. § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II.
38
Die Berufung ist zum weit überwiegenden Teil auch begründet. Der Kläger hat für das Jahr 2020 einen Anspruch auf ein Leistungsentgelt von 14% seines tariflichen Grundgehalts und daher vom Grunde her auf die Differenz zu dem in Höhe von 12,6% gezahlten Leistungsentgelt. Lediglich die Berechnung des Anspruchs in der Klage ist unzutreffend auf Basis der Gesamtjahresvergütung erfolgt, so dass die Klage mit dem überschießenden Teil der Forderung abzuweisen war. Nur insoweit war auch die Berufung abzuweisen. Im Übrigen war das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und der Klage stattzugeben.
39
1. Der Kläger hat einen Anspruch auf eine durchschnittliche Beurteilung bei dem Beurteilungskriterium „Persönlicher Einsatz“ für das Jahr 2019 entsprechend 10 Punkten, so dass er bei der Leistungsbeurteilung insgesamt auf den Durchschnitt von 50 Punkten kommt. Daher hat er gem. § 7 Ziff. 1 und Ziff. 5 des ERA-TV Bayern auch einen Anspruch auf ein durchschnittliches Leistungsentgelt von 14% seines tariflichen Grundgehalts von Januar 2020 bis Dezember 2020 (entgeltwirksamer Zeitraum der Beurteilung). Die Beklagte trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die unterdurchschnittliche Beurteilung des Klägers bei dem Beurteilungsmerkmal „Persönlicher Einsatz“ in die Beurteilungsstufe B im Rahmen der Leistungsbeurteilung vom 17.01.2020 zu Recht erfolgt ist. Gründe, die eine solche Beurteilung rechtfertigen, hat die Beklagte auch unter Berücksichtigung eines weiten Ermessensspielraums nicht schlüssig dargelegt.
40
2. Das Ersturteil hat weder den Vortrag des Klägers ausreichend gewürdigt, noch sich mit der einschlägigen Rechtsprechung des BAG befasst. Nach dieser besteht bei der Überprüfung der Richtigkeit einer Beurteilung zur Ermittlung des Leistungsentgelts nach dem ERA-TV BW, das im Wesentlichen mit dem System des ERA-TV Bayern übereinstimmt, ein System der abgestuften Darlegungs- und Beweislast. Bestreitet daher der Arbeitnehmer die Richtigkeit der Leistungsbeurteilung, ist es zunächst Sache des Arbeitgebers, seine Bewertung anhand von Tatsachen zu konkretisieren und plausibel zu machen. Der Arbeitnehmer hat sodann hierzu substantiiert Stellung zu nehmen. Bleibt die Beurteilung danach streitig, hat derjenige, der einen Wert unterhalb oder oberhalb der tariflichen Normalleistung von 15% behauptet, jeweils dafür die Beweislast zu tragen (BAG 18.06.2014, 10 AZR 699/13).
41
3. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Rechtsprechung des BAG, die zum Entgeltrahmen-Tarifvertrag für Beschäftigte in der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg vom 16.9.2003 (ERA-TV BW) ergangen ist, auch für den vorliegenden Fall einschlägig. Die der Entscheidung zugrundeliegenden Regelungen entsprechen im Wesentlichen denjenigen des ERA-TV Bayern.
42
3.1 Insoweit die Beklagte sich darauf bezieht, dass mit der Leistungszulage gem. § 7 Ziff. 1 ERA-TV Bayern - und insoweit abweichend vom dem ERA-TV BW - nur eine Leistung abgegolten wird, die über der Normalleistung liegt, die ihrerseits dem Durchschnitt entspricht, kann dem nicht gefolgt werden. Sowohl der ERA-TV BW, als auch der ERA-TV Bayern regeln zunächst eine Bezugsbasis bzw. eine Bezugsleistung, die in III § 6 Ziff. 1 ERA-Bayern (Bezugsleistung ist eine Leistung, die von durchschnittlich geeigneten Arbeitnehmern bei voller Übung und ausreichender Einarbeitung ohne Gesundheitsschädigung und ohne gesteigerte Anstrengung auf Dauer zu erreichen ist) und in Teil I § 3 ERA-TV BW (Bezugsbasis der Entgeltregelung. Bei der Bewertung der Höhe der Arbeitsanforderungen nach diesem Tarifvertrag ist ohne Beachtung von Geschlecht und Alter der Beschäftigten, die die jeweilige Arbeit ausführen, von Folgendem auszugehen: Es wird eine Leistungsbasis unterstellt, die bei menschengerechter Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung von durchschnittlich geeigneten Beschäftigten ohne gesteigerte Anstrengung auf Dauer zu erreichen ist.) parallel mit gleichem Inhalt, wenn auch nicht exakt gleichem Wortlaut definiert wird. Parallel ist auch geregelt, dass mit dem leistungsabhängigen Entgelt eine Leistung abgegolten wird, die über der Bezugsleistung liegt (III § 6 Ziff. 1 ERA-Bayern) bzw. mit dem Leistungsentgelt ein über der tariflichen Bezugsbasis liegendes Leistungsergebnis abgegolten wird (Teil III § 14 Ziff. 14.2 ERA-TV BW).
43
3.2 Dies bedeutet jedoch in beiden Tarifwerken nicht, dass die Bezugsbasis bzw. die Bezugsleistung als Normalleistung der durchschnittlichen Leistung der anspruchsberechtigten Arbeitnehmer entspricht.
44
Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchst. zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr. vgl. BAG 13.7.2021 - 3 AZR 363/20, Rn. 23; BAG 21.1.2020, 3 AZR 73/19, Rn. 27, jeweils m.w.N).
45
Aus dem Wortlaut und dem tariflichen Zusammenhang ist vorliegend klar erkennbar, dass die Bezugsleistung, für die sich die Beklagte auch auf die entsprechende Definition in REFA bezieht, nicht mit der durchschnittlichen Leistung der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer gleichgesetzt werden kann. Dies wäre in beiden Tarifwerken mit den weiteren Regelungen für das Leistungsentgelt nicht zu vereinbaren und würde zu in der Praxis unbrauchbaren Ergebnissen führen.
46
Im ERA-TV BW ist in §§ 20, 21 auszugsweise folgendes geregelt:
㤠20. Festlegung der Leistung-Entgelt-Relation
- 20.1 Jede Vereinbarung zum Leistungsentgelt gem. § 16 muss, unabhängig von der gewählten Methode oder Methodenkombination, so gestaltet werden, dass im Durchschnitt der von der Vereinbarung erfassten Beschäftigten regelmäßig ein Leistungsentgelt von 15% der Grundentgeltsumme dieser Beschäftigten erreicht werden kann.
- 20.2 Das individuelle Leistungsentgelt beträgt zwischen 0% und 30%.
§ 21. Betriebliches Leistungsentgeltvolumen
- 21.1Die Summe der Leistungsentgelte soll bezogen auf den Betrieb 15% der Grundentgeltsumme ergeben.
…“
47
Dem entsprechen die Regelungen in III § 6 Ziff. 6 und 7 ERA-TV Bayern, nach denen jede Vereinbarung zum leistungsabhängigen Entgelt so gestaltet werden muss, dass im Durchschnitt der von der Vereinbarung erfassten Arbeitnehmer regelmäßig ein leistungsabhängiges Entgelt von 14% der Grundentgeltsumme dieser Arbeitnehmer erreicht werden kann, das individuelle leistungsabhängige Entgelt zwischen 0% und 28% beträgt und die Summe der leistungsabhängigen Entgelte bezogen auf den Betrieb 14% der Grundentgeltsumme ergeben soll. Der wesentliche Unterschied zwischen den Tarifwerken liegt also darin, dass der Durchschnitt für alle erfassten Arbeitnehmer in Bayern bei 14% liegt und in BW bei 15%.
48
Zudem wird in der Anmerkung zu III § 7 Ziff. 4 des ERA-TV Bayern, nach der der Wert eines Punktes 0,28% des jeweiligen Tarifgrundentgelts bei maximal 100 erreichbaren Punkten beträgt, passend zu dem genannten Durchschnittswert von 14% klargestellt, dass der Punktwert von 0,28% bei einer mittleren Punktzahl von 50 Punkten (mittleres Leistungsniveau entsprechend der Beurteilungsstufe C des Beurteilungsbogens) eine Leistungszulage von 14% ergibt.
49
Wenn also jede Vereinbarung zum leistungsabhängigen Entgelt nach dem ERA-TV Bayern so gestaltet werden muss, dass im Durchschnitt der von der Vereinbarung erfassten Arbeitnehmer regelmäßig ein leistungsabhängiges Entgelt von 14% der Grundentgeltsumme dieser Arbeitnehmer erreicht werden kann und wenn die Summe der leistungsabhängigen Entgelte bezogen auf den Betrieb 14% der Grundentgeltsumme ergeben soll, kann damit rein denklogisch - entgegen der von der Beklagten vertretenen Ansicht - nicht ausschließlich eine Leistung abgegolten werden, die für den gesamten Bereich der Leistungszulage von 0 - 28% in jedem Fall über dem „Durchschnitt“ definiert als Bezugsleistung liegen muss. Vielmehr können die Regelungen nicht anders verstanden werden, als dass die Durchschnittsleistung eben 14% über der Bezugsleistung liegt.
50
3.3 Hieraus wird deutlich, dass die durchschnittliche Leistung in beiden Tarifwerken regelmäßig zu einer Leistungszulage von 14% führt und dass sich darin die Tarifiwerke nicht unterscheiden. Daher gelten auch die vom BAG für den insoweit inhaltlich regelungsgleichen ERA-TV BW aufgestellten Grundsätze entsprechend für den ERA-TV Bayern. Hiernach gilt im Anschluss an die Rechtsprechung des BAG (BAG 18.06.2014, 10 AZR 699/13. Rn 39 ff) im Einzelnen:
51
Bei der Beurteilung des Leistungsergebnisses und der Bestimmung des Entgeltsatzes handelt es sich nicht um eine Leistungsbestimmung i.S.v. § 315 BGB. Zwar hat der Arbeitgeber bei der Beurteilung der Leistung des Arbeitnehmers notwendigerweise einen gewissen Beurteilungsspielraum. Die Höhe der an das Beurteilungsergebnis anknüpfenden finanziellen Leistung ist durch den ERA-TV aber vorgegeben, ohne dass ein Entscheidungsspielraum des Arbeitgebers i.S.d. § 315 BGB vorhanden wäre, so dass die für die Einhaltung des billigen Ermessens geltenden Grundsätze der Beweislastverteilung nicht zur Anwendung kommen.
52
Wenn zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer streitig ist, ob der Arbeitnehmer nach III § 7 Ziff. 3 ERA-TV Bayern zutreffend beurteilt und damit das Leistungsentgelt richtig ermittelt wurde, gilt hinsichtlich der Richtigkeit der Beurteilung ein abgestuftes System der Darlegungs- und Beweislast. Zwar muss grundsätzlich der Anspruchsteller die anspruchsbegründenden Tatsachen darlegen und beweisen, also beispielsweise der Arbeitnehmer den Anspruch auf eine höhere Vergütung. Beim Leistungsentgelt nach der Methode „Beurteilen“ besteht aber die Besonderheit, dass dessen Höhe von der Richtigkeit einer vom Arbeitgeber vorzunehmenden Beurteilung abhängt, deren maßgebliche Erwägungen der Arbeitnehmer nicht oder nur eingeschränkt kennt. Hinzu kommt, dass die Tarifvertragsparteien definiert haben, was von einem durchschnittlich geeigneten Beschäftigten ohne gesteigerte Anstrengung auf Dauer zu erreichen ist.
53
Gemäß III § 6 Ziff. 6 Abs. I ERA-TV Bayern (entsprechend § 20.1 ERA-TV BW) ist davon auszugehen, dass im Durchschnitt der von der Vereinbarung erfassten Beschäftigten regelmäßig ein Leistungsentgelt von 14% der Grundentgeltsumme dieser Beschäftigten erreicht werden kann; die Summe der Leistungsentgelte soll auf den Betrieb bezogen ebenfalls 14% der Grundentgeltsumme ergeben (III § 6 Ziff. 7 Abs. I ERA-TV Bayern entsprechend § 21.1 ERA-TV BW). Gemäß III § 6 Ziff. 6 Abs. II ERA-TV Bayern (entsprechend § 20.2 ERA-TV BW) kann das individuelle Leistungsentgelt zwar zwischen 0% und 28% betragen; entspricht das Leistungsergebnis aber in vollem Umfang den Erwartungen (mittlere Beurteilungsstufe des Leistungsbeurteilungsbogens gem. III § 7 Ziff. 11 ERA-TV Bayern), erreicht der Arbeitnehmer ein Leistungsentgelt von 14%. Die hierin liegende materiell-rechtliche Wertung ist daher bei der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast genauso, wie beim ERA-TV BW zu berücksichtigen.
54
Demnach gilt, dass es für den Fall, dass ein Arbeitnehmer die Richtigkeit der Beurteilung bestreitet, es zunächst Sache des Arbeitgebers ist, anhand der ausgewählten Kriterien seine Bewertung soweit wie möglich anhand von Tatsachen zu konkretisieren und plausibel zu machen. Reine Werturteile bedürfen zwar keines näheren Vortrags, reichen aber für sich genommen nicht aus, um eine negative Bewertung zu stützen. Hat der Arbeitgeber in dieser Weise die Beurteilung plausibel und nachvollziehbar begründet, ist es Sache des Arbeitnehmers, hierzu substantiiert Stellung zu nehmen. Bleibt danach die Beurteilung streitig, ist die Beweislast wie folgt verteilt: Will der Arbeitgeber von einer Beurteilung ausgehen, die unterhalb des Wertes von 14% liegt, trägt er hierfür die Beweislast. Umgekehrt trägt der Arbeitnehmer die Beweislast in den Fällen, in denen er eine Bewertung oberhalb dieses Richtwertes anstrebt.
55
4. Der Vortrag der Beklagten trägt die von ihr für den Kläger gewählte Beurteilungsstufe nicht. Das Beurteilungsmerkmal „Persönlicher Einsatz“ ist nach dem tarifvertraglichen Leistungsbeurteilungsbogen gem. § 7 Ziff. 11 ERA-TV Bayern, der bei der Beklagten verwendet wird, zum Beispiel anhand folgender Beurteilungsmerkmale zu beurteilen: „Arbeiten in unterschiedlichen Arbeits- und Organisationsstrukturen; Initiative; Übernahme von Verantwortung; Einbringen bzw. Umsetzen von Ideen und Anregungen; Umgang mit Arbeits- und Gesundheitsschutz“. Eine Bewertung mit „B“ bedeutet, dass die Leistung im Hinblick auf die genannten Beurteilungsmerkmale im allgemeinen den Erwartungen entspricht. Die mittlere Beurteilung mit „C“ bedeutet, dass die Leistung in vollem Umfang den Erwartungen entspricht. Mit dieser mittleren Beurteilung hätte der Kläger für dieses Beurteilungsmerkmal statt der von der Beklagten zugeteilten 5 Punkte die mittlere Punktzahl von 10 und bei der Gesamtbeurteilung statt der festgesetzten 45 Punkte die mittlere Punktzahl von 50 erreicht, die nach den tariflichen Regeln einer Leistungszulage von 14% entspricht.
56
Die Beklagte hat zu dem Beurteilungskriterium „Persönlicher Einsatz“ im Jahr 2019 lediglich vorgetragen, dass der Kläger ohne einen konkreten Auftrag seines Vorgesetzten am 16.12.2019 an der zum damaligen Zeitpunkt neuen Z. Flachschleifmaschine den Abrichtdiamanten unbrauchbar gemacht hat, indem er versucht hat, die Schleifscheibe an der Seite abzurichten. Die damals neue Maschine habe zwar die technische Möglichkeit gehabt, die Schleifscheibe, zum Schleifen von Nuten, auch an der Seite abzurichten. Diese Funktion sei aber bei der damals ausgeübten Tätigkeit nicht benötigt worden (lediglich Planfläche flachschleifen). Der Kläger habe dies testen wollen, ohne dass dies notwendig gewesen wäre. Der Vorgesetzte habe den Kläger nicht beauftragt, Dinge auszuprobieren. Im Anschluss daran habe der Kläger ungerechtfertigte Schuldzuweisungen gegenüber einem seiner Kollegen erhoben, da dieser Kollege die Schleifscheibe ursprünglich aufgebaut hatte.
57
Der Vortrag der Beklagten nennt damit bezogen auf das gesamte Kalenderjahr 2019, für das das Kriterium „Persönlicher Einsatz“ zu bewerten war, nur einen Vorfall und geht ansonsten auf die Leistungen des Klägers für den Rest des Kalenderjahres nicht ein. Der genannte Vorfall selber hat keinen negativen Einfluss auf die im ERA-TV Bayern genannten Beurteilungsmerkmale für das Kriterium „Persönlicher Einsatz“, sondern passt hinsichtlich des aufgetretenen Fehlers bei der Abrichtung der Schleifscheibe, die den Abrichtdiamanten unbrauchbar gemacht hat, ggf. zu dem Kriterium der „Qualität der erbrachten Leistung“ und hinsichtlich der Behauptung des Verhaltens des Klägers gegenüber seinem Kollegen zu dem Kriterium der „Zusammenarbeit“.
58
Der Kläger hat zu dem Vortrag der Beklagten substantiiert Stellung genommen und seinerseits vorgetragen, dass Ende Oktober 2019 eine neue Flachschleifmaschine „Z.“ im Arbeitsbereich eingetroffen sei und er an einer Schulung teilgenommen habe, um die Bedienung der neuen Maschine zu lernen. Der Mitarbeiter vom Hersteller Z. habe ihm ausdrücklich gesagt, er solle einfach alles ausprobieren, denn so könne man am besten lernen. Um das Gelernte auch später anwenden zu können habe er dann das eine oder andere ausprobieren müssen und dies mit seinem Teamleiter Herrn P. besprochen. Dieser habe nichts dagegen gehabt. Die Tatsache, dass bei er bei seinem testweisen Versuch, die Schleifscheibe an der Seite abzurichten den Abrichtdiamanten unbrauchbar gemacht habe, sei nicht geeignet, eine unterdurchschnittliche Beurteilung gerade bei dem Kriterium „persönlicher Einsatz“ zu begründen. Vielmehr habe er sich gerade in besonderer Weise eingesetzt, um die Einsatzmöglichkeiten der Maschine zu eruieren.
59
Den Vortrag des Klägers, dass er von dem Leiter seiner Schulung dazu aufgefordert war, Dinge an der Maschine auszuprobieren, hat die Beklagte mit Nichtwissen bestritten und hat die Ansicht vertreten, dass es darauf nicht ankomme. Den Vortrag des Klägers, dass sein Vorgehen mit seinem Vorgesetzten abgestimmt war, hat die Beklagte nicht bestritten. Sie hat lediglich vorgetragen, dass der Vorgesetzte den Kläger nicht hierzu beauftragt hat. Damit steht fest, dass es sich bei dem testweisen Versuch, die Schleifscheibe an der Seite abzurichten, um eine Eigeninitiative des Klägers gehandelt hat, bei der er seine Ideen und Anregungen zur Einarbeitung an der neuen Maschine eingebracht hat. Initiative und Einbringen von Ideen sind Beurteilungskriterien, die sich hinsichtlich des Beurteilungsmerkmals „Persönlicher Einsatz“ nach dem tarifvertraglichen Leistungsbeurteilungsbogen positiv auswirken sollen. Die Auffassung der Beklagten, die diese in der mündlichen Verhandlung vertreten hat, dass eine Initiative von Mitarbeitern nur im Rahmen der vom Vorgesetzten erteilten Weisungen gefragt sei, ist so nicht nachvollziehbar. Ein Handeln nach Weisungen braucht keine Initiative und kein Einbringen bzw. Umsetzen von Ideen und Anregungen.
60
Warum der einzige hier angeführte Vorfall die unterdurchschnittliche Beurteilung des Klägers hinsichtlich des Beurteilungsmerkmals „Persönlicher Einsatz“ für das ganze Kalenderjahr 2019 plausibel begründen soll, erschließt sich daher nicht. Die Beklagte ist damit ihrer Darlegungslast für die Berechtigung einer unterdurchschnittlichen Bewertung des Klägers nicht ausreichend nachgekommen, so dass der Kläger einen Anspruch auf eine durchschnittliche Beurteilung hat. Auf die Frage der Beweislast, die die Beklagte hypothetisch für den Fall einer plausiblen Begründung der Beurteilung ebenfalls tragen würde, nachdem der Kläger ihrem Vortrag entgegengetreten ist und die Beurteilung streitig geblieben ist, kommt es daher nicht an.
61
5. Der Anspruch des Klägers auf die monatlich zu zahlende Leistungszulage wird entgegen der Ansicht der Beklagten nicht für die Zeiträume bis einschließlich Oktober 2020 von der tarifvertraglichen Ausschlussfrist des § 22 Ziff. 3 MTV erfasst. Unabhängig von der Frage, ob die Fälligkeit der vom Kläger geltend gemachten höheren Leistungszulage ohne die gerichtliche Entscheidung überhaupt eintreten konnte, da eine Festsetzung gem. § 7 Ziff. 1 und 3 ERA-TV Bayern in dieser Höhe aufgrund der Ergebnisse einer Änderung der Leistungsbeurteilung erst jetzt in Ersetzung der Entscheidung des Arbeitgebers erfolgt ist, hat der Kläger die streitgegenständlichen Ansprüche für das Kalenderjahr 2020 auch rechtzeitig geltend gemacht. Sein Einspruch mit Schreiben vom 31.01.2020 wahrt die erste Stufe der Ausschlussfrist auch dann, wenn von einer auch für die Leistungszulage von 14% schon relevanten Festsetzung durch die Leistungsbeurteilung vom 17.01.2020 mit Wirkung zum 01.01.2020 ausgegangen wird.
62
Anschließend hat das in § 7 Ziff. 8 ERA-TV Bayern vorgesehene Verfahren vor der Paritätischen Kommission und sodann das Organisationsvertretergespräch gem. § 23 Abschn. C MTV stattgefunden, das wohl am 02.12.2020 abgeschlossen wurde. Jedenfalls hat die Beklagte die Beklagte erst nach der erneuten Geltendmachung durch den Kläger mit Schreiben der IG-Metall vom 09.02.2021, eingegangen bei der Beklagten am 15.02.2021, ihrerseits mit Schreiben vom 15.03.2021 die geltend gemachten Ansprüche zurückgewiesen. Durch dieses Schreiben wurde sodann ggf. die zweite Stufe der Ausschlussfrist gem. § 22 Ziff. 3. (III) MTV ausgelöst, die eine gerichtliche Geltendmachung innerhalb von 6 Monaten nach Ablehnung durch den Arbeitgeber erfordert. Mit seiner Klage vom 07.07.2020, zugestellt an die Beklagte am 10.07.2020, hat der Kläger auch diese Frist gewahrt. Für die Entscheidung kann daher dahinstehen, wann die Fälligkeit der streitgegenständlichen höheren Leistungszulage tatsächlich eingetreten ist, da diese jedenfalls nicht vor der Fälligkeit der mit Schreiben vom 17.01.2020 festgesetzten Leistungszulage ab dem Monat Januar 2020 der Fall war.
63
6. Der geltend gemachte Zinsanspruch in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz besteht gem. §§ 291, 288 BGB ab dem Zeitpunkt der Klagezustellung.
64
7. Die Berufung war abzuweisen, insoweit der Kläger eine Leistungszulage über dem Betrag von 14% des monatlichen Grundentgeltes gefordert hat. Gem. III § 6 Ziff. 1 Satz 1 wird das leistungsabhängige Entgelt zusätzlich zum Grundentgelt gezahlt und ist als Prozentsatz zum monatlichen Grundentgelt zu ermitteln. Weshalb der Kläger entgegen der klaren tariflichen Regelung seine Forderung auf ein zusätzliches Leistungsentgelt bezogen auf die Jahresbruttogesamtvergütung berechnet hat, erschließt sich nicht. Hierfür fehlt eine Anspruchsgrundlage, so dass das Arbeitsgericht insoweit - wenn auch mit anderer Begründung - die Klage im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen hat.
III.
65
Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG, § 92 Abs. 1 ZPO.
IV.
66
Dem Rechtsstreit kommt über die Klärung der konkreten Rechtsbeziehungen der Parteien hinaus keine grundsätzliche Bedeutung zu, so dass für die Zulassung der Revision gem. § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung bestand. Gegen dieses Urteil ist deshalb die Revision nur gegeben, wenn sie das Bundesarbeitsgericht auf Grund einer Nichtzulassungsbeschwerde, auf deren Möglichkeit und Voraussetzungen gem. § 72 a ArbGG die Beklagte hingewiesen wird, zulassen sollte.