Titel:
Erfolglose Nachbarklage gegen Baugenehmigung zum Umbau einer Gaststätte in Beherbergungsbetrieb
Normenketten:
BauGB § 34 Abs. 1
BayBO Art. 59
BayVwVfG Art. 37
Leitsätze:
1. Eine Baugenehmigung muss hinreichend bestimmt sein, d.h. sie muss Inhalt, Reichweite und Umfang der genehmigten Nutzung eindeutig erkennen lassen, damit die mit dem Bescheid getroffene Regelung für die Beteiligten des Verfahrens nachvollziehbar und eindeutig ist. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Gebietserhaltungsanspruch gibt den Eigentümern von Grundstücken in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Baugebiet das Recht, sich gegen hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nicht zulässige Vorhaben zur Wehr zu setzen. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Nachbar, der sich gegen ein Vorhaben im unbeplanten Innenbereich wendet, kann im Fall einer Gemengelage klageweise mit Einwendungen gegen die Nutzungsart nur dann durchdringen, wenn die angefochtene Baugenehmigung gegen das im Tatbestandsmerkmal des Einfügens enthaltene Gebot der Rücksichtnahme verstößt (BayVGH BeckRS 2020, 1170 ). (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
4. Das Gebot der Rücksichtnahme kann beim Fehlen von erforderlichen Stellplätzen ausnahmsweise verletzt sein, wenn der durch den Stellplatzmangel bewirkte Park- und Parksuchverkehr den Kläger unzumutbar beeinträchtigt oder wenn die bestimmungsgemäße Nutzung dessen Grundstücks nicht mehr oder nur noch eingeschränkt möglich ist. (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Klageverfahren, Bauplanungsrecht, unbeplanter Innenbereich, Gemengelage, Nachbarklage, Nutzungsänderungsgenehmigung, Gaststätte, Beherberungsbetrieb, Unbestimmtheit, Gebietserhaltungsanspruch, Rücksichtnahmegebot, Stellplätze, Stellplatzmangel
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 05.10.2022 – 15 ZB 22.1487
Fundstelle:
BeckRS 2022, 12927
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger und der Beigeladene zu 3) je zur Hälfte. Die Kläger tragen ihren Kostenanteil als Gesamtschuldner.
III. Das Urteil ist in Ziffer II. vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Kläger wenden sich als Nachbarn gegen die den Beigeladenen zu 1) und 2) erteilte Baugenehmigung für den Umbau einer ehemaligen Gaststätte in Wohnungen, Boardinghouse und Fremdenzimmer.
2
Die Beigeladenen zu 1) und 2) sind Eigentümer der FlNr. 1130 der Gemarkung … im Markt N… (weitere FlNrn. ohne nähere Bezeichnung ebenda). Die Kläger sind Eigentümer der FlNr. 1126. Das Grundstück der Beigeladenen zu 1) und 2) ist mit einem ehemaligen Gasthaus bebaut. Östlich angrenzend liegt der Dorfplatz. Nördlich gegenüber dem ehemaligen Gasthaus befindet sich ein Pizzaservice. An der H. H1. straße in Richtung Westen liegen Wohngebäude und eine (ehemalige) landwirtschaftliche Hofstelle. Ein Fachgeschäft für Handarbeiten befindet sich an der Abzweigung der H. H1. straße unmittelbar an der Einmündung zur H2.straße. Westlich an das Vorhabensgrundstück grenzt eine ehemalige Hofstelle an. Im Verlauf der Straße „Am K …berg“ in Richtung Westen liegen Wohnhäuser. Das Gelände steigt von der H. H1. straße in Richtung Süden, insbesondere ab der Straße „Am K.berg“, an. Im Anwesen der Kläger südlich schräg gegenüber dem Anwesen der Beigeladenen zu 1) und 2) befindet sich eine Praxis u.a. für Klangmassagen, autogenes Training und Meditation. Eine Schlosserei befindet sich in der F. H1. straße 2. Im Bereich des Baugrundstückes existiert kein Bebauungsplan.
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Ausweislich der Abhandlung von Dieter Schwaiger „Das ehemalige Hofmarkschloss von U. Entwicklung eines oberpfälzischen Landschlosses von der Barockzeit bis in die Gegenwart“ geht das Gebäude des ehemaligen Gasthauses auf das Jahr 1689 zurück. Das Bezirksamt genehmigte am 31.7.1874 eine Bierwirtschaft in der Wohnhälfte Nr. 3 des ehemaligen Schlosses. Später folgte nach Erwerb der anderen Wohnhälfte ein Tanzsaal. 1881 wurde ein Antrag auf Gastwirtschaft abgelehnt. 1938 erhielt F. M. die Erlaubnis zum Betrieb einer Gastwirtschaft im Anwesen Nr. 3 und 18 U. „mit der Befugnis zum Ausschank von allen geistigen und nichtgeistigen Getränken in nachstehenden Räumen: 1 Gastzimmer, 1 Nebenzimmer, Küche, Faßraum und Schenke im Erdgeschoss, 3 Fremdenzimmer, Tanzboden, Zechstube und 1 Damenabort im Obergeschoss, 1 Kegelbahn, 1 Herren- und Damenabort und 1 Pissoir im Garten“. 1942 wurde ein Metzgereibetrieb eröffnet.
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Aus den vorgelegten Behördenakten ergibt sich, dass 1968 der Anbau einer Veranda an das bestehende Gasthaus genehmigt wurde. Teile der Bauvorlagen datieren von 1964. Auf einem Lageplan von 1964 ist das Gebäude an der nordwestlichen Ecke des Baugrundstücks mit Nr. 3 bezeichnet. In einer Legende heißt es hierzu „Tanzsaal“. Im Süden ist ein Gebäude als Nr. 2 (Scheune) vermerkt. An der westlichen Grenze befindet sich nach Lageplan das Gasthaus (Nr. 1), an dessen nördlichen Bereich laut Plan eine Veranda angebaut werden solle.
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1971 wurden Umbauten genehmigt. Auf einem Plan heißt es „Umbau im Gasthaus mit Metzgerei des Herrn F. M., Gastwirt in U. H. H1. straße 17 Maßstab 1:100“. Im Plan verzeichnet mit konkreten Größenangaben sind u.a. der Saal, 2 Nebenzimmer, Gastzimmer.
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Des Weiteren ergibt sich aus den Akten, dass 1981 ein Bauantrag zur Errichtung von 4 Garagen und einem Schuppen auf der FlNr. 1130 gestellt wurde. Zunächst wurde das gemeindliche Einvernehmen verweigert, u.a. weil nach Verwirklichung des Bauvorhabens die nach Art. 62 und 63 BayBO (Bekanntmachung des Bayer. Staatsministeriums des Innern 12.2.1978 Nr. II B 4 -9134-19, MABL Nr. 6/78 S. 181) für die Gastwirtschaft mit Fremdenzimmern und Metzgerei geforderten Stellplätze nicht mehr gewährleistet seien. Ausweislich eines Schreibens der Gemeinde N. an das Landratsamt R. vom 10.2.1981 beabsichtigte die Gemeinde N., das Grundstück FlNr. 1130 als Dorfplatz auszubilden. Es sollte ein Bebauungsplan aufgestellt werden und die Zurückstellung des Bauvorhabens M. beantragt werden. Eine Genehmigung der Garagen und des Schuppens kann den vorgelegten Akten nicht entnommen werden.
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Mit Bauantrag vom 7.11.2017 beantragten die Beigeladenen zu 1) und 2) eine Baugenehmigung für den Umbau einer ehemaligen Gaststätte auf der FlNr. 1130 der Gemarkung N. im Markt N. in Wohnungen, Boardinghouse und Fremdenzimmer. Ausweislich der Planunterlagen sollen im Erdgeschoss 4 Zimmer, 1 Wohnung und 3 Apartments, im Obergeschoss 2 Wohnungen und 4 Zimmer und im Dachgeschoss 2 Wohnungen entstehen. Die Wohnungen enthalten jeweils Küche und Bad, so ebenfalls die Apartments. Auch in einem Zimmer im Obergeschoss ist eine Kochgelegenheit verzeichnet.
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Mit Beschluss vom 9.1.2018 verweigerte der Markt N. (Beigeladener zu 3)) das gemeindliche Einvernehmen zum streitgegenständlichen Vorhaben. Begründet wurde dies damit, dass nicht ausreichend Stellplätze für das Vorhaben geschaffen werden könnten.
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Auch mit Beschluss vom 6.3.2018 wurde das gemeindliche Einvernehmen verweigert. Die Stellplatzberechnung, dass keine zusätzlichen Stellplätze erforderlich seien, sei nicht nachvollziehbar. Das Landratsamt solle die Angelegenheit rechtlich überprüfen.
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Am 15.3.2018 ging der Bauantrag beim Landratsamt R. ein.
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Mit Schreiben vom 11.4.2018 hörte das Landratsamt R. den Markt N. zum geplanten Ersetzen des Einvernehmens an.
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Mit Schreiben vom 28.4.2018 wandten sich die Kläger an die Landrätin des Landkreises
R. und an die Fraktionsvorsitzenden des Marktrates N. und alle Markträte. Sie brachten im Wesentlichen vor, dass der Dorfplatz U. vor vielen Jahren neu gestaltet worden sei, mit dem Ziel, einen Mittelpunkt des Ortes U. darzustellen. Es scheine nun, dass die Parkplätze am Dorfplatz U. in Zukunft ausschließlich dem neuen Besitzer der ehemaligen Gaststätte M. zur Verfügung stehen sollen. Auch alle an der H. H1. straße, K. H1.weg und M. H1.weg (dieser sei eigentlich nur einspurig und behindere beim Parken das Durchfahren) vorhandenen Parkplätze sollten dann überwiegend den Bewohnern des genannten Anwesens zur Verfügung stehen. Dies führe unweigerlich zu extremen Verkehrsbehinderungen u.a. für Rettungsfahrzeuge, „Zufahrt zu Freiwilligen Feuerwehr bei Einsätzen“ und im Winter zu Behinderungen des Winterdienstes. Für dieses Anwesen gelte - trotz Nutzungsänderung - scheinbar diese Parkplatzverordnung nicht. Der neue Besitzer arbeite mit einer gewissen Verwirrungstaktik, hier die Behörden und auch alle Nachbarn über das eigentliche Vorhaben zu irritieren. Einmal solle es so wieder eröffnet werden, wie es ursprünglich genutzt worden sei, mal eine Frühstückspension, mal Wohnungen, mal Boardinghouse. Auch etwaige Zusagen von Nachbarn, Flächen für fehlende Parkplätze zu vermieten, könne hier von den Anliegern niemand bestätigen. Laut Bürgermeister benötige das Anwesen in einem der oben genannten Modelle 17-20 Parkplätze. Vorhanden auf eigener Fläche sei nur ein Bruchteil. Es werde auf Bestandsrecht gepocht. Das Anwesen sei aber ihres Wissens nach nie als ein Boardinghouse, für Mietwohnungen oder anderer Modelle genutzt worden. Der Gaststättenbetrieb sei im Dezember 2011 eingestellt worden. Der Bestandsschutz verwirke ihres Wissens nach 5 Jahren. Angeführt wurde auch ein Anspruch auf Gleichbehandlung. Dem Schreiben war eine Unterschriftenliste angefügt.
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In der Sitzung vom 22.5.2018 verweigerte der Markt N. erneut das gemeindliche Einvernehmen.
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Mit Bescheid vom 11.9.2018 erteilte das Landratsamt R. die Baugenehmigung zum „Umbau der ehemaligen Gaststätte in Wohnungen, Boardinghouse und Fremdenzimmer“ an die Beigeladenen zu 1) und 2). Auf die Gründe des Bescheids wird verwiesen.
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Am 15.10.2018 ließen die Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg erheben.
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Begründet wird die Klage im Wesentlichen damit, dass die Baugenehmigung bereits formell rechtswidrig sei. Sie lasse auf dem Baugrundstück den „Umbau der ehemaligen Gaststätte in Wohnungen, Boardinghouse und Fremdenzimmer“ zu. Es werde jedoch nicht näher definiert, was mit „Boardinghouse“ gemeint sei. Es sei jedoch anerkannt, dass hierunter verschiedene Nutzungen fielen, die sowohl wohn- als auch gewerberechtlichen Charakter haben könnten, je nachdem, wie die Verhältnisse im Einzelnen ausgestattet seien. Dabei gleiche das Baugebiet bzw. die Eigenart der näheren Umgebung eher einem Wohn- als einem Mischgebiet. Eine gewerbliche Nutzung sei allerdings in einem Wohngebiet nicht zulässig. Die Kläger berufen sich ausdrücklich auf den Anspruch auf Erhalt der Gebietsart. Jedenfalls sei der Bescheid materiell rechtswidrig. Es fehle an Parkplätzen. Die beengten Verhältnisse im Umgriff würden daher die Gefahr des Verkehrschaos begründen. Vor diesem Hintergrund seien auch gesunde Wohnverhältnisse nicht sichergestellt. Die Kläger seien hierdurch auch in ihren eigenen Rechten verletzt. Dabei sei davon auszugehen, dass das Bauvorhaben einen Stellplatzbedarf von 17-20 Parkplätzen hervorrufe. Auf eigener Fläche sei jedoch nur ein Bruchteil vorhanden. Der nicht gedeckte Stellplatzbedarf werde also erheblichen Parkplatzsuchverkehr hervorrufen, mit entsprechenden Lärm- und sonstigen Immissionen zu Lasten der Nachbarn einschließlich der Kläger. Diese würden auch mit Abgasen und Feinstaub belästigt.
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Die Kläger beantragen,
den Bescheid des Landratsamtes R. vom 11.9.2018 (Az: S43 - 2018-0397 BAVV) aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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Begründet wird dies im Wesentlichen damit, dass ein faktisches allgemeines Wohngebiet nicht angenommen werden könne. So seien bei einer Ortseinsicht verschiedene Nutzungen festgestellt worden, die nur in den Gebietstypus MI oder MD passen würden. Auf den Grundstücken FlNrn. 1161/2, 1120/2, 1121, 1135 befänden sich Lagerhallen/Scheunen bzw. Lagerplätze für Holz. Auf dem Grundstück FlNr. 1159/1 werde eine Pizzeria gegenüber dem gegenständlichen Gebäude betrieben. Auf FlNr. 1143 befände sich eine Schlosserei und etwas weiter entfernt auf der FlNr. 1335 ein Bauunternehmen. Nicht zu vergessen sei das umzunutzende Gebäude selbst. Die lediglich unterbrochene Nutzung als überörtlich genutzte Gaststätte und die im Gebäude integrierte Metzgerei mit nunmehr vorgelagertem „Dorfplatz“ präge das Gebiet sicher auch. Ergänzend sei noch darauf hinzuweisen, dass sich die Bewertung durch das Landratsamt hinsichtlich der Gebietseinstufung auch mit der Einschätzung des Marktes decke, der bei der bauplanungsrechtlichen Einstufung ebenfalls von einem Mischgebiet ausgegangen sei. Auch hinsichtlich des Maßes füge sich das Vorhaben in die maßgebliche Umgebung ein. Das Gebäude werde bezüglich der „äußeren Hülle“ nicht verändert. Die Genehmigung sei auch hinreichend bestimmt. Aus den mit Prüfvermerk versehenen Plänen in Verbindung mit dem formulierten Antragsgegenstand sei auch für die benachbarten Grundstückseigentümer klar zu erkennen, wie der Gebäudekomplex in Zukunft genutzt werden solle. Die Nutzungen der verschiedenen Geschosse mit den entsprechenden Räumen sei nachvollziehbar gekennzeichnet. So befänden sich insgesamt 5 Wohnungen im Gebäude (im EG 1 Wohnung, im OG und DG jeweils 2 Wohnungen), 3 Apartments (alle im EG), sowie 8 Fremdenzimmer (jeweils 4 im EG und OG). Wobei der Begriff Fremdenzimmer verdeutliche, dass hier Zimmer für die Kurzzeitvermietung angeboten würden (Beherbergungsgewerbe). Ein Boardinghouse sei vor allem für solche Personen gedacht, die meist (geschäftlich) über einen längeren Zeitraum am Ort verweilen müssten und denen dabei eine gewisse Eigenständigkeit und Unabhängigkeit von hoteltypischen Serviceleistungen auch aus Kostenersparnisgründen wichtig sei. Im deutschsprachigen Raum werde auch die Bezeichnung „Zuhause auf Zeit“ verwendet. Deshalb gehe die Nutzung hier schon eher in Richtung „Wohnen“ statt „Beherbergung“. Da beide Nutzungen bauplanungsrechtlich im maßgeblichen Gebiet zulässig seien, sei demnach die Nutzung der Fremdenzimmer klar dem Gewerbe (Beherbergung) zuzuordnen und damit intensiver als die Nutzung der Apartments für längerfristige Vermietungen, welche schon im Übergang von Gewerbe zu Wohnen zu qualifizieren sei. Im Übrigen wurde auf den streitgegenständlichen Bescheid verwiesen.
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Der Beigeladene zu 3) beantragt,
die Baugenehmigung vom 11.9.2018 aufzuheben.
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Die Beigeladenen zu 1) und 2) stellen keine Anträge.
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Mit Schreiben vom 21.3.2019 bemängelte die Klägerseite, dass die vom Landratsamt benannten Grundstücke FlNrn. 1161/2, 1120/2 etc. auf dem genehmigten Lageplan kaum zu finden seien. Es handele sich nicht um die nähere Umgebung. Die Ausführungen des Landratsamtes würden ferner den Antrags- und Genehmigungsgegenstand nicht wirklich erhellen. Dabei sei es auch nicht die Aufgabe der Bauaufsichtsbehörde, die Begrifflichkeiten des genehmigten Planes nun so zurecht zu legen, dass es „passt“. Vielmehr wäre es Aufgabe des Bauherren gewesen, in einer Bau- bzw. Betriebsbeschreibung tatsächlich deutlich zu machen, welche Konturen die beantragte Nutzung haben solle. Im Hinblick auf den Stellplatzbedarf fehle es bereits im Ansatz an einer Auseinandersetzung mit der Klagebegründung. Der fiktive Ansatz von Stellplätzen stehe und falle mit der Frage, ob die alte Gaststättennutzung überhaupt dem genehmigten Umfang entsprach. Nur dann könnte für sie der formelle Bestandschutz streiten mit der Folge, dass diese Nutzung wieder aufgenommen werden dürfte im Sinn der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes. Auch insoweit fehle es an jeglicher Feststellung. Die Klägerseite regte eine Anforderung der einschlägigen Genehmigungsunterlagen an. Mit Schreiben vom 17.5.2019 ergänzte die Klägerseite, dass im vom Gericht übersandten Lichtbild die Eintragungen in Rot nicht lesbar seien. Das Luftbild zeige, dass diese Grundstücke bereits zu weit entfernt seien, um das maßgebliche Gebiet zu prägen. Darüber hinaus werde dort keine Landwirtschaft mehr betrieben. Es werde weiterhin der Anspruch auf Erhalt der Gebietsart geltend gemacht und die Unbestimmtheit der Baugenehmigung gerügt. Die Unschärfe gehe auch zu Lasten der Nachbarn. Dies zeige sich bereits an der Unbestimmtheit der Baugenehmigung vom 11.9.2018, soweit diese nicht einmal die Zahl der Wohnungen und Fremdenzimmer, die genehmigt werden sollten, näher aufführt. Geht man von der Wohnflächenberechnung aus, seien es offenbar 3 Apartments, 5 Wohnungen und noch einmal 8 Zimmer. Unter der Überschrift „Boardinghouse“ bleibe die Frage zu beantworten, ob es sich hierbei wirklich um eine Wohnnutzung handele und nicht vielmehr um eine gewerbliche Nutzung. Weiterhin werde eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots gerügt. Der M. H1.weg sei äußerst beengt. Schon nach der Zahl der Einheiten löse das Bauvorhaben einen erheblichen Stellplatzbedarf aus. Da das Baugrundstück mehr oder weniger grenzständig bebaut sei, scheide eine Lösung des Problems durch den Bauherrn aus. Die Nutzer würden auf der Straße stehen. Es sei zu befürchten, dass Rettungsfahrzeuge nicht mehr durchkommen würden. Die Klägerseite bezweifelt ferner, dass in einem Fall wie dem vorliegenden ein derartiger fiktiver Stellplatznachweis überhaupt zulässig sei. Natürlich seien nach Art. 47 BayBO nur zusätzliche Stellplätze herzustellen, die „durch die Änderung“ zusätzlich zu erwarten seien. In einer Situation wie der vorliegenden schütze das Rücksichtnahmegebot aber unabhängig hiervon die Nachbarn davor, dass - ohne dass tatsächlich Stellplätze entstünden - auf einmal ein erheblicher Stellplatzbedarf in einer ohnehin schon beengten Situation geboren werde, der ein Verkehrschaos mit entsprechender Belästigung der Nachbarn geradezu vorprogrammiere. Ferner weist die Klägerseite darauf hin, dass der östlich bzw. nordöstlich angrenzende Platz (FlNr. 1130) erst vor nicht allzu langer Zeit zu einem Ort der Ruhe und Beschaulichkeit umgebaut und verändert worden sei.
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Mit Schreiben vom 31.7.2019 nahm die Beklagtenseite zum Vorbringen der Klägerseite Stellung und führte im Wesentlichen aus, dass bei der angesprochenen Verkehrssituation und der damit verbundenen Stellplatzfrage bereits nicht ersichtlich sei, worin genau die erforderliche Rechtsverletzung der Kläger liegen solle. Die Vorschriften zu den erforderlichen Stellplätzen dienten nicht den individuellen Interessen der Kläger, sondern vielmehr der Allgemeinheit. Ungeachtet dessen könne ein Nachweis weiterer Stellplätze vom Bauherren - wie im Bescheid dargelegt - nicht gefordert werden. Eine grundsätzliche Frage (auch für fiktiv anzusetzende Stellplätze) sei unbestritten der Bestandsschutz der ehemaligen Gaststätte. Diesen Bestandschutz sehe die Genehmigungsbehörde als gegeben an. Wie einer Abhandlung von Herrn Oberstudienrat S. über das ehemalige Hofmarkschloss von U. zu entnehmen sei, sei das ehemalige in der Barockzeit erbaute oberpfälzische Landschloss von U. am 18.6.1874 von Gastwirtschaftsbesitzer J. P. gekauft und anschließend zu einer Schankwirtschaft umgebaut/umgenutzt worden. Zu Beginn der Umnutzung habe es Probleme mit der Genehmigungsfähigkeit einer Gastwirtschaft gegeben. Nach Feststellungen von Herrn S. habe das Bezirksamt von Regensburg spätestens 1938 eine Erlaubnis zum Betrieb einer Gastwirtschaft erteilt. Auch wenn die entsprechende Baugenehmigung in Papierform nicht mehr zur Verfügung stehe, belegten diese Informationen nach Auffassung des Landratsamtes die Existenz einer Baugenehmigung und damit des Bestandschutzes des Objektes hinreichend. Zudem seien dem Inhaber der Gastwirtschaft 1968 der Anbau einer Veranda an das bestehende Gasthaus sowie 1971 ein Umbau im Gasthaus mit Metzgerei genehmigt worden. Die verkehrliche Situation rund um das gegenständliche Gebäude sei sicherlich nicht einfach. Die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs gehöre allerdings nicht zum Prüfungsumfang der unteren Bauaufsichtsbehörde im Rahmen eines vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens, so dass der diesbezügliche klägerische Vortrag der Klage nicht zum Erfolg verhelfen könne. Ungeachtet dessen diene auch diese Vorschrift nicht dem Individualinteresse der Kläger. Im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren sei die gesicherte Erschließung des Grundstücks zu prüfen. Diese sei gegeben und werde im Übrigen auch nicht in Zweifel gezogen.
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Mit Schreiben vom 8.3.2021 teilte die Klägerseite mit, dass sich aus dem vorgelegten Geheft (Abhandlung Studienrat) ergäbe, das die Gastwirtschaft bis 1938 17-mal verkauft, 5-mal getauscht und 2-mal versteigert worden sei. Auch wenn die Baugenehmigung dinglich wirke, gleichwohl aber stofflich nicht mehr vorhanden sei, möge man unter solchen Verhältnissen doch schwerlich von Bestandsschutz sprechen. Die nachfolgenden Anbauten oder Umbauten setzten einen legalen Bestand voraus, ersetzten diesen also nicht.
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Mit Schreiben vom 3.5.2021 erging ein richterliches Hinweisschreiben. Das Gericht wies hierbei im Wesentlichen darauf hin, dass für die Frage der Unbestimmtheit auf die streitgegenständliche Baugenehmigung und die mit Genehmigungsvermerk versehenen Bauvorlagen abzustellen sei. Die von den Klägern vorgebrachte anderweitige Kommunikation der Beigeladenen zu 1) und 2) sei insoweit nicht ausschlaggebend. Im Übrigen handele es sich vorliegend um eine Nachbarklage, so dass erforderlich sei, dass auf Grund der Unbestimmtheit eine Verletzung der Nachbarn in eigenen Rechten nicht auszuschließen sei. Im Hinblick auf die Einstufung des Gebiets spreche nach den Luftaufnahmen nach Einschätzung der Berichterstatterin einiges für die Einstufung als Misch- oder Dorfgebiet. Im Hinblick auf das ehemalige Gasthaus dürfte jedoch entscheidend sein, ob nach der Verkehrsauffassung mit einer Wiederaufnahme der Nutzung gerechnet werden musste. Im Übrigen weise der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 22.1.2020 (Az. 15 ZB 18.2547) darauf hin, dass ein Boardinghaus auch in einem allgemeinen Wohngebiet grundsätzlich nicht gebietsfremd sei. Im Hinblick auf die fiktive Stellplatzberechnung wies das Gericht darauf hin, dass eine hieraus resultierende Nichterfüllung der Verpflichtung, ausreichende Stellplätze herzustellen, nur zu einer Verletzung von Nachbarrechten führen könne, wenn die Genehmigung des Vorhabens ohne die erforderlichen Stellplätze zu Beeinträchtigungen führe, die dem Nachbarn bei Abwägung aller Umstände unzumutbar seien und deswegen das Gebot der Rücksichtnahme in drittschützender Weise verletzt sei. Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme könne beim Fehlen von erforderlichen Stellplätzen der Fall sein, wenn der durch den Stellplatzmangel bewirkte Park- und Parksuchverkehr den Kläger unzumutbar beeinträchtige oder wenn die bestimmungsgemäße Nutzung dessen Grundstücks nicht mehr oder nur noch eingeschränkt möglich sei (vgl. VG München, B.v. 18.12.2020 - M 9 SN 20.1913 - beck-online). Hierbei sei jedoch zu beachten, dass individuellem Fehlverhalten, z.B. verkehrswidrigem Parken, mit Mitteln des Ordnungsrechts zu begegnen sei bzw., soweit auch bei den dafür zuständigen Stellen die Befürchtungen der Kläger vorlägen, dass Rettungsfahrzeuge nicht mehr durchkommen würden, verkehrsrechtliche Maßnahmen veranlasst wären. Soweit die Kläger vorbringen, dass die FlNr. 1130 erst vor nicht allzu langer Zeit zu einem Ort der Ruhe und Beschaulichkeit umgebaut und verändert worden sei, erschließe sich dem Gericht nicht, inwieweit hierdurch eigene Rechte der Kläger verletzt würden.
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Mit Schreiben vom 1.6.2021 teilte die Klägerseite mit, dass vorliegend von einem allgemeinen Wohngebiet auszugehen sei. Aus dem vormaligen Gasthaus auf dem Baugrundstück könne nichts anderes folgen, da insoweit keine legale Nutzung gegeben gewesen sei. Jedenfalls für den Saal sei keine Baugenehmigung erteilt worden. Dieser stehe zudem seit über 20 Jahren leer, so dass eben auch mit einer Wiederaufnahme der Nutzung gerade nicht gerechnet werden konnte bzw. könne. Dies gelte nicht minder für die Fremdenzimmer, die seit über 20 Jahren nicht mehr vermietet worden seien. Es könne nicht von einer gebietsverträglichen Nutzung ausgegangen werden. Dies liege eben auch und gerade am Verkehr, den das Boardinghouse auslöse. Es sei nämlich davon auszugehen, dass der durch den Stellplatzmangel bewirkte Park- und Parksuchverkehr die Kläger unzumutbar beeinträchtige.
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Mit Schreiben vom 2.6.2021 teilte die Beklagtenseite mit, dass dem Beklagten nicht bekannt sei, ob seitens des beigeladenen Marktes N. verkehrsrechtliche Anordnungen eingeleitet bzw. angeordnet worden seien. Zuständiger Straßenbaulastträger der Gemeindestraße sei der Markt N. Jedenfalls sei die Klage unbegründet, da das Vorhaben das Gebot der Rücksichtnahme nicht verletze. Zwar sei die gaststättenrechtliche Nutzung vom seinerzeitigen Pächter Ende 2011 aufgegeben worden. Diese Annahme decke sich auch mit den gaststättenrechtlichen Daten des Beklagten. Die Gaststättennutzung sei am 19.11.2011 abgemeldet worden. Unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens des § 8 GastG sei eine gaststättenrechtliche Erlaubnis somit seit dem 19.11.2012 nicht mehr existent. Jedoch stehe die Aufgabe der gaststättenrechtlichen Nutzung durch den seinerzeitigen Pächter der Annahme des materiellen, baurechtlichen Bestandsschutzes der Gaststättennutzung, was wiederum Voraussetzung für die vorgenommene Stellplatzberechnung gewesen sei, nicht entgegen. Denn wie dem Urteil des BayVGH vom 20.2.2003 (15 B 00.1363) entnommen werden könne, bedürfe es zur Verneinung des Bestandsschutzes einer eindeutigen und unmissverständlichen Verzichtserklärung, die vom Eigentümer abzugeben sei. Auch wenn dieses Urteil den formellen Bestandsschutz zum Inhalt gehabt hätte, könne aus Sicht des Beklagten für den materiellen Bestandsschutz nichts anderes gelten. Insofern hätten die Eigentümer der Gaststätte die Möglichkeit gehabt, einen neuen Pächter für die Gaststätte zu akquirieren und die gaststättenrechtliche Nutzung wieder aufleben zu lassen, ohne dass es einer (erneuten) Baugenehmigung bedurft hätte. Darüber hinaus sei vor dem Hintergrund des Zeitmoments die Annahme des materiell-rechtlichen Bestandsschutzes gerechtfertigt. Die Dauer zwischen der Nutzungsaufgabe und der Antragstellung der Beigeladenen zu 1) und 2) betrage nur 6 Jahre, wohingegen im Vergleich hierzu die gaststättenrechtliche Nutzung mehr als 70 Jahre bestanden habe. Insofern gehe der Beklagte davon aus, dass nach der Verkehrsauffassung in Gesamtschau der Einzelheiten des vorliegenden Falles mit der Wiederaufnahme der gaststättenrechtlichen Nutzung gerechnet habe werden müssen. Daher sei im streitgegenständlichen Fall ein rein materiell-rechtlicher Bestandsschutz zu bejahen.
28
Am 15.10.2021 fand ein Augenscheinstermin durch die Berichterstatterin statt.
29
Mit Schreiben vom 18.11.2021 teilte das Landratsamt R. mit, dass das Gewerbe in der F. H1.straße 2 (FlNr. 1142/1) nach einer Auskunft des Sachgebietes Öffentliche Sicherheit und Ordnung noch nicht abgemeldet worden sei und aus Sicht des Landratsamtes daher bei der Einstufung hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung mit zu berücksichtigen sei.
30
Mit Schreiben vom 1.12.2021 teilte die Klägerseite mit, dass im Hinblick auf die vermieteten Zimmer 2 Zimmer zur Vermietung mit je einem Doppelbett zur Verfügung gestanden hätten. Ein anderes Zimmer sei von der Wirtin und ihrem Sohn bewohnt worden, ein weiteres hätte sich die Miteigentümerfamilie S. vorbehalten. Die beiden Zimmer seien seit mindestens 1999 nicht mehr vermietet worden und seien leer gestanden. Es habe u.a. für diese Zimmer kein eigenes Bad gegeben, das hätten sich die Wirtsfamilie und die Gäste geteilt. Weiter zurück seien diese beiden Zimmer (noch als gemeinsames großes Zimmer) als Berufsschule genutzt worden. Der Betrieb der Gaststätte sei 2011 eingestellt worden. Der Betrieb der Metzgerei mit Verkaufsladen sei bereits 2008 eingestellt worden. Zum Anbau des Saals (ohne Genehmigung) wurde ausgeführt, dass der Anbau ca. in den frühen 60er Jahren gemacht worden sei. Der Nachbar, Herr E., könne sich noch gut daran erinnern, nur nicht an das genaue Jahr. Er sei aber zu dieser Zeit in den 20ern gewesen. Er könne sich noch gut daran erinnern, da dafür die Grenze zwischen den Flurnummern E. (heute M.) und M. verschoben worden sei. Der Ortstermin habe kurz zusammengefasst bestätigt, dass nördlich der H. H1. straße Verkehrslärm zu hören gewesen sei, südlich von dieser Vogelgezwitscher. Das angefochtene Bauvorhaben würde daher die Kläger in ihrem Anspruch auf Erhalt der Gebietsart verletzen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Behörden- und Gerichtsakten und der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vom 7.4.2022 Bezug genommen. Die Akten aus dem Verfahren RO 2 K 18.1641 wurden beigezogen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Die Klage ist als Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 Alt. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gegen die Baugenehmigung zulässig. Auch fehlt es den Klägern als Nachbarn nicht an der Klagebefugnis gem. § 42 Abs. 2 VwGO, da eine Verletzung in eigenen, drittschützenden Rechten, z.B. im Hinblick auf den Gebietserhaltungsanspruch oder das Gebot der Rücksichtnahme, möglich erscheint.
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Die zulässige Klage ist jedoch unbegründet. Die den Beigeladenen zu 1) und 2) erteilte streitgegenständliche Baugenehmigung verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.
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Die Klage eines Nachbarn gegen eine Baugenehmigung ist nicht bereits dann erfolgreich, wenn die Baugenehmigung lediglich objektiv rechtswidrig ist. Vielmehr ist der Nachbar nur dann i.S.d. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in seinen Rechten verletzt, wenn die Baugenehmigung gegen Vorschriften verstößt, die zumindest auch dem Schutz subjektiv-öffentlicher Rechte des Nachbarn dienen und die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind. Die angefochtene Baugenehmigung verletzt keine nachbarschützenden Vorschriften, die vom Prüfungsumfang erfasst sind.
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Da es sich bei dem Vorhaben der Beigeladenen zu 1) und 2) nicht um einen Sonderbau gem. Art. 2 Abs. 4 Bayerische Bauordnung (BayBO) handelt, fand das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren gem. Art. 59 BayBO Anwendung. Nach ständiger Rechtsprechung ist bei Drittanfechtungsklagen im Baurecht grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung abzustellen (vgl. BayVGH, B.v. 6.11.2008 - 14 ZB 08.2327 - juris). Daher ist vorliegend für den Umfang des Prüfungsmaßstabes Art. 59 BayBO i.d. Fassung vom 14.8.2007 geändert mit Wirkung vom 1.9.2018 durch G.v. 10.7.2018 anzuwenden.
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Soweit sich die Klägerseite vorliegend auf die Unbestimmtheit der streitgegenständlichen Baugenehmigung beruft, führt dies nicht zum Erfolg. Zwar geht das Gericht von einer Unbestimmtheit der Baugenehmigung aus. Im Falle einer Nachbarklage kann eine Baugenehmigung allerdings diesbezüglich Rechte des Nachbarn nur verletzen, wenn sie hinsichtlich nachbarrechtsrelevanter Fragen unbestimmt ist und daher im Falle der Umsetzung des Bauvorhabens eine Verletzung von Nachbarrechten nicht auszuschließen ist (BayVGH, B.v. 6.2.2017 - 15 ZB 16.398 - juris).
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Wie jeder Verwaltungsakt muss auch eine Baugenehmigung inhaltlich hinreichend bestimmt sein, Art. 37 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG). Sie muss vollständig klar und unzweideutig sein (Decker in Busse/Kraus, BayBO, Werkstand: 144. EL September 2021, Art. 68 Rn. 250). Das gilt insbesondere auch für die Art der baulichen Nutzung des Vorhabens. Sie muss Inhalt, Reichweite und Umfang der genehmigten Nutzung eindeutig erkennen lassen, damit die mit dem Bescheid getroffene Regelung für die Beteiligten des Verfahrens nachvollziehbar und eindeutig ist. Nachbarn müssen zweifelsfrei feststellen können, ob und in welchem Umfang sie betroffen sind (vgl. BayVGH, B.v. 6.2.2017 - 15 ZB 16.398 - juris, BayVGH; B.v. 17.6.2016 - 15 ZB 15.644 - juris; B.v. 18.7.2016 - 15 ZB 15.12 - juris - jeweils m.w.N.). Der Nachbar hat jedoch keinen Anspruch auf eine allgemeine Fehlerfreiheit von Bauvorlagen und der Baugenehmigung. Der Inhalt der Baugenehmigung und damit das genehmigte Vorhaben bestimmen sich nach der Bezeichnung und den Regelungen im Baubescheid (Baugenehmigung), der konkretisiert wird durch die in Bezug genommenen, mit dem Genehmigungsvermerk versehenen Bauvorlagen. Die Bauvorlagen haben gegenüber dem Baubescheid nur eine konkretisierende und erläuternde Funktion (Decker in Busse/Kraus, BayBO, Werkstand: 144. EL September 2021, Art. 68 Rn. 252). Im vorliegenden Fall beantragten die Beigeladenen zu 1) und 2) die Umnutzung der ehemaligen Gaststätte in Wohnungen, Boardinghouse und Fremdenzimmer. Ausgehend vom Wortlaut wurde damit nach dem objektiven Erklärungswert im Hinblick auf die Wohnungen eine Wohnnutzung und im Hinblick auf die Fremdenzimmer eine Nutzung als Beherbergungsgewerbe beantragt. Unklar ist die Einordnung des Boardinghouses, da diese Nutzungsform je nach konkreter Betriebsform eine Wohnnutzung oder eine gewerbliche Beherbergung darstellen kann. Auch erscheint unklar, ob sich die Bezeichnung „Boardinghouse“ nur auf die verbleibenden 3 Apartments beziehen soll, wofür der Wortlaut spricht, oder darüber hinausgehende Bedeutung hat. Für die Bestimmtheit eines Bauantrags für ein Boardinghouse ist es in der Regel notwendig, dass dieser eine Betriebsbeschreibung enthält, aus der sich die konkrete Einordnung bezüglich der Art der Nutzung des Boardinghouses ergibt, d.h. ob dieses aufgrund seiner konkreten Betriebsform der Wohnnutzung oder einer Nutzung als Beherbergungsgewerbe zuzuordnen ist. Eine solche Beschreibung fehlt vorliegend. Wie sich in der mündlichen Verhandlung herausstellte, lag ein endgültiges Konzept zur Zeit der Antragstellung noch gar nicht vor bzw. änderte sich immer wieder. Die in der mündlichen Verhandlung geäußerte Annahme der Beklagtenseite, dass bezüglich der Fremdenzimmer und der Apartments von einer gewerblichen Nutzung (Beherbergungsgewerbe) ausgegangen worden sei und hinsichtlich der Wohnungen von einer nicht gewerblichen Wohnnutzung, erscheint zwar schlüssig, ergibt sich so aber nicht eindeutig aus der Baugenehmigung. Subjektive Vorstellungen des Antragstellers oder der Behörde, die objektiv keinen Niederschlag im Wortlaut der schriftlichen Baugenehmigung gefunden haben, sind jedoch nicht maßgeblich (Decker in Busse/Kraus, Werkstand: 144. EL September 2021, BayBO, Art. 68 Rn. 251). Ausgehend hiervon ergeben sich Unklarheiten im Hinblick darauf, ob insgesamt eine Nutzung als Beherbergungsgewerbe oder auch eine Wohnnutzung vorliegt, bzw. zu welchen Anteilen. Allerdings ergibt sich hieraus keine Verletzung der Kläger in ihren Rechten. Sowohl bei der Annahme einer reinen gewerblichen Nutzung als auch einer anteiligen Wohnnutzung kommt eine Verletzung der Kläger in ihren Rechten nicht in Betracht (siehe jeweils im Folgenden).
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Eine Verletzung der Kläger in ihren Rechten ergibt sich vorliegend auch nicht aus einem Gebietserhaltungsanspruch.
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Der Gebietserhaltungsanspruch gibt den Eigentümern von Grundstücken in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Baugebiet das Recht, sich gegen hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nicht zulässige Vorhaben zur Wehr zu setzen. Der Anspruch ist eine Folge davon, dass Baugebietsfestsetzungen kraft Gesetzes dem Schutz aller Eigentümer der in dem Gebiet gelegenen Grundstücke dienen. Die weitreichende nachbarschützende Wirkung beruht auf der Erwägung, dass die Grundstückseigentümer durch die Lage ihrer Anwesen in demselben Baugebiet zu einer Gemeinschaft verbunden sind, bei der jeder in derselben Weise berechtigt und verpflichtet ist. Im Hinblick auf diese wechselseitig wirkende Bestimmung von Inhalt und Schranken des Grundeigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG)) hat jeder Eigentümer - unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung - das Recht, sich gegen eine schleichende Umwandlung des Gebiets durch Zulassung einer gebietsfremden Nutzung zur Wehr zu setzen. Aus der Gleichstellung geplanter und faktischer Baugebiete im Sinne der Baunutzungsverordnung hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung durch § 34 Abs. 2 Baugesetzbuch (BauGB) ergibt sich, dass in diesem Umfang auch ein identischer Nachbarschutz schon vom Bundesgesetzgeber festgelegt worden ist (BayVGH, B.v. 22.1.2020 - 15 ZB 18.2547 - juris). Der Gebietserhaltungsanspruch gilt jedoch nicht gebietsübergreifend oder in Gemengelagen, weil in solchen Fällen das typische Austauschverhältnis zwischen den Grundstücken fehlt, welches den bauplanungsrechtlichen Grund für ein nachbarliches - von konkreten Beeinträchtigungen unabhängiges - Abwehrrecht gegen das Eindringen gebietsfremder Nutzung darstellt (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 28.4.2020 - 9 ZB 18.1493 - juris m.w.N.).
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Das Vorhabensgrundstück befindet sich im unbeplanten Innenbereich des Marktes N. (Beigeladene zu 3). Sowohl das Landratsamt R. als auch der Beigeladene zu 3) haben die Umgebung des Vorhabens im Baugenehmigungsverfahren als Mischgebiet i.S.d.§ 6 Baunutzungsverordnung (BauNVO) eingestuft, wohingegen die Klägerseite von einem allgemeinen Wohngebiet i.S.d. § 4 BauNVO ausgeht.
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Das Gericht teilt die Einstufung der Umgebungsbebauung als faktisches Mischgebiet i.S.d.§ 6 BauNVO nicht. Die Eigenart des Mischgebiets als Baugebietstyp zeichnet sich nach § 6 Abs. 1 BauNVO dadurch aus, dass es sowohl dem Wohnen als auch der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören, dienen soll. Beide Hauptnutzungsarten stehen nicht in einem Rangverhältnis zueinander. Sie stehen als gleichwertige Funktionen nebeneinander, wobei das Verhältnis der beiden Nutzungsarten weder nach der Fläche noch nach Anteilen bestimmt ist (vgl. BVerwG, U. v. 28.4.1972 - BVerwG 4 C 11.69 -, BVerwGE 40, 94 [100]). Dieses gleichwertige Nebeneinander zweier Nutzungsarten bedeutet, dass keine der Nutzungsarten ein deutliches Übergewicht über die andere gewinnen soll (BVerwG, U. v. 25.11.1983 - BVerwG 4 C 64.79 - BVerwGE 68, 207 [210] - juris). Vorliegend liegen das Fachgeschäft für Handarbeiten auf der FlNr. 1167/33 und die Schlosserei auf der FlNr. 1143 bereits zu weit vom Vorhaben entfernt, um noch an einer prägenden Beziehung zum Vorhaben teilzunehmen. Als Umgebung i.S.d. § 34 BauGB sieht das Gericht lediglich die unmittelbar nördlich an der H. H1. straße angrenzende Bebauung und die Bebauung zwischen H. H1. straße und „Am K.berg“ an. In östlicher Hinsicht ist von einer relevanten Prägung bis zur Verbindung H. H1. straße zur Sch. und in westlicher Hinsicht bis zur Abzweigung der H. H1. straße zur H2.straße bei FlNr. 1230/2 auszugehen.
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Diese Umgebung stellt sich dem Gericht allerdings auch nicht als typisches allgemeines Wohngebiet dar. In der unmittelbaren Nachbarschaft des ehemaligen Gasthauses befindet sich ein Pizzalieferservice, der Dorfplatz und die Gebäudlichkeiten zweier großer (ehemaliger) Hofstellen. Erst im Anschluss daran erstreckt sich die Wohnbebauung. Das Gericht sieht auch in der Topographie keinen Grund, die Bebauung nördlich der H. H1. straße und damit den Pizzaservice und eine Hofstelle, die am Augenscheinstermin durchaus noch den Eindruck einer landwirtschaftlichen Prägung erweckte, nicht in die relevante Umgebungsbebauung einzubeziehen. Es ist in diesem Bereich kein trennender Anstieg zum Vorhabensgrundstück ersichtlich. Auch kommt der Straße, einer normalen Ortstraße, selbst keine trennende Wirkung zu. Die unmittelbare Umgebung des ehemaligen Gasthauses vermittelt den Eindruck eines typischen ländlichen Ortskerns. Selbst wenn man davon ausgeht, dass beide Hofstellen nicht mehr aktiv landwirtschaftlich betrieben werden, so vermitteln sie dennoch noch ein landwirtschaftliches Gepräge bzw. wirken jedenfalls nicht als Wohnnutzung. Jedenfalls auf der Hofstelle FlNr. 1120/2 waren auch noch Gerätschaften sichtbar und eine Felderbewirtschaftung erscheint nicht ausgeschlossen. Selbst wenn man aber von einer Aufgabe der landwirtschaftlichen Nutzung ausgehen würde, ist anerkannt, dass auch eine aufgegebene Nutzung noch nachwirken kann. Eine tatsächlich beendete bauliche Nutzung verliert ihre den Gebietscharakter mitbestimmende Kraft dann, wenn sie endgültig aufgegeben worden ist und nach der Verkehrsanschauung mit ihrer Wiederaufnahme nicht mehr zu rechnen ist. Wird eine Bausubstanz nur teilweise beseitigt oder die Nutzung eingeschränkt, so ist der Zeitraum der Nachwirkung tendenziell großzügiger zu bemessen als in den Fällen, in denen der Baubestand oder die Nutzung vollständig beseitigt oder aufgegeben worden ist (BVerwG, U.v. 27.8.1998 - 4 C 5.98 - juris; B.v. 2.10.2007 - 4 B 39/07 - juris). Auf beiden Hofstellen sind typische landwirtschaftliche Gebäude vorhanden und vermitteln den Eindruck eines guten Zustandes und insbesondere auf der Hofstelle FlNr. 1120/2 auch noch einer Nutzung. Eine Wiederaufnahme einer landwirtschaftlichen Nutzung oder jedenfalls einer nicht wohngebietstypischen Nutzung erscheint im Hinblick auf die Gebäudlichkeiten und Hofflächen jederzeit möglich (vgl. zur dörflichen Gemengelage VG Koblenz, U.v. 10.5.2011 - 7 K 1111/10.KO - juris; VG München, B.v. 7.11.2012 - M 1 SN 12.4077 - juris). Auch eine Prägung durch das ehemalige Gasthaus selbst ist nach Ansicht des Gerichts noch anzunehmen. Das Gebäude wurde unstreitig bis Ende 2011 als Gastwirtschaft genutzt. Auch hier gilt, dass eine Prägung nicht bereits mit Ende der Nutzung als aktive Gaststätte Ende 2011 endete. Entscheidend ist vielmehr, ob nach der Verkehrsauffassung mit der Wiederaufnahme der Nutzung zu rechnen war. Das ist vorliegend der Fall. Zwischen der Aufgabe der Nutzung als Gasstätte und der Antragstellung durch die Beigeladenen zu 1) und 2) sind 6 Jahre vergangen. Eine äußerlich sichtbare Beseitigung von Bausubstanz des zwar nicht unter Denkmalschutz stehenden, aber doch historisch erwähnten Gebäudes erfolgte nicht. Dies und auch die zentrale Lage des Gebäudes sprechen dafür, dass mit einer Wiederaufnahme einer Nutzung als Gaststätte zu rechnen war. Ein eindeutiger Aufgabewille bezüglich einer Nutzung als Gaststätte bis zum Zeitpunkt der Antragstellung durch die Beigeladenen zu 1) und 2) ist nicht erkennbar. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Zeitenmodell des Bundesverwaltungsgerichts. Dieses wurde im Zusammenhang mit der erleichterten Zulassung der „alsbaldigen Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle“ entwickelt (BVerwG, U.v. 18.5.1995 - 4 C 20/94 -, BVerwGE 98, 235-248 - juris) und zunächst auf die Frage des Bestandsschutzes übertragen. Danach rechnet die Verkehrsauffassung im ersten Jahr nach der Zerstörung eines Bauwerks stets mit dem Wiederaufbau. Eine Einzelfallprüfung erübrigt sich. Im zweiten Jahr nach der Zerstörung spricht für die Annahme, dass die Verkehrsauffassung einen Wiederaufbau noch erwartet, eine Regelvermutung, die im Einzelfall jedoch entkräftet werden kann, wenn Anhaltspunkte für das Gegenteil vorhanden sind. Nach Ablauf von zwei Jahren kehrt sich diese Vermutung um. Aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.7.1987 ist jedoch bereits erkennbar, dass allgemein darauf abgestellt wird, bis wann mit einem Wiederaufbau bzw. einer Wiederaufnahme der Nutzung nach der Verkehrsausfassung zu rechnen ist (vgl. BVerwG, B.v. 10.7.1987 - 4 b 147/87 - juris). Dies zugrundegelegt, ist gerade bei einer noch vorhandenen Bausubstanz ein großzügigerer Maßstab anzulegen (siehe auch oben), als wenn der Wiederaufbau eines beseitigten Gebäudes in Frage steht. Hierfür spricht auch die Regelung des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB, die gerade auch dem Bestandsschutz bei vorhandener Bausubstanz Rechnung trägt und sogar für den grundsätzlich von Bebauung freizuhaltenden Außenbereich einen Zeitraum von 7 Jahren vorsieht. Es ist daher auch eine Prägung des Gebiets durch das ehemalige Gasthaus noch anzunehmen.
44
Nach alledem ist insgesamt davon auszugehen, dass eine Gemengelage vorliegt und sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des streitgegenständlichen Vorhabens damit nach § 34 Abs. 1 BauGB richtet. Ein Berufen der Kläger auf den Gebietserhaltungsanspruch scheidet damit bereits aus diesem Grunde aus. Ein Nachbar, der sich auf der Grundlage des § 34 Abs. 1 BauGB gegen ein Vorhaben im unbeplanten Innenbereich wendet, kann im Fall einer Gemengelage klageweise mit Einwendungen gegen die Nutzungsart nur dann durchdringen, wenn die angefochtene Baugenehmigung gegen das im Tatbestandsmerkmal des Einfügens enthaltene Gebot der Rücksichtnahme verstößt (BayVGH, B.v. 22.1.2020 - 15 ZB 18.2547 - beck-online).
45
Lediglich ergänzend wird angemerkt, dass auch im Falle des Vorliegens eines faktischen allgemeinen Wohngebiets i.S.d. § 4 BauNVO das Berufen auf den Gebietserhaltungsanspruch für die Kläger nicht zielführend gewesen wäre. Unabhängig davon, ob und in welchem Umfang das geplante Vorhaben vorliegend dem Beherbergungsgewerbe zuzuordnen ist, scheidet ein Anspruch jedenfalls deswegen aus, weil ein Boardinghouse im allgemeinen Wohngebiet nicht gebietsfremd ist. Ein Boardinghouse stellt eine Übergangsform zwischen einer Wohnnutzung und einem Beherbergungsbetrieb dar, wobei die schwerpunktmäßige Zuordnung von den konkreten Verhältnissen des Einzelfalls abhängt (vgl. OVG BW, B.v 6.7.2006 - OVG 2 S 2.06 - BauR 2006, 1711 - juris; OVG MV, U.v. 19.2.2014 - 3 L 212/12 - BauR 2015, 81 - juris). Soweit eine solche Nutzung schwerpunktmäßig als Wohnen ohne die für einen Beherbergungsbetrieb typischen Dienstleistungsbereiche, wie etwa Speise- und Aufenthaltsräume mit zugehörigem Personalservice, erfolgen würde, läge dies innerhalb der einer Wohnnutzung eigenen Variationsbreite und wäre nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO im allgemeinen Wohngebiet allgemein zulässig. Ginge die Nutzung darüber hinaus und wäre sie als Beherbergungsbetrieb zu qualifizieren, läge wegen der ausnahmsweisen Zulässigkeit von Beherbergungsbetrieben im allgemeinen Wohngebiet (vgl. § 4 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO) ebenfalls keine den Gebietserhaltungsanspruch auslösende gebietsfremde Nutzung vor (vgl. BayVGH, B.v. 9. 12.2016 - 15 CS 16.1417 - juris m.w.N.).
46
Auch auf eine Verletzung der Kläger im Gebot der Rücksichtnahme, welches vorliegend im Einfügensgebot des § 34 Abs. 1 BauGB gesetzlich verankert ist, liegt nicht vor. Dies gilt selbst unter der Annahme, dass auch die Wohnungen und Apartments dem Beherbergungsgewerbe zuzurechnen wären. Insbesondere ergibt sich eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme nicht aufgrund der Stellplatzsituation.
47
Dem bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme kommt drittschützende Wirkung zu, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Die Interessenabwägung hat sich daran zu orientieren, was dem Rücksichtnahmebegünstigten und was dem Rücksichtnahmeverpflichteten jeweils nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung des Begünstigten ist, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständiger und unabweisbarer die Interessen des Bauherrn sind, desto weniger muss er Rücksicht nehmen (BayVGH, B.v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 - juris).
48
Das Gebot der Rücksichtnahme ist verletzt, wenn durch das geplante Vorhaben die Nutzung des Nachbargrundstücks unzumutbar beeinträchtigt wird. Das kann beim Fehlen von erforderlichen Stellplätzen ausnahmsweise der Fall sein, wenn der durch den Stellplatzmangel bewirkte Park- und Parksuchverkehr den Kläger unzumutbar beeinträchtigt oder wenn die bestimmungsgemäße Nutzung dessen Grundstücks nicht mehr oder nur noch eingeschränkt möglich ist.
49
Nicht entscheidend hierfür ist, ob hinsichtlich der streitgegenständlichen Baugenehmigung die Stellplatzpflicht im Einklang mit Art. 47 BayBO erfüllt wird, da diese Norm dem öffentlichen Interesse dient und nicht nachbarschützend ist (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 5.3.2014 - 2 M 154/13 - juris). Entscheidend ist vorliegend vielmehr, ob durch die fehlende Forderung von Stellplätzen in der streitgegenständlichen Baugenehmigung ein Parkplatzsuchverkehr ausgelöst wird, der zu unzumutbaren Beeinträchtigungen für die Kläger führt. Soweit die Kläger befürchten, dass auf Grund eines Zuparkens der Engstellen vor ihrem Anwesen Einsätze von Rettungsfahrzeugen oder der Feuerwehr beeinträchtigt werden könnten, ist anzumerken, dass individuelles Fehlverhalten außer Betracht zu bleiben hat. So kann eine Behinderung durch nicht regelgerechtes Parken der streitgegenständlichen Baugenehmigung nicht angelastet werden. Ihm ist vielmehr mit entsprechenden Regelungen durch die Straßenverkehrsbehörde und einer Überwachung dieser entgegenzutreten. Bislang wurden solche Maßnahmen nicht als erforderlich gesehen. Anhaltspunkte dafür, dass die Kläger in der Erreichbarkeit oder Nutzbarkeit ihres Anwesens durch die streitgegenständliche Baugenehmigung bei einer Nutzung des Anwesens im genehmigten Umfang (5 Wohnungen, 3 Apartments und 8 Fremdenzimmer) bei regelgerechtem Verhalten der Gäste unzumutbar beeinträchtigt würden, bestehen nicht. Auch wenn den Klägern zuzugeben ist, dass ein Vorhandensein von nur 6 dem Vorhaben zugeordneten Stellplätzen in natura unbefriedigend sein mag, ergibt sich hieraus noch nicht per se eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme. Wie ausgeführt, bedürfte es hier - unabhängig von der Frage, ob die fehlenden Stellplätze überhaupt der streitgegenständlichen Baugenehmigung angelastet werden können - jedenfalls unzumutbarer Auswirkungen auf die Kläger, was bei der Größe des Vorhabens nicht zu erwarten ist. Die Kläger sind Anlieger einer öffentlichen Straße und müssen mit Verkehrsbewegungen auf dieser rechnen. Besonderheiten eines Parkplatzsuchverkehrs gegenüber normalen Verkehrsbewegungen auf der am Anwesen der Kläger vorbeiführenden Straße vermag das Gericht nicht zu erkennen. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit das streitgegenständliche Vorhaben zum vorgetragenen Verkehrschaos führen soll. Anders als bei Veranstaltungen, z.B. in Sportstätten oder Gasthäusern, ist bei einem Beherbergungsbetrieb nicht mit einer gleichzeitigen An- und Abreise der Gäste zu rechnen, die im Übrigen auch in ihrer Anzahl bei der vorgesehenen Größe nicht vergleichbar sein dürften.
50
Soweit die Kläger vorbringen, dass der Dorfplatz nun ein Ort der Ruhe und Beschaulichkeit sei, ist dies für eine Verletzung der Kläger in ihren eigenen Rechten nicht relevant. Die Kläger sind nicht die Sachwalter des Dorfplatzes und können sich auch nicht auf ihr Bedürfnis nach Ruhe auf einem öffentlichen Platz berufen, der im Übrigen teilweise als Parkplatz genutzt wird.
51
Auch bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass das streitgegenständliche Vorhaben durch seine Nutzung - sowohl Wohnen als auch Beherbergungsgewerbe - sonstige gegenüber den Klägern rücksichtslose Auswirkungen hat, zumal hierbei auch von einer gewissen Vorbelastung durch das ehemalige Gasthaus auszugehen ist (s.o.). Einen Anspruch der Kläger, dass es auch in Zukunft so ruhig bleibt, wie zu Zeiten des Leerstandes des ehemaligen Gasthauses, gibt es jedoch nicht.
52
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
53
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Dabei waren die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) und 2) nicht aus Billigkeitsgründen gemäß § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig zu erklären, weil sie keinen Antrag gestellt und daher auch kein Prozesskostenrisiko getragen haben (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Der Beigeladene zu 3) stellte hingegen einen Antrag, so dass eine hälftige Kostentragung der Verfahrenskosten angemessen erscheint (§ 154 Abs. 3 VwGO).
54
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).