Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 20.01.2022 – AN 2 K 20.02658
Titel:

Ungültigerklärung des Doktorgrads

Normenketten:
BayHSchG Art. 61 Abs. 3 S. 2 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 9, Art. 64 Abs. 1 S. 5
FPromO 2013 § 2 S. 1, § 4
RPromO 2013 § 4, § 8, § 23 S. 1, S. 3, § 25
GG Art. 3 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die Ermächtigungsregelung nach Art. 64 Abs. 1 S. 5 BayHSchG iVm Art. 61 Abs. 3 S. 2 Nr. 9 BayHSchG ist insbesondere mit Blick auf die Regelungen der Beklagten kraft Satzung betreffend die Ungültigerklärung des Doktorgrads hinreichend bestimmt. Auch ist der Vorbehalt des Gesetzes gewahrt. (Rn. 61) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Regeln wissenschaftlichen Arbeitens sind iSv § 23 S. 1 Var. 4 Rahmenpromotionsordnung der FAU (RPromO) sonst schwerwiegend verletzt, wenn Ausmaß und Intensität dieser Verletzung hinreichend der Täuschungsvariante entsprechen. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn Promovierende zum einen volle Tatsachenkenntnis darüber besitzen, wie sie in ihrer Arbeit zitiert und fremde Inhalte verwendet haben und zum anderen – ggf. auch ohne Täuschungsvorsatz – volle Tatsachenkenntnis hinsichtlich der Umstände besitzen, aus denen sich ergibt, dass Leser ihrer Dissertation diese als Ausdruck eigener Gedanken verstehen müssen, obwohl dies tatsächlich in einem solchen Umfang nicht der Fall ist, dass nicht mehr von einer eigenständigen Promotionsleistung ausgegangen werden kann. (Rn. 63) (redaktioneller Leitsatz)
3. Auch der Umstand, dass der Prüfling seine Dissertation nicht in seiner Muttersprache verfasst hat, entkräftet oder relativiert den Vorwurf wissenschaftlichen Fehlverhaltens nicht. Vielmehr verlangt der prüfungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit, dass an alle Prüflinge – hier an alle Promovierenden – dieselben Anforderungen gestellt werden. (Rn. 69) (redaktioneller Leitsatz)
4. Mit der Ungültigerklärung des Doktorgrads ist auch ein generalpräventiver Zweck verbunden. Dieser ginge weitgehend verloren, könnten Promovierende die Ungültigerklärung durch Nachbesserung abwenden. (Rn. 77) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ungültigerklärung einer Promotionsleistung, Promotion, Dissertation, Doktorgrad, Entziehung, Ungültigerklärung, Plagiat, Täuschung, Umfang, Regeln wissenschaftlichen Arbeitens, Verletzung, Vorsatz, Muttersprache, Verhältnismäßigkeit, Ermessen, Nachbesserung, Chancengleichheit
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 20.11.2023 – 7 ZB 22.1396
Fundstelle:
BeckRS 2022, 12633

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen. 
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. 
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten um die Ungültigerklärung des Doktorgrads des Klägers.
2
Mit Schreiben vom 27. August 2009 ließ der Promotionsausschuss der Medizinischen Fakultät der Beklagten den Kläger unter Bezugnahme auf dessen Antrag vom 25. Mai 2009 zum Promotionsverfahren betreffend den Doktorgrad der Zahnheilkunde zu. In dem Schreiben wird insbesondere auf § 4 Abs. 5 der Promotionsordnung hingewiesen, wobei die Vorschrift dahingehend wiedergegeben ist, die Dauer der Dissertation betrage mindestens sechs Monate und in der Regel bis zu drei, maximal vier Jahre. Bei Überschreiten dieser Grenze werde die seinerzeitige Annahme als Doktorand unwirksam und das Betreuungsverhältnis erlösche. Ausnahmen bedürften der Genehmigung durch den Dekan.
3
Des Weiteren enthält die Promotionsakte der Beklagten einen bei ihr am 22. Oktober 2014 eingegangenen Antrag des Klägers auf Zulassung zur Promotion gemäß § 8 Rahmenpromotionsordnung bzw. § 8 Fakultätspromotionsordnung. Zudem erklärt der Kläger mit seiner Unterschrift vom 22. Oktober 2014 auf einem entsprechenden Formblatt insbesondere, die Dissertation und die in ihr dokumentierten wissenschaftlichen Leistungen seien eigenständig und ohne unerlaubte Hilfe angefertigt und alle verwendeten Quellen und Hilfsmittel sowie wörtlich oder sinngemäß entnommene Stellen aus anderen Werken seien als solche kenntlich gemacht worden.
4
Nach mündlicher Prüfung am … 2015 und Anerkennung der Dissertation mit dem Titel „…“ verlieh die Beklagte dem Kläger am … 2015 den Grad eines Doktors der Zahnheilkunde mit dem Prädikat … Am 9. Mai 2017 teilte Dr. … der Beklagten per E-Mail sinngemäß mit, er sei im Rahmen einer Literaturrecherche auf die Dissertation des Klägers gestoßen. Die ersten Zeilen der Dissertation seien ihm beim Überfliegen des Texts merkwürdig bekannt vorgekommen, sodass er die Arbeit genauer untersucht habe. Es habe sich herausgestellt, dass ein großer Teil seiner Dissertation aus … zu einem ähnlichen Thema im Wortlaut eins zu eins kopiert worden sei. Auf Bitte der Beklagten übersandte Dr. … am 12. Mai 2017 per E-Mail die Dissertation des Klägers sowie seine eigene Dissertation (an der …*) jeweils versehen mit Markierungen der fraglichen Textpassagen.
5
Die Dissertation des Klägers umfasst insgesamt … Seiten. Ohne Titelblatt, Inhalts- und Literaturverzeichnis, Danksagung, Lebenslauf, Zusammenfassung und eidesstattlicher Versicherung beläuft sich der Umfang der Arbeit auf … Seiten. In der Arbeit finden sich jedenfalls folgende Textpassagen:
6
Der Kläger äußerte sich zu dem Sachverhalt erstmals mit Schreiben vom 17. Juli 2017 und führte sinngemäß aus, nach Rücksprache mit Prof. Dr. … - seinem Doktorvater - wolle er mitteilen, dass die von ihm verwendeten Quellen aus Dr. … Dissertation angegeben seien. Jedoch stimme er zu, dass die Übernahme im Wortlaut von ihm als Zitat hätte kenntlich gemacht werden müssen, typischerweise durch Verwendung von Anführungszeichen. Es sei ein „Versäumnis der richtigen Formalität“ seinerseits, für das er um Nachsicht bitte.
7
In der Folge befasste sich die Ständigen Kommission zur Untersuchung von Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens der Beklagten (künftig: Ständige Kommission) mit dem Vorgang. In der Sitzung der Kommission vom 4. August 2017 bezog der Kläger persönlich Stellung.
8
Mit Schreiben vom 7. August 2017 teilte Prof. Dr. … dem Präsidenten der Beklagten insbesondere sinngemäß mit, die Ständige Kommission sei in ihrer Sitzung vom 23. Juni 2017 über den Plagiatsvorwurf informiert worden. In der Sitzung vom 4. August 2017 habe sich die Kommission mit dem Fall beschäftigt. Das vorgelegte Material und die belegten Beispiele reichten aus, um den Vorwurf eines mindestens grob fahrlässigen wissenschaftlichen Fehlverhaltens zu bestätigen.
9
Mit Schreiben vom 29. Januar 2018 teilte die Zentrale Universitätsverwaltung dem Kläger sinngemäß im Wesentlichen mit, die Ständige Kommission habe seine Dissertation überprüft und sei zu dem Ergebnis gelangt, dass der Vorwurf wissenschaftlichen Fehlverhaltens zutreffe. Dies ergebe sich aus der Vielzahl an plagiierten Passagen der Arbeit. Die Beklagte beabsichtige, das Verfahren zur Entziehung des verliehenen Doktorgrads einzuleiten. Gelegenheit zur Stellungnahme bestehe bis 20. April 2018.
10
Hierauf teilte der Kläger mit E-Mail vom 19. April 2018 sinngemäß im Wesentlichen mit, er habe die betroffenen Textstellen überprüft und sei wieder zu dem Ergebnis gelangt, die notwendigen Quellenangaben seien vorhanden. Jedoch entspreche die Zitierweise ohne Anführungszeichen der eines indirekten Zitats. Die Textteile aus der Dissertation von Dr. … hätten zur Klarstellung als Zitate kenntlich gemacht werden sollen. Er stimme somit zu, dass die verwendete Zitierweise nicht den Vorgaben für direkte Zitate entspreche. Dennoch wolle er den Vorwurf wissenschaftlichen Fehlverhaltens deutlich und entschieden zurückweisen. Er habe die Dissertation in deutscher Sprache und somit nicht in seiner Muttersprache - diese sei … - verfasst. Er habe angenommen, die übernommenen Textpassagen aus anderen Quellen seien durch Nennung des Autors in Klammern richtig zitiert. Ihm sei nicht bewusst gewesen, dass Anführungsstriche dazugehörten. Er habe sich die Richtlinien der Zitierweise auf der Webseite der Beklagten mehrmals durchgelesen. Aus dieser Anleitung sei nicht ersichtlich, dass Zitate mit Anführungsstrichen zu versehen seien. Er habe auf seine Quellen Bezug genommen und nichts verheimlicht. Er habe in Deutschland … studiert, im Übrigen sei … anerkannt worden. Er habe sich an die Vorgaben seines Doktorvaters gehalten, als er seine Doktorarbeit erstellt habe. Ihm sei nicht bewusst gewesen, dass die äußere Form der Darstellung, insbesondere Quellenangaben, nicht weiter überprüft würden. Hätte er das gewusst, hätte er dies selbstverständlich anders dargestellt und auch das ein oder andere angepasst. Er wolle sich dafür entschuldigen, dass die genannten Formfehler entstanden seien. Hervorheben wolle er allerdings, dass Grund der Fehler weder eine bewusste Täuschung noch der Versuch sei, die Urheberschaft zu verbergen. Sonst sei die Tatsache, die sich wie ein roter Faden durch seine Arbeit ziehe, nicht schlüssig und erklärlich, dass er immer den Autor in Klammern benannt habe. Für seine Versäumnisse in formeller Hinsicht bitte er um Nachsicht. Er wolle abschließend um Erlaubnis bitten, die kritisierten Stellen zu korrigieren und die Arbeit zur weiteren Prüfung nochmals vorzulegen.
11
Am … 2018 beschloss der Promotionsausschuss der Medizinischen Fakultät die Ungültigerklärung des dem Kläger am … 2015 verliehenen akademischen Grads eines Doktors der Zahnmedizin.
12
Mit Bescheid vom … 2018 - die entsprechende Postzustellungsurkunde weist eine Zustellung beim Kläger durch Einlegung in den Briefkasten von Geschäftsräumen am 9. Mai 2018 aus - wurde der von der Medizinischen Fakultät der Beklagten am … 2015 verliehene akademische Grad eines Doktors der Zahnheilkunde für ungültig erklärt (Ziff. 1 des Bescheids). Dem Kläger wurde aufgegeben, die Promotionsurkunde vom … 2015 binnen zwei Wochen ab Eintritt der Bestandskraft des Bescheids an die Beklagte zurückzugeben (Ziff. 2 des Bescheids). Kosten wurden nicht erhoben (Ziff. 3 des Bescheids).
13
Zur Begründung ist in dem Bescheid sinngemäß im Wesentlichen ausgeführt, zuständiges Organ für die Entscheidung sei der Promotionsausschuss. Nach der Prüfungsordnung könne der verliehene Doktorgrad für ungültig erklärt werden, wenn der Kandidat bei der Anfertigung der Dissertation eine Täuschung begangen oder sonst Regeln wissenschaftlichen Arbeitens schwerwiegend verletzt habe. Hier seien beide Alternativen erfüllt.
14
Eine Täuschung liege vor, wenn beim zuständigen Promotionsorgan ein Irrtum über Tatsachen hervorgerufen werde, die für die Bewertung der Dissertation erheblich seien. Eine Täuschung über die Eigenständigkeit der Leistung liege vor, wenn in der Dissertation Texte aus Werken Dritter ohne Angabe der korrekten Originalquelle in einem solchen Ausmaß übernommen würden, dass es ausgeschlossen sei, die Dissertation noch als eigene wissenschaftliche Leistung anzusehen. Die Eigenständigkeit einer wissenschaftlichen Leistung können nur dann zuverlässig beurteilt werden, wenn das Zitiergebot beachtet werde. Subjektiv genüge für die Täuschung bedingter Vorsatz. Nach der Rechtsprechung lasse eine Vielzahl an Plagiaten den Schluss zu, fremde Passagen seien wiederholt und planmäßig als eigenständige wissenschaftliche Arbeit ausgewiesen worden. Eine solche systematische und planmäßige Übernahme fremden Gedankenguts ergebe sich bereits daraus, dass sich Plagiate an mehreren Stellen der Dissertation auffinden ließen und verschiedene Fremdautoren beträfen. Keine bloß nachlässige Vorgehensweise sei mehr anzunehmen und stattdessen von einer vorsätzlichen Begehungsweise auszugehen, je häufiger Textstellen mit verschleierter Herkunft in der Dissertation enthalten seien. Die konkrete Beurteilung sei danach anhand des quantitativen Anteils der Plagiatsstellen und ihrem qualitativen Gewicht im Sinne der Bedeutung für die wissenschaftliche Aussagekraft der Arbeit vorzunehmen. Eine quantitative Prägung liege dabei vor, wenn die Anzahl der Plagiatsstellen und deren Anteil an der Arbeit angesichts des Gesamtumfangs überhandnähmen. Qualitativ prägten die Textstellen die Promotion, wenn die übrige Dissertation inhaltlichen Anforderungen an eine beachtliche wissenschaftliche Leistung nicht mehr genüge.
15
Dies treffe auf die vorliegende Dissertation zu. Die wissenschaftlichen Ausführungen der Dissertation umfassten … Seiten, auf denen mindestens 32 vollwertige Plagiatstextstellen aufgefunden worden seien. An sämtlichen dieser Textstellen seien keinerlei Hinweise auf die Herkunft bzw. Quelle enthalten. Die Textstellen befänden sich überwiegend im Hauptteil der Arbeit, nämlich zu einem Anteil von ca. 60%. Daneben seien Plagiatsstellen im Einleitungsteil sowie im Diskussionsteil zu finden. Entgegen der Angaben des Klägers in der Sitzung der Ständigen Kommission beträfen die Plagiatsstellen Textübernahmen aus den Werken der Autoren … und … Ungeachtet dessen werde eine eigenständige wissenschaftliche Leistung auch deshalb angezweifelt, da die Arbeit in der Gesamtschau eine enorme Anzahl an wörtlich und sinngemäß aus fremden Werken übernommenen Texten - wenn auch falsch zitiert - enthalte. Die Dissertation enthalte 62 wörtlich und sinngemäß übernommene Textstellen auf über … Seiten. Damit sei deutlich mehr als die Hälfte der gesamten Arbeit betroffen. Es falle auf, dass teilweise ganze Absätze, auch über eine vollständige Seite hinweg wörtlich oder sinngemäß übernommen worden seien. Dies betreffe insbesondere den Gliederungspunkt „Einleitung und Diskussion“, der mehr als andere Teile der Dissertation durch eigene, selbstständige wissenschaftliche Auseinandersetzungen und Ausführungen geprägt sein sollte.
16
Eine Täuschungsabsicht ergebe sich zusätzlich daraus, dass der Kläger eine Erklärung abgegeben habe, wonach die Dissertation selbstständig angefertigt worden sei, keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel verwendet und alle Erkenntnisse, die aus dem Schrifttum übernommen worden seien, als solche kenntlich gemacht und nach ihrer Herkunft und unter Bezeichnung der Literaturstelle nachgewiesen worden seien. Die Gutachter seien über die Tatsache getäuscht worden, dass die vorgelegte Dissertation auf einer selbstständigen wissenschaftlichen Arbeit beruhe.
17
Unerheblich sei, dass der Kläger die Dissertation in deutscher Sprache und nicht in seiner Muttersprache verfasst habe. Die Promotionsordnung entspreche dem Grundsatz der Chancengleichheit für alle Doktoranden, gleich welcher Herkunft. Es könne und dürfe daher keinen Unterschied machen, welche Vorkenntnisse und Grundfähigkeiten ein Doktorand im Einzelfall aufweise.
18
Auch seien die Regeln wissenschaftlichen Arbeitens schwerwiegend verletzt. Die Anforderungen, die an den Nachweis wissenschaftlichen Arbeitens zu stellen seien, ergäben sich aus dem Gebot wissenschaftlicher Redlichkeit. Dieses wiederum erfordere, geistiges Eigentum Dritter durch Kenntlichmachung nachprüfbar zu machen. Dies ergebe sich auch aus der Promotionsordnung, wonach die Richtlinien … zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis in der jeweils gültigen Fassung zu berücksichtigen seien. Letztere seien der Satzung zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis und zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten an … zu entnehmen. Danach liege wissenschaftliches Fehlverhalten vor, wenn schuldhaft - vorsätzlich oder grob fahrlässig - gegen Standards guter wissenschaftlicher Praxis verstoßen werde. Dies sei insbesondere der Fall, wenn in wissenschaftserheblichem Zusammenhang vorsätzlich oder grob fahrlässig Falschangaben gemacht würden, geistiges Eigentum anderer verletzt oder die Forschungstätigkeit Dritter erheblich beeinträchtigt werde. Wissenschaftliches Fehlverhalten liege auch vor, wenn Falschangaben im Sinne eines Verfälschens durch Unterdrückung oder Manipulation von für Forschungsfragen relevanten Daten, Quellen, Belegen, Texten u.a. getätigt würden. Dasselbe gelte soweit geistiges Eigentum dadurch verletzt werde, dass fremde urheberrechtlich geschützte Werke oder wesentliche, fremde wissenschaftliche Erkenntnisse, Hypothesen, Lehren oder Forschungsansätze unter Anmaßung eigener Autorenschaft unbefugt verwertet würden (Plagiat) oder der Inhalt verfälscht werde.
19
Die Arbeit verletze durch die Plagiate, die Angabe falscher Quellen sowie durch Verstöße gegen die geltenden Regeln des Zitiergebots auch schwerwiegend die Regeln wissenschaftlichen Arbeitens. Dies ergebe sich aus dem Umfang der Plagiate. Eine Heilung der Mängel durch Verweis auf unbedenkliche Teile der Arbeit scheide aus. Aufgrund der Anzahl der Verstöße könne nicht mehr von fahrlässigem Vorgehen ausgegangen werden. Die Zitierregeln seien systematisch verletzt, so dass gegen die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis verstoßen worden sei. Daraus könne geschlossen werden, dass die sich möglicherweise daraus ergebenden Konsequenzen billigend in Kauf genommen worden seien und folglich mit bedingtem Vorsatz, mindestens jedoch grob fahrlässig gehandelt worden sei. Der Kläger habe nicht zuletzt Verstöße gegen das Zitiergebot zugegeben.
20
Soweit sich der Kläger dahingehend eingelassen habe, die korrekte Art insbesondere des wörtlichen Zitierens sei ihm nicht bekannt gewesen und weder auf der Internetseite der Beklagten noch an anderer Stelle seien Hinweise zu den Zitierregeln aufzufinden gewesen, handele es sich um eine Schutzbehauptung. Dies gelte auch für die Behauptung, der Kläger habe nach den Vorgaben seines Betreuers gehandelt. Alle Anforderungen an die Promotionsleistung ergäben sich aus der Rahmen- und Fachpromotionsordnung sowie aus der … Diese Regelungen würden ungeachtet subjektiver Unkenntnis gelten. Insoweit treffe den Kläger die Pflicht, sich rechtzeitig und vollständig über die Einzelheiten der Anforderungen und Regelungen in Kenntnis zu setzen. Angesichts der strikten Regelungen sei es daher nicht glaubwürdig, dass der Betreuer der Arbeit abweichende Vorgaben gemacht habe. Ungeachtet dessen ergäben sich alle relevanten Informationen auch aus der von dem Kläger im Rahmen seiner Anhörung vor der Ständigen Kommission selbst angegebenen Internetseite. Dort werde insbesondere auf die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis hingewiesen, wonach nicht nur eine eigenständig verfasste wissenschaftliche Abhandlung vorzulegen, sondern diese auch methodisch einwandfrei und selbstständig zu lösen sei. Dort sei auch auf die bei der Beklagten geltenden Zitierrichtlinien verlinkt, die wiederum auf die Zitierweise des Harvard-Systems und auf die Zitierweise des Springer-Verlags sowie auf die … verwiesen.
21
Die Ungültigerklärung entspreche auch pflichtgemäßer Ermessensausübung und sei verhältnismäßig. Aufgrund der erhobenen Vorwürfe sei ein Tätigwerden der Beklagten im Rahmen der Selbstkontrolle der Wissenschaft angezeigt gewesen, um zu überprüfen, ob die anerkannten wissenschaftlichen Standards der Beklagten und die der Wissenschaftsgemeinschaft insgesamt eingehalten worden seien (Entschließungsermessen). Die Ungültigerklärung entspreche auch pflichtgemäßem Auswahlermessen. Die entsprechende Rechtsgrundlage verfolge den Zweck, die Lauterkeit des wissenschaftlichen Arbeitens sicherzustellen und das Ansehen und den wissenschaftlichen Ruf der Beklagten und der dort promovierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu bewahren. Dazu entfalte der Normzweck auch eine generalpräventive Wirkung. Die Ungültigerklärung sei geeignet, diese Zwecke zu erreichen. Sie sei zur Zweckerreichung auch erforderlich. Mildere Mittel kämen vorliegend nicht in Betracht. Insbesondere stelle die Herabsetzung der Promotionsnote kein milderes Mittel dar. Dies sei keine zulässige Rechtsfolge der einschlägigen Rechtsgrundlagen. Die Ungültigerklärung sei auch angemessen. Abzuwägen seien Vertrauensschutzaspekte sowie grundgesetzliche Rechtspositionen aus Art. 5 Abs. 3, Art. 12 Grundgesetz einerseits und die Wissenschaftsfreiheit der Beklagten und der übrigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler andererseits. Trotz der den Kläger ggf. treffenden beruflichen und sozialen Folgen überwiege das Interesse der Beklagten und der übrigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der Lauterkeit des wissenschaftlichen Arbeitens und dem Ansehen und dem wissenschaftlichen Ruf der Beklagten. Zu berücksichtigen sei insbesondere, dass der Kläger selbst für die Folgen seines Handelns verantwortlich sei. Weiter sei zu berücksichtigen, dass es sich um erhebliche Verstöße gegen die Regeln wissenschaftlichen Arbeitens handele. Besonders schwer wiege der hohe Prozentsatz nicht nachgewiesener Quellen sowie die zahlreichen Verstöße gegen die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis. Die etwaige Bedeutung der Ergebnisse für den wissenschaftlichen Fortschritt könne die Verstöße nicht aufwiegen. Es komme nicht darauf an, ob ohne die beanstandeten Stellen bzw. im Fall jeweils wörtlicher Zitate der Doktorgrad noch verliehen worden wäre. Auch auf ein Verschulden im deliktischen Sinne komme es nicht an. Insoweit könnten Gründe für das damalige Vorgehen - insbesondere sprachliche Hindernisse - die Rücknahmegründe nicht beseitigen. Dies gelte auch für die Mitwirkung des Klägers im Verfahren, das eingestandene Fehlverhalten sowie die Dauer des bisherigen Verfahrens. Auch der Einwand, niemals Täuschungsvorsatz gehabt zu haben, sei unerheblich, da dem Kläger als Doktorand jedenfalls hätte bekannt gewesen sein müssen, dass die fragliche Vorgehensweise unzulässig sei. In einer Gesamtschau überwiege die Wissenschaftsfreiheit der Beklagten und der übrigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die darauf vertrauen könnten und müssten, dass von der Beklagten angenommene Dissertationen den anerkannten Regeln wissenschaftlichen Arbeitens entsprächen. Nach der Promotionsordnung sei die ausgehändigte Promotionsurkunde schließlich zurückzugeben.
22
Gegen den Bescheid legte der Kläger mit Telefax vom 14. Juni 2018, eingegangen bei der Beklagten am selben Tag, Widerspruch ein. Darin und in einer vorausgegangenen E-Mail erklärt er - auch unter Bezugnahme auf eine schriftliche Zeugenaussage … -, der Bescheid sei ihm nicht persönlich zugestellt, sondern von anderen Personen geöffnet in seinen Briefkasten eingeworfen worden, wobei die Post in Gestalt von offenen, mit einem Gummiband versehenen Briefumschlägen am 22. Mai 2018 dem Briefkasten entnommen worden sei.
23
Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 29. April 2020 ließ der Kläger seinen Widerspruch sinngemäß im Kern dahingehend begründen, es läge keine Täuschung im Sinne der Promotionsordnung vor. Unstreitig habe er in seiner Dissertation auf das Werk von Dr. … aus dem Jahr 2009 hingewiesen, teilweise in Klammern innerhalb des Texts, manchmal am Ende eines Absatzes und auch im Literaturverzeichnis. Auch sei nicht richtig, dass auf der Homepage der Beklagten die richtige Zitierweise für Dissertationen erläutert sei. Die Überprüfung der fraglichen Links habe ergeben, dass nicht ersichtlich sei, in welcher Form Zitate dargestellt werden sollten. Es sei lediglich die Rede davon, dass Zitate so in die Dissertation eingebaut werden müssten, dass für andere erkennbar sei, dass die Ausführungen nicht dem Autor der Dissertation entstammten, sondern von Dritten gefertigt seien. Nichts anderes habe er zumindest versucht, in seiner Dissertation klarzustellen. Hierzu sei auch darauf hinzuweisen, dass er kein gebürtiger Deutscher sei. Er habe sein Hochschulstudium in … absolviert und sei erst … nahezu ohne Deutschkenntnisse eingewandert. Von … habe er … Semester in Deutschland studiert und seine Hochschulausbildung … anerkennen lassen können. Erst 2011 habe er mit seiner Facharztausbildung und Promotion starten können. Sein Doktorvater habe ihm die Möglichkeit gegeben, zu promovieren, wobei der Schwerpunkt auf dem fachlichen Inhalt gelegen habe, nicht dagegen auf der deutschen Sprache und der in Deutschland üblichen Darstellungsweise von Forschungsergebnissen. Es gebe kein einheitliches Zitiergebot. Maßgeblich sei, dass für den Leser ersichtlich sei, der niedergeschriebene Sachverhalt verweise auf Ausführungen eines Dritten. Diesem Grundsatz sei auch dann Rechnung getragen, wenn ein Satz oder Absatz mit einer Klammer ende, in der der Urheber der Ausführungen genannt werde. Er habe in seiner Dissertation unterschiedlich zitiert, d.h. nicht einheitlich immer am Ende des Satzes oder am Ende eines Absatzes. Er habe aber kenntlich gemacht, dass er sich auf Ausführungen Dritter berufe. Worin hier eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Täuschung über den Inhalt der Erklärung liegen solle, lasse sich nicht erkennen. Er habe die Herkunft seiner Ausführungen, soweit sie wörtlich zitiert seien, nicht verschleiert, sondern offen angegeben. Lediglich habe er keine Anführungsstriche angefügt. Wenn der Umfang dieser Ausführungen Dritter zu umfassend sei, hätten dies Prüfungskommission und Doktorvater rügen müssen. Er habe fremde Ausführungen nicht als seine eigenen ausgegeben. Es sei etwas unverständlich, dass ihm nun vorgeworfen werde, er habe zu viele Textstellen eines Dritten übernommen. Falsch sei, wenn ausgeführt werde, an sämtlichen Textstellen seien keinerlei Hinweise enthalten, von wem die Ausführungen stammten. Darauf hingewiesen werde, dass er eine eigenständige wissenschaftliche Arbeit mit vierjähriger Forschungstätigkeit erstellt habe, die lediglich auf eine vergleichbare Arbeit verweise und Formulierungen aus dieser Arbeit mangels ausreichender Deutschkenntnisse übernommen habe. Ihm sei es nicht um die Übernahme der Inhalte des Dritten gegangen, da er diese ja in jahrelanger Forschung selbst erarbeitet habe, sondern um die klare grammatikalisch korrekte Darstellung seiner Forschungsergebnisse. Ihm sei nicht bewusst gewesen, dass die Übernahme entsprechender Formulierungen den Anschein erwecken könne, er stelle eine fremde und nicht seine eigene Arbeit dar. Um dies zu vermeiden, habe er immer die Herkunft in seiner Dissertation angegeben. Insgesamt begründe der angegriffene Bescheid nicht den Plagiatsvorwurf an sich, sondern führe aus, die Dissertation stelle keine ausreichende eigenständige Diskussion mit eigenen Forschungsergebnissen dar. Dies betreffe aber letztlich den Inhalt der Dissertation, den der Bescheid mit dem Plagiatsvorwurf verwechsle. Der Inhalt der Dissertation sei abschließend und rechtskräftig in der Promotionsurkunde bewertet worden. Von der objektiven Tatseite - der wörtlichen Übernahme von Textstellen - werde auf den subjektiven Tatvorwurf geschlossen. Dies sei ein gravierender Fehler. Da er seine Fundstellen kenntlich gemacht habe, habe er nicht mit Blick auf seine Erklärung darüber getäuscht, die Dissertation selbstständig angefertigt, keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel verwendet sowie alle Erkenntnisse, die aus anderem Schrifttum übernommen worden seien, als solche kenntlich gemacht zu haben. Auch könne nicht bestätigt werden, dass Textstellen aus den Werken der Autoren … und … ohne Quellenangabe in 32 Fällen entnommen worden seien. Es liege weder eine vorsätzliche noch eine grob fahrlässige Täuschung vor. Die Autoren … und … seien oftmals erwähnt, sodass die damaligen Prüfer gehalten gewesen seien, die Fundstellen zu überprüfen, um festzustellen, ob die streitgegenständliche Promotionsschrift eigene oder fremde Erkenntnisse wiedergebe.
24
Er habe weder falsche Quellen angegeben noch gegen Regeln des Zitiergebots verstoßen. Auch aus der Satzung, auf die die Beklagtenseite hinweise, ergebe sich kein konkretes Zitiergebot, auch werde nicht auf das Harvard-Zitiergebot oder andere Zitiergebote verwiesen. Vorsorglich werde darauf aufmerksam gemacht, dass die Prüfungskommission keinen Prozentanteil mit Blick auf Übernahmen festgestellt habe. Dies sei der Kommission nach eigenen Angaben gar nicht möglichen gewesen, weil ein entsprechendes Programm nicht vorgelegen habe. Es handelt sich insoweit ausschließlich um Schätzungen.
25
Die Entscheidung entspreche auch nicht pflichtgemäßer Ermessensausübung. Insoweit hätte sein Doktorvater und Betreuer befragt werden müssen. Seine eigenen Ausführungen würden als unglaubwürdig bewertet, ohne dies objektiv zu überprüfen. Unabhängig hiervon hätte auch problemlos festgestellt werden können, ob er eigene Forschungsergebnisse wiedergebe, etwa durch eine Anschlussprüfung oder die Möglichkeit, die Promotionsschrift zu ergänzen bzw. nachzubearbeiten. Es sei nicht berücksichtigt worden, dass er seine Dissertation nicht in seiner Muttersprache verfasst habe. Mit der Aberkennung werde eine intensive Forschungsarbeit über vier Jahre mit der Behauptung als wertlos eingestuft, er habe getäuscht. Dies sei ein so weitreichender Vorwurf und ein so weitreichender Eingriff in das Persönlichkeits- und Berufsrecht, dass ihm zumindest die Möglichkeit der Nachbesserung einzuräumen sei. Hätte er die Arbeit in seiner Muttersprache verfasst, wären selbstverständlich keine entsprechenden Textübernahmen notwendig gewesen. Die vorgenommene Ermessensausübung, wenn sie denn überhaupt stattgefunden habe, sei völlig unverhältnismäßig und könne daher keinen Bestand haben.
26
In seiner Sitzung vom 8. September 2020 beschloss der Promotionsausschuss, dem Widerspruch nicht abzuhelfen.
27
Mit Bescheid vom 2. November 2020, der Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 10. November 2020, wies die Beklagte den Widerspruch zurück, wobei keine Kosten erhoben wurden.
28
Zur Begründung ist über die Ausführungen in dem angegriffenen Bescheid hinaus sinngemäß im Kern ausgeführt, der Widerspruch sei zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben, aber unbegründet. Eine Täuschung liege vor. Der Kläger habe an vielen Stellen der Arbeit im Wechsel jeweils die Primärquelle (* …*) und die von Dr. … verwendeten Quellen (Sekundärquellen) angegeben und somit das Ausmaß der wörtlichen Übernahmen vorsätzlich verschleiert. Dem Kläger sei von Anfang an bewusst gewesen, dass er die Dissertation in deutscher Sprache anfertigen würde. Wenn und soweit er sich hierzu nicht in der Lage gesehen habe, hätte er das Promotionsverfahren nicht wie erfolgt durchführen dürfen. Schon im Rahmen der klägerseits abgegebenen Erklärung werde zwischen wörtlicher und sinngemäßer Zitierweise unterschieden. Wörtliche Zitate würden in wissenschaftlichen Publikationen im Fach Medizin nur selten verwendet. Mit der Dissertation werde der Beweis erbracht, dass der Autor in der Lage sei, die fachspezifischen Methoden und wissenschaftlichen Praktiken richtig anzuwenden und Forschungsergebnisse mit eigenen Worten zu formulieren, zu diskutieren und zu gewichten. Zu den elementaren Standards guter wissenschaftlicher Praxis gehöre insbesondere strikte Ehrlichkeit hinsichtlich der Beiträge Dritter. Dies ergebe sich außerdem aus dem Gebot wissenschaftlicher Redlichkeit. Dass hierbei wörtliche Zitate in Anführungszeichen zu setzen seien, sei eine Selbstverständlichkeit und nicht nur der wissenschaftlichen Welt bekannt. Dass der Kläger dies nicht gewusst haben wolle, stelle eine reine Schutzbehauptung dar. Die Zitierregeln seien systematisch verletzt worden. Daraus könne nur geschlossen werden, dass der Kläger die sich möglicherweise daraus ergebenden Konsequenzen billigend in Kauf genommen habe und folglich mit bedingten Vorsatz, mindestens jedoch grob fahrlässig gehandelt habe. Die Ungültigerklärung des Doktorgrads sei nicht aufgrund des Inhalts der Dissertation ausgesprochen worden, sondern allein aufgrund der Tatsache, dass der Kläger bei der Anfertigung der Dissertation getäuscht und auch sonst die Regeln wissenschaftlichen Arbeitens schwerwiegend verletzt habe. Wenn dem Kläger vorgeworfen werde, die Arbeit sei nicht ausreichend mit eigenen wissenschaftlichen Erkenntnissen, Diskussionen und Forschungsergebnissen ausgestattet, liege dies darin begründet, dass die Hälfte der Arbeit plagiiert sei. Der Einwand, die eigene vierjährige wissenschaftliche Forschungsleistung werde durch die fragliche Zitierweise nicht behelligt, überzeuge schon deshalb nicht, weil ohne vollständige Zitate gerade nicht feststellbar sei, wo der selbstständig erarbeitete Beitrag zur wissenschaftlichen Forschung beginne. Die Bewertung der Doktorarbeit im Jahr 2015 beruhe auf der falschen Annahme, der Kläger habe die Arbeit selbstständig formuliert, wie es den Anforderungen an eine eigenständige, wissenschaftliche Leistung entspreche.
29
Der Kläger hat mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 7. Dezember 2020 Klage erhoben.
30
Er trägt über sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren sinngemäß im Wesentlichen vor, die Beklagte gehe davon aus, ca. 60% des Hauptteils seien plagiiert, ohne dies tatsächlich zu belegen. Wenn die Übernahme aus einer anderen Doktorarbeit tatsächlich so gravierend sei, stelle sich die Frage, warum dies bei der Überprüfung und Bewertung seiner Arbeit nicht aufgefallen sei. Allen Prüfern sei durch die Erwähnung der Arbeit von Dr. … bekannt gewesen, dass bereits wissenschaftliche Arbeiten über das gleiche Thema existierten. Daher sei natürlich von Beginn an auch ein Augenmerk darauf zu richten gewesen, ob und wie sich seine Arbeit von der Arbeit Dr. … unterscheide. Warum sei die Darstellung seiner Ergebnisse nicht bereits bei der Bewertung seiner Arbeit thematisiert worden? Es sei doch offensichtlich gewesen, dass er nicht wie angeblich von der Promotionsordnung gefordert auf seine Quellen hinweise. Nicht verständlich sei, warum ihm nicht die Möglichkeit der Nachbesserung bzw. Berichtigung eingeräumt werde. Er habe zu keinem Zeitpunkt getäuscht oder sich mit fremden Federn geschmückt. Er habe lediglich anders als gefordert zitiert, was weder eine Täuschung noch eine Verletzung der Regeln wissenschaftlichen Arbeitens darstelle. Unrichtig sei auch die Behauptung, mehr als die Hälfte der Arbeit sei plagiiert. Dies beruhe auf Schätzungen und nicht auf tatsächlichen Feststellungen. Er habe angeboten, seinen selbstständigen Beitrag zur Doktorarbeit erneut unter Beweis zu stellen. Nur darauf komme es offensichtlich an. Warum werde ihm diese Möglichkeit nicht eingeräumt? Damit könne er problemlos die angebliche Täuschung widerlegen.
31
Der Kläger beantragt, zu erkennen:
Der Bescheid der Beklagten vom …2018, AZ …, in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2.11.2020, zugestellt am 09.11.2020 wird aufgehoben.
32
Die Beklagte beantragt
Klageabweisung.
33
Sie führt über ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren hinaus sinngemäß im Wesentlichen aus, die Bewertung einer Doktorarbeit beinhalte nicht die ganz gezielte Suche nach Plagiaten aufs Geratewohl. Die Gutachter hätten nicht ahnen können, dass der Kläger wörtliche Zitate aus einer anderen Arbeit übernehme, ohne dies mit Anführungszeichen zu kennzeichnen. Es sei für die Gutachter gerade nicht offensichtlich gewesen, dass der Kläger nicht wie gefordert auf seine Quellen hingewiesen habe. Die wörtlich übernommenen Zitate habe der Kläger gerade nicht offengelegt, da er sie nicht in Anführungszeichen gesetzt habe. Der Kläger gebe sogar zu, dass Zitate so in Dissertationen eingebaut werden müssten, dass sie für andere erkennbar seien. Er räume auch ein, zumindest nichts anderes versucht zu haben. Der Versuch allein aber reiche nicht. Mit dem Weglassen der Anführungsstriche und der eingeräumten uneinheitlichen Zitierweise werde eindeutig klar, dass der Kläger das Ausmaß der wörtlichen Textübernahmen vorsätzlich verschleiert habe. Es falle schwer zu glauben, dass der Kläger ernsthaft davon ausgehe, fremde Ausführungen gerade nicht als seine eigenen ausgegeben zu haben. Es sei weder glaubwürdig noch nachvollziehbar, soweit der Kläger konstruieren wolle, es läge keine Täuschung vor, weil er die Quelle angegeben, allerdings keine Anführungszeichen gesetzt habe und dies nur ein methodischer Mangel sei. Die geforderte Möglichkeit zur Nachbesserung der Doktorarbeit im Fall eines nachträglich festgestellten Verstoßes sei weder in der Promotionsordnung vorgesehen noch könne dies sonst in Betracht kommen. Sonst bliebe - wie vorliegend - massives wissenschaftliches Fehlverhalten vollkommen ungeahndet. Dies sei nicht hinnehmbar.
34
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 22. Dezember 2021 haben die Beteiligten jeweils auf die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung verzichtet. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte, insbesondere auf die Sitzungsniederschrift vom 22. Dezember 2021, und auf die beigezogenen Behördenakten einschließlich der eingereichten Dissertation des Klägers Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Gemäß § 101 Abs. 2 VwGO konnte das Gericht aufgrund des beiderseitigen Verzichts ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden.
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I. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
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1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere steht der Zulässigkeit nicht die Widerspruchsfrist nach § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO entgegen. Zwar geht aus der bei der Behördenakte befindlichen Postzustellungsurkunde hervor, dass dem Kläger der Ausgangsbescheid am 9. Mai 2018 zugestellt worden sein soll. Entsprechend wäre die Monatsfrist aus § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO zur Einlegung des Widerspruchs nicht eingehalten, da letzterer erst am 14. Juni 2018 bei der Beklagten eingegangenen ist. Jedoch ist anerkannt, dass die Widerspruchsbehörde in Fällen der Nichteinhaltung der Widerspruchsfrist die Klagemöglichkeit gegen den an sich bestandskräftigen Bescheid neu eröffnet, sofern sie ihre Widerspruchsentscheidung nicht auf die Verfristung stützt, sondern stattdessen in der Sache entscheidet (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 70 Rn. 8 m.w.N.). Jedenfalls dies ist hier der Fall, sodass die Frage offen bleiben kann, ob die Zustellung des Ausgangsbescheids mit dem Vortag des Klägers erst am 22. Mai 2018 erfolgt und damit die Widerspruchsfrist gewahrt ist. Danach kommt es genauso wenig darauf an, ob es dem Kläger gelungen ist, die von der Zustellungsurkunde nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 VwZVG i.V.m. § 182 Abs. 1 Satz 2 ZPO, § 418 Abs. 1, 2 ZPO ausgehende Beweiskraft hinsichtlich des Zeitpunkts der Zustellung zu widerlegen.
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2. Die Klage ist unbegründet. Der angegriffene Bescheid der Beklagten vom … 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. November 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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a) Der angegriffene Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids ist formell rechtmäßig. Insbesondere ist der Kläger nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG vor Erlass des Verwaltungsakts angehört worden. Auch hat auf Grundlage des anwendbaren Rechts mit dem Promotionsausschuss der Medizinischen Fakultät der Beklagten das funktional zuständige Organ über die Ungültigerklärung des Doktorgrads entschieden. Denn anwendbar sind hier die Promotionsordnung für die Medizinische Fakultät (FPromO Med) der … (künftig: FPromO 2013) und die Promotionsordnung der Universität … (RPromO) vom … (künftig: RPromO 2013) (aa), wobei auch nachfolgende Novellierungen des Promotionsrechts der Beklagten hieran nichts geändert haben (bb). Dabei bezieht sich die Anwendbarkeit der RPromO 2013 sowie der FPromO 2013 sowohl auf das Erteilungswie auch auf das Verfahren zur Ungültigerklärung von Doktorgraden (cc). Auf dieser Grundlage folgt aus § 4 Abs. 1 Satz 1 FPromO 2013 i.V.m. § 4 Abs. 1 RPromO 2013 die funktionale Zuständigkeit des Promotionsausschusses (dd). Danach scheidet die funktionale Zuständigkeit des Fachbereichsrats - so noch gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 der hier nicht mehr anwendbaren Promotionsordnung für die Medizinische Fakultät … vom …, zuletzt geändert durch Satzungen vom … und … (künftig: PromO 2006 bzw. 2011) - bzw. des Fakultätsrats aus - so § 4 Abs. 1 Satz 2 der ebenfalls nicht anwendbaren Promotionsordnung … - RPromO - vom … in der Fassung vom …, …, … (künftig: RPromO 2017 bzw. 2019 bzw. 2020). Die spätere Fassung vom … 2021 kann ohnehin außer Betracht bleiben, da diese nach Zustellung des Widerspruchsbescheids am 10. November 2020 in Kraft trat.
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aa) Unabhängig davon, ob der Promotionsantrag des Klägers aus dem Jahr 2009 oder aber aus dem Jahr 2014 maßgeblich ist, sind vorliegend die RPromO 2013 und FPromO 2013 anwendbar. Zwar ist anerkannt, dass im Rahmen von Anfechtungsklagen für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage regelmäßig der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgeblich ist (vgl. etwa BVerwG, U.v. 28.7.1989 - 7 C 39/87 - NJW 1989, 3233, 3234). Danach ist grundsätzlich das im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung geltende Recht zugrunde zu legen. Dieser Grundsatz ist jedoch nicht zwingend, vielmehr kann das materielle Recht Ausnahmen regeln (BVerwG a.a.O.). So liegt der Fall hier, da die Promotionsordnungen der Beklagten ab dem Jahr 2013 nicht etwa mit Inkrafttreten - ggf. versehen mit Ausnahmen im Sinne von Übergangsregelungen - umfassende Geltung für alle Fallgestaltungen beanspruchen, sondern stattdessen positiv ihren Anwendungsbereich allein für genauer geregelte Fallgestaltungen definieren.
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(1) Die Entwicklung der Satzungen … zur Regelung von Promotionsverfahren ist jedenfalls bezogen auf die Medizinische Fakultät geprägt von einem Systemwechsel im Jahr 2013. Während vor 2013 das gesamte Promotionsrecht der Medizinischen Fakultät in einer einzigen Promotionsordnung von 1989, zuletzt in der Fassung von 2011 geregelt war, erging am … mit der RPromO 2013 eine Rahmenpromotionsordnung für alle Fakultäten … Entsprechend regelt § 1 RPromO 2013, dass die Rahmenpromotionsordnung die Grundsätze des Verfahrens zur Verleihung der Doktorgrade … regelt. Allerdings regelt die RPromO 2013 das Promotionsrecht nicht umfassend, sondern gemäß § 1 Satz 2 RPromO in Verbindung mit den (jeweiligen) Fakultätspromotionsordnungen, insbesondere der FPromO 2013 der Medizinischen Fakultät. Aufbau und Struktur der FPromO 2013 gleichen Aufbau und Struktur der RPromO 2013, was im Übrigen auch für spätere Fassungen der genannten Satzungen gilt. In diesem Zusammenhang bestimmt § 1 FPromO 2013 sinngemäß, dass die FPromO 2013 die Rahmenpromotionsordnung ergänzt und deswegen gleichermaßen strukturiert ist; soweit die Fakultätspromotionsordnungen (ergänzende) Regelungen trifft, sind diese an der entsprechenden Stelle eingefügt.
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(2) Das Inkrafttreten sowie Übergangsregelungen der RPromO 2013 sind dort in § 25 geregelt. § 25 Abs. 1 Satz 1 RPromO 2013 sieht vor, dass die Rahmenpromotionsordnung am Tag nach der Bekanntmachung in Kraft tritt. Weiter bestimmt § 25 Abs. 1 Satz 2 RPromO 2013, dass diese Satzung gemäß § 25 Abs. 2 RPromO 2013 Anwendung findet, sobald eine Fakultätspromotionsordnung zu der Rahmenpromotionsordnung in Kraft getreten ist. Nach § 25 Abs. 2 Satz 1 RPromO 2013 wiederum gilt die RPromO 2013 in Verbindung mit den jeweils einschlägigen Fakultätspromotionsordnungen für alle Promotionsverfahren, für die nach Inkrafttreten der RPromO 2013 ein Antrag gemäß § 8 Abs. 1 RPromO gestellt wird. Hierbei handelt es sich um den Zulassungsantrag zur Promotion, der zu Beginn des Promotionsvorhabens nach vorheriger Online-Registrierung schriftlich an das Promotionsorgan zu richten ist. Der Antrag muss gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 RPromO 2013 verschiedene, genauer bezeichnete Unterlagen enthalten, insbesondere einen Lebenslauf, Nachweise und Zeugnisse aller bisherigen Hochschulabschlüsse, Nachweise eines ordnungsgemäßen Fachstudiums sowie eine Betreuungsbestätigung der Betreuerin bzw. des Betreuers der Dissertation mit Angabe des vorläufigen Titels. Weiter sieht § 25 Abs. 2 Satz 2 RPromO 2013 vor, dass „[d]ie FPromO“ regelt, unter welchen Voraussetzungen die alte Fassung der Promotionsordnung für bereits begonnene Promotionsvorhaben anzuwenden ist oder solche Vorhaben in das Verfahren nach neuer Rechtslage übergeleitet werden. Schließlich kann das Promotionsorgan gemäß § 25 Abs. 2 Satz 3 RPromO 2013 auf Antrag zulassen, dass das Verfahren nach der bisherigen Promotionsordnung - der PromO 2011 - durchgeführt wird, wenn die Anwendung der neuen Rahmen- und Fakultätspromotionsordnung zu einer nicht beabsichtigten Härte führen würde.
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Strukturell ähnlich der RPromO 2013 sieht § 25 Abs. 1 Satz 1 FPromO 2013 vor, dass “[d]iese Satzung“ am Tag nach ihrer Bekanntmachung in Kraft tritt. Nach § 25 Abs. 1 Satz 2 FPromO gilt die Satzung für alle Promotionsverfahren, die nach Inkrafttreten der Satzung eröffnet werden. § 25 Abs. 2 FPromO bestimmt, dass - vorbehaltlich § 25 Abs. 3 FPromO 2013 - die PromO 2011 außer Kraft gesetzt wird. Nach § 25 Abs. 3 Satz 1 FPromO 2013 werden nach Inkrafttreten der neuen RPromO und FPromO alle zum Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits eröffnete Verfahren nach der PromO 2011 abgewickelt. Kandidatinnen und Kandidaten, deren Promotionsverfahren bereits zugelassen, aber noch nicht eröffnet war, können wählen, ob sie ihr Verfahren nach der FPromO 2013 oder nach der PromO 2011 ablegen wollen, wobei die Wahl bis spätestens 31. März 2013 gegenüber dem Promotionsbüro schriftlich zu erklären ist.
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(3) Auf dieser Grundlage sind hier die FPromO 2013 und RPromO 2013 unabhängig davon anwendbar, ob auf den Promotionsantrag des Klägers aus dem Jahr 2009 (a) oder aus dem Jahr 2014 (b) abzustellen ist. Auch aus dem Wahlrecht nach § 25 Abs. 3 Satz 2 FPromO (c) oder der Härtefallregelung nach § 25 Abs. 2 Satz 3 RPromO 2013 (d) folgt nichts anderes.
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(a) Sofern auf den Zulassungsantrag aus 2009 abgestellt wird, wurde das ursprünglich durch die PromO 2009 und später durch die PromO 2011 geregelte Promotionsvorhaben des Klägers mit dem Inkrafttreten der RPromO 2013 und FPromO 2013 in neues Recht übergeleitet.
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(aa) Dies folgt allerdings nicht aus § 25 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 RPromO 2013. Denn danach ergibt sich die Anwendbarkeit des neuen Rechts - da die Voraussetzung des Inkrafttretens der FPromO 2013 Anfang 2013 erfüllt war - allein für solche Fälle, in denen der Promotionsantrag gemäß § 8 Abs. 1 RPromO 2013 nach dem Inkrafttreten des neuen Rechts gestellt wird. Daran fehlt es hier, sofern auf den Antrag des Klägers aus dem Jahr 2009 abgestellt wird.
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(bb) Die Überleitung in neues Recht folgt jedoch aus § 25 Abs. 2 Satz 2 RPromO 2013 i.V.m. § 25 Abs. 3 Satz 1 FPromO 2013.
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Wie ausgeführt bestimmt § 25 Abs. 2 Satz 2 RPromO 2013, dass die FPromO regelt, unter welchen Voraussetzungen die alte Fassung der Promotionsordnung - die PromO 2011 - für bereits begonnene Promotionsvorhaben anzuwenden ist oder solche Vorhaben in das Verfahren nach neuer Rechtslage übergeleitet werden. Unter diese Übergangsregelung fällt auch die Arbeit des Klägers. So ist das Tatbestandsmerkmal des Beginnens - bereits dem Wortlaut nach - jedenfalls dann erfüllt, wenn Promovierende mit Außenwirkung in irgendeiner Art und Weise ernsthaft erkennen lassen, ihr Promotionsvorhaben in die Tat umsetzen zu wollen. Danach hat der Kläger sein Promotionsvorhaben jedenfalls deswegen vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts begonnen, weil er dessen Zulassung bereits 2009 beantragt hatte.
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Da damit der Tatbestand aus § 25 Abs. 2 Satz 2 RPromO 2013 erfüllt ist, ist der Verweis der Vorschrift auf die Fakultätspromotionsordnung im Sinne einer Öffnungsklausel einschlägig, wonach die FPromO 2013 regelt, ob für das Promotionsvorhaben altes Recht anzuwenden ist oder aber das Promotionsvorhaben in neues Recht übergeleitet wird. Insoweit sieht § 25 Abs. 3 Satz 1 FPromO vor, dass lediglich bereits eröffnete Promotionsverfahren nach altem Recht abgewickelt werden. Im Umkehrschluss gilt für (noch) nicht eröffnete Promotionsverfahren neues Recht. Andernfalls ergäbe das von § 25 Abs. 3 Satz 1 FPromO 2013 verwendete Differenzierungsmerkmal der Verfahrenseröffnung letztlich keinen Sinn, was systematisch auch dadurch bestätigt wird, dass nach § 25 Abs. 2 FPromO 2013 mit dem Inkrafttreten des neuen Rechts die PromO 2011 vorbehaltlich der Regelung nach § 25 Abs. 3 FPromO 2013 außer Kraft tritt. Auch danach soll grundsätzlich neues Recht gelten, altes Recht hingegen nur in den gemäß § 25 Abs. 3 FPromO 2013 geregelten Ausnahmefällen.
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Der Annahme dieser Differenzierung nach dem Kriterium der Eröffnung bzw. der noch nicht erfolgten Eröffnung des Promotionsverfahrens steht auch nicht entgegen, dass die vorausgehende Regelung des Promotionsrechts gemäß PromO 2011 nicht zwischen Zulassung und Eröffnung des Promotionsvorhabens unterscheidet. So regelt § 2 PromO 2011 allein „Zulassungsvoraussetzungen und Antragsverfahren“, wobei der Zulassungsantrag nach Abs. 1 beim Dekan der Medizinischen Fakultät einzureichen ist (Satz 1) und für den Erwerb des Doktorgrads insbesondere die Dissertation selbst beizufügen ist (Satz 2 Nr. 1). Auch § 2 Abs. 4 Nr. 1 PromO 2011 zeigt, dass nach altem Recht für die Zulassung des Promotionsvorhabens bereits die fertiggestellte Dissertation einzureichen war. Denn die Vorschrift regelt, dass die Zulassung zu versagen ist, wenn die Unterlagen nach Abs. 1 - hierunter fällt auch die Dissertation - unvollständig oder unrichtig sind.
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Gleichwohl kann zur Bestimmung des anwendbaren Rechts gemäß § 25 Abs. 3 Satz 1 FPromO 2013 nicht auf die Differenzierung zwischen zugelassenen und eröffneten Verfahren verzichtet werden, mag auch die PromO 2011 eine solche Differenzierung nicht vorsehen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass § 25 Abs. 3 Satz 1 FPromO 2013 als geltendes Satzungsrecht auf die fragliche Differenzierung abstellt, sodass im Wege der Auslegung zu klären ist, was darunter zu verstehen ist. Dass es sich bei der Differenzierung zwischen Zulassung und Eröffnung keineswegs um ein Redaktionsversehen o.Ä. handelt, zeigt zudem § 25 Abs. 3 Satz 2 FPromO 2013. Danach ist Promotionsstudierenden, deren Verfahren bereits zugelassen, aber noch nicht eröffnet ist, bis zum 31. März 2013 ein schriftlich auszuübendes Wahlrecht zwischen altem und neuen Recht eingeräumt. Auf dieser Grundlage geht aus der der Differenzierung der FPromO 2013 zwischen zugelassenen und eröffneten Verfahren ein Regelungskonzept dahingehend hervor, allein „weit fortgeschrittene“ bzw. bereits eingereichte Dissertationsvorhaben nach altem Recht zu Ende zu führen, während für alle übrigen Promotionsvorhaben neues Recht einschlägig ist. Da eine formale Differenzierung zwischen zugelassenen und eröffneten Verfahren nach der PromO 2006 bzw. 2011 mangels entsprechender Regelungen nicht möglich ist, muss insoweit auf das Verständnis der RPromO 2013 und FPromO 2013 abgestellt werden. So ist nach § 8 Abs. 1 RPromO 2013 der Zulassungsantrag zu Beginn des Promotionsvorhabens nach vorheriger Online-Registrierung zu stellen, während die Eröffnung des Promotionsvorhabens nach § 9 Abs. 1 und 2 RPromO 2013 - ohne dass die FPromO 2013 insoweit Modifikationen vorsehen würde - nicht nur die vorherige Zulassung, sondern insbesondere das Einreichen der Dissertation selbst voraussetzt.
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Nach alledem wurde das laufende Promotionsverfahren des Klägers gemäß § 25 Abs. 2 Satz 2 RPromO 2013 i.V.m. § 25 Abs. 3 Satz 1 FPromO 2013 in neues Recht übergeleitet. Hierin liegt letztlich der strukturelle Unterschied zu der Fallgestaltung in VG Ansbach U.v. 29.6.2020 - 2 K 17.619 - BeckRS 2020, 47315. Denn dort war das Promotionsverfahren bereits vor Inkrafttreten des neuen Rechts 2013 abgeschlossen, so dass kein Verfahren mehr existent war, das hätte übergeleitet werden können. Hier war das Promotionsverfahren des Klägers aber im Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Rechts Anfang 2013 noch nicht im Sinne von § 25 Abs. 3 FPromO 2013 eröffnet. So hatte der Kläger im Jahr 2013 seine Dissertation noch nicht fertiggestellt, so dass noch kein „weit fortgeschrittenes“ Promotionsvorhaben im Sinne einer eingereichten Dissertation vorlag. Nichts anderes ergibt sich, sofern auf den im Promotionsverfahren des Klägers ergangenen Bescheid vom 27. August 2009 abgestellt wird. Denn hierbei handelt es sich sowohl formal als auch materiell um die Zulassung zum Promotionsvorhaben im Sinne von § 25 Abs. 3 FPromO, nicht aber um die Verfahrenseröffnung. So bezieht sich der Bescheid ausweislich seiner Formulierung, also formal betrachtet auf die Zulassung zum Promotionsvorhaben und nicht auf dessen Eröffnung. Aber auch materiell liegt keine Eröffnung des Verfahrens vor, weil es jedenfalls an der insoweit erforderlichen Einreichung der Dissertation fehlt. Im Übrigen kann der Zulassungsbescheid vom 27. August 2009 auch nicht als Zulassung im Sinne von § 2 PromO 2006 bzw. 2011 ausgelegt werden. Zwar mag die Zulassungsentscheidung nach § 2 PromO 2006 bzw. 2011 vergleichbar mit der Eröffnung nach neuem Recht sein, da beide Entscheidungen die eingereichte Dissertation voraussetzen. Jedoch ergibt zumindest die Auslegung des Bescheids vom 27. August 2009 am Maßstab des objektiven Empfängerhorizonts gemäß §§ 133, 157 BGB (vgl. von Alemann/Scheffczyk in Beckscher Online-Kommentar VwVfG, 54. Edition Stand 1.1.2022, § 35 Rn. 46), dass dieser keine Zulassung im Sinne von § 2 PromO 2006 bzw. 2011 ausspricht. Denn der Bescheid weist ausdrücklich auf die maximale Dauer des Dissertationsvorhabens von drei, maximal vier Jahren nach § 4 Abs. 5 PromO 2006 hin. Bei Überschreiten dieser Grenze werde die Annahme als Doktorand unwirksam und das Betreuungsverhältnis erlösche. Auf dieser Grundlage ist für einen verständigen Empfänger des Bescheids in der Situation des Klägers offensichtlich, dass aufgrund der erst in dem genannten Zeitraum einzureichenden Dissertation (noch) keine Zulassung im Sinne von § 2 PromO 2006 bzw. 2011 vorliegt.
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(b) Auch sofern auf den Zulassungsantrag des Klägers aus dem Jahr 2014 abgestellt wird, ergibt sich die Anwendbarkeit der RPromO 2013 sowie der FPromO 2013. Denn in diesem Fall wäre der Promotionsantrag gemäß § 8 Abs. 1 RPromO 2013 nach dem Inkrafttreten des neuen Rechts gestellt, sodass bereits die Übergangsregelungen aus § 25 Abs. 2 Satz 1 RPromO 2013 und § 25 Abs. 1 Satz 2 FPromO zur Anwendbarkeit neuen Rechts führen würden.
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(c) Nichts anderes ergibt sich mit Blick auf das schriftlich auszuübende Wahlrecht nach § 25 Abs. 3 Satz 2 FPromO 2013. Denn ein solches hat der Kläger nach eigenem Vortrag nicht ausgeübt. So hat er im Termin zur mündlichen Verhandlung ausgeführt, schriftlich habe er kein Wahlrecht ausgeübt. Auch bedurfte es insoweit keiner Belehrung o.Ä. durch die Beklagte. Vielmehr obliegt es im Prüfungsrecht den Kandidaten und Kandidatinnen, sich von den ordnungsgemäß veröffentlichten Prüfungsordnungen Kenntnis zu verschaffen (vgl. Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 179). Entsprechend oblag es dem Kläger, sich hinsichtlich etwaiger Gestaltungsmöglichkeiten mit Blick auf den Fortgang seines Promotionsstudiums zu informieren. Schließlich ergibt sich entgegen der im Termin zur mündlichen Verhandlung geäußerten Rechtsauffassung der Klägerseite aus § 25 FPromO 2013 auch hinreichend bestimmt, ob altes oder neues Recht anwendbar ist, sofern kein Wahlrecht ausgeübt wird. Denn in diesem Fall ist die Vorschrift betreffend das Wahlrecht nach § 25 Abs. 3 Satz 2 FPromO mangels Ausübung eines solchen Wahlrechts nicht einschlägig, so dass es bei der Differenzierung nach eröffneten bzw. noch nicht eröffneten Promotionsverfahren nach § 25 Abs. 3 Satz 1 FPromO verbleibt.
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(d) Auch mit Blick auf die Härtefallregelung nach § 25 Abs. 2 Satz 3 RPromO verbleibt es bei der Anwendbarkeit der RPromO 2013 sowie der FPromO 2013. Zwar sieht die genannte Vorschrift vor, dass das Promotionsorgan auf Antrag zulassen kann, dass das Verfahren nach der bisherigen Promotionsordnung durchgeführt wird, wenn die Anwendung der neuen Rahmen- und Fakultätspromotionsordnung zu einer nicht beabsichtigten Härte führen würde. Zu einer solchen (konstitutiven) Zulassung der Anwendbarkeit alten Rechts ist es hier aber nicht gekommen, zumal der Kläger 2015 (nochmals) die Zulassung seines Promotionsvorhabens nach neuem Recht beantragt hat. Auch insoweit oblag es dem Kläger, sich hinsichtlich etwaiger Gestaltungsmöglichkeiten seines Promotionsvorhabens zu informieren.
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bb) Die Anwendbarkeit der RPromO 2013 und FPromO 2013 wird hier auch nicht durch nachfolgende Novellierungen bzw. Änderungen der genannten Satzungen tangiert. Zwar sind bis zur Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids am 10. November 2020 betreffend die RPromO Änderungssatzungen vom …, …, … und … sowie betreffend die FPromO vom … in Kraft getreten. Darüber hinaus trat am … die Fakultätspromotionsordnung der Medizinischen Fakultät … für den Grad eines Dr. med. bzw. Dr. med. dent. (FPromO med./med. dent) in Kraft. Die jeweils in den novellierten Satzungen enthaltenen Übergangsregelungen entsprechen strukturell allesamt § 25 RPromO 2013 und § 25 FPromO 2013. Damit ist vorliegend der - positiv definierte - Anwendungsbereich nach § 25 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 der jeweiligen novellierten Rahmenpromotionsordnungen nicht eröffnet, sodass es insoweit bei der Anwendbarkeit der RPromO 2013 verbleibt. Denn das Promotionsverfahren des Klägers wurde spätestens im Jahr 2015 - verliehen wurde der Doktorgrad am … 2015 - eröffnet, also vor dem Inkrafttreten der geänderten Rahmenpromotionsordnungen aus den Jahren …, …, … und … Auch aus den jeweiligen Öffnungsklauseln der Rahmenpromotionsordnungen nach § 25 Abs. 2 Satz 2, wonach die jeweiligen Fakultätspromotionsordnungen regeln, unter welchen Voraussetzungen bereits begonnene Promotionsvorhaben in das Verfahren nach neuer Rechtslage übergeleitet werden, ergibt sich nichts anderes. Denn im Zeitpunkt der jeweiligen Novellierungen in den Jahren …, …, … und … war das Promotionsverfahren des Klägers bereits abgeschlossen, so dass kein Verfahren mehr existierte, das in neues Recht hätte übergeleitet werden können.
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cc) Auch unter dem Gesichtspunkt, dass das Verfahren zur Ungültigerklärung des Doktorgrads gegenüber dem Verfahren auf Verleihung des Doktorgrads als selbstständiges Verfahren verstanden werden kann, verbleibt es bei der Anwendbarkeit der RPromO 2013 und der FPromO 2013. Zwar ist das ggf. als selbstständig zu betrachtende Verfahren der Ungültigerklärung des Doktorgrads hier im Jahr 2017 eingeleitet worden. Allerdings ist auch hier auschlaggebend, dass die Promotionsordnungen der Beklagten ab 2013 nicht etwa mit Inkrafttreten grundsätzlich Geltung für alle Fallgestaltungen beanspruchen, sondern vielmehr ihren Anwendungsbereich positiv definieren, so dass es im Übrigen bei der Anwendbarkeit alten Rechts verbleibt. Da der Anwendungsbereich in den novellierten Rahmenpromotionsordnungen wie ausgeführt strukturgleich der RPromO 2013 gestaltet ist, ist der Anwendungsbereich für ein selbstständiges Verfahren auf Ungültigerklärung weder nach § 25 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 noch nach der Öffnungsklausel gemäß § 25 Abs. 2 Satz 2 der jeweiligen Rahmenpromotionsordnungen eröffnet. Denn weder in dem ggf. selbstständigen Verfahren auf Ungültigerklärung noch sonst wurde ein von den genannten Vorschriften für die Eröffnung des Anwendungsbereichs erforderlicher Zulassungsantrag nach Inkrafttreten gestellt. Auch die Öffnungsklausel gemäß § 25 Abs. 2 Satz 2 der Rahmenpromotionsordnungen erlaubt jeweils allein die Überleitung bereits begonnener Promotionsvorhaben in neues Recht. Zum einen war das Promotionsvorhaben des Klägers hier aber 2015 bereits abgeschlossen, sodass es keiner Überleitung in neues Recht mehr zugänglich war. Zum anderen kann auch ein selbstständiges Verfahren auf Ungültigerklärung nicht als „bereits begonnenes Promotionsvorhaben“ im Sinne der Öffnungsklausel nach § 25 Abs. 2 Satz 2 der Rahmenpromotionsordnungen oder als „bereits eröffnetes Verfahren“ im Sinne von § 25 Abs. 3 Satz 1 der Fakultätspromotionsordnungen verstanden werden. Denn ein Verfahren auf Ungültigerklärung ist weder ein Promotionsvorhaben noch ist es auf Grundlage der Rahmen- und Fakultätspromotionsordnungen der Zulassung oder Eröffnung zugänglich. Alles andere würde die Grenze möglicher Auslegung überschreiten. Letztlich wäre hierdurch dem Grundsatz der Normenklarheit nicht mehr hinreichend Rechnung getragen (vgl. allgemein Herdegen in Dürig/Herzog/Scholz, GG, Stand Juli 2021, Art. 79 Rn. 154). Dasselbe gilt, wollte man jeweils in § 25 Abs. 2 Satz 1 der Rahmenpromotionsordnungen „hineinlesen“, dass der Anwendungsbereich nicht nur für Promotionsvorhaben eröffnet ist, für die nach Inkrafttreten ein Zulassungsantrag gestellt wird, sondern auch für Verfahren betreffend Ungültigkeitserklärungen, die nach Inkrafttreten der jeweiligen Rahmenpromotionsordnung eingeleitet werden.
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dd) Nach alledem ergibt sich hier auf Grundlage der anwendbaren RPromO 2013 und FPromO 2013 die funktionale Zuständigkeit des Promotionsausschusses. So bestimmt § 23 Satz 1 RPromO 2013, dass das Promotionsorgan - unter näher geregelten Voraussetzungen - den Doktorgrad für ungültig erklären kann. Zudem bestimmt § 4 Abs. 1 RPromO insbesondere, dass die Zuständigkeit des Promotionsorgans in der Fakultätspromotionsordnung geregelt wird. § 4 Abs. 1 Satz 1 FPromO 2013 - mit der Überschrift „Promotionsorgane und Verfahrensgrundsätze“ - sieht vor, dass für die Durchführung des Promotionsvorhabens je ein Promotionsausschuss für die Promotion zum Doktor der Medizin, zum Doktor der Zahnmedizin und zum Doktor der Humanbiologie eingesetzt wird. Da die FPromO auch mit Blick auf die Ungültigerklärung des Doktorgrads keine Spezialregelungen vorsieht und hier auch die Spezialregelung nach § 4 Abs. 2 FPromO 2013 nicht einschlägig ist, wonach zur Abnahme von Promotionsprüfungen eine Prüfungskommission bestellt wird, hat vorliegend mit dem Promotionsausschuss das funktional zuständige Organ der Beklagten gehandelt.
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b) Der angegriffene Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids ist auch materiell rechtmäßig. Die Entscheidung beruht auf § 23 RPromO 2013.
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aa) Art. 64 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. Art. 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2 und 9 Bayerisches Hochschulgesetz (BayHSchG) vom 23. Mai 2006 (GVBl. S. 245, BayRS 2210-1-1-WK) sehen vor, dass die von dem Senat der Hochschulen als Satzung zu beschließenden Promotionsordnungen insbesondere den Zweck, die Gegenstände und die Anforderungen in der Prüfung, die Prüfungsorgane sowie die Folgen der Verstöße gegen Prüfungsvorschriften regeln müssen. Insoweit sieht § 2 Satz 1 FPromO 2013 vor, dass die Promotion in der Durchführung eines selbstständigen wissenschaftlichen Forschungsvorhabens besteht, das erheblich über die in der Masterprüfung oder einer äquivalenten Abschlussprüfung gestellten Anforderungen hinausgeht und seinen Niederschlag in einer schriftlichen Promotionsleistung findet, sowie in einem förmlichen Prüfungsverfahren, durch das die wissenschaftliche Qualität der schriftlichen Promotionsleistung und die wissenschaftliche Qualifikation der Kandidatin bzw. des Kandidaten festgestellt wird. Weiter sieht § 23 Satz 1 RPromO 2013 insbesondere vor, dass das Promotionsorgan die Prüfung für nicht bestanden und den verliehenen Doktorgrad für ungültig erklären kann, sofern sich nachträglich herausstellt, dass sich die Kandidatin bzw. der Kandidat bei der Anfertigung der Dissertation oder bei der mündlichen Prüfung unerlaubter Hilfen bedient, eine Täuschung begangen oder sonst die Regeln wissenschaftlichen Arbeitens schwerwiegend verletzt hat. Nach § 23 Satz 2 RPromO 2013 hat die Kandidatin bzw. der Kandidat eine bereits ausgehändigte Promotionsurkunde zurückzugeben. Schließlich ist gemäß § 23 Satz 3 RPromO 2013 die Entscheidung über den Entzug des Doktorgrads nach einer Frist von einem Jahr ab Bekanntwerden des Sachverhalts ausgeschlossen.
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bb) Die Ermächtigungsregelung nach Art. 64 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. Art. 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 9 BayHSchG ist insbesondere mit Blick auf die Regelungen der Beklagten kraft Satzung betreffend die Ungültigerklärung des Doktorgrads hinreichend bestimmt. Auch ist der Vorbehalt des Gesetzes gewahrt (so zum Ganzen ausführlich BVerwG, U.v. 21.6.202178 - 6 C 3/16 - NVwZ 2017, 1785 Rn. 24 ff. hinsichtlich der inhaltsgleichen Regelung nach § 64 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 des Gesetzes über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (Hochschulgesetz - HG) vom 16. September 2014 (GV. NRW. S. 547, SGV. NRW. 221)).
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cc) Auch liegen die Voraussetzungen nach § 23 Satz 1 RPromO 2013 für die Ungültigerklärung des Doktorgrads vor. In diesem Zusammenhang kann vorliegend dahinstehen, ob der Täuschungstatbestand nach § 23 Satz 1 Var. 3 RPromO 2013 erfüllt ist. Denn jedenfalls liegt eine sonst schwerwiegende Verletzung der Regeln wissenschaftlichen Arbeitens vor (§ 23 Satz 1 Var. 4 RPromO 2013). Entsprechend bedarf es hier auch keiner Entscheidung, ob ggf. Promovierende, sofern sie die Augen vor der Täuschung verschließen, mit Täuschenden im Sinne von § 23 Satz 1 Var. 3 RPromO 2013 gleichzustellen sind.
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(1) Die Regeln wissenschaftlichen Arbeitens sind im Sinne von § 23 Satz 1 Var. 4 RPromO sonst schwerwiegend verletzt, wenn Ausmaß und Intensität dieser Verletzung hinreichend der Täuschungsvariante entsprechen. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn Promovierende zum einen volle Tatsachenkenntnis darüber besitzen, wie sie in ihrer Arbeit zitiert und fremde Inhalte verwendet haben und zum anderen - ggf. auch ohne Täuschungsvorsatz - volle Tatsachenkenntnis hinsichtlich der Umstände besitzen, aus denen sich ergibt, dass Leser ihrer Dissertation diese als Ausdruck eigener Gedanken verstehen müssen, obwohl dies tatsächlich in einem solchen Umfang nicht der Fall ist, dass nicht mehr von einer eigenständigen Promotionsleistung ausgegangen werden kann (eine solche volle Tatsachenkenntnis reicht zumindest nach teilweise vertretener Ansicht im Rahmen von § 263 Abs. 1 StGB für die Annahme von Täuschungsvorsatz nicht aus, vgl. Perron in Schönke/Schröder, 30. Aufl. 2019, § 263 Rn. 165). Dies ergibt sich zunächst daraus, dass mit Blick auf den Gegenstand des Vorwurfs eine hinreichende Entsprechung zur Täuschungsvariante vorliegt, sofern sich die Verletzung der Regeln wissenschaftlichen Arbeitens ebenfalls auf die Frage der Eigenständigkeit der Dissertationsleistung bezieht. So ist die Täuschungsvariante jedenfalls dann erfüllt, wenn über die Eigenständigkeit der Dissertationsleistung getäuscht wird (vgl. BVerwG, U.v. 21.6.2017 - 6 C 3/16 - NVwZ 2017, 1786). Im Übrigen folgt die hinreichende Entsprechung zur Täuschungsalternative aus der Wertung, dass Promovierende, die trotz der beschriebenen Tatsachenkenntnis keinen - sich an sich aufdrängenden - Täuschungsvorsatz entwickeln oder hiervor gar die Augen verschließen, nicht besser stehen können als solche Promovierende, die den naheliegenden Täuschungsvorsatz erkennen. So soll gemäß § 2 Satz 1 FPromO 2013 gerade die Promotionsprüfung die Fähigkeit eigenständigen wissenschaftlichen Arbeitens in besonderem Maße nachweisen. Aufgrund dieses Maßstabs wissenschaftlicher Befähigung können auch im Verfahren auf Ungültigerklärung wissenschaftlich schlechter qualifizierte Promovierende nicht besser stehen als wissenschaftlich besser Qualifizierte. Im Vergleich zu dem im Sinne von § 23 Satz 1 Var. 3 RPromO 2013 Täuschenden offenbaren aber solche Promovierende eine wissenschaftlich schlechtere Qualifikation, die trotz vollständiger Kenntnis der zugrundeliegenden Umstände nicht das Naheliegende erkennen, dass der Leser ihrer Dissertationen hinsichtlich der jeweils betroffenen Textpassagen nicht erkennen kann, dass die mit der Dissertation ausgedrückten Gedanken oder die gewählten Formulierungen nicht von dem Promovierenden stammen.
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(2) Auf dieser Grundlage hat der Kläger im Sinne von § 23 Satz 1 Var. 4 RPromO 2013 sonst schwerwiegend die Regeln wissenschaftlichen Arbeitens verletzt. Ausmaß und Intensität der Verletzung der Regeln wissenschaftlichen Arbeitens entsprechen hinreichend der Täuschungsvariante nach § 23 Satz 1 Var. 3 RPromO 2013. Denn der Kläger hat umfangreich wörtlich oder beinahe bzw. überwiegend wörtlich Textpassagen jedenfalls aus den Dissertationen von … und … in seine eigene Arbeit übernommen, ohne dass der Leser erkennen kann, dass es sich hierbei um fremde Texte handelt (a). Hinsichtlich der dem zugrundeliegenden Umstände besaß der Kläger genauso wie hinsichtlich der Art und Weise seiner Zitate bzw. der Verwendung fremder Inhalte volle Tatsachenkenntnis (b). Auch kann auf dieser Grundlage nicht mehr von einer eigenständigen wissenschaftlichen Leistung des Klägers ausgegangen werden (c).
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(a) Die für den Leser nicht ersichtlichen Übernahmen des Klägers jedenfalls aus den Dissertationen … und … sind zahlreich und umfangreich. Zwar hat der Kläger im Rahmen seiner Übernahmen fremder Textpassagen teilweise nach mehreren Sätzen oder am Ende von Absätzen mit einem entsprechenden Zitat etwa auf die Arbeiten von … bzw. … hingewiesen. In diesem Zusammenhang muss nicht entschieden werden, ob und ggf. inwieweit dabei kenntlich zu machen gewesen wäre, dass sich das Zitat nicht allein auf den vorangegangenen Satz, sondern ggf. auf vorangegangene Sätze bzw. auf den gesamten Absatz bezieht. Denn die schwerwiegende Verletzung der Regeln wissenschaftlichen Arbeitens ergibt sich hier bereits aufgrund einer Vielzahl von Textstellen, aus denen die Quellen … bzw. … für den Leser in keiner Weise ersichtlich sind. Dies trifft zum einen auf die Textstellen zu, bei denen ein Hinweis auf die Quellen … oder … gänzlich fehlt, also auch am Absatzende kein entsprechender Hinweis erfolgt, obwohl der Text wörtlich oder beinahe bzw. überwiegend wörtlich den Quellen … bzw. … entstammt. Dies betrifft nach der im Tatbestand wiedergegebenen Tabelle die Textstellen Nrn. 2, 16, 26, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 42, 45, 51, 54, 56 und 57. Zum anderen sind für den Leser die Quellen … bzw. … in keiner Weise ersichtlich, sofern zwar im weiteren Verlauf des Absatzes oder am Absatzende ein Hinweis auf … bzw. … enthalten ist, vor diesem Zitat aber andere Quellen - die im Übrigen ebenfalls wörtlich oder sinngemäß den fremden Texten entstammen - zitiert sind. In diesen Fällen muss der Leser annehmen, der Text bis zu dem ebenfalls der Quelle … bzw. … entnommenen Zitat entstamme dieser Quelle. Zwar ist in diesen Fällen deutlich gemacht, dass die dargestellten Gedanken nicht von dem Kläger herrühren. Allerdings kann der Leser nicht erkennen, dass die gesamte Textpassage einschließlich der beschriebenen Zitate wörtlich oder beinahe bzw. überwiegend wörtlich den Dissertationen …bzw. … entstammen, der Kläger also den Text samt Fundstellen übernommen hat. Solche Textstellen finden sich nach der im Tatbestand aufgeführten Tabelle bei den dortigen Nrn. 4, 6, 8, 10, 12, 14, 17, 20, 21, 24, 43, 46, 47 und 49. Bei allen soeben und zuvor genannten Ziffern wiegt der Umstand, dass der Leser die wahre Urheberschaft der Textstellen nicht erkennen kann, weitaus schwerer als das Fehlen von Anführungszeichen, sodass es auf letzteres hier nicht ankommt. Die erhebliche Anzahl und der erhebliche Umfang der betroffenen Textpassagen ergibt sich bereits mit Blick auf die hier aufgeführten Ziffern, welche die entsprechenden Textstellen gemäß der Tabelle des Tatbestands kennzeichnen. Insoweit ergeben sich insgesamt 34 Ziffern, die jeweils auf die entsprechenden Textstellen verweisen. Diese Textstellen finden sich zudem auf … verschiedenen Seiten der Arbeit des Klägers. Da diese im Kern … Textseiten enthält, sind - so gesehen - etwa 48% der Arbeit, also etwa die Hälfte der Dissertation betroffen. Zudem sind von den dargestellten Übernahmen zumindest zwei Autoren - … und … - betroffen.
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(b) Die Kammer ist auch davon überzeugt, dass der Kläger hinsichtlich der soeben unter (a) geschilderten Umstände vollständige Tatsachenkenntnis besaß. So hat der Kläger nicht etwa geltend gemacht, die fraglichen Textstellen seien versehentlich übernommen worden oder gar erklärt, aufgrund welcher Umstände es ggf. zu einem Versehen gekommen wäre. Dies wäre indes zu erwarten, läge insoweit ein fahrlässiges Handeln vor. Für die Annahme vollständiger Tatsachenkenntnis sprechen außerdem zum einen Anzahl und Umfang der Übernahmen. Zum anderen hat der Kläger selbst sinngemäß vorgebracht, er habe die fremden Texte übernommen, weil Deutsch nicht seine Muttersprache sei. Dies spricht für eine bewusste und zielgerichtete Übernahme von Texten, nicht dagegen für lediglich fahrlässig unterlaufene Fehler. Schließlich war dem Kläger als Autor seiner Dissertation auch in vollem Umfang bekannt, wie er dort zitiert und inwieweit er fremde Inhalte in seine Arbeit eingebunden hat.
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(c) Auf dieser Grundlage kann nicht mehr von einer eigenständigen wissenschaftlichen Leistung im Sinne von § 2 Satz 1 FPromO 2013 ausgegangen werden, so dass Ausmaß und Intensität der Verletzung der Regeln wissenschaftlichen Arbeitens hinreichend der Täuschungsvariante nach § 23 Satz 1 RPromO 2013 entsprechen. Dies ergibt sich nicht nur daraus, dass die erörterten Übernahmen aufgrund ihrer Anzahl und ihres Umfangs ein Ausmaß erreichen, das die Arbeit des Klägers prägt. Hierfür spricht vielmehr auch der Inhalt der Übernahmen. So hat der Kläger vielfach von … recherchierte bzw. erarbeitete Literaturangaben im Rahmen seiner wörtlichen oder beinahe bzw. überwiegend wörtlichen Wiedergaben mitübernommen, da die übernommenen, fremden Textpassagen schlicht diese Literaturangaben enthalten hatten. In diesem Zusammenhang muss der Leser - was jedoch nicht zutrifft - davon ausgehen, dass es der Kläger war, der die Fachliteratur recherchiert, erarbeitet und ausgewertet hat. Schließlich finden sich die oben genauer gekennzeichneten Textpassagen gemäß der Tabelle des Tatbestands nicht allein in der Einleitung der klägerischen Arbeit, sondern auch unter den Gliederungspunkten „…“, „…“ sowie „…“. Gerade was die Fragestellung, Methode, Diskussion und Schlussfolgerungen angeht, ist bei wissenschaftlichen Arbeiten aber in besonderem Maße Eigenständigkeit gefragt. Denn dort kommt besonders zum Ausdruck, welche wissenschaftlichen Beiträge der Autor selbst geleistet hat.
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Der Annahme unzureichender Eigenständigkeit steht es auch nicht entgegen, soweit der Kläger sinngemäß geltend macht, der Schwerpunkt seiner Arbeit liege nicht in der Darstellung, sondern auf dem fachlichen Inhalt sowie den zugrundeliegenden, von ihm selbst erhobenen Forschungsergebnissen. So ist es ausreichend, wenn sich die Annahme unzureichender Eigenständigkeit auf die Darstellung der Forschung bezieht, sofern überhaupt eine tragfähige Differenzierung zwischen Forschungsinhalt und -darstellung möglich ist. Denn die Darstellung von Forschungsinhalten ist für die Wissenschaftsgemeinschaft grundlegend. Allein durch ihre Darstellung dringen Forschungsinhalte nach außen. Nur aufgrund zureichender Darstellung (und entsprechender Publikation) sind etwa die Diskussion, Verifikation oder Falsifikation von Forschungsinhalten bzw. wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn überhaupt möglich. Entsprechend stellt auch § 2 Satz 1 FPromO 2013 besonders auf die „Qualität der schriftlichen Promotionsleistung“ ab. Nach alledem reicht es wie auch in der Täuschungsvariante aus, wenn sich fehlende Eigenständigkeit allein auf die Darstellung der Arbeit bezieht.
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Auch der Umstand, dass der Kläger seine Dissertation nicht in seiner Muttersprache verfasst hat, entkräftet oder relativiert den Vorwurf wissenschaftlichen Fehlverhaltens nicht. Denn wie von dem prüfungsrechtlichen Grundsatz der Chancengleichheit aus Art. 3 Abs. 1 GG geboten differenziert weder die RPromO 2013 noch die FPromO 2013 nach der Muttersprache von Promovierenden. Vielmehr verlangt der prüfungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit, dass an alle Prüflinge - hier an alle Promovierenden - dieselben Anforderungen gestellt werden. Eine Anpassung der Prüfungsanforderungen an das (sprachliche) Leistungsvermögen der Prüflinge scheidet aus, da die Promotionsprüfung sonst letztlich ihren Zweck verlöre, die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit - eingeschlossen die wissenschaftliche Ausdrucksfähigkeit - zu „messen“ bzw. zu bewerten.
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Schließlich wird der Vorwurf wissenschaftlichen Fehlverhaltens auch nicht dadurch entkräftet oder relativiert, dass die Gutachter der klägerischen Dissertation die hier in Frage stehenden Übernahmen nicht erkannt haben. Denn im Grundsatz geht es Gutachtern wie den übrigen Lesern der Arbeit, so dass die in Frage stehenden Übernahmen auch für sie nicht ersichtlich sind. So besteht der Vorwurf wissenschaftlichen Fehlverhaltens hier gerade in der mangelnden Erkennbarkeit der fraglichen Übernahmen. Darüber hinaus dürfen auch Gutachter von Dissertationen - sofern keine entgegenstehenden Anhaltspunkte ersichtlich sind - darauf vertrauen, dass Promovierende in ihren Dissertationen insbesondere schwerwiegendes wissenschaftliches Fehlverhalten unterlassen. Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass die Gutachter die streitgegenständlichen Übernahmen des Klägers nicht erkannt haben und sich deshalb bei der Bewertung der Arbeit nicht bewusst waren, dass keine hinreichend eigenständig verfasste Dissertation vorlag. Damit haben sie entgegen dem Vorbringen des Klägers gerade nicht die wahre wissenschaftliche Leistung, insbesondere deren Eigenständigkeit bewertet, sondern sind insoweit (teilweise) einem Irrtum unterlegen. Gerade deswegen ermöglicht § 23 Satz 1 Var. 4 RPromO 2013 unter den hier vorliegenden Voraussetzungen mit der Ungültigerklärung des Doktorgrads eine Durchbrechung der Bestandskraft.
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Schließlich ist das sinngemäße Vorbringen des Klägers, er habe sich hinsichtlich der Übernahmen fremder Inhalte an die Vorgaben seines Betreuers gehalten, zur Überzeugung der Kammer nicht tragfähig. So hat der Kläger schon nicht ausgeführt - erst Recht nicht substantiiert -, um welche Vorgaben es sich insoweit gehandelt haben soll. Zudem basiert das fragliche Vorbringen des Klägers auf seinem Verständnis, er habe stets - wenn auch ohne Verwendung von Anführungszeichen - in Klammer etwa am Absatzende auf den Autor … verwiesen. Dies trifft aber - wie dargelegt - nicht zu. Damit entfällt auch die Grundlage, auf der der Vortrag des Klägers hinsichtlich nicht näher ausgeführter Vorgaben durch seinen Doktorvater aufbaut.
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cc) Die Frist nach § 23 Satz 3 RPromO 2013 ist eingehalten. Nach der genannten Vorschrift ist die Entscheidung über den Entzug des Doktorgrads nach einer Frist von einem Jahr ab Bekanntwerden des Sachverhalts ausgeschlossen.
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(1) Sofern hier auf die Zustellung des Ausgangsbescheids ausweislich der Zustellungsurkunde am 9. Mai 2018 abgestellt wird, ergibt sich die Einhaltung der Jahresfrist ohne weiteres daraus, dass - als frühest denkbarer Zeitpunkt des Bekanntwerdens - Dr. … mit Mail vom 9. Mai 2017 der Beklagten sinngemäß mitgeteilt hatte, er sei im Rahmen einer Literaturrecherche auf die Dissertation des Klägers gestoßen.
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(2) Im Ergebnis nichts anderes gilt, sofern mit dem Klägervortrag auf die Zustellung des Ausgangsbescheids am 22. Mai abgestellt wird. Denn die Ausschlussfrist nach § 23 Satz 3 RPromO 2013 ist Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG nachgebildet. Dort ist geregelt, dass die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig ist, sofern die Behörde von Tatsachen Kenntnis erhält, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts rechtfertigen. Insoweit ist anerkannt, dass die Frist erst mit Ablauf des Tages zu laufen beginnt, an dem auf Seiten der Behörde die für die Rücknahme entscheidungserheblichen Tatsachen vollständig und zweifelsfrei bekannt sind (vgl. Müller in Beckscher Online-Kommentar VwVfG, 45. Edition Stand 1.10.2021, § 48 Rn. 115). Dies ist auf § 23 Satz 3 RPromO 2013 übertragbar, da § 23 Abs. 3 RPromO 2013 von dem Bekanntwerden des Sachverhalts spricht und nicht etwa von dem Bekanntwerden des möglichen Sachverhalts o.Ä. Danach ist die Jahresfrist auch dann gewahrt, sofern als Zeitpunkt der Zustellung auf den 22. Mai 2018 abgestellt wird. Denn die entscheidungserheblichen Tatsachen konnten beklagtenseits jedenfalls nicht vor der ersten Stellungnahme des Klägers mit Schreiben vom 17. Juli 2017 zweifelsfrei feststehen.
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dd) Auch Ermessenfehler sind nicht ersichtlich.
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(1) Nach Art. 40 BayVwVfG hat die Behörde etwaig eingeräumtes Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Die gerichtliche Überprüfung von Ermessensentscheidungen ist nach § 114 Satz 1 VwGO lediglich auf die Prüfung etwaiger Ermessensfehler beschränkt. Dagegen kann sich das Gericht nicht an die Stelle der Behörde setzen und ggf. eigenes Ermessen ausüben (vgl. so zum Ganzen Decker in Beckscher Online-Kommentar VwGO, 50. Edition Stand 1.1.2022, § 114 Rn. 26).
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(2) Danach liegen hier keine Ermessensfehler vor. Insbesondere hat die Beklagte erkannt, dass ihr Ermessen eingeräumt war. Auch hinsichtlich der Prüfung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, welcher auch die Funktion besitzt, den Ermessenspielraum der Behörde zu steuern (Schwarz in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 114 VwGO Rn. 29), sind keine Rechtsfehler ersichtlich. Auch hat die Beklagte in ihre Ermessenserwägungen rechtsfehlerfrei nicht eingestellt, dass der Kläger die Dissertation nicht in seiner Muttersprache verfasst hat. So ist bereits ausgeführt, dass der prüfungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit aus Art. 3 Abs. 1 GG eine entsprechende Privilegierung des Klägers verbietet. Auch liegt in dem Umstand kein Ermessensfehler, dass die Beklagte dem Kläger keine Möglichkeit der Nachbesserung eingeräumt hat. Denn abgesehen davon, dass die Promotionsordnung ein solches Verfahren nach Abgabe der Dissertation nicht vorsieht und die Beklagte insoweit als Trägerin öffentlicher Gewalt an den Vorrang des Gesetzes gebunden ist, zwingt auch allgemein der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht zu einem solchen Vorgehen. Denn bei einer Nachbesserungsmöglichkeit handelt es sich nicht um eine vergleichbar wirksame, mildere Maßnahme. So ist mit der Ungültigerklärung des Doktorgrads auch ein generalpräventiver Zweck verbunden. Dieser ginge weitgehend verloren, könnten Promovierende die Ungültigerklärung durch Nachbesserung abwenden.
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ee) Die Aufforderung zur Rückgabe der Promotionsurkunde beruht auf § 23 Satz 2 RPromO 2013.
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II. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.