Inhalt

VG Würzburg, Urteil v. 08.04.2022 – W 7 K 21.465
Titel:

unzulässige Klage gegen nachträgliche Befristung der Aufenthaltserlaubnis 

Normenketten:
AufenthG § 48 Abs. 1 Nr. 2, § 51 Abs. 1 Nr. 1, § 81 Abs. 4, § 84 Abs. 2 S. 1
BayVwVfG Art. 43 Abs. 2
Leitsatz:
Die Rechtswirkungen einer nachträglichen zeitlichen Befristung der Aufenthaltserlaubnis enden mit dem Ablauf der regulären Gültigkeitsdauer der Aufenthaltserlaubnis; von ihr können allenfalls dann Rechtswirkungen nach Ablauf der regulären Gültigkeitsdauer der Aufenthaltserlaubnis ausgehen, wenn bezüglich der Aufenthaltserlaubnis ein Verlängerungsantrag gestellt worden ist und der Rechtmäßigkeit der nachträglichen zeitlichen Beschränkung insoweit Bedeutung zukommt, ob der Verlängerungsantrag die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 AufenthG auslöst. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
teilweise Unzulässigkeit der Klage, Erledigung, keine prozessuale Reaktion, Anordnung der Vorlage des Aufenthaltstitels, nachträgliche Verkürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis, Verkürzung einer Aufenthaltserlaubnis, Rechtsschutzinteresse, Fiktionsbescheinigung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 12494

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

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Der Kläger wendet sich gegen die nachträgliche Verkürzung seiner Aufenthaltserlaubnis und damit verbundene weitere Entscheidungen.
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1. Der Kläger ist ein am … … 1972 geborener marokkanischer Staatsangehöriger. Am … … 2017 hat der Kläger in Marokko die deutsche Staatsangehörige N* … B* … geheiratet und daraufhin am 20. September 2018 ein Visum zum Familiennachzug nach § 28 Abs. 1 Satz 1 AufenthG unter Angabe des erlernten Berufes „Elektriker“ beantragt, das ihm am 1. Oktober 2018 für den Zeitraum vom 15. Oktober 2018 bis 12. Januar 2019 erteilt wurde. Am 19. Oktober 2018 reiste der Kläger in das Bundesgebiet ein und meldete sich zu diesem Datum bei der Ehefrau an. Nach Einreise beantragte er am 7. November 2018 eine Aufenthaltserlaubnis, die ihm am 28. November 2018 vom Beklagten für den Zeitraum bis 18. Oktober 2021 erteilt wurde.
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Am 14. Dezember 2020 wurde dem Beklagten bekannt, dass der Kläger zum 11. Dezember 2020 seinen Wohnsitz von H* … … … D* … nach H* … …, … St* … verlegt hatte. Die Ehefrau war nicht mit ihm umgezogen.
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Mit Schreiben vom 14. Dezember 2020 wurde der Kläger gebeten mitzuteilen, ob bzw. seit wann er von der Ehefrau getrennt lebe und ob die Scheidung der Ehe beabsichtigt sei. Mit Fax vom 4. Februar 2021 teilte der Kläger mit, dass die Ehefrau die Scheidung wolle und er sich deshalb eine neue Wohnung gesucht habe. Der Umzug habe am 23. Dezember 2020 stattgefunden, die Ummeldung sei bereits am 11. Dezember 2020 erfolgt. Die Ehefrau teilte unter dem 5. Februar 2021 mit, sie habe die Ehescheidung angestoßen. Sie sei zwischenzeitlich der Meinung, dass der Kläger die Ehe nur geschlossen habe, um nach Deutschland kommen zu können. Sie habe auch Angst vor dem Kläger.
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Mit Schreiben vom 4. Februar 2021 wurde dem Kläger die Möglichkeit gegeben, zur nachträglichen Befristung der Aufenthaltserlaubnis und Abschiebungsandrohung Stellung zu nehmen.
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Mit Schreiben vom 12. Februar 2021 teilte der Kläger mit, dass er aus familiären Gründen am 23. Dezember 2020 nach S* … verzogen sei, da die Ehefrau die Scheidung wolle. Der Beklagte legte diese Äußerung als Antrag auf Verlängerung bzw. Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus.
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Der Arbeitgeber des Klägers (h*-h* … *. S* … & *. N* … …, F* … S* … …, … H* …*), der den Kläger mit Vertrag vom 1. Januar 2021 als Hilfskraft bzw. mit Vertrag vom 4. Januar 2021 als Schreiner bzw. mit Vertrag vom 21. Juli 2021 als Betriebselektriker und nebenbei für Schreinerarbeiten beschäftigte, befürwortet einen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet. Zeugnisse oder Nachweise zur Berufsausbildung, welche die Berufsbezeichnung als Schreiner rechtfertigen würden, befinden sich nicht in der Akte. Hinsichtlich der Tätigkeit als Elektriker hat der Kläger ein vom Königreich Marokko ausgestelltes „Diplom der Berufsqualifizierung, Fachbereich: Elektrische Wartung“ vorgelegt.
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2. Mit Bescheid vom 23. März 2021, zugestellt am 26. März 2021, befristete der Beklagte die Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis nachträglich auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe (Ziffer 1). In Ziffer 2 wurde der Kläger aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe des Bescheids zu verlassen. Sollte der Kläger der Verpflichtung aus Ziffer 2 nicht fristgerecht nachkommen, werde er nach Marokko oder in einen anderen aufnahmebereiten oder zur Aufnahme verpflichteten Staat abgeschoben (Ziffer 3). Im Falle der Abschiebung werde gegen ihn ein Einreise- und Aufenthaltsverbot für die Dauer von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt des Verlassens des Bundesgebiets angeordnet (Ziffer 4). Der Kläger wurde zudem zur Aushändigung des Aufenthaltstitels (Ziffer 5) und des Reisepasses (Ziffer 6) aufgefordert.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die nachträgliche Verkürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis beruhe auf § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG. Eine auf Dauer angelegte eheliche Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau bestehe nach beidseitigen Angaben seit dem Umzug am 11. Dezember 2020, spätestens jedoch seit dem 23. Dezember 2020 nicht mehr. Hiermit sei eine wesentliche Voraussetzung für die Aufenthaltserlaubnis nach §§ 27 Abs. 1, 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG entfallen. Das öffentliche Interesse an der Beendigung des materiell rechtswidrig gewordenen Aufenthalts überwiege das Interesse des Klägers, bis zum Ablauf seiner bis 18. Oktober 2021 befristeten Aufenthaltserlaubnis in Deutschland zu verbleiben. Der Kläger sei erstmals am 19. Oktober 2018 nach Deutschland eingereist, was noch keinen langen Zeitraum darstelle. Persönliche, relevante Bindungen seien nicht bekannt. Zur Ex-Frau bestehe kein Kontakt mehr. Zwar sei positiv, dass er sich nach der Trennung um Arbeit bemüht habe und seitdem für seinen Lebensunterhalt aufkommen könne. Der Kläger arbeite seit 1. Januar 2021 als Hilfskraft bei der h*-h* … *. S* … & *. N* …r …, F* … S* … 43, 9* … H* … mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag für einen Bruttostundenlohn von 10 EUR. Die erst vor kurzem angetretene Tätigkeit stelle jedoch keine Stelle mit Fachkraftausbildung dar. Sonstige Bindungen, die für einen weiteren Aufenthalt in Deutschland sprechen würden, seien weder vorgebracht, noch bekannt. Mit der Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft sei ein zwingender Erteilungsgrund weggefallen. Als Konsequenz werde in einem solchen Fall regelmäßig die Aufenthaltsdauer verkürzt. Anhaltspunkte für einen Ausnahmefall lägen nicht vor. Aufgrund der kurzen Zeit, die der Kläger in Deutschland verbracht habe und der Tatsache, dass sich seine Familie in Marokko befinde und er bis zum 46. Lebensjahr in Marokko gelebt habe, sei eine Wiedereingliederung im Land der Staatsangehörigkeit nicht unmöglich oder unzumutbar. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf die Verlängerung oder Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach einer anderen Rechtsgrundlage. Die Ehe des Klägers habe nicht die nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erforderliche Mindestdauer erreicht. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid des Beklagten Bezug genommen.
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3. Gegen diesen Bescheid ließ der Kläger am 6. April 2021 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg erheben und zuletzt beantragen,
Der Bescheid des Landratsamts Miltenberg (Az. …*) vom 23. März 2021, zugestellt am 26. März 2021, wird in Ziff. 1 - 6 aufgehoben. Hilfsweise wird der Beklagte verpflichtet, dem Kläger die Aufenthaltserlaubnis nach § 19c Abs. 3  AufenthG zu erteilen, hilfsweise nach § 18  AufenthG. hilfsweise über die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 19c Abs. 3 AufenthG, hilfsweise nach § 18 AufenthG unter Beachtung der gerichtlichen Ausführungen neu zu entscheiden.
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Zugleich ließ er beantragen, ihm im ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe zu bewilligen und die Unterfertigte beizuordnen.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, mit Schreiben vom 6. April 2021 sei beim Beklagten die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 19c Abs. 3 AufenthG beantragt worden. Mit Schreiben an den Beklagten vom 25. April 2021 sei der Antrag erweitert und beantragt worden, eine Aufenthaltserlaubnis nach § 18 AufenthG für die Ausübung des Schreinerberufs zu erteilen. Die Tätigkeit des Klägers sei keine unqualifizierte Hilfstätigkeit, sondern stelle eine (Ausbildungs-)Tätigkeit eines Schreiners dar. Der Kläger habe dies in kürzester Zeit im Betrieb erlernt und werde von seinem Arbeitgeber sehr geschätzt. Die Bundesagentur für Arbeit könne nach § 39 Abs. 3 AufenthG der Ausübung der Beschäftigung unabhängig von der Qualifikation als Fachkraft zustimmen.
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Mit Schreiben vom 22. Juli 2021 sei beim Beklagten zudem die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 18 AufenthG für die Beschäftigung als Elektriker beantragt worden. Hierzu wurde das Diplom der Berufsqualifizierung vom Juni 1995 sowie die Übersetzung vom 16. Juli 2021 vorgelegt.
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Es werde beantragt, die Gleichwertigkeitsfeststellung der Handwerkskammer für Unterfranken - die am 6. Dezember 2021 beantragt wurde - und die endgültige Entscheidung der Arbeitsagentur abzuwarten. Ein arbeitsmarktpolitisches Interesse sei gegeben, da durch die Beschäftigung Arbeitsplätze erhalten bzw. geschaffen würden. Außerdem habe für die offenen Stellen offensichtlich kein anderer Beschäftigter gefunden werden können. Es liege ein begründeter Ausnahmefall vor.
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4. Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Aufenthaltserlaubnisantrag nach § 19c Abs. 3 AufenthG sei aufgrund der am 1. Januar 2021 begonnenen Hilfsarbeitertätigkeit abzulehnen. Die Handwerkskammer für Unterfranken habe mit Schreiben vom 7. Mai 2021 erklärt, dass das Hausbauhandwerk vor einer großen Herausforderung stehe, der Kundennachfrage gerecht zu werden, da die notwendigen Fachkräfte in den Unternehmen fehlten; die Entscheidung über den begründeten Einzelfall stehe aber im Ermessen des Beklagten. Bei Abwägung aller einzelfallrelevanten Gesichtspunkte sei ein über das privatwirtschaftliche Interesse des Arbeitgebers hinausgehendes öffentliches Interesse an der Beschäftigung nicht gegeben. Weder die Tatsache, dass ein Vermittlungsauftrag längere Zeit erfolglos geblieben sei, noch das Einstellungsinteresse eines privaten Unternehmers allein reichten grundsätzlich aus, um das öffentliche Interesse an der Beschäftigung zu bejahen. Dies gelte auch, wenn die Beschäftigung arbeitsmarktpolitisch unbedenklich sei (vgl. BVerwG, B.v. 4.11.1991 - 1 B 132.91). Der Kläger befinde sich erst seit 1. Januar 2021, also unmittelbar nach der Trennung von der deutschen Ehefrau, im genannten Arbeitsverhältnis. Die Schreinerei bestehe seit 2007 und beschäftige laut Erklärung zum Beschäftigungsverhältnis vom 22. April 2021 sechs Mitarbeiter. Es sei nicht davon auszugehen, dass ein erst seit wenigen Monaten beschäftigter Hilfsarbeiter einen solch festen Bestandteil der Schreinerei darstelle, dessen Ausscheiden aus dem Betrieb zu einer Insolvenz der Schreinerei führen würde. Vielmehr sei davon auszugehen, dass weitere ungelernte Personen zur Verfügung stünden. Das öffentliche Interesse bestehe deshalb eher an der Verkürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis zur Steuerung der Zuwanderung als an einem Aufenthaltstitel nach § 19c Abs. 3 AufenthG. Weder ein regionales, noch ein wirtschaftliches Interesse an der Weiterbeschäftigung sei erkennbar. Zwar beinhalte die Stellungnahme der Handwerkskammer für Unterfranken, dass bei Schreinereien eine große Auftragslage bestehe. Daraus ergebe sich jedoch nicht zwangsläufig ein begründeter Einzelfall im Falle des Klägers, hierzu seien von der Klägerseite keine hinreichenden Tatsachen dargelegt worden. Es bestehe damit kein öffentliches Interesse im begründeten Einzelfall.
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Unabhängig von der Tatsache, dass rückwirkend ein zweiter Arbeitsvertrag als Schreiner geschlossen worden sei, scheide eine Aufenthaltserlaubnis nach § 18 AufenthG aus. Dem Beklagten sei keine Gleichwertigkeitsfeststellung der Qualifikation bekannt, Nachweise hierfür lägen nicht vor (vgl. § 18 Abs. 2 Nr. 4 AufenthG). Selbst bei Feststellung der Gleichwertigkeit scheide die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus, da § 18 Abs. 2 Nr. 5 Satz 1 AufenthG voraussetze, dass in den Fällen der erstmaligen Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 18a oder § 18b Abs. 1 AufenthG nach Vollendung des 45. Lebensjahres die Höhe des Gehalts mindestens 55 Prozent der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung entspreche, es sei denn, der Ausländer könne den Nachweis über eine angemessene Altersversorgung erbringen. Dies entspreche im Jahr 2021 einem Bruttogehalt von 46.860,00 EUR. Das Jahresgehalt des Klägers betrage beim derzeitigen Stundenlohn von 10,00 EUR brutto jedoch nur 20.800 EUR brutto. Ein Ausnahmefall nach § 18 Abs. 2 Nr. 5 Satz 2 AufenthG läge nicht vor.
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Zudem habe die Bundesagentur für Arbeit am 27. April 2021 die Zustimmung nach § 39 AufenthG abgelehnt (§ 18 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG).
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Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis scheide in Bezug auf § 18 AufenthG auch für den Beruf des Betriebselektrikers aus. Auch diesbezüglich liege eine Gleichwertigkeitsfeststellung bzw. Nachweise nicht vor. Auch bei einem diesbezüglichen Stundenlohn von 11,00 EUR brutto betrage das Jahresgehalt nur ca. 26.000,00 EUR brutto. Ein begründeter Ausnahmefall liege nicht vor. Die Bundesagentur für Arbeit habe mittlerweile auch am 27. Juli 2021 die Zustimmung verweigert.
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5. Am 18. August 2021 beantragte der Kläger nochmals die Erteilung bzw. Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis.
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Da der Aufenthaltstitel am 18. Oktober 2021 abgelaufen wäre, die Aufenthaltserlaubnis jedoch durch rechtzeitige Antragstellung kraft Gesetzes fortbestanden habe, stellte der Beklagte dem Kläger am 14. Oktober 2021 eine Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG für die Zeit bis 13. April 2022 mit einem klarstellenden Hinweis auf die Erlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit aus.
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Mit weiterem Bescheid vom 31. Januar 2022 lehnte der Beklagte den Antrag auf Verlängerung bzw. Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab und forderte den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 14 Tagen nach Bekanntgabe dieses Bescheids zu verlassen. Anderenfalls wurde ihm die Abschiebung nach Marokko oder einen anderen Staat, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei, angedroht. Im Falle einer Abschiebung werde gegen den Kläger ein Einreise- und Aufenthaltsverbots für die Dauer von drei Jahren ab dem Zeitpunkt des Verlassens des Bundesgebiets angeordnet. Die hiergegen gerichtete Klage (W 7 K 22.223) hat das Gericht mit Urteil vom heutigen Tage abgewiesen, den Antrag im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hatte das Gericht bereits mit Beschluss vom 21. März 2022 abgelehnt (Az. W 7 S 22.224).
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Der Kläger ist spätestens am 15. Februar 2022 freiwillig nach Marokko ausgereist.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtssowie der beigezogenen Behördenakten, wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung auf das Protokoll vom 8. April 2022 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unzulässig, soweit sie auf Aufhebung der Ziffern 1, 2, 3, 4 und 6 des streitgegenständlichen Bescheids vom 23. März 2021 gerichtet ist. Soweit das Klagebegehren auf Aufhebung von Ziffer 5 gerichtet ist, erweist sich die Klage als zwar zulässig, aber unbegründet.
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1. Die Klage erweist sich aufgrund des Fehlens des Rechtsschutzbedürfnisses bereits als unzulässig, soweit sie auf Aufhebung der Ziffern 1, 2, 3, 4 und 6 des streitgegenständlichen Bescheids gerichtet ist. Die Regelungen in den vorgenannten Ziffern haben sich nach Erhebung der Klage erledigt (vgl. § 43 Abs. 2 BayVwVfG), eine Reaktion der Klägerseite hierauf erfolgte nicht.
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a) Hinsichtlich der nachträglichen Befristung der Aufenthaltserlaubnis in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids ist das Rechtsschutzbedürfnis der Klage entfallen, da von der Regelung keine Rechtswirkungen mehr ausgehen und sie sich damit erledigt hat (vgl. Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG).
28
Mit Ablauf der ursprünglichen regulären Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis - vorliegend am 18. Oktober 2021 - enden grundsätzlich die Rechtswirkungen der nachträglichen zeitlichen Befristung. Dies gilt ausnahmsweise jedoch nicht, wenn bezüglich der Aufenthaltserlaubnis ein Verlängerungsantrag gestellt wurde und der Rechtmäßigkeit der nachträglichen zeitlichen Beschränkung für die Frage Bedeutung zukommt, ob der Verlängerungsantrag die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 AufenthG entfaltet (vgl. VG Augsburg, U.v. 18.7.2006 - Au 1 K 05.1976 - juris Rn. 30).
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Zwar wurde dem Kläger im vorliegenden Fall eine bis 13. April 2022 befristete Fiktionsbescheinigung erteilt. Die angegebene Geltungsdauer hat jedoch keinen Einfluss auf das Fortbestehen der Fiktionswirkung, da diese vorliegend jedenfalls mit der Entscheidung über den Antrag auf Erteilung bzw. Verlängerung des Aufenthaltstitels im Bescheid vom 31. Januar 2022, dem Kläger am 1. Februar 2022 bekannt gegeben, endete. Dies gilt gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG auch dann, wenn der Ausländer, wie vorliegend, gegen die ablehnende Entscheidung einen Rechtsbehelf einlegt (vgl. Zimmerer, BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, Stand 15.1.2022, § 81 AufenthG Rn. 37).
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b) Auch die Regelungen zu der Ausreisefristsetzung und Ausreiseaufforderung unter Ziffer 2, der Abschiebungsandrohung unter Ziffer 3 und der Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots unter Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheids haben sich nach Klageerhebung erledigt, da sie mit Erlass des Bescheids vom 31. Januar 2022 konkludent aufgehoben wurden. Mit dem vorliegend streitgegenständlichen Bescheid vom 23. März 2021 hatte der Beklagte zunächst eine Ausreiseaufforderung mit einer Ausreisefrist von 30 Tagen, eine Abschiebungsandrohung sowie ein auf die Dauer von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt des Verlassens des Bundesgebiets befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen. Mit Bescheid vom 31. Januar 2022 hat der Beklagte nach Klageerhebung eine Ausreiseaufforderung mit einer Ausreisefrist von 14 Tagen, eine weitere Abschiebungsandrohung sowie ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot verfügt. Der Beklagte ist damit hinsichtlich dieser Regelungsgegenstände im Rahmen seines Ermessens in eine neue Sachprüfung eingetreten und hat einen rechtsmittelfähigen Zweitbescheid erlassen, der im Rahmen seines Regelungsumfangs die Anordnungen im vorliegend streitgegenständlichen Bescheid vom 23. März 2021 überholt hat. Der Beklagte hat mithin die Regelungen zu der Ausreiseaufforderung, der Abschiebungsandrohung und der Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots im Bescheid vom 23. März 2021 konkludent aufgehoben, wodurch sich die Regelungen in Ziffer 2, 3 und 4 des streitgegenständlichen Bescheids erledigt haben. Mithin gehen von ihnen keine Rechtswirkungen mehr aus (vgl. Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG), sodass das Rechtsschutzbedürfnis der Klage auch insoweit entfallen ist (vgl. OVG NW, B.v. 22.12.2016 - 4 B 1001/16 - juris Rn. 4).
31
c) Auch die Anordnung zur Vorlage des Reisepasses unter Ziffer 6 des streitgegenständlichen Bescheids hat sich mit der freiwilligen Ausreise des Klägers erledigt, sodass auch diesbezüglich das Rechtsschutzbedürfnis nach Klageerhebung entfallen ist.
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Die unter Ziffer 6 des streitgegenständlichen Bescheids enthaltene Regelung bezieht sich auf einen Aufenthalt des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. § 50 Abs. 5 AufenthG). Sie entfaltet aufgrund der freiwilligen Ausreise des Klägers nach Marokko mithin keine Wirkungen mehr. Vor diesem Hintergrund kann die Klage auf Aufhebung der streitgegenständlichen Regelung dem Kläger keinen rechtlichen Vorteil (mehr) bringen.
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d) Eine prozessuale Reaktion des anwaltlich vertretenen Klägers auf den Eintritt der vorliegend genannten erledigenden Ereignisse erfolgte nicht, obwohl - insbesondere durch Erscheinen der Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung - die Möglichkeit hierzu bestanden hätte. Da der anwaltlich vertretene Kläger weder eine Erledigungserklärung abgegeben, noch seine Klage auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage umgestellt hat, ist davon auszugehen, dass der klägerische Sachantrag aufrechterhalten wird, der als unzulässig abgewiesen werden muss, da sich das Verfahren - wie ausgeführt - hinsichtlich der vorgenannten Streitgegenstände erledigt hat.
34
2. Soweit die Klage auf Aufhebung der Anordnung in Ziffer 5 des streitgegenständlichen Bescheids gerichtet ist, ist sie zwar zulässig, jedoch unbegründet. Der angegriffene Verwaltungsakt erweist sich im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt des Bescheidserlasses als rechtmäßig und verletzt den Kläger bereits aus diesem Grund nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
35
Rechtsgrundlage für die Verpflichtung des Klägers in Ziffer 5 des Bescheids, der Ausländerbehörde den elektronischen Aufenthaltstitel (Nr. YOGJJXCC6) vorzulegen, ist § 48 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Nach dieser Vorschrift ist ein Ausländer verpflichtet, seinen Aufenthaltstitel auf Verlangen den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden vorzulegen, auszuhändigen und vorübergehend zu überlassen, soweit dies zur Durchführung oder Sicherung von Maßnahmen nach diesem Gesetz erforderlich ist. Im vorliegenden Fall ist die Aufenthaltserlaubnis mit Bekanntgabe der nachträglichen Befristung der dem Kläger erteilten Aufenthaltserlaubnis nach §§ 51 Abs. 1 Nr. 1, 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG erloschen. Die Anordnung war demgemäß erforderlich, um den von der Aufenthaltserlaubnis ausgehenden Rechtsschein zu beseitigen und das Verwaltungsverfahren durch Abschiebung abschließen zu können (vgl. Hruschka in BeckOK Ausländerrecht, Stand 1.7.2020, § 48 AufenthG Rn. 10).
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3. Die Klage war somit insgesamt abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit derselben beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.