Inhalt

BayObLG, Endurteil v. 18.01.2022 – 1 ZRR 40/20
Titel:

Vergütungspflicht auch für fachgebietsfremde Leistungen eines Facharztes

Normenketten:
BayHKaG Art. 34
GoÄ § 1 Abs. 2 S. 1, § 4 Abs. 2 S. 1
BGB § 134, § 812 Abs. 1 S. 1
VVG § 86 Abs. 1 S. 1, § 194 Abs. 2
Leitsätze:
1. Ein Verstoß gegen das Beschränkungsgebot in Art. 34 des Bayerischen Heilberufe-Kammergesetzes (HKaG) führt nicht zur (Teil-)Nichtigkeit des Behandlungsvertrags nach § 134 BGB. (Rn. 15 – 29)
2. Ein Arzt kann auch fachgebietsfremde Leistungen unter den Voraussetzungen der § 1 Abs. 2 Satz 1 und § 4 Abs. 2 Satz 1 der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) abrechnen. (Rn. 30 – 49)
Schlagworte:
Arzt, Honorar, fachgebietsfremd, Facharzt, Orthopädie, Chirurgie, Unfallchirurgie, MRT, Delegation
Vorinstanzen:
OLG Nürnberg, Endurteil vom 09.03.2020 – 5 U 634/18
LG Regensburg, Endurteil vom 27.02.2018 – 4 O 2233/16 (2)
Fundstellen:
MDR 2022, 486
BeckRS 2022, 1234
LSK 2022, 1234
NJW 2022, 1688

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 9. März 2020, 5 U 634/18, wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Die Klägerin, ein privater Krankenversicherer, begehrt aus übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmer Rückzahlung ärztlicher Honorare, die der Beklagte, ein in R. niedergelassener Facharzt für Orthopädie, Chirurgie und Unfallchirurgie, für von ihm in den Jahren 2011 bis 2016 auf der Grundlage eines Kooperationsvertrags mit einem Krankenhaus erbrachte Magnetresonanztomografie-Untersuchungen (MRT-Untersuchungen) abgerechnet hat. Eine - fachgebundene - Zusatz-Weiterbildung Magnetresonanztomografie, die mit der Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns vom 24. April 2004 (WBO 2004) eingeführt worden ist, hat der Beklagte nicht absolviert.
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Die Klägerin ist der Auffassung, der Beklagte habe die Untersuchungen in unzulässiger Weise außerhalb seines Fachgebiets vorgenommen. Die Behandlungsverträge seien wegen Verstoßes gegen Art. 34 des Bayerischen Gesetzes über die Berufsausübung, die Berufsvertretungen und die Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker sowie der Psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Heilberufe-Kammergesetzes - HKaG) nach § 134 BGB nichtig. Es liege auch ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) vor, da fachgebietsfremde Leistungen nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst für eine medizinisch notwendige ärztliche Versorgung erforderlich seien.
3
Nach Ansicht des Beklagten sind MRT-Untersuchungen für Orthopäden nicht fachfremd. Die Bayerische Landesärztekammer habe bestätigt, dass ein Orthopäde in den Grenzen seines Gebiets Magnetresonanztomografie anwenden dürfe.
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Das Landgericht Regensburg hat die Klage abgewiesen.
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Die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht Nürnberg mit Urteil vom 9. März 2020, 5 U 634/18, zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Revision nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung der „Auslegung des § 2 WBO 2004 hinsichtlich der für die Gebietskonformität fachärztlicher Tätigkeit maßgebenden Kriterien“ zugelassen, ohne zunächst zu bestimmen, ob der Bundesgerichtshof oder das Bayerische Oberste Landesgericht für die Verhandlung und Entscheidung über die Revision zuständig ist.
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Die Klägerin hat daraufhin die Revision, mit der sie ihr Klagebegehren weiterverfolgt, bei beiden Gerichten eingelegt und begründet. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
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Nachdem das Oberlandesgericht Nürnberg mit Beschluss vom 29. Dezember 2020 das Urteil vom 9. März 2020 gemäß § 319 ZPO im Tenor dahin berichtigt hatte, dass die Revision zum Bayerischen Obersten Landesgericht zugelassen werde, hat sich der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 18. Februar 2021 (III ZR 79/20, NJW-RR 2021, 507) für unzuständig erklärt und die Sache an das Bayerische Oberste Landesgericht zur Verhandlung und Entscheidung über die Revision der Klägerin abgegeben.

Entscheidungsgründe

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Die aufgrund ihrer unbeschränkten Zulassung (vgl. BGH, Urt. v. 27. Juli 2021, II ZR 164/20, juris Rn. 15) statthafte und auch sonst zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet. Es liegt nur ein einheitliches Rechtsmittel vor, über das - nach bindender nachträglicher Zuständigkeitsbestimmung des Berufungsgerichts (§ 7 Abs. 1 EGZPO) und Zusammenführung gemäß Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 18. Februar 2021 - durch das Bayerische Oberste Landesgericht zu entscheiden ist (vgl. BGH NJW-RR 2021, 507 Rn. 9).
9
I. Das Berufungsgericht, dessen Urteil in juris und unter BeckRS 2020, 21724 veröffentlicht ist, hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, nach Art. 34 Abs. 1 HKaG dürfe, wer eine Gebietsbezeichnung i. S. d. Art. 27 HKaG führe, grundsätzlich nur in dem betreffenden Gebiet tätig sein. Inhalt und Umfang der „Gebiete“ i. S. d. Art. 34 Abs. 1 HKaG seien nach Art. 35 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HKaG in einer von der Landesärztekammer mit Genehmigung des Staatsministeriums zu erlassenden Weiterbildungsordnung zu regeln. Nach der derzeit geltenden und auch zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Behandlungen bereits geltenden Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns (WBO 2004) könne die Durchführung von MRT-Untersuchungen durch den Beklagten nicht als fachfremd eingestuft werden. Nach § 2 Abs. 2 WBO 2004 werde das Gebiet als ein definierter Teil einer Fachrichtung der Medizin beschrieben; die Gebietsdefinition bestimme die Grenzen für die Ausübung der fachärztlichen Tätigkeit; die in der Facharztkompetenz vorgeschriebenen Weiterbildungsinhalte beschränkten nicht die Ausübung der fachärztlichen Tätigkeit im Gebiet. Damit sei eindeutig festgelegt worden, dass die Grenzen für die Ausübung der fachärztlichen Tätigkeit durch die Gebietsdefinition - also nicht durch die Weiterbildungsinhalte - bestimmt würden. Die Magnetresonanztomografie sei daher für den Orthopäden und den Chirurgen im Rahmen der Erkennung der in der Gebietsdefinition angeführten Erkrankungen gebietskonform. Die innerhalb eines Gebiets berufsrechtlich erlaubten Tätigkeiten gingen über die Summe der Weiterbildungsinhalte hinaus. Würde man dagegen verlangen, dass - berufsrechtlich - die Anwendung der MRT-Technik durch einen Orthopäden (oder Unfallchirurgen etc.) das Durchlaufen der Zusatz-Weiterbildung „Magnetresonanztomografie - fachgebunden -“ erforderte, ergäbe sich ein Widerspruch zu § 2 Abs. 4 Satz 3 WBO 2004, wonach die Gebietsgrenzen durch eine Zusatz-Weiterbildung nicht erweitert würden.
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Auf die Folgen eines Verstoßes gegen die Beschränkung der ärztlichen Tätigkeit auf das jeweilige Fachgebiet für den Honoraranspruch komme es daher nicht an. In der Rechtsprechung werde vertreten, dass diese in den Heilberufe-Kammergesetzen der Länder jeweils enthaltene Beschränkung ein gesetzliches Verbot darstelle (so etwa LG Mannheim, Urt. v. 17. November 2006, 1 S 227/05, NJW-RR 2007, 1426). Ein anderer Begründungsansatz stütze sich auf § 1 Abs. 2 Satz 1 GOÄ, wonach der Arzt Vergütungen nur für Leistungen berechnen dürfe, die nach den Regeln der ärztlichen Kunst für eine medizinisch notwendige ärztliche Versorgung erforderlich seien; Leistungen, die ein Arzt unter Überschreitung der Grenzen seines jeweiligen Fachgebietes erbringe, entsprächen nicht den Regeln der ärztlichen Kunst und seien damit nicht abrechenbar, sodass eine Zahlung des Patienten ohne rechtlichen Grund erfolge (in diesem Sinne OLG Celle, Urt. v. 22. Oktober 2007, 1 U 77/07, MedR 2008, 378). Beiden Begründungsansätzen könne entgegengehalten werden, dass das Verbot der Betätigung außerhalb des Fachgebietes bei verfassungsgemäßer Auslegung nur als allgemeine Richtlinie verstanden werden dürfe (BVerfG, Beschluss vom 9. Mai 1972, 1 BvR 518/62, 1 BvR 308/64, BVerfGE 33, 125; Beschluss vom 1. Februar 2011, 1 BvR 2383/10, MedR 2011, 572), also fachgebietsfremde Tätigkeit erlaubt sei, sofern ihr Anteil an der gesamten ärztlichen Tätigkeit des betreffenden Facharztes nur „geringfügig“ sei, sodass ohne nähere Feststellungen hierzu der individuelle Behandlungsvertrag nicht als nichtig angesehen werden könne und sich die Frage stelle, nach welchem Kriterium bei einer die Grenze der Geringfügigkeit überschreitenden fachgebietsfremden Tätigkeit festgestellt werden solle, ob der einzelne Behandlungsvertrag nichtig oder gültig ist.
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Eine von der Gebietskonformität zu trennende Frage sei diejenige nach der fachlichen Befähigung zur Durchführung von Magnetresonanztomografien. Die dafür erforderliche Fachkunde könne aber nicht ausschließlich durch die Zusatz-Weiterbildung „Magnetresonanztomografie - fachgebunden -“ erworben werden. Der Beklagte habe eingehend dargelegt, dass er durch verschiedene Lehrgänge zur Anwendung der Magnetresonanztomografie hinreichend qualifiziert sei.
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II. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Klägerin kein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB i.V. m. § 194 Abs. 2, § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG zusteht.
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Es kann dahinstehen, ob, wie das Berufungsgericht meint, ein solcher Anspruch zu verneinen ist, weil die Durchführung von MRT-Untersuchungen durch den Beklagten nicht als „fachfremd“ eingestuft werden könne. Das Berufungsurteil stellt sich jedenfalls aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO), weil ein Verstoß gegen das Beschränkungsgebot in Art. 34 Abs. 1 HKaG weder zur (Teil-)Nichtigkeit des Behandlungsvertrags führt noch einer Abrechnung der Leistung nach § 1 Abs. 2 Satz 1 oder § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÄ entgegensteht. Die mit der Revisionsbegründung hinreichend ausgeführte Verfahrensrüge, das Berufungsgericht habe Sachvortrag der Klägerin zum Fehlen der erforderlichen Fachkunde des Beklagten und entsprechenden Beweisantritt übergangen (§ 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b] ZPO), hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 ZPO).
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Die Versicherungsnehmer haben die dem Beklagten aufgrund des jeweiligen Behandlungsvertrags nach § 612 BGB und - jedenfalls soweit der Vertrag ab dem 26. Februar 2013 abgeschlossen worden ist (vgl. Spickhoff in Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, BGB § 630a Rn. 5 m. w. N.; Katzenmeier in BeckOK BGB, 60. Ed. Stand: 1. November 2021, § 630a Rn. 10) - § 630b BGB i.V. m. § 11 BÄO und der Gebührenordnung für Ärzte zustehenden Honoraransprüche beglichen. Die Leistungen sind somit nicht ohne rechtlichen Grund erfolgt, § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB.
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1. Die zwischen dem Beklagten und den Versicherungsnehmern der Klägerin zustande gekommenen Behandlungsverträge sind wirksam. Ein etwaiger Verstoß des behandelnden Arztes gegen das Beschränkungsgebot in Art. 34 Abs. 1 HKaG führt nicht zur (Teil-)Nichtigkeit des Behandlungsvertrags nach § 134 BGB. Die landesrechtliche Norm bestimmt: „Wer eine Gebietsbezeichnung führt, darf grundsätzlich nur in dem Gebiet, wer eine Teilgebietsbezeichnung führt, muss auch in dem Teilgebiet tätig sein, dessen Bezeichnung er führt“.
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a) § 134 BGB ist allerdings anwendbar. Die privatrechtlichen Folgen eines Verstoßes gegen Art. 34 Abs. 1 HKaG sind im Heilberufe-Kammergesetz nicht geregelt. Eine § 134 BGB vorgehende spezialgesetzliche Regelung (vgl. Armbrüster in Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl. 2021, § 134 Rn. 4) enthält das Heilberufe-Kammergesetz somit nicht.
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Ein Rechtsgeschäft kann auch dann nach § 134 BGB nichtig sein, wenn es ein landesrechtliches Verbotsgesetz verletzt (vgl. BGH, Urt. v. 22. Januar 1986, VIII ZR 10/85, juris Rn. 9; Armbrüster in Münchener Kommentar zum BGB, § 134 Rn. 41), z. B. landesrechtliche Berufsordnungen (BGH, Urt. v. 20. März 2003, III ZR 135/02, NJW-RR 2003, 1175 [juris Rn. 8]; BayObLG, Urt. v. 6. November 2000, 1Z RR 612/98, juris Rn. 51; Seibl/Fischinger/Hengstberger in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2021, § 134 Rn. 45; Gutmann in Staudinger, BGB, § 630a Rn. 119 jeweils m. w. N.).
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b) Art. 34 Abs. 1 HKaG enthält schon kein Verbotsgesetz (1); zudem entspricht die Nichtigkeitssanktion nicht dem Sinn und Zweck des Gesetzes (2).
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(1) Art. 34 Abs. 1 HKaG steht bei verfassungskonformer Auslegung nur einer systematischen, nicht mehr geringfügigen fachgebietsfremden Tätigkeit eines approbierten Arztes entgegen. Dass die Norm ausdrücklich Ausnahmen zulässt, spricht gegen die Annahme eines Verbotsgesetzes.
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In Rechtsprechung und Literatur wird zwar vertreten, eine weiterbildungsrechtliche Regelung, nach der ein Arzt, der eine Gebietsbezeichnung führe, grundsätzlich nur in diesem Fachgebiet tätig werden dürfe, habe Verbotscharakter (zu § 37 Abs. 1 HBKG BW i. d. F. v. 16. März 1995: LG Mannheim, NJW-RR 2007, 1426 [juris Rn. 17 ff.]; Miebach in Uleer/Miebach/Patt, Abrechnung von Arzt- und Krankenhausleistungen, 3. Aufl. 2006, GOÄ § 1 Rn. 13; vgl. auch - die Nichtigkeit des Behandlungsvertrags jeweils bejahend - zu § 23 SHKG i. d. F. v. 19. November 2007: AG Saarlouis, Urt. v. 5. Mai 2009, 25 C 1777/07, VersR 2009, 1212; Kern/Rehborn in Laufs/Kern/Rehborn, Handbuch des Arztrechts, 5. Aufl. 2019, § 74 Rn. 26; Voelkel, Das gerechte Honorar nach der Gebührenordnung für Ärzte, 2016, S. 76; vgl. ferner - § 134 BGB nicht näher thematisierend - LG Darmstadt, Urt. v. 13. Mai 2020, 19 O 550/16, GesR 2021, 58 [juris Rn. 12]; LG Berlin, Urt. v. 16. Januar 2019, 84 O 300/17, MedR 2020, 848 [juris Rn. 11]).
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Dieser Ansicht folgt der Senat jedoch nicht.
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Ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot setzt allerdings nicht voraus, dass die betreffende Norm ein Verbot ausdrücklich ausspricht. Ob eine Norm ein Verbotsgesetz darstellt, ist vielmehr durch Auslegung nach ihrem jeweiligen Sinn und Zweck zu ermitteln (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Juni 2013, XII ZB 357/11, MDR 2013, 1068 Rn. 12; Seibl/Fischinger/Hengstberger in Staudinger, BGB, § 134 Rn. 49), der Wortlaut der Norm bildet nur einen von mehreren Anhaltspunkten bei der Auslegung (Armbrüster in Münchener Kommentar zum BGB, § 134 Rn. 62).
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Dass ein Arzt nach dem Wortlaut des Art. 34 HKaG nur in dem Gebiet tätig sein „darf“ dessen Gebietsbezeichnung er führt, und auch in dem Teilgebiet tätig sein „muss“, dessen Teilgebietsbezeichnung er führt, spricht zwar nicht eindeutig für oder gegen die Annahme eines Verbotsgesetzes (vgl. auch BGH, Urt. v. 30. April 1992, III ZR 151/91, NJW 1992, 2021 [juris Rn. 17]; Wendtland in BeckOK BGB, § 134 Rn. 9; Armbrüster in Münchener Kommentar zum BGB, § 134 Rn. 61). Etwas anderes ergibt sich aber aus dem Zusatz „grundsätzlich“ (in diesem Sinn auch: Hoffmann/Kleinken, Gebührenordnung für Ärzte [GOÄ], Stand: Juni 2020, § 1 Rn. 29 [Seite 41]; Theodoridis, NJW 2000, 2719; a. A. zu § 37 Abs. 1 HBKG BW i. d. F. v. 16. März 1995: LG Mannheim, NJW-RR 2007, 1426 [juris Rn. 22]).
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Nach der Gesetzesbegründung zu der Art. 34 Abs. 1 HKaG im Wesentlichen entsprechenden Regelung in Art. 17l Abs. 1. Kammergesetz in der Fassung vom 24. November 1977 soll durch das Wort „grundsätzlich“ der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Rechnung getragen werden; es solle zum Ausdruck gebracht werden, dass die Regelung nicht allzu engherzig zu handhaben sei (LTDrs. 8/4364 S. 25 re. Sp./S. 26 li. Sp. i.V. m. S. 18 li. Sp.). Nach dem Facharztbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Mai 1972 (BVerfGE 33, 125) darf das Facharztwesen nicht ausschließlich der Regelung durch Satzung der Ärztekammern (Facharztordnungen) überlassen werden. Das Bundesverfassungsgericht hat außerdem zur Frage, ob der Facharzt seine ärztliche Tätigkeit auf sein Fachgebiet beschränken muss, ausgeführt, die für die Begrenzung der Facharzttätigkeit auf das eigene Fach vorgetragenen Gründe könnten eine Einschränkung der freien Berufsausübung grundsätzlich rechtfertigen (BVerfGE 33, 125 [167, juris Rn. 128]). Dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz werde das Verbot der Betätigung außerhalb des Fachgebiets jedoch nur gerecht, wenn es als allgemeine Richtlinie gelte und nicht als eine auch einzelne Ausnahmefälle ausschließende Regel aufgefasst werde. Die schon in früheren Formulierungen des Verbots enthaltenen Worte „grundsätzlich“ oder „im wesentlichen“ trügen dem Rechnung. Die Standesvertretungen der Ärzte wollten das Verbot nicht engherzig gehandhabt wissen. Nur bei einer solchen Auslegung löse sich auch der Widerspruch, der zwischen einem ausnahmslos geltenden Verbot und der grundsätzlichen Heranziehung der Fachärzte zum Not- und Bereitschaftsdienst bestünde (BVerfGE 33, 125 [168, juris Rn. 129]). Letzteres könnte zwar dafürsprechen, dass mit der Verwendung des Worts „grundsätzlich“ nur der Fall erfasst werden sollte, dass ein Arzt in einem Notfall außerhalb seines Gebiets tätig werden darf (in diesem Sinn möglicherweise OLG Celle, MedR 2008, 378 [juris Rn. 20] - allerdings zu § 1 Abs. 2 GOÄ). Das Bundesverfassungsgericht führt jedoch weiter aus, dass die grundsätzliche Verpflichtung zur Beschränkung auf das Fachgebiet lediglich eine „systematische“ Tätigkeit des Facharztes außerhalb seines Fachgebiets verbiete (BVerfGE 33, 125 [168, juris Rn. 130 i.V. m. Rn. 30). In dem weiteren Facharztbeschluss vom 1. Februar 2011 (1 BvR 2383/10, MedR 2011, 572 [juris Rn. 21]) hat das Bundesverfassungsgericht betont, es komme auf den Umfang fachgebietsfremder Behandlungen an, und in dem konkreten Fall auf den Anteil der fachfremden Operationen an den jährlich durchgeführten Operationen abgestellt; ein Anteil unter 5% bewege sich noch im geringfügigen Bereich. Zu Recht weist das Berufungsgericht in dem angegriffenen Urteil [juris Rn. 17] auf die sich daraus ergebende Frage hin, nach welchen Kriterien feststellt werden soll, ob der einzelne Behandlungsvertrag nichtig oder gültig ist (vgl. auch Finn, GesR 2021, 84 [88]; Hahn/Sendowski, NZS 2011, 728 [729 f.]). Die Entscheidung des Landgerichts Mannheim dagegen, nach der der Anteil der durchgeführten MRT-Untersuchungen am Praxisbetrieb irrelevant sei (MedR 2008, 93 [juris Rn. 21]) und auf die sich die Literatur teilweise bezieht (Kern/Rehborn in Laufs/Kern/Rehborn, Handbuch des Arztrechts, 5. Aufl. 2019, § 74 Rn. 26), ist durch die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts überholt.
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(2) Außerdem zieht ein Verstoß gegen Art. 34 Abs. 1 HKaG nach Sinn und Zweck der Vorschrift nicht die (Teil-)Nichtigkeit des Behandlungsvertrags nach sich (in diesem Sinn wohl auch: Spickhoff in Spickhoff, Medizinrecht, GOÄ § 1 Rn. 14; Hahn/Sendowski, NZS 2011, 728 [731]; a. A. Miebach a. a. O.; Kern/Rehborn in Laufs/Kern/Rehborn, Handbuch des Arztrechts, § 74 Rn. 26 m. w. N. allerdings unter fälschlicher Berufung auf OLG Celle, MedR 2008, 378).
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Auch wenn ein Verbotsgesetz vorliegt, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob die Nichtigkeitssanktion dem Sinn und Zweck des Gesetzes entspricht (vgl. BGH, Urt. v. 25. September 2014, IX ZR 25/14, NJW 2014, 3568 Rn. 14; Urt. v. 21. Oktober 2010, IX ZR 48/10, ZIP 2010, 2405 Rn. 16; für eine Auslegungsregel zugunsten der Nichtigkeitsfolge: Seibl/Fischinger/Hengstberger in Staudinger, BGB, § 134 Rn. 88; Armbrüster in Münchener Kommentar zum BGB, § 134 Rn. 177). Aus Sinn und Zweck eines Verbotsgesetzes kann sich auch ergeben, dass das gesetzwidrige Rechtsgeschäft nicht insgesamt, sondern nur teilweise nichtig ist (Armbrüster in Münchener Kommentar zum BGB, § 134 Rn. 182).
27
Das Verbot, systematisch (nicht nur geringfügig) fachgebietsfremde Behandlungen vorzunehmen, richtet sich nicht an beide Vertragsparteien, sondern nur an den Arzt. Betrifft ein gesetzliches Verbot nur einen Vertragspartner, so hat dies im Regelfall nicht die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge; anderes gilt allerdings, wenn es mit dem Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes nicht vereinbar wäre, die durch das Rechtsgeschäft getroffene rechtliche Regelung hinzunehmen und bestehen zu lassen, und hieraus die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts gefolgert werden muss (BGH, Urt. v. 12. Mai 2011, III ZR 107/10, NJW-RR 2011, 1426 Rn. 12 m. w. N.). Dafür bestehen hier jedoch angesichts ausreichender berufsrechtlicher Sanktionen (vgl. zu deren Berücksichtigung bei der Auslegung: BGH, Urt. v. 17. Januar 1985, III ZR 135/83, BGHZ 93, 264 [juris Rn. 15]) nach Art. 36a ff. sowie Art. 66 ff. HKaG keine Anhaltspunkte (in diesem Sinn auch Hahn/Sendowski, NZS 2011, 728 [731]; a. A. zu § 37 Abs. 1 HBKG BW i. d. F. v. 16. März 1995: LG Mannheim, NJW-RR 2007, 1426 [juris Rn. 24]; zu § 23 SHKG i. d. F. v. 19. November 2007 ohne nähere Begründung: AG Saarlouis, Urt. v. 5. Mai 2009, 25 C 1777/07, VersR 2009, 1212 [1213]). Der Patientenschutz erfordert es nicht, einem bestimmten Fachgebiet zugeordnete Behandlungen nur durch Ärzte dieses Fachgebiets durchführen zu lassen (BVerfG, MedR 2011, 572 [juris 27]). Bei Art. 34 HKaG steht daher der Schutz auch nur eines Vertragspartners (vgl. Seibl/Fischinger/Hengstberger in Staudinger, BGB, § 134 Rn. 112) der Berücksichtigung berufsrechtlicher Sanktionen nicht entgegen.
28
Art. 34 Abs. 1 HKaG dient im Interesse der Qualitätssicherung dem Erhalt der besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten eines Facharztes auf seinem Gebiet (vgl. zu § 31 Abs. 3 HmbKGH: BVerfG, MedR 2011, 572 [juris 22]; Finn, GesR 2021, 84 [88 mit Fn. 60]). Dieser Zweck gebietet es jedoch nicht, den konkreten Behandlungsvertrag, dessen genauer Inhalt beim Vertragsschluss noch gar nicht feststeht (vgl. Weidenkaff in Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 630a Rn. 7), hinsichtlich einer fachfremden Leistung (vgl. auch zur Beschränkung der Nichtigkeitsfolge: Voelkel, Das gerechte Honorar nach der Gebührenordnung für Ärzte, S. 76) als nichtig zu behandeln. Erbringt ein Arzt in nicht mehr geringfügigem Umfang fachfremde Leistungen kann diese - in der Regel mehrere Patienten betreffende - Verletzung seiner sich aus Art. 34 Abs. 1 HKaG ergebenden Berufspflicht insgesamt geahndet werden.
29
Das in Art. 34 Abs. 1 HKaG enthaltene grundsätzliche Verbot richtet sich nicht gegen die privatrechtliche Wirksamkeit des Behandlungsvertrags und den damit verbundenen wirtschaftlichen Erfolg (vgl. allgemein zu diesem Kriterium: BGH, Urt. v. 22. Oktober 1998, VII ZR 99/97, BGHZ 139, 387 [juris Rn. 14]). Denn der Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit der Versorgung, der im Bereich der teuren Gerätemedizin durch den fehlenden Anreiz gesichert werden soll, sich als Arzt der sogenannten Organfächer selbst Patienten für die eigene Tätigkeit als Arzt der sogenannten Methodenfächer zu überweisen (zu § 135 Abs. 2 Satz 4 SGB V: BVerfG, Beschluss vom 2. Mai 2018, 1 BvR 3042/14, MedR 2019, 134 [juris Rn. 26]), erlaubt nur im vertragsärztlichen Bereich Beschränkungen der ärztlichen Berufsausübung (BVerfG, MedR 2011, 572 [juris Rn. 28]). Auch der Schutz vor Konkurrenz ist kein Zweck, der einen Grundrechtseingriff in diesem Zusammenhang erlaubt (BVerfG a. a. O. Rn. 29).
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2. Die Regelungen der Gebührenordnung für Ärzte stehen den Honoraransprüchen des Beklagten (§ 611 Abs. 1, § 612 BGB i.V. m. § 630a Abs. 1, § 630b BGB, jedenfalls soweit die streitgegenständlichen Behandlungsverträge ab dem 26. Februar 2013 geschlossen worden sind) nicht entgegen.
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a) Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 GOÄ darf der Arzt Vergütungen (§ 3 GOÄ) nur für Leistungen berechnen, die nach den Regeln der ärztlichen Kunst für eine medizinisch notwendige ärztliche Versorgung erforderlich sind. Dass diese Voraussetzung für die streitgegenständlichen Leistungen nicht gegeben wäre, ist nach dem gemäß § 559 Abs. 1 ZPO für die Revision maßgeblichen Streitstoff nicht ersichtlich.
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(1) Bei der Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit ist nach ständiger Rechtsprechung ein objektiver Maßstab anzulegen (vgl. zu § 1 Abs. 2 GOÄ: BGH, Urt. v. 14. Januar 2010, III ZR 188/09, BGHZ 184, 61 Rn. 26; Kern/Rehborn in Laufs/Kern/Rehborn, Handbuch des Arztrechts, § 74 Rn. 24; Spickhoff in Spickhoff, Medizinrecht, GOÄ § 1 Rn. 10; vgl. auch zu § 1 Abs. 2 Satz 1 MB/KK 1976: Urt. v. 10. Juli 1996, IV ZR 133/95, BGHZ 133, 208 [juris Rn. 16]).
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Mit dem Begriff „medizinisch notwendige“ ärztliche Versorgung wird nicht an den Vertrag zwischen dem Patienten und dem behandelnden Arzt und die nach diesem Vertrag geschuldete medizinische Heilbehandlung angeknüpft. Es wird vielmehr ein objektiver, vom Vertrag zwischen Arzt und Patient unabhängiger Maßstab eingeführt (BGHZ 184, 61 Rn. 26; BGHZ 133, 208 [juris Rn. 16]). Diese objektive Anknüpfung bedeutet zum einen, dass es für die Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit der Heilbehandlung nicht auf die Auffassung des Patienten und auch nicht allein auf die des behandelnden Arztes ankommen kann. Gegenstand der Beurteilung können vielmehr nur die objektiven medizinischen Befunde und Erkenntnisse im Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung sein (BGHZ 133, 208 [juris Rn. 16]). Entscheidend ist, ob die Behandlung bzw. Untersuchung nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt ihrer Vornahme als notwendig anzusehen war (BGHZ 184, 61 Rn. 26).
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Auf der Grundlage des angefochtenen Urteils ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Durchführung einer MRT-Untersuchung im Rahmen der streitgegenständlichen Behandlungen - unabhängig von der Qualifikation des Beklagten - nicht medizinisch indiziert gewesen wäre (vgl. zu diesem Begriff: BGHZ 184, 61 Rn. 20; Spickhoff in Spickhoff, Medizinrecht, GOÄ § 1 Rn. 10 unter Berufung auf OLG Köln, Urt. v. 13. Januar 2010, 5 U 51/09, VersR 2010, 1454 [juris Rn. 7]). Verfahrensrügen hat die Klägerin in diesem Zusammenhang nicht erhoben.
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Aus der objektiven Anknüpfung folgt zum anderen, dass der Begriff der medizinischen Notwendigkeit einer ärztlichen Maßnahme nur einheitlich verstanden und seine Auslegung nicht davon abhängig gemacht werden kann, wer sie erbringt (BGHZ 184, 61 Rn. 26). In der Entscheidung vom 14. Januar 2010 ist der Bundesgerichtshof der Auffassung des Berufungsgerichts nicht gefolgt, § 1 Abs. 2 Satz 1 GOÄ könne restriktiv dahin ausgelegt werden, dass der Begriff der medizinischen Notwendigkeit für den behandelnden Arzt und den Laborarzt eine unterschiedliche Bedeutung habe und die Leistung des letzteren schon dann „für eine medizinisch notwendige ärztliche Versorgung erforderlich“ sei, wenn sie zwar medizinisch nicht indiziert, aber bei Vorliegen einer medizinischen Indikation, von der der Laborarzt aufgrund seines Vertrauens in die Diagnose des behandelnden Arztes ausgehe, erforderlich wäre. Eine Untersuchung, die medizinisch nicht notwendig wäre, wenn sie der behandelnde Arzt selbst erbringen könnte und würde, könne nicht dadurch medizinisch notwendig werden, dass sie der behandelnde Arzt im Wege der Arbeitsteilung durch einen externen Arzt erbringen lasse (a. a. O.).
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(2) Mit der Formulierung „nach den Regeln der ärztlichen Kunst“ in § 1 Abs. 2 Satz 1 GOÄ wird die Erforderlichkeit der Leistung konkretisiert. Die Konkretisierung leitet sich vom ärztlichen Handlungs- und Pflichtenprogramm ab; der Arzt ist bei der Behandlung den Regeln der medizinischen Wissenschaft verpflichtet (Hoffmann/Kleinken, Gebührenordnung für Ärzte [GOÄ], § 1 Rn. 29 [Seite 36]). Nur insoweit wird der Vergütungsanspruch des Arztes mit dem „berufsrechtlichen Leitbild für die ärztliche Tätigkeit“ verknüpft. Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass einem Arzt für fachfremde Leistungen - von begründeten Ausnahmefällen wie etwa Notfallbehandlungen abgesehen - kein Honoraranspruch zustünde (a. A. OLG Celle, MedR 2008, 378 [juris Rn. 20]; Göbel in Bach/Moser, Private Krankenversicherung, Anhang zu § 1 MB/KK Rn. 49; Miebach in Uleer/Miebach/Patt, Abrechnung von Arzt- und Krankenhausleistungen, GOÄ § 1 Rn. 13; Spickhoff in Spickhoff, Medizinrecht, GOÄ § 1 Rn. 14; Cramer/Henkel, MedR 2004, 593 [596]). Die Ansicht, die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Satz 1 GOÄ seien nicht erfüllt, wenn ein Arzt ausschließlich, überwiegend oder in wesentlichem Umfang außerhalb seines Fachgebietes Leistungen erbringe (vgl. Spickhoff in Spickhoff, Medizinrecht, GOÄ § 1 Rn. 14), teilt der Senat nicht. Es bedarf keiner Entscheidung, ob eine dahingehende Auslegung noch von der - auf Art. 74 Nr. 11 GG beruhenden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Dezember 1984, 1 BvR 1249/83, BVerfGE 68, 319 [juris Rn. 24 ff.]) - Ermächtigungsgrundlage des § 11 BÄO gedeckt wäre (zweifelnd: Voelkel, Das gerechte Honorar nach der Gebührenordnung für Ärzte, S. 77; vgl. auch Hoffmann/Kleinken, Gebührenordnung für Ärzte [GOÄ], § 1 Rn. 29 [Seite 42], die es als systemwidrig ansehen, Kriterien der Weiterbildung oder Qualitätsnormen in eine Gebührentaxe zu übernehmen).
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Ob die konkrete ärztliche Leistung als „nach den Regeln der ärztlichen Kunst für eine medizinisch notwendige ärztliche Versorgung erforderlich“ anzusehen ist, ist objektiv zu beurteilen. Sofern die im Einzelfall ergriffenen diagnostischen bzw. therapeutischen Methoden dem anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen, wovon hier nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auszugehen ist, unterliegt deren Berechnung nach der Gebührenordnung für Ärzte keinen Einschränkungen (Hoffmann/Kleinken a. a. O. [Seite 37]).
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Dem Schutz der Patienten wird durch die dem Arzt obliegende Prüfung (vgl. BVerfG, MedR 2011, 572 [juris Rn. 27]), ob er aufgrund seiner Fähigkeit und der sonstigen Umstände in der Lage ist, seinen Patienten nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu behandeln, und die bestehenden Haftungsrisiken Rechnung getragen.
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Haftungsrechtlich entscheidend ist, ob die tatsächlichen Kenntnisse und Fähigkeiten des behandelnden Arztes dem nach einem objektivtypisierenden Maßstab zu beurteilenden medizinischen Standard genügen (vgl. Gutmann in Staudinger, BGB, § 630a Rn. 134 f.). Eine Leistungserbringung ohne hinreichende Kenntnisse und Erfahrungen kann außerdem strafrechtliche Relevanz haben (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Januar 2012, 1 StR 45/11, NJW 2012, 1377 Rn. 64; Beschluss vom 19. November 1997, 3 StR 271/97, BGHSt 43, 306 [juris Rn. 18]) und wäre zudem wegen Verstoßes gegen die Pflicht zur gewissenhaften Berufsausübung (Art. 17 HKaG; § 2 Abs. 2 und 3 der Berufsordnung für die Ärzte Bayerns) berufsrechtlich zu untersagen (Finn, GesR 2021, 84 [86]), wobei es hier keiner Entscheidung bedarf, ob dafür schon das Überschreiten der Fachgebietsgrenzen genügen kann (in diesem Sinn:  Wollersheim in Clausen/Schroeder-Printzen, Münchener Anwaltshandbuch Medizinrecht, 3. Aufl. 2020, § 6 Rn. 96; a. A. Sobotta in Bergmann/Pauge/Steinmeyer, Gesamtes Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, § 2 MBO Rn. 3; differenzierend: Scholz in Spickhoff, Medizinrecht, MWBO § 2 Rn. 6).
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Selbst bei einer unzureichenden oder pflichtwidrig erbrachten ärztlichen Leistung (§ 630a Abs. 2 BGB) kann der Vergütungsanspruch nach allgemeinen Grundsätzen des Dienstvertragsrechts grundsätzlich nicht gekürzt werden; es können sich allerdings insbesondere aus § 280 Abs. 1 BGB Gegenansprüche des Patienten ergeben (vgl. BGH, Urt. v. 13. September 2018, III ZR 294/16, BGHZ 219, 298 Rn. 16 ff.; Weidenkaff in Grüneberg, BGB, § 630a Rn. 41 m. w. N.). Auch dies spricht gegen die Ansicht, ein Arzt könne für eine dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nur deshalb nach § 1 Abs. 2 Satz 1 GOÄ keine Vergütung verlangen, weil sie Teil seiner systematischen Tätigkeit außerhalb seines Fachgebiets ist.
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(3) Der Bundesgerichtshof hat zwar in seiner Entscheidung vom 14. Januar 2010 die Ansicht des Berufungsgerichts (OLG Brandenburg, Urt. v. 3. Juni 2009, 4 U 111/08) bestätigt, der Hausarzt wäre zur Vornahme der humangenetischen Untersuchungen nicht befugt gewesen (BGHZ 184, 61 Rn. 11). Dabei ging es aber nicht um die Frage, ob einem Honoraranspruch des Hausarztes § 1 Abs. 2 Satz 1 GOÄ entgegensteht (so allerdings OLG Brandenburg, juris Rn. 38; Göbel in Bach/Moser, Private Krankenversicherung, 5. Aufl. 2015, Anhang zu § 1 MB/KK Rn. 49), sondern um den Umfang der vom Hausarzt übernommenen vertraglichen Verpflichtung in Abgrenzung zu den Pflichten des Laborarztes. In diesem Zusammenhang führt der Bundesgerichtshof aus, der Umstand, dass ein Arzt, der eine Fachgebietsbezeichnung führe, grundsätzlich auch nur auf diesem Fachgebiet tätig werden dürfe, lege die Annahme nahe, dass sich die vertragliche Verpflichtung des Arztes von vorneherein nicht auf solche Maßnahmen als Eigenleistung erstrecke, die von seinem Fachgebiet nicht umfasst würden (BGHZ 184, 61 Rn. 11 BGHZ 142, 126 [131, f. juris Rn. 22]) und bezüglich derer er im Übrigen, da keine eigene Leistung im Sinne des § 4 Abs. 2 GOÄ vorliege, auch keine eigene Abrechnung gegenüber dem Patienten vorzunehmen berechtigt sei (BGHZ 184, 61 Rn. 11). Die vertragliche Verpflichtung des Arztes nicht auf Behandlungen zu erstrecken, die er nicht erbringen kann, ohne sich des Vorwurfs eines Übernahmeverschuldens auszusetzen, und die er in den vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen nicht selbst erbracht hat, erscheint interessengerecht (vgl. auch Gutmann in Staudinger BGB, § 630b Rn. 64).
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(4) Dass die streitgegenständlichen Leistungen nicht lege artis ausgeführt worden wären, hat die Klägerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht eingewandt. Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht hätte ein gerichtliches Sachverständigengutachten zur fehlenden Qualifikation des Beklagten einholen müssen. Es ist weder entscheidungserheblich, ob der Beklagte über eine der Zusatzweiterbildung „Magnetresonanztomografie - fachgebunden -“ gleichwertige Weiterbildung verfügt, noch ob die vom ihm vorgelegten Zeugnisse einen entsprechenden Kenntnisstand belegen. An die tragende Feststellung des Berufungsgerichts, der Beklagte verwirkliche in seiner Person die erforderliche Qualifikation (juris Rn. 25), ist das Revisionsgericht in Ermangelung eines hierauf gerichteten Revisionsangriffs gemäß § 559 Abs. 2 ZPO gebunden. Einen Rechtsfehler des Berufungsgerichts bei der Würdigung des Prozessstoffs (§ 286 ZPO) zeigt die Revision nicht auf.
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b) Ohne Erfolg wendet die Revision ein, dass auch eine Delegation ärztlicher Leistungen, die hier - wie bereits mit der Berufung ausgeführt - zumindest teilweise unstreitig gegeben sei, nur zulässig sei, wenn der Delegierende über die erforderliche Qualifikation zur Überwachung und Anleitung des Personals verfüge, die der Beklagte nicht vorweisen könne.
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Dass der Beklagte nicht alle Leistungen höchstpersönlich erbracht hat, steht der Liquidation der Leistungen nicht entgegen. Denn nach § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÄ, dessen Voraussetzungen nach dem nach § 559 Abs. 1 ZPO der Prüfung zugrunde zu legenden Parteivorbringen hier gegeben sind, kann der Arzt Gebühren für selbständige ärztliche Leistungen berechnen, die er selbst erbracht hat oder die unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht wurden (eigene Leistungen).
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§ 4 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 GOÄ ermöglicht es dem Arzt, delegierte und damit nicht höchstpersönlich erbrachte Leistungen als eigene Leistungen zu liquidieren.  Anerkannt wird somit, dass die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung (§ 613 BGB) es nicht ausschließt, dass der Arzt im Einzelfall bestimmte Leistungen an sein Hilfspersonal delegieren kann, sofern er selbst die grundlegenden Entscheidungen über Eingriffe und Therapien trifft und eigenverantwortlich überwacht und das von ihm eingesetzte - hinreichend qualifizierte - Hilfspersonal unter seiner Aufsicht und fachlichen Weisung steht (vgl. Göbel in Bach/Moser, Private Krankenversicherung, Anhang zu § 1 MB/KK Rn. 95; Spickhoff in Spickhoff, Medizinrecht, GOÄ § 4 Rn. 8).
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Zwar können nach der Begründung zu § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÄ (BR-Drs. 118/88 S. 47) Leistungen, die der Arzt selbst mangels entsprechender Ausbildung nicht fachgerecht durchführen kann, nicht als nach „fachlicher“ Weisung des Arztes erbracht angesehen werden (so auch BGH, Beschluss vom 25. Januar 2012, 1 StR 45/11, NJW 2012, 1377 Rn. 64). Entgegen der von der Klägerin vertretenen Ansicht folgt daraus aber nicht, ein Orthopäde ohne die gebietsbezogene Zusatz-Weiterbildung Magnetresonanztomografie - fachgebunden - oder eine ihr entsprechende Fortbildung dürfe MRT-Untersuchungen nicht liquidieren.
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Eine bestimmte formale Qualifikation des abrechnenden Arztes ist in § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÄ - anders als in § 4 Abs. 2 Satz 4 GOÄ - nicht angesprochen, was für einen Umkehrschluss spricht (vgl. Taupitz/Jones, MedR 2001, 499 [501]; ebenso Hahn/Sendowski, NZS 2011, 728 [731]). Allerdings wird unter Bezugnahme auf die Begründung zur Dritten Änderungsverordnung zur Gebührenordnung für Ärzte (BRDrs. 118/88 S. 47) die Ansicht vertreten, ein Arzt, der die Leistung mangels entsprechender weiterbildungsrechtlicher Qualifikation nicht fachgerecht selbst erbringen könne, sei nicht zur Abrechnung berechtigt (Göbel in Bach/Moser, Private Krankenversicherung, Anhang zu § 1 MB/KK Rn. 98; Miebach in Uleer/Miebach/Patt, Abrechnung von Arzt- und Krankenhausleistungen, GOÄ § 4 Rn. 40; Möller, jurisPRMedizinR 9/2020 Anm. 1, C. IV.); dabei wird jedoch übersehen, dass die Verordnungsbegründung auf Ausbildung und nicht auf Weiterbildung abstellt (in diesem Sinn auch Finn, GesR 2021, 84 [90]). Die Auffassung, fachliche Weisungen könnten nur im Rahmen der Fachgebietsgrenzen erteilt werden (Clausen in Clausen/Schroeder-Printzen, Münchner Anwaltshandbuch Medizinrecht, § 8 Rn. 197 und 223), vermag angesichts der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2011 (MedR 2011, 572 [juris Rn. 27]) nicht zu überzeugen und stützt sich im Übrigen auf die Entscheidungen des Landgerichts Mannheim (NJW-RR 2007, 1426) und des Oberlandesgerichts Celle (MedR 2008, 378), die sich beide nicht mit § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÄ befassen und denen der Senat bezüglich der zu § 1 Abs. 2 Satz 1 GOÄ vertretenen Ansicht aus den unter Buchstabe a) dargelegten Gründen nicht folgt.
48
Auch im Rahmen des § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÄ ist es somit weder entscheidungserheblich, ob der Beklagte über eine der Zusatzweiterbildung „Magnetresonanztomografie - fachgebunden -“ gleichwertige Weiterbildung verfügt, noch ob die von ihm vorgelegten Zeugnisse einen entsprechenden Kenntnisstand belegen. Dass bezüglich der Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÄ entscheidungserheblicher Sachvortrag übergangen worden wäre, zeigt die Revision nicht auf.
49
Im Streitfall kann dahinstehen, ob ein Arzt, der aufgrund seiner Approbation zur eigenverantwortlichen und selbständigen ärztlichen Berufsausübung befähigt ist, unabhängig von seiner fachlichen Qualifikation nach § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÄ die Erbringung delegationsfähiger Leistungen unter seiner Aufsicht abrechnen darf (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 20. Januar 2017, III - 1 Ws 482/15, juris Rn. 14) oder ob er über eine zwar nicht formalisierte, aber hinreichende fachliche Qualifikation verfügen muss, die es ihm - kraft seiner Weisungsbefugnis - ermöglicht, die Leistung nach dem medizinischen Standard als eigene zu erbringen (vgl. Finn, GesR 2021, 84 [90]; Möller, juris PR-MedizinR 9/2020 Anm. 1 C IV; Taupitz/Jones, MedR 2001, 499, [502}; in diesem Sinn möglicherweise auch: BGH, Beschluss vom 25. Januar 2012, 1 StR 45/11, NJW 2012, 1377 Rn. 64). Denn an die tragende Feststellung des Berufungsgerichts, der Beklagte verwirkliche in seiner Person die erforderliche Qualifikation (juris Rn. 28 mit Rn. 25), ist das Revisionsgericht in Ermangelung eines hierauf gerichteten Revisionsangriffs gemäß § 559 Abs. 2 ZPO gebunden. Einen Rechtsfehler des Berufungsgerichts bei der Würdigung des Prozessstoffs (§ 286 ZPO) zeigt die Revision nicht auf.
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II. Gemäß § 97 Abs. 1 ZPO hat die Klägerin die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.