Titel:
Entfernung aus dem Beamtenverhältnis: Teamleiter, welcher mit Abrechnungen befasst ist, insbesondere wegen Abrechnungsbetrug sowie Steuerhinterziehung
Normenkette:
BDG § 10
Leitsätze:
1. Da für die Fortsetzung eines ausgesetzten Disziplinarverfahrens keine Formvorschriften existieren, kann es auch formlos dadurch fortgesetzt werden, dass es ausgedehnt wird, ohne dass vorher eine förmliche Fortsetzungsverfügung erlassen wird. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
2. Hat ein Beamter über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren zum einen die Dienstherrin durch Abrechnungsbetrug, zum anderen die Staatskasse durch Steuerhinterziehung auf raffinierte Art und Weise nach genauer Planung und Überlegung mit hoher krimineller Energie betrogen, wirkt es im Hinblick auf die Betrugshandlungen erschwerend, wenn der Beamte als Teamleiter eine dienstliche Vertrauensstellung innehatte und im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit mit gleichartigen Abrechnungen befasst war. (Rn. 66) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Disziplinarklage, Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, Steuerhinterziehung, Betrug, Körperverletzung, unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst, Arbeitszeit- und Weisungsverstöße sowie unangemessenes Verhalten durch Mitarbeiter der Bundeswehrverwaltung, Beamtenrecht, Disziplinarverfahren, Fortsetzung, Abrechnungsbetrug, Vertrauensstellung, Teamleiter, Abrechnung, Ausdehnung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Urteil vom 06.09.2023 – 16b D 22.686
Fundstelle:
BeckRS 2022, 1219
Tenor
I. Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt mit ihrer Disziplinarklage die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis.
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1. Der am … März 1957 geborene Beklagte trat nach dem Vorbereitungsdienst für den gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienst und einem Studium an der Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung in St. im Dezember 1983 in den Dienst der Bundeswehrverwaltung ein. Mit Wirkung vom 19. August 1987 erfolgte die Ernennung zum Regierungsinspektor unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit. Mit Wirkung vom 18. September 1992 wurde er zum Regierungsoberinspektor ernannt, mit Wirkung vom 19. Juli 2004 erfolgte die letzte Ernennung zum Regierungsamtmann (Besoldungsgruppe A 11).
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Nach Einsätzen in der Verwaltung der Bundeswehr in St. war der Beklagte seit … … 2004 in der Wehrbereichsverwaltung Süd - Außenstelle … als „Sachbearbeiter ...“, seit 1. Januar 2006 in der Wehrbereichsverwaltung Süd … mit Dienstort … als „Sachbearbeiter … … … …“, seit 22. Juni 2009 im Bundeswehrdienstleistungszentrum … ( …) als „Sachbearbeiter …“, „Bearbeiter … Bürosachbearbeiter“ und „Sachbearbeiter … und …“ eingesetzt, teilweise in Teilzeit. Seit 1. Januar 2018 wird er beim BwDLZ auf einem Dienstposten ähnlichen Konstrukt geführt.
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In der Regelbeurteilung für den Zeitraum vom 1. Februar 2009 bis zum 30. November 2011 erhielt der Beklagte die Note „D“, in der Regelbeurteilung für den Zeitraum vom 1. Dezember 2011 bis 31. Januar 2015 die Note „mangelhaft“ und in der Regelbeurteilung für den Zeitraum vom 1. Februar 2015 bis 31. Januar 2018 die Note „5“.
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2. Nach Mitteilung der Staatsanwaltschaft M. I vom 1. Juli 2013 über ein Ermittlungsverfahren gegen den Beklagten wegen Steuerhinterziehung und Betrugs leitete das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (BAIUDBw) mit Schreiben vom 13. Mai 2014 ein Disziplinarverfahren gegen ihn ein und setzte dieses gleichzeitig bis zum Abschluss der strafrechtlichen Ermittlungen aus. Das Amtsgericht München verurteilte den Beklagten wegen dieser Delikte mit Urteil vom 5. September 2014 zu einer Geldstrafe. In dem Urteil ist ein Strafbefehl des Amtsgerichts Wertheim vom 15. Februar 2013 wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Bedrohung erwähnt. Das BAIUDBw dehnte das Disziplinarverfahren gegen den Beklagten deshalb mit Schreiben vom 5. August 2015 auf diese Vorwürfe aus. Auf die auf das Strafmaß beschränkte Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts München reduzierte das Landgericht München I mit Urteil vom 18. Februar 2016, rechtskräftig seit 26. Februar 2016, die gegen den Beklagten ausgesprochene Geldstrafe. Das Disziplinarverfahren wurde daraufhin am 15. April 2016 fortgesetzt. Der Vorgesetzte des Beklagten übersandte unter dem Datum des 22. April 2016 ein negatives Persönlichkeitsbild. Mit Schreiben vom 26. Oktober 2016 wurde das Disziplinarverfahren zur Bearbeitung an das Bundesamt für Personalmanagement der Bundeswehr (BAPersBw) abgegeben. Dieses dehnte das Disziplinarverfahren mit Schreiben vom 9. März 2018 auf von dem Vorgesetzten des Beklagten angezeigte weitere Vorwürfe zu Arbeitszeitverstößen, unerlaubtem Fernbleiben vom Dienst und unzureichender Dienstverrichtung aus. Die Zuständigkeit für die Bearbeitung des Disziplinarverfahrens oblag ab Mai 2019 wieder dem BAIUDBw. Dieses dehnte das Disziplinarverfahren mit Schreiben vom 28. Mai 2019 erneut auf vom Vorgesetzten des Beklagten erhobene weitere Vorwürfe zu Arbeitszeitverstößen, unerlaubtem Fernbleiben vom Dienst, ungebührlichem Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Weisungsverstößen aus und hörte den Beklagten gleichzeitig zur beabsichtigten vorläufigen Dienstenthebung unter teilweiser Einbehaltung von Dienstbezügen an. Dieser äußerte sich mit Schriftsätzen seines ehemaligen Bevollmächtigten vom 30. August und 16. September 2019. Das BAIUDBw enthob den Beklagten mit Verfügung vom 2. Oktober 2019 vorläufig des Dienstes und ordnete die Einbehaltung von 30% seiner Dienstbezüge an. Mit Schreiben vom 2. September 2020 übersandte es ihm die Zusammenstellung des Ermittlungsergebnisses.
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Der Beklagte erhielt zu allen Verfahrensschritten Gelegenheit zur Äußerung.
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3. In strafrechtlicher Hinsicht liegen folgende Entscheidungen gegen den Beklagten vor:
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3.1. Das Amtsgericht München verurteilte ihn mit Urteil vom 5. September 2014 wegen Steuerhinterziehung in drei tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit Betrug in vier tatmehrheitlichen Fällen (§§ 369 Abs. 1, 370 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 Abgabenordnung - AO, §§ 263 Abs. 1, 25 Abs. 1 Alt. 2, 53 Strafgesetzbuch - StGB) unter Einbeziehung der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Wertheim vom 15. Februar 2013 zu einer Gesamtgeldstrafe von 210 Tagessätzen zu je 75 €. Im Übrigen sprach es ihn frei. Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:
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1. Einkommensteuerhinterziehung 2008 und 2009
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Obwohl der Beklagte in den Jahren 2008 und 2009 seinen Wohnsitz nicht mehr nur in Stuttgart hatte, sondern auch in München, und nicht täglich von Stuttgart nach München pendelte, reichte er am 2. Januar 2008 für 2008 und am 20. Februar 2009 für 2009 beim Finanzamt St. II Anträge auf Lohnsteuerermäßigung ein. Hierbei erklärte er jeweils wahrheitswidrig, dass er seinen Wohnsitz in … St. habe, und in 2008 an 230 Tagen jeweils einfach 252 km und in 2009 an 220 Tagen jeweils einfach 234 km zur Arbeitsstätte zurücklegen müsse. Wie ihm bereits bei Antragstellung bewusst war, war dies unzutreffend, da er bereits vor 2008 die in … St. gehaltene Wohnung nicht mehr täglich bewohnte und sich auch in seiner Freizeit regelmäßig in München aufhielt, sodass er nicht täglich zu seiner Münchner Arbeitsstelle von Stuttgart aus hin und nach der Arbeitszeit wieder zurückfuhr. Aufgrund seiner falschen Angaben wurde mit Verfügung des Finanzamts St.II vom 2. Januar 2008 ein Freibetrag von 3580 € jährlich für 2008 und mit Verfügung vom 20. Februar 2009 ein Freibetrag von 14.524 € jährlich für 2009 gewährt. Hierdurch wurde, wie vom Beklagten beabsichtigt, in 2008 die Lohnsteuer um 1.281 € zzgl. 70,46 € Solidaritätszuschlag und in 2009 die Lohnsteuer um 4.928 € zzgl. 271,04 € Solidaritätszuschlag zu niedrig festgesetzt.
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2. Der Beklagte stellte darüber hinaus bei den zuständigen Dienststellen des Bundes im Zeitraum vom 26. März 2008 bis 8. August 2011 regelmäßig Anträge auf Trennungsgeld, Reisebeihilfen und Übernachtungsgeld, d.h. auf Erstattung der gesamten Kosten einer Zweitwohnung in München. Die genauen Umstände der Bewohnung und Nutzung von Haupt- und Nebenwohnsitz konnten nicht vollständig aufgeklärt werden. Wie der Beklagte wusste, setzten aber zumindest die Ansprüche auf Reisebeihilfe voraus, dass die geltend gemachten Fahrten auch tatsächlich stattfinden. Er stellte folgende Anträge auf Reisebeihilfe und behauptete darin folgende Fahrten, die er tatsächlich aber so nicht unternahm, sondern sich tatsächlich an anderen Orten aufhielt:
Antrag vom
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Unrichtigerweise behauptet wurde(n)
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Ohne Anspruch beantragt wurden
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31.8.2010
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Fahrt Stuttgart-München am 5.10.2009
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47 €
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31.5.2010
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Aufenthalte in Stuttgart vom 7. bis 9.8.2009 und vom 8. bis 12.7.2009
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2 x 47 €
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22.6.2009
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Fahrt Stuttgart-München am 14.6.2009
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23,50 €
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18.3.2009
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Aufenthalt in Stuttgart vom 2. bis 8.11.2008
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34,10 €
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3. Kraftfahrzeugsteuerhinterziehung
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Der Beklagte fuhr am 7. Mai 2009 gegen 2:00 Uhr mit dem Pkw …, amtliches tschechisches Kennzeichen … in Stuttgart, obwohl das Fahrzeug, wie er wusste, im Inland nicht zugelassen und versteuert worden war und er seinen ständigen Aufenthalt in München hatte. Er nutzte den Pkw bereits zuvor seit 1. November 2008 ununterbrochen in der Bundesrepublik Deutschland. Die zuständige Finanzbehörde hatte er hiervon nicht in Kenntnis gesetzt. Er ersparte sich hierdurch die Zahlung von Kraftfahrzeugsteuer in Höhe von 144,08 €.
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3.2. Das Landgericht München I hob mit Urteil vom 18. Februar 2016, rechtskräftig seit 26. Februar 2016, den Strafausspruch aus dem Urteil des Amtsgerichts München vom 5. September 2014 auf und verurteilte den Beklagten zu einer Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 59 €. Dabei stellte es fest, dass der Schuldausspruch aus dem Urteil des Amtsgerichts München rechtskräftig geworden sei.
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3.3. Das Amtsgericht Wertheim verurteilte den Beklagten ferner mit Strafbefehl vom 15. Februar 2013, rechtskräftig seit 17. Juli 2013, zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 60 €. Dem Strafbefehl lag folgender Sachverhalt zugrunde:
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Am 19. Oktober 2020 gegen 17:00 Uhr verletze der Beklagte in … auf der Wiese hinter dem Haus … den damals 8-jährigen … ohne rechtfertigenden Grund, indem er ihm zunächst eine heftige Ohrfeige versetzte, sodass dieser zu Boden fiel. Als er auf dem Boden lag, versetzte der Beklagte ihm einen Tritt ins Gesäß. Hierdurch erlitt der Geschädigte, wie vom Beklagten zumindest vorhergesehen und billigend in Kauf genommen, eine Prellung an der linken Gesichtshälfte. …
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4. Am 7. Januar 2021 erhob die Klägerin Disziplinarklage zum Verwaltungsgericht München mit dem Antrag,
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den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
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Zur Begründung führte sie aus, dem Beklagten seien insgesamt 17 unterschiedliche Sachverhalte vorzuwerfen, wobei im folgenden die Gliederung der Disziplinarklage übernommen wird:
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(1-3) Die Vorwürfe 1 (zweifache Steuerhinterziehung durch unrichtige Anträge auf Lohnsteuerermäßigung an das Finanzamt St.), 2 (vierfacher Betrug) und 3 (Steuerhinterziehung durch Nutzung eines nicht zugelassenen und versteuerten Kfz) ergäben sich aus den Urteilen des Amtsgerichts München vom 5. September 2014 und des Landgerichts München vom 18. Februar 2016 und umfassten Steuerhinterziehung in drei tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit Betrug in vier tatmehrheitlichen Fällen. Den Urteilen komme nach § 23 Abs. 1 Bundesdisziplinargesetz (BDG) Bindungswirkung zu.
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(4) Dieser Vorwurf sei dem Strafbefehl des Amtsgerichts Wertheim vom 15. Februar 2013 zu entnehmen und beinhalte eine Körperverletzung gegen einen damals 8-jährigen Jungen.
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(5) Der Beklagte habe zudem in der Zeit vom 1. April bis 26. Juli 2017 in 63 Fällen die Kernarbeitszeit verletzt. Die einzelnen Verstöße werden in einer Tabelle dargestellt; hierauf wird verwiesen.
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(6) Trotz mehrfacher Aufforderungen sei der Beklagte den Anordnungen seines Vorgesetzten nicht nachgekommen und habe die im Rahmen seiner Tätigkeit erforderlichen Umbuchungen - Geschäftsvorfälle im Verpflegungswesen für 2016 - nicht vorgenommen.
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(7) Der Beklagte habe zwischen den dienstlichen Unterlagen in seinem Dienstzimmer diverse Lebensmittel aufbewahrt und das Büro trotz entsprechender Weisung nicht gereinigt.
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(8) Er sei in der Zeit vom 11. bis 18. Dezember 2017 und am 7. Februar 2018 ohne Genehmigung dem Dienst ferngeblieben.
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(9) In der Zeit vom 6. bis 9. Februar 2018 habe er sich nicht an die mit Schreiben vom 1. Dezember 2017 festgesetzte Arbeitszeit gehalten.
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(10) In der Zeit vom 1. Mai 2018 bis 31. Januar 2019 habe er den Dienst in 122 Fällen außerhalb der Kernarbeitszeit angetreten. Die einzelnen Arbeitszeitverstöße werden in einer Tabelle dargestellt, auf die ebenfalls verwiesen wird.
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(11) Spätestens am 22. Januar 2019 habe er eine Türbeschilderung mit den Worten „Kein Zutritt für Warmduscher und Trittbrettfahrer“ sowie Schriftzeichen aus dem Sanskrit an seiner Bürotür angebracht.
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(12) Den Weisungen vom 22. und 29. Januar 2019, diese Türbeschilderung zu entfernen, sei er nicht nachgekommen.
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(13) Am 30. Januar 2019 habe er seinen Vorgesetzten angeschrien, er solle sein Büro verlassen, ihn hinaus gedrängt und das Büro anschließend verriegelt.
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(14) Der Weisung seines Vorgesetzten vom selben Tag, die Bürotür wieder zu entriegeln, sei er nicht nachgekommen.
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(15) Am 11. und 12. Februar 2019 sei er dem Dienst ohne Genehmigung ferngeblieben.
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(16) Er habe ferner die Weisung missachtet, am 14. Februar 2019 an einer Besprechung teilzunehmen.
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(17) Am 14. Februar 2019 sei er seinem Vorgesetzten anlässlich eines Gesprächs über seinen künftigen geänderten Aufgabenbereich bedrohlich nahegekommen.
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Der Beklagte habe rechtswidrig und schuldhaft seine beamtenrechtliche Pflicht zur Uneigennützigkeit (§ 61 Abs. 1 Satz 2 Bundesbeamtengesetz - BBG) und die allgemeine Wohlverhaltenspflicht (§ 61 Abs. 1 Satz 3 BBG) verletzt und sei unerlaubt dem Dienst ferngeblieben (§ 96 Abs. 1 Satz 1 BBG). Hierdurch habe er ein schwerwiegendes einheitlich zu bewertendes innerdienstliches Dienstvergehen begangen. Er habe sich durch sein Verhalten untragbar gemacht; das Vertrauen in die künftige ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung sei zerstört. Durch die Begehung der Betrugsdelikte über einen Zeitraum von fast eineinhalb Jahren zulasten des Dienstherrn habe er im Kernbereich des Pflichtenkreises eines Beamten versagt, was besonders schwer wiege, weil er als Teamleiter in der Abrechnungsstelle mit vergleichbaren dienstlichen Vorgängen betraut gewesen sei und eine herausgehobene Vorgesetztenstellung bekleidet habe. Erschwerend komme hinzu, dass er sich nach Einleitung des Disziplinarverfahrens von diesem nicht nur unbeeindruckt gezeigt habe, sondern weitere Dienstpflichtverletzungen begangen habe. Aus seinen Stellungnahmen seien weder Einsicht noch Reue erkennbar.
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Der Beklagte beantragt mit Schreiben vom 11. März 2021,
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die Disziplinarklage abzuweisen.
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Er weist den Vorwurf der Körperverletzung im Strafbefehl des Amtsgerichts Wertheim zurück, weil er lediglich einen Angriff abgewehrt habe. Zudem habe er keine Bedrohung begangen. Auch Verstöße gegen die beamtenrechtliche Folgepflicht, die allgemeine Wohlverhaltenspflicht und die Pflicht zu vollem Einsatz im Beruf lägen nicht vor. Vielmehr hätten sich seine Vorgesetzten ihm gegenüber nicht korrekt verhalten. Die Akten einer ehemaligen Mitarbeiterin seien ihm ohne Übergabeverhandlung übergeben worden. Nicht nachvollziehbar sei auch, dass der Vorgesetzte Herr R. seine Absicht, ihn als Nachfolger und Rechnungsführer einzusetzen, geändert habe. Die Vorgesetzten hätten ihn herabwürdigend und verachtend behandelt, ihr Verhalten sei einer Mobbingtreibjagd gleichgekommen. Die Sanskrit-Zeichen habe er an seiner Bürotür angebracht, damit sich auch die Andersgläubigen am Standort vertreten und wahrgenommen fühlten. Die Bürotür habe er von innen verriegelt, weil er habe befürchten müssen, dass sein Vorgesetzter in sein Büro komme und eine Kaffeemühle und ein Bild entsorge. Eine Bedrohung seines Vorgesetzten sei nicht erfolgt, Lautstärke, Beleidigungen, unsachliche Fragen und aggressive Gestik hätten seinerseits nicht vorgelegen. Infolge gesundheitlicher (Schlafapnoe ohne Atemtherapiegerät und Venenprobleme) sowie finanzieller Probleme mit dem Verlust eines Kfz sei er gehindert gewesen, den Dienst pünktlich anzutreten. Insbesondere weil eine Barauszahlung seines Dienstherrn an ihn für das Atemtherapiegerät nicht erfolgt sei, sehe er eine Fürsorgepflichtverletzung. Seine Urlaube habe er stets beantragt, seine Anträge seien jedoch durch unklare und wechselnde Zuständigkeiten oft lange unterwegs gewesen und möglicherweise nicht angekommen. Unzutreffend seien auch die Vorwürfe aus den Strafurteilen, weil sein Hauptwohnsitz in Stuttgart bestanden habe. Lebensmittel seien in seinem Büro lediglich ebenso wie bei anderen Kollegen aufbewahrt gewesen.
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Zur mündlichen Verhandlung am 26. Januar 2022 erschien der Beklagte nicht. Der Vertreter der Klägerin wiederholte den schriftsätzlich gestellten Antrag.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegte Disziplinar- und Personalakte sowie die Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Das Gericht konnte trotz Ausbleibens des Beklagten über die Sache verhandeln und entscheiden, da er ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war (§ 3 BDG i.V.m. § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).
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Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (§ 10 BDG) erkannt.
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1. Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Mängel auf. Solche wurden vom Beklagten auch nicht geltend gemacht.
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Unschädlich ist, dass das BAIUDBw das Disziplinarverfahren, das zugleich mit der Einleitungsverfügung vom 13. Mai 2014 bis zum Abschluss der strafrechtlichen Ermittlungen ausgesetzt worden war, mit Schreiben vom 5. August 2015 ausdehnte, ohne vorher eine förmliche Fortsetzungsverfügung erlassen zu haben. Da für die Fortsetzung des Disziplinarverfahrens keine Formvorschriften existieren, kann dieses auch formlos fortgesetzt werden, was hier konkludent durch die Ausdehnung erfolgte. Die Rechte des Beklagten wurden durch dieses Vorgehen nicht berührt, weil er zu allen Verfahrensschritten ausreichend Gelegenheit zur Äußerung erhielt.
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2. In tatsächlicher Hinsicht steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die dem Beklagten in der Disziplinarklage zum Vorwurf gemachten Sachverhalte allesamt zutreffen.
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Ob ein Dienstvergehen erwiesen ist, entscheidet das Gericht nach § 3 BDG i.V.m. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Das Gericht muss sich im Rahmen der Beweiswürdigung selbst eine Überzeugung bilden. Es hat aufgrund der gesamten Beweislage zu prüfen, ob es von der Tat und der Schuld des Beamten überzeugt ist. Die Überzeugung des Gerichts muss sich dabei auf einen konkreten Geschehensablauf richten. Das Gericht darf weiter keine vernünftigen Zweifel an der Schuld des Beamten haben. Die hierfür erforderliche Gewissheit erfordert ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, demgegenüber vernünftige Zweifel nicht mehr aufkommen, wobei die Möglichkeit eines anderen, auch gegenteiligen Geschehensverlaufs die erforderliche Gewissheit nicht ausschließt (BayVGH, U.v. 18.3.2015 - 16a D 09.3029 - juris Rn. 44). Diese Gewissheit liegt hinsichtlich der von der Klägerin gegen den Beklagten erhobenen Vorwürfe vor. Die zu seiner Rechtfertigung im Disziplinarverfahren mit Schriftsätzen seines ehemaligen Bevollmächtigten vom 30. August und 16. September 2019 sowie von ihm selbst in der Klageerwiderung vorgetragenen Umstände sind nicht geeignet, die Überzeugung des Gerichts von der Begehung der Taten zu entkräften.
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2.1. Die Vorwürfe 1 bis 3 der Disziplinarklage im Hinblick auf die dreifache Steuerhinterziehung und den vierfachen Betrug stehen fest aufgrund der Bindungswirkung des Urteils des Amtsgerichts München vom 5. September 2014 (vgl. § 57 Abs. 1 Satz 1 BDG). Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung war auf das Strafmaß beschränkt, weshalb das Landgericht München I im Urteil vom 18. Februar 2016 selbst davon ausgeht, dass der Schuldausspruch im Urteil des Amtsgerichts München rechtskräftig wurde. Die Einwendungen des Beklagten gegen die Richtigkeit der strafgerichtlichen Verurteilung sind daher ohne Bedeutung.
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2.2. Die tatsächlichen Feststellungen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Wertheim vom 15. Februar 2013, die dem Vorwurf 4 der Disziplinarklage zugrunde liegen, sind zwar nicht bindend, das Gericht kann sie dem Urteil jedoch nach § 57 Abs. 2 BDG ohne nochmalige Prüfung zugrunde legen. Eine Entkräftung der Indizwirkung des Strafbefehls hat der Beklagte nicht vorgenommen.
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2.3. Die übrigen Vorwürfe 5 bis 17 der Disziplinarklage im Hinblick auf Arbeitszeit- und Weisungsverstöße, unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst, unzureichende Dienstverrichtung und unangemessenes Verhalten durch den Beklagten ergeben sich aus einer Vielzahl von Schreiben seiner Vorgesetzten, insbesondere vom 22. April 2016, 30. August 2017, 4., 19. und 20. Februar 2019, die der Disziplinarakte beiliegen. Diese Schreiben zeichnen glaubhaft, nachvollziehbar und ohne Belastungseifer ein in sich stimmiges Bild des Beklagten, dem sich das vorgeworfene Verhalten ohne Zweifel entnehmen lässt.
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Dem Vorbringen des Beklagten, die Verletzungen der Kernarbeitszeit seien seiner Schlafapnoe-Erkrankung, dem Pflegeaufwand für seine Hautveränderungen und dem Fehlen eines Kfz geschuldet, weshalb er seinen Dienst an den im einzelnen vorgeworfenen Tagen nicht früher antreten habe können, ist zu entgegen, dass die Einhaltung der Arbeitszeit in seinem Verantwortungsbereich liegt und er seinen Alltag so zu organisieren hat, dass sich keine Arbeitszeitverstöße ereignen. Ein ärztliches Attest dazu, dass er nicht zu den vorgegebenen Zeiten zum Dienst erscheinen konnte, hat er nicht vorgelegt.
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Das Vorbringen des Beklagten, er habe bestimmte Aufgaben nicht erledigt, weil er hierzu infolge der Übertragung von Arbeit der Kolleginnen und Kollegen nicht gekommen sei, entkräftet nicht den Vorwurf der mangelhaften Aufgabenerfüllung. Insbesondere ist nichts für eine dienstliche Überlastung des Beklagten ersichtlich, die der Aufgabenerfüllung entgegen gestanden hätte, und liegt eine Überlastungsanzeige nicht vor.
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Weiter führt sein Vorbringen, die unerlaubte Abwesenheit vom Dienst an einzelnen Tagen sei dem Umstand geschuldet gewesen, dass der Verbleib seiner Urlaubsanträge unklar und deren Laufzeit zu lange gewesen seien, nicht zum Entfallen des entsprechenden Vorwurfs. Um ein Fernbleiben vom Dienst zu rechtfertigen, bedarf es einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Entbindung von der Dienstleistungspflicht (BVerwG, B.v. 31.7.2019 - 2 B 56.18 - juris Rn. 6), die hier jedoch nicht vorlag und deren Einholung ebenfalls Sache des Beamten ist.
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Das vom Beklagten in Abrede gestellte aggressive Verhalten gegenüber einem Vorgesetzten am 14. Februar 2019 ist nachvollziehbar im Schreiben des Vorgesetzten vom 19. Februar 2019 (Disziplinarakte Einlage S. 102 ff.) dargestellt.
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2.4. Damit sind dem Beklagten dreifache Steuerhinterziehung (Vorwürfe 1 und 3), vierfacher Betrug (Vorwurf 2), Körperverletzung (Vorwurf 4), 189 Arbeitszeitverstöße (Vorwürfe 5, 9 und 10), neun Tage unentschuldigtes Fernbleiben vom Dienst (Vorwürfe 8 und 15), Schlechtleistung (Vorwurf 6), mehrfache Weisungsverstöße (Vorwürfe 6, 7, 12, 14 und 16) und unangemessenes Verhalten im Dienst (Vorwürfe 7, 11, 13 und 17) vorzuwerfen.
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3. Durch sein Verhalten hat der Beklagte mehrere beamtenrechtliche Pflichten verletzt. Die Verstöße gegen strafgesetzliche Vorschriften (Vorwürfe 1 bis 4) begründen einen Verstoß gegen die Pflicht zu gesetzmäßigem Verhalten aus § 60 Abs. 1 Satz 3 BBG (i.V.m. den Vorschriften des StGB und der AO). Mit der Schlechtleistung (Vorwurf 6) hat er die Pflicht zu ordnungsgemäßer Aufgabenerfüllung aus § 61 Abs. 1 Satz 1 und 2 BBG verletzt. Die Verstöße gegen Arbeitszeitvorschriften (Vorwürfe 5, 8, 9, 10, 15) - sowohl in Form von Arbeitszeitverstößen als auch in Form des vorsätzlichen unerlaubten Fernbleibens vom Dienst - führen zu einer Verletzung der Pflicht zu vollem persönlichem Einsatz im Beruf aus § 60 Abs. 1 Satz 1 BBG. Die Weisungsverstöße (Vorwürfe 6, 7, 12, 14 und 16) verletzen die Gehorsamspflicht aus § 62 Abs. 1 Satz 2 BBG. Das gesamte dem Beklagten vorgeworfene Verhalten verletzt zudem die Pflicht zu achtungs- und vertrauensgemäßem Verhalten aus § 61 Abs. 1 Satz 2 BBG.
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4. Die Verstöße gegen die beamtenrechtlichen Pflichten begründen eine inner- (Vorwürfe 2 sowie 5 bis 17) und außerdienstliche Dienstpflichtverletzung (Vorwürfe 1, 3 und 4).
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4.1. Die Vorwürfe 2 sowie 5 bis 17 sind als innerdienstliches Dienstvergehen nach § 77 Abs. 1 Satz 1 BDG zu qualifizieren, weil das pflichtwidrige Verhalten in das Amt des Beklagten und in seine dienstlichen Pflichten eingebunden waren (BVerwG, U.v. 10.12.2015 - 2 C 6.14 - juris Rn. 11). Für die Betrugshandlungen (Vorwurf 2) gilt dies, weil sie gegenüber einer Behörde der Bundeswehr und damit gegenüber der Dienstherrin begangen wurden.
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4.2. Die Vorwürfe 1, 3 und 4 wurden außerhalb des Dienstes begangen. Im Hinblick auf den Strafrahmen der Steuerhinterziehung und der Körperverletzung, der nach § 370 Abs. 1 AO und § 223 Abs. 1 StGB jeweils Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren beträgt, ist hier auch dieses Verhalten des Beklagten nach § 77 Abs. 1 Satz 2 BDG disziplinarrechtlich relevant. Das Bundesverwaltungsgericht (U.v. 16.6.2020 - 2 C 12.19 - juris Rn. 16) - sieht die disziplinarrechtliche Relevanz außerdienstlichen Verhaltens bei einer Strafandrohung von Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren als gegeben an.
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5. Der Beklagte handelte vorsätzlich. Hinsichtlich der strafrechtlich relevanten Taten ergibt sich dies aus den Verurteilungen. Auch bei den übrigen Taten (Vorwürfe 5 bis 17) liegt Vorsatz vor. Der Beklagte wusste, was er tat, und wollte dies auch bzw. nahm die Folgen seines Handelns jedenfalls billigend in Kauf.
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6. Das Fehlverhalten des Beklagten wiegt schwer i.S.v. Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG. Es hat zur Folge, dass er das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Deshalb ist nach Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG auf die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme zu erkennen.
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6.1. Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild des Beamten und dem bisherigen dienstlichen Verhalten zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, U.v. 10.12.2015 - 2 C 6.14 - juris Rn. 12; U.v. 18.6.2015 - 2 C 9.14 - juris Rn. 25; BayVGH, U.v. 5.10.2016 - 16a D 14.2285 - juris Rn. 55). Gegenstand der disziplinarrechtlichen Bewertung ist die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrecht zu erhalten (BayVGH, U.v. 29.6.2016 - 16b D 13.993 - juris Rn. 36).
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Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis setzt voraus, dass der Beamte durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Ein endgültiger Vertrauensverlust ist eingetreten, wenn aufgrund der Gesamtwürdigung der bedeutsamen Umstände der Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch künftig seinen Dienstpflichten nicht ordnungsgemäß nachkommen oder aufgrund seines Fehlverhaltens sei eine erhebliche, nicht wieder gutzumachende Ansehensbeeinträchtigung eingetreten (BayVGH, U.v. 11.5.2016 - 16a D 13.1540 - juris Rn. 67).
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Fallen einem Beamten - wie hier - mehrere Dienstpflichtverletzungen zur Last, die in ihrer Gesamtheit das einheitliche Dienstvergehen ergeben, so bestimmt sich die zu verhängende Disziplinarmaßnahme in erster Linie nach der schwersten Verfehlung (BayVGH, U.v. 11.5.2016 - 16a D 13.1540 - juris Rn. 66). Diese liegt hier in dem strafrechtlich relevanten Verhalten der dreifachen Steuerhinterziehung und des vierfachen Betrugs.
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6.2. Zur konkreten Bestimmung der Disziplinarmaßnahmebemessung ist in einer ersten Stufe auf den Strafrahmen dieser Delikte zurückzugreifen, weil der Gesetzgeber mit der Strafandrohung seine Einschätzung zum Unwert des Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht hat (BVerwG, B.v. 5.7.2016 - 2 B 24.16 - juris Ls. und Rn. 15). Begeht ein Beamter innerdienstlich unter Ausnutzung seiner Dienststellung eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, U.v. 10.12.2015 - 2 C 6.14 - juris Rn. 20). Gleiches gilt, wenn der Beamte außerdienstlich eine Straftat begeht, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren vorsieht (BVerwG, B.v. 23.1.2014 - 2B 52.13 - juris Rn. 8). Bei dem hier sowohl für die innerdienstlich begangene Straftat des Betrugs als auch für die außerdienstlich begangene Straftat der Steuerhinterziehung geltenden Strafrahmen von jeweils fünf Jahren (§§ 263 Abs. 1 StGB, 370 Abs. 1 AO) ergibt sich daher ein Orientierungsrahmen bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.
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Bei dem vorliegenden auch innerdienstlichen Dienstvergehen kommt dem abgeurteilten Strafmaß bei der Bestimmung der konkreten Disziplinarmaßnahme keine indizielle Bedeutung zu (BVerwG, B.v. 5.7.2016 - 2 B 24.16 - juris Rn. 15). Es ist daher unerheblich, dass der Beklagte wegen Steuerhinterziehung und Betrugs lediglich zu einer Geldstrafe verurteilt wurde.
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Das Dienstvergehen wiegt auch bei einer konkreten Betrachtung der vorgeworfenen Taten schwer. Der Beklagte hat über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren zum einen die Dienstherrin, zum anderen die Staatskasse auf raffinierte Art und Weise nach genauer Planung und Überlegung mit hoher krimineller Energie betrogen. Im Hinblick auf die Betrugshandlungen wirkt erschwerend, dass er als Teamleiter eine dienstliche Vertrauensstellung innehatte und im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit mit gleichartigen Abrechnungen befasst war.
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6.3. Die Ausschöpfung des Orientierungsrahmens gebietet sich hier auch deshalb, weil erschwerende Umstände vorliegen.
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6.3.1. Erheblich zu Lasten des Beklagten spricht, dass neben den Delikten der Steuerhinterziehung und des Betrugs eine Vielzahl weiterer Verstöße vorliegt, so eine außerdienstlich begangene Körperverletzung und eine Vielzahl innerdienstlicher Taten wie Arbeitszeit- und Weisungsverstöße. Dabei kommt insbesondere den189 Verstößen gegen die Kernarbeitszeit über einen Zeitraum von insgesamt 21 Monaten und dem vorsätzlichen unerlaubten Fernbleiben vom Dienst für die Dauer von neun Tagen schweres Gewicht zu, das möglicherweise bereits für sich genommen die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis gerechtfertigt hätte.
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6.3.2. Erheblich zu Lasten des Beklagten spricht weiter sein gesamtes innerdienstliches Verhalten, so die schlechten dienstlichen Leistungen, die sich in seinen Beurteilungen widerspiegeln, sein kontinuierliches und offen dargetanes Desinteresse an der Arbeit und sein untragbares Verhalten insbesondere gegenüber Vorgesetzten. Aufgrund dieses Verhaltens und der kontinuierlichen Begehung einer Vielzahl weiterer Taten während des laufenden Disziplinarverfahrens erscheint eine Besserung seines Benehmens ausgeschlossen, zumal er sich auch im Disziplinarverfahren unbelehrbar gezeigt und keine Anzeichen von Einsicht und Reue hat anklingen lassen. Das Verhalten des Beklagten innerhalb des Dienstes zeigt, dass seine Eingliederung in eine öffentliche Verwaltung mit vorgegebenen Dienstzeiten, strukturierten Abläufen, verlässlicher und planbarer Aufgabenerfüllung nicht möglich und auch für die Zukunft nicht zu erwarten ist.
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6.4. Ein Milderungsgrund, wegen dessen Vorliegens von der Höchstmaßnahme abgesehen werden könnte, liegt nicht vor.
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6.4.1. Nicht mildernd berücksichtigt werden kann die lange Dauer des bereits am 13. Mai 2014 eingeleiteten und damit bis heute knapp acht Jahre dauernden Disziplinarverfahrens. Zum einen ist die lange Dauer dem Umstand geschuldet, dass stets weitere Pflichtverstöße hinzukamen und in das Disziplinarverfahren einzubeziehen waren. Zum anderen kann im Disziplinarrecht die lange Verfahrensdauer nur unterhalb der Maßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis berücksichtigt werden. Der Verbleib im Beamtenverhältnis allein aufgrund einer unangemessenen Verfahrensdauer lässt sich nicht mit dem Zweck der Disziplinarbefugnis, nämlich dem Schutz der Integrität des Berufsbeamtentums und der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung, vereinbaren. Diese Schutzgüter schließen es aus, dass ein Beamter, der durch gravierendes Fehlverhalten im öffentlichen Dienst untragbar geworden ist, weiterhin Dienst leisten und als Repräsentant des Dienstherrn hoheitliche Befugnisse ausüben kann, weil das gegen ihn geführte Disziplinarverfahren unangemessen lange gedauert hat (BVerwG, B.v. 22.10.2018 - 2 B 30.18 - juris Rn. 8 f.; BayVGH, U.v. 24.5.2017 - 16a D 15.2267 - juris Rn. 191).
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6.4.2. Nicht als Milderungsgrund herangezogen werden kann auch der vom Beklagten vorgetragene Vorwurf des Mobbings. Es ist nicht erkennbar, dass ein Verhalten der Vorgesetzten vorliegt, das mit einem systematischen, gegen ihn gerichteten, ihn schikanierenden oder diskriminierenden Handeln gleichzusetzen oder Teil eines solchen ist (vgl. zum Begriff des „Mobbing“: BayVGH, U.v. 23.10.2019 - 16b D 18.1673 - juris Rn. 34; BVerwG‚ U.v. 11.6.2002 - 2 WD 38.01 - juris Rn. 21). Vielmehr entsteht der Eindruck, dass der Beklagte die Auslöser für die Diskrepanzen mit seinen Vorgesetzten jeweils selbst setzte und diese lediglich Gebrauch von ihrer Weisungsbefugnis ihm gegenüber machten.
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7. Sämtliche Taten sind trotz des langen Zeitablaufs auch zum jetzigen Zeitpunkt noch verwertbar. Für die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis gibt es kein Disziplinarmaßnahmeverbot wegen Zeitablaufs (vgl. § 15 BDG).
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8. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ist unter Abwägung des Gewichts des Dienstvergehens sowie des dadurch eingetretenen Vertrauensschadens und der mit der Verhängung der Höchstmaßnahme einhergehenden Belastung auch nicht unverhältnismäßig. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarische Höchstmaßnahme verfolgt neben der Wahrung des Vertrauens in die pflichtgemäße Aufgabenerfüllung durch die öffentliche Verwaltung die Wahrung des Ansehens des öffentlichen Dienstes. Ist durch das Gewicht des Dienstvergehens und mangels durchgreifender Milderungsgründe das Vertrauen zerstört und kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, der Beamte werde seine Dienstaufgaben künftig pflichtgemäß erfüllen, ist die Entfernung aus dem Dienst die angemessene Reaktion auf das Dienstvergehen. Die Entfernung aus dem Dienst beruht dann auf einer schuldhaften schwerwiegenden Pflichtverletzung durch den Beamten und ist diesem als für alle öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnisse vorhersehbare Rechtsfolge bei derartigen Pflichtverletzungen zuzurechnen. Die in der Entfernung vom Dienst liegende Härte für den Beamten - insbesondere hinsichtlich des Verlustes seiner Dienstbezüge bzw. künftigen Ruhegehalts - ist nicht unverhältnismäßig oder unvereinbar mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise. Sie beruht auf dem vorangegangenen Fehlverhalten des für sein Handeln verantwortlichen Beklagten, der sich bewusst gewesen sein muss, dass er hiermit seine berufliche Existenz aufs Spiel setzt (BayVGH, U.v. 20.9.2021 - 16b F 19.1302 - juris Rn. 67).
Die Kostentragungspflicht des Beklagten ergibt sich aus § 77 Abs. 1 BDG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.