Inhalt

VGH München, Beschluss v. 16.05.2022 – 11 ZB 21.1964
Titel:

Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Nichtbeibringung eines ärztlichen Fahreignungsgutachtens (Einnahme von Medizinal-Cannabis) - Berufungszulassung

Normenketten:
VwGO § 124 Abs. 2
StVG § 2 Abs. 8, § 3 Abs. 1 S. 1, S. 3
FeV § 11 Abs. 2, Abs. 8, § 46 Abs. 1, Abs. 3, Anl. 4 Nr. 9.4, Nr. 9.6
Leitsätze:
1. Soll eine Dauerbehandlung mit Medizinal-Cannabis nicht zum Verlust der Fahreignung führen, setzt dies voraus, dass die Einnahme von Cannabis indiziert und ärztlich verordnet ist, ferner, dass das Medizinal-Cannabis zuverlässig nur nach der ärztlichen Verordnung eingenommen wird, keine dauerhaften Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit festzustellen sind, die Grunderkrankung bzw. die vorliegende Symptomatik keine verkehrsmedizinisch relevante Ausprägung aufweist, die eine sichere Verkehrsteilnahme beeinträchtigt, und nicht zu erwarten ist, dass der Betroffene in Situationen, in denen seine Fahrsicherheit durch Auswirkungen der Erkrankung oder der Medikation beeinträchtigt ist, am Straßenverkehr teilnehmen wird (VGH München BeckRS 2021, 7392 Rn. 19 mwN; vgl. auch VGH München BeckRS 2022, 8517 Rn. 12). (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wenn in einem fachärztlichen Gutachten im Falle der erneuten Verschreibung von Dronabinol, eines Cannabis-Fertigarzneimittels, eine Neubegutachtung für erforderlich angesehen wird, gilt dies auch für eine später tatsächlich erfolgte Verordnung von Medizinal-Cannabisblüten, da diese ebenfalls den Wirkstoff THC enthalten, so dass eine in der Vergangenheit problematische Frage der Compliance und Adhärenz zumindest in gleicher Weise, wenn nicht gar in verschärfter Form aufgeworfen wird. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Entziehung der Fahrerlaubnis wegen nicht fristgerechter Beibringung eines ärztlichen Gutachtens, Einnahme von Medizinalcannabis, Hinweise auf unzureichende Compliance, Dauerbehandlung mit Medizinal-Cannabis, Einnahme indiziert und ärztlich verordnet, missbräuchliche Einnahme, Leistungsfähigkeit, Grunderkrankung, Neubegutachtung, Verschreibung von Dronabinol, Verordnung von Medizinal-Cannabisblüten, Probleme mit Compliance und Adhärenz
Vorinstanz:
VG Augsburg, Urteil vom 14.06.2021 – Au 7 K 20.2852
Fundstelle:
BeckRS 2022, 12057

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner 1994 erteilten Fahrerlaubnis der Klasse 3 (alt).
2
Im Jahr 2012 zeigte der damals behandelnde Arzt des Klägers der Fahrerlaubnisbehörde des Landratsamts Augsburg gegenüber an, der Kläger leide an einem Schmerzsyndrom und werde deswegen mit Dronabinol, einem THC-Präparat, behandelt.
3
Im Jahr 2015 bemerkte die Polizei bei einer allgemeinen Verkehrskontrolle drogentypische Auffälligkeiten beim Kläger. In der entnommenen Blutprobe wurden 12,5 ng/ml THC und etwa 355 ng/ml THC-COOH festgestellt. Das auf Aufforderung des Landratsamts vorgelegte fachärztliche Gutachten der Begutachtungsstelle für Fahreignung des Instituts für Rechtsmedizin und Verkehrsmedizin am Universitätsklinikum Heidelberg vom 17. Oktober 2016 kam zu dem Ergebnis, der Kläger sei trotz des Vorliegens diverser Erkrankungen (chronisches Schmerzsyndrom, Morbus Scheuermann, Bandscheibenvorfälle, Depression, Zustand Lungen-Histiozytose X) in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppen 1 und 2 gerecht zu werden. Dronabinol nehme der Kläger nicht mehr ein, unter der aktuellen Medikation mit Tilidin zeigten sich keine Leistungseinbußen. Der Kläger habe offenkundig Probleme mit der Compliance gehabt, wie sich aus der Vorgeschichte ergebe. Während eine ärztliche Verordnung von täglich Dronabinol zur Nacht die im Rahmen der Blutentnahme nachgewiesenen Laborwerte zwanglos erklärt hätte, sei der Konsum von dem Kläger selbst als Bedarfsmedikation angegeben worden. Auch die Verordnungsfrequenz des Dronabinols habe sich nur noch mit einer Bedarfsmedikation in Einklang bringen lassen. Es bleibe offen, wie die nachgewiesene Konzentration von THC-COOH tatsächlich entstanden sei. Bei Beibehaltung der aktuellen Medikation ergäben sich aktuell keine Hinweise auf eine Einschränkung. Zur Frage nach Nachkontrollen heißt es, keine der beim Kläger nachgewiesenen Erkrankungen sei aktuell fahreignungseinschränkend. Sollte jedoch erneut Dronabinol verordnet werden, wäre infolge der aktenkundig schwierigen Compliance eine Neubegutachtung notwendig. Bei Beibehaltung der aktuellen Medikation sei keine Nachbegutachtung notwendig.
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Am 7. Oktober 2019 wurden bei einer Durchsuchung der Wohnung und des Pkw des Klägers zwei Dosen mit der Aufschrift „Cannabis Flos 5 gram Bedrocan“ mit einer Dolde Cannabis sowie Cannabisanhaftungen aufgefunden. Inwieweit es sich um medizinisch verschriebenes Cannabis handelte, konnte dem polizeilichen Bericht zufolge vor Ort nicht festgestellt werden. Zudem wurden Longpapers sowie zwei Feinwaagen gefunden. Auf Aufforderung der Polizei hin zeigte der Kläger ein Rezept vor, verweigerte jedoch die Vorlage und gab den Polizeibeamten dessen genauen Inhalt nicht zu erkennen. Die Staatsanwaltschaft stellte das Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein, nachdem der Kläger ein Rezept über Medizinal-Cannabisblüten vom 7. Oktober 2019 vorgelegt hatte.
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Daraufhin bat das Landratsamt den Kläger unter Verweis auf den vorgenannten Sachverhalt, einen Befundbericht des behandelnden Arztes u.a. zu seinen Grunderkrankungen und zur Medikation vorzulegen.
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Nachdem keine Reaktion erfolgte, forderte das Landratsamt den Kläger mit Schreiben vom 4. Juni 2020 auf, bis zum 5. November 2020 ein ärztliches Gutachten einer Begutachtungsstelle für Fahreignung vorzulegen. Erneute Zweifel ergäben sich daraus, dass der Kläger nicht mit der Polizei kooperiert habe und bei ihm Longpapers sowie eine Feinwaage gefunden worden seien. Dem Landratsamt seien weder Häufigkeit, Dosierung noch Applikationsform bekannt. Die Gelegenheit, Zweifel an der Fahreignung durch die Vorlage von Befundberichten auszuräumen, habe der Kläger nicht wahrgenommen. Deswegen sei die Begutachtung erforderlich und werde in Ausübung des eingeräumten Ermessens angeordnet.
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Mit Schreiben vom 4. Oktober 2020 teilte der Kläger mit, er habe „das Medikament“ abgesetzt und sehe die Angelegenheit als erledigt an. Das Landratsamt hielt mit Schreiben vom 13. Oktober 2020 an der Gutachtensanordnung fest.
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Nachdem kein Gutachten vorgelegt wurde, entzog das Landratsamt dem Kläger mit für sofort vollziehbar erklärtem Bescheid vom 26. November 2020 die Fahrerlaubnis und forderte ihn unter Androhung eines Zwangsgelds zur Abgabe seines Führerscheins auf. Aus der Nichtvorlage des Gutachtens sei auf die mangelnde Eignung zu schließen.
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Am 30. Dezember 2020 erhob der Kläger Anfechtungsklage, die das Verwaltungsgericht Augsburg mit Urteil vom 14. Juni 2021 abwies. Der Schluss von der Nichtvorlage des Gutachtens auf die fehlende Fahreignung sei gerechtfertigt.
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Zur Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung, der der Beklagte entgegentritt, macht der Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, besondere Schwierigkeiten der Rechtsache sowie grundsätzliche Bedeutung geltend.
11
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, da die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht hinreichend dargelegt sind (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) bzw. nicht vorliegen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
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1. Aus dem Vorbringen des Klägers, auf das sich die Prüfung des Verwaltungsgerichtshofs beschränkt (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO), ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), da er weder einen tragenden Rechtssatz des angefochtenen Urteils noch eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat (vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2016 - 1 BvR 2453/12 - NVwZ 2016, 1243 Rn. 16; B.v. 18.6.2019 - 1 BvR 587/17 - BVerfGE 151, 173 Rn. 32 m.w.N.).
14
a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses zuletzt geändert durch das teilweise zum 1. Oktober 2020 in Kraft getretene Gesetz vom 29. Juni 2020 (BGBl I S. 1528), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV, BGBl I S. 1980), im maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch das teilweise zum 1. Juni 2020 in Kraft getretene Gesetz vom 5. Dezember 2019 (BGBl I S. 2008), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV gilt dies insbesondere dann, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde.
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Soll eine Dauerbehandlung mit Medizinal-Cannabis im Sinne von Nr. 9.6 der Anlage 4 zur FeV, wie sie hier geltend gemacht wird, nicht zum Verlust der Fahreignung führen, setzt dies voraus, dass die Einnahme von Cannabis indiziert und ärztlich verordnet ist (Schubert/Huetten/Reimann/Graw, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, 3. Aufl. 2018, S. 303), ferner, dass das Medizinal-Cannabis zuverlässig nur nach der ärztlichen Verordnung eingenommen wird, keine dauerhaften Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit festzustellen sind, die Grunderkrankung bzw. die vorliegende Symptomatik keine verkehrsmedizinisch relevante Ausprägung aufweist, die eine sichere Verkehrsteilnahme beeinträchtigt, und nicht zu erwarten ist, dass der Betroffene in Situationen, in denen seine Fahrsicherheit durch Auswirkungen der Erkrankung oder der Medikation beeinträchtigt ist, am Straßenverkehr teilnehmen wird (Handlungsempfehlung der Ständigen Arbeitsgruppe Beurteilungskriterien [StAB] zur Fahreignungsbegutachtung bei Cannabismedikation, aktualisierte Fassung vom August 2018, abgedruckt in Schubert/Huetten/Reimann/Graw, a.a.O., S. 443; vgl. auch BayVGH, B.v. 16.1.2020 - 11 CS 19.1535 - Blutalkohol 57, 133 = juris Rn. 22; B.v. 31.3.2022 - 11 CS 22.158 - juris Rn. 12; B.v. 30.3.2021 - 11 ZB 20.1138 - juris Rn. 12; OVG NW, B.v. 5.7.2019 - 16 B 1544/18 - Blutalkohol 56, 342 = juris Rn. 4 ff.; VGH BW, B.v. 31.1.2017 - 10 S 1503/16 - VRS 131, 207 = juris Rn. 8 f.; OVG Saarl, B.v. 8.11.2021 - 1 B 180/21 - ZfSch 2022, 57 = juris Rn. 14; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 2 StVG Rn. 62a ff.). Eine missbräuchliche Einnahme, die z.B. bei einer Einnahme des Medikaments in zu hoher Dosis oder entgegen der ärztlichen Verschreibung angenommen werden kann, beurteilt sich nach Nr. 9.4 der Anlage 4 zur FeV und schließt danach die Fahreignung aus (BayVGH, B.v. 16.1.2020, a.a.O. Rn. 25).
16
Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 3 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV). Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV kann die Fahrerlaubnisbehörde die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens anordnen. Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV kann die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens u.a. angeordnet werden, wenn nach Würdigung des ärztlichen Gutachtens gemäß § 11 Abs. 2 FeV ein medizinisch-psychologisches Gutachten zusätzlich erforderlich ist.
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Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf diese bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen (§ 11 Abs. 8 Satz 1 FeV). Der Schluss aus der Nichtvorlage eines angeforderten Fahreignungsgutachtens auf die fehlende Fahreignung ist gerechtfertigt, wenn die Anordnung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 - 3 C 20.15 - BVerwGE 156, 293 Rn. 19 m.w.N.). Bei feststehender Ungeeignetheit ist die Entziehung der Fahrerlaubnis zwingend, ohne dass der Fahrerlaubnisbehörde ein Ermessensspielraum zukäme. Dies gilt auch bei Nichtvorlage eines zu Recht geforderten Fahreignungsgutachtens.
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b) Davon ausgehend stellt die Antragsbegründung die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Gutachtensanordnung sei rechtmäßig gewesen, so dass der Schluss aus der Nichtvorlage des Gutachtens auf die Fahreignung nicht zu beanstanden sei, nicht ernstlich in Zweifel.
19
Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, eine medizinisch indizierte und ordnungsgemäße Einnahme von Cannabis führe nicht generell zur Fahruntüchtigkeit. Dies habe das Landratsamt erkannt und in seiner Fragestellung richtigerweise nicht primär auf den Cannabiskonsum abgestellt, sondern den Erkrankungen des Klägers in Kombination mit der offenkundig erforderlichen Betäubungsmittelmedikation entsprechend der erfolgten Cannabis-Verschreibung Fahreignungsrelevanz beigemessen. Dagegen bestünden vor dem Hintergrund des fachärztlichen Gutachtens aus dem Jahr 2016 keine Bedenken. Wenn im Falle der erneuten Verschreibung von Dronabinol, eines Cannabis-Fertigarzneimittels, eine Neubegutachtung für erforderlich angesehen werde, gelte dies auch für die nunmehr erfolgte Verordnung von Medizinal-Cannabisblüten. Diese enthielten ebenfalls den Wirkstoff THC, so dass die in der Vergangenheit problematische Frage der Compliance und Adhärenz zumindest in gleicher Weise, wenn nicht gar in verschärfter Form aufgeworfen werde.
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Wenn der Antrag auf Zulassung der Berufung dem entgegenhält, die Beibringungsanordnung „enthalte einzelne Gutachtensfragen, welche bei zusammenschauender Betrachtung nicht mehr anlassbezogen“ seien, wird sie dem Darlegungsgebot bereits nicht gerecht. Dieses verlangt eine substantiierte Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung, mit der der Streitstoff durchdrungen und aufbereitet wird (vgl. Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 194, 198; BayVGH, B.v. 24.7.2020 - 11 ZB 20.304 - juris Rn. 15 m.w.N.). Daran fehlt es hier schon deswegen, weil der Kläger nicht aufzeigt, inwieweit „die Gutachtensfrage“ seines Erachtens „anzupassen“ ist. Ferner geht der Kläger von unzutreffenden Voraussetzungen aus, wenn er meint, der Beklagte habe sich „an einem generellen Fragenkatalog für Cannabis-Konsumenten orientiert, bei denen für gewöhnlich auch eine illegale Betäubungsmittel-Vergangenheit“ vorliege. Der Verweis der Antragsbegründung auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 10. Juni 2016 (AN 10 K 15.2330 - juris) führt insoweit auch nicht weiter, da diesem bereits eine andere Fallgestaltung zu Grunde lag. Das Verwaltungsgericht Ansbach hat in jener Entscheidung die Frage nach einer missbräuchlichen Einnahme für nicht veranlasst gehalten, da kein Hinweis in diese Richtung bestehe. Beim Kläger stellte sich - ohne dass es der Erörterung bedarf, ob bei Dauermedikation mit Medizinalcannabis nicht regelmäßig Anlass zur Aufklärung der zuverlässigen Einnahme nach der ärztlichen Verordnung besteht (in diese Richtung Koehl, DAR 2017, 313/315 f.; DAR 2020, 74/77; DAR 2022, 6/9; Schubert/Huetten/Reimann/Graw, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, S. 318 f.) - die Frage danach jedenfalls ohne Weiteres. Die 2019 beim Kläger gefundenen Longpapers legen nahe, dass der Kläger Medizinal-Cannabisblüten entgegen der Verschreibung nicht ausschließlich verdampft, sondern auch verbrennt (vgl. dazu auch Mußhoff/Graw, Blutalkohol 56, 73/79; Schubert/Huetten/Reimann/Graw, a.a.O. S. 319). Das mit Schriftsätzen vom 28. März 2022 bzw. 7. April 2022 nachgereichte Schreiben der Cannamedical Pharma GmbH, dem zufolge es zu Verzögerungen bei der Lieferung von Cannabisblüten kommen kann, hat insoweit entgegen der Ansicht des Klägers von vornherein keinen Erkenntniswert.
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Abgesehen davon steht der rechtliche Ansatz des Verwaltungsgerichts aber auch in Einklang mit den vorgenannten Grundsätzen. Es liegt auf der Hand, dass sich die danach maßgeblichen Fragen erneut stellen, nachdem der Kläger erstmals Medizinal-Cannabisblüten verschrieben bekommen hat. Damit erscheint, wie der Bescheid nachvollziehbar dargelegt hat, zum einen möglich, dass sich die Grunderkrankung verschlimmert hat. Ärztliche Befunde, die dies vorherein ausschließen, hat der Kläger entgegen der Aufforderung des Landratsamts nicht vorgelegt (vgl. allgemein zur Vorabklärung von Erkrankungen BayVGH, B.v. 3.5.2017 - 11 CS 17.312 - juris Rn. 16 ff.; B.v. 3.11.2020 - 11 CS 20.1469 - beck-online Rn. 22 f.). Zum anderen stellen sich nun erstmals die Fragen der Leistungsfähigkeit unter dem Einfluss dieser Medikation sowie der zuverlässigen Einnahme. Dazu konnte sich das Gutachten aus 2016 der Natur der Sache nach nicht verhalten. Wenn der Kläger meint, diesem Gutachten zufolge sei eine Nachbegutachtung nur erforderlich, wenn erneut Dronabinol verschrieben werde, nicht hingegen bei Verordnung anderer THChaltiger Medikamente, liegt dem ein Fehlverständnis zu Grunde. Dies zeigt, über die zutreffenden Überlegungen des Verwaltungsgerichts hinaus, auch die Feststellung der Gutachter, bei Beibehaltung der aktuellen Medikation sei keine Nachbegutachtung erforderlich. Zudem wäre eine Einschätzung, wie der Kläger sie dem Gutachten beilegt, für die Fahrerlaubnisbehörde nicht bindend. Denn hier liegt es nicht so, dass diese ein neues ärztliches Gutachten nur nach Empfehlung des vorliegenden Gutachtens einholen dürfte. Vielmehr besteht bereits dann (erneuter) Aufklärungsbedarf, wenn sich - wie hier - Fragen auftun, die anhand des vorliegenden Gutachtens nicht beantwortet werden können.
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2. Nach den Ausführungen unter 1. weist die Rechtssache auch keine überdurchschnittlichen und damit besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) auf. Insbesondere lassen sich die entscheidungserheblichen Rechtsfragen ohne weiteres auf der Grundlage des Gesetzes sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung lösen (vgl. dazu Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 32). Besondere Schwierigkeiten ergeben sich entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht daraus, dass das Verwaltungsgericht den Rechtsstreit nicht gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 VwGO auf den Einzelrichter übertragen hat. Nach ständiger Rechtsprechung kann aus der Nichtübertragung einer Angelegenheit durch die Kammer auf den Einzelrichter nicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO geschlossen werden. Zum einen liegt die Übertragung auf den Einzelrichter im - wenn auch eingeschränkten - gerichtlichen Ermessen und ist sie einer Entscheidung der Kammer vorbehalten (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, § 6 Rn. 15, 18). Zum anderen hat die erstinstanzliche Beurteilung des Vorliegens besonderer Schwierigkeiten im Sinn von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwGO keine bindende Wirkung für die Beurteilung der Berufungszulassungsvoraussetzungen durch das höhere Gericht (vgl. BayVGH, B.v. 19.3.2018 - 4 ZB 16.2301 - BayVBl 2019, 270 = juris Rn. 21; OVG NW, B.v. 26.1.1999 - 3 B 2861/97 - NVwZ-RR 1999, 969 = juris Rn. 8 ff.).
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3. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Tatsachen- oder Rechtsfrage von Bedeutung war, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, § 124 Rn. 36; Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, § 124 Rn. 127). Dementsprechend verlangt die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und klärungsfähig, insbesondere entscheidungserheblich, ist; ferner, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. Happ, a.a.O. § 124a Rn. 72; Rudisile in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2021, § 124a Rn. 102 ff.). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Frage im Berufungsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist oder aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist (vgl. BayVGH, B.v. 7.7.2016 - 20 ZB 16.30003 - NVwZ 2017, 335 = juris Rn. 9; BVerwG, B.v. 24.4.2017 - 1 B 22.17 - NVwZ 2017, 1204 = juris Rn. 3).
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Daran gemessen ist hier bereits keine grundsätzliche Bedeutung dargelegt. Worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der Frage, „inwieweit Dronabinol als Synonym für sämtliche Arten und Formen von Cannabis angesehen werden kann“, besteht, zeigt der Zulassungsantrag nicht auf. Abgesehen davon ist sie aus den oben genannten Gründen bereits nicht entscheidungserheblich. Die weitere Frage, „was von einem Konsumenten von medizinischem Cannabis verlangt und gefordert werden kann“, zielt auf die allgemeinen Voraussetzungen, unter denen eine Dauerbehandlung mit Medizinal-Cannabis nicht zum Verlust der Fahreignung führt. Diese sind, wie dargelegt, in der obergerichtlichen Rechtsprechung geklärt.
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4. Als unterlegener Rechtsmittelführer hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO).
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5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes und den Empfehlungen in Nr. 46.3 und 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (vgl. BayVGH, B.v. 19.7.2021 - 11 CS 21.1280 - juris Rn. 31).
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6. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).