Titel:
Informationsfreiheitssatzung der LHSt, München (IFS), Auskunftsbegehren bzgl. Erbbaurechtsvergabe des ehem. „Hausmeister-Häuschens“, Ausschlussgrund wegen personenbezogener Daten, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, Minderjähriger Kläger
Normenketten:
Informationsfreiheitssatzung der LHSt München (IFS) § 6
VwGO § 62
BGB § 106
BGB § 1629
Leitsatz:
Die Vorschrift des § 6 II Nr. 2 und 3 IFS zum Schutz personenbezogener Daten und des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses steht der Preisgabe von Informationen entgegen. Soweit sich das Informationsbegehren auf nicht vorhandene Informationen bezieht, ist die Beklagte gemäß §§ 1 I, 2 Nr. 1 IFS nicht informationspflichtig. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Informationsfreiheitssatzung der LHSt, München (IFS), Auskunftsbegehren bzgl. Erbbaurechtsvergabe des ehem. „Hausmeister-Häuschens“, Ausschlussgrund wegen personenbezogener Daten, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, Minderjähriger Kläger, Kommunale Selbstverwaltung
Fundstellen:
LSK 2022, 11682
BeckRS 2022, 11682
ErbbauZ 2022, 122
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt auf der Grundlage der Informationsfreiheitssatzung der Beklagten (im Folgenden: IFS) die Beantwortung einer Reihe von Fragen zum Verkauf einer städtischen Immobilie (ehemaliges „Hausmeister-Häuschen“) im Erbbaurecht durch die Beklagte; über den Vorgang wurde in den Medien berichtet. Hintergrund ist, dass die Klägerin diese Immobilie als Sozialwohnung für sich und ihren Sohn hätte zugewiesen erhalten wollen.
2
Mit E-Mail vom 4. März 2020 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Beantwortung von sechs Fragen zu der Transaktion wie folgt:
„1. Vor- und Nachname der Erbbauberechtigten
3. Ist im Erbbaupachtvertrag die Eigennutzung festgeschrieben?
4. Wird der Erbbaupachtvertrag mit Klaus S. aus G. aufgehoben?
5. Warum wird an vermögende Ortsfremde aus G. dringend benötigter Wohnraum verpachtet?
6. Liegt Mitwucher vor? 4.500 Euro kalt; 125 qm = 36 Euro pro qm kalt?
3
Mit E-Mail vom 12. März 2020 beantwortete die Beklagte die Fragen Nr. 3, 4 und 5. An der Beantwortung der Fragen Nr. 1 und 2 sah sich die Beklagte durch die Vorschriften zum Datenschutz und zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nach § 6 IFS gehindert; die Fragestellung nach Nr. 6 könne die Beklagte nicht beurteilen.“
4
Mit Fax vom 24. März 2020 erhob die Klägerin, auch im Namen des Klägers - ihrem Sohn - Klage zum Verwaltungsgericht München und beantragte die Verurteilung der Beklagten zur Beantwortung der sechs Fragen.
5
Mit Fax vom 19. Mai 2020 beantragte die Beklagte, die Klage abzuweisen. Die Klage sei bezüglich des Klägers unzulässig, weil dieser keinen Auskunftsantrag bei der Beklagten gestellt habe. Im Übrigen wurde auf die Datenschutzbestimmungen und den Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nach der IFS verwiesen. Soweit sich die Frage Nr. 6 auch auf Mietverhältnisse zwischen dem neuen Erbbauberechtigten und seinen etwaigen Mietern beziehe, verfüge die Beklagte nicht über entsprechende Informationen.
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Die Parteien verzichteten auf mündliche Verhandlung (Bl. 2 und 27 der Gerichtsakte).
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Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage bleibt ohne Erfolg.
9
I. Die Klage ist zum großen Teil bereits unzulässig.
10
1. Die Klage ist, soweit sie auch im Namen des Klägers - des am 13. November 2004 geborenen Sohnes der Klägerin - erhoben wurde, unzulässig, weil der Kläger nicht prozessfähig und auch nicht ordnungsgemäß von einem gesetzlichen Vertreter vertreten ist.
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Nach § 62 Abs. 1 VwGO sind fähig zur Vornahme von Verfahrenshandlungen die nach bürgerlichem Recht Geschäftsfähigen (Nr. 1 der Vorschrift) und die nach bürgerlichem Recht in der Geschäftsfähigkeit Beschränkten, soweit sie durch Vorschriften des bürgerlichen oder öffentlichen Rechts für den Gegenstand des Verfahrens als geschäftsfähig anerkannt sind (Nr. 2 der Vorschrift). Nach § 106 BGB ist der Kläger, der minderjährig ist und das siebente Lebensjahr vollendet hat, nach Maßgabe der §§ 107 bis 113 BGB in der Geschäftsfähigkeit beschränkt. Vorschriften des bürgerlichen oder öffentlichen Rechts, die den Kläger für den Gegenstand des Verfahrens - hier einen Auskunftsanspruch nach der Informationsfreiheitssatzung der Beklagten (IFS) - als geschäftsfähig anerkennen würden, sind von der Klägerin nicht vorgebracht worden und sind auch nicht ersichtlich. Der prozessunfähige Kläger ist nicht durch einen gesetzlichen Vertreter ordnungsgemäß vertreten. Nach § 1626 Abs. 1 Satz 1 BGB haben die Eltern die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). Nach § 1629 Abs. 1 Satz 1 BGB umfasst die elterliche Sorge die Vertretung des Kindes. Die Eltern vertreten das Kind grundsätzlich gemeinschaftlich, § 1629 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Voraussetzungen des § 1629 BGB, unter denen ein Elternteil allein vertreten kann, sind von der Klägerin nicht dargetan worden und sind auch nicht ersichtlich.
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2. Die Klage ist, soweit sie auch im Namen des Klägers erhoben ist, auch deswegen unzulässig, weil der Kläger - oder ein für ihn rechtmäßig Handelnder - den Auskunftsanspruch nicht vorprozessual bei der Beklagten geltend gemacht hat. Der Anspruch ist antragsgebunden. Ein solcher Antrag des Klägers existiert nicht. Der Kläger ist nicht durch die Ablehnung des Auskunftsanspruchs der Klägerin beschwert.
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3. Die Klage ist schließlich insoweit unzulässig, als sie nach wie vor die Verurteilung der Beklagten zur Beantwortung von Fragen begehrt, die die Beklagte schon beantwortet hat. Insoweit fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis.
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II. Im Übrigen ist die Klage vollen Umfangs unbegründet.
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Es besteht kein Anspruch auf Beantwortung der von der Beklagten nicht beantworteten Fragen. Wie die Beklagte zutreffend ausführt, steht der Preisgabe der Informationen, soweit sie bei ihr vorhanden sind, die Vorschrift des § 6 Abs. 2 Nr. 2 und 3 IFS zum Schutz personenbezogener Daten und des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses entgegen. Soweit sich das Informationsbegehren der Klägerin auf bei der Beklagten nicht vorhandene Informationen bezieht, ist die Beklagte gemäß §§ 1 Abs. 1, 2 Nr. 1 IFS nicht informationspflichtig.
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III. Als Unterlegene hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenrechnung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.