Inhalt

VG München, Urteil v. 08.02.2022 – M 13 K 17.46425
Titel:

zum notwendigen Inhalt der Klageschrift

Normenkette:
VwGO § 82 Abs. 1 S. 1
Leitsatz:
Die Angabe der ladungsfähigen Anschrift des Klägers gehört zum notwendigen Inhalt der Klageschrift; sie soll nicht nur dessen hinreichende Individualisier- und Identifizierbarkeit sicherstellen und die Zustellung von Entscheidungen, Ladungen sowie gerichtlichen Verfügungen ermöglichen, sondern darüber hinaus auch gewährleisten, dass der Kläger nach entscheidungserheblichen Tatsachen befragt und sich im Falle des Unterliegens seiner Kostentragungspflicht nicht entziehen kann. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Äthiopischer Staatsangehöriger, Volkszugehörigkeit: Oromo;, Unzulässige Klage;, Keine ladungsfähige Anschrift., Klageschrift, ladungsfähige Anschrift
Fundstelle:
BeckRS 2022, 11668

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Ziel des Klägers, eines am … Februar 1991 in Äthiopien geborenen äthiopischen Staatsangehörigen vom Volke der Oromo, ist die Asylanerkennung sowie die Zuerkennung Internationalen Schutzes (Flüchtlingseigenschaft, ersatzweise subsidiärer Schutz) durch die Beklagte, zumindest aber Schutz vor einer Abschiebung nach Äthiopien.
2
Der Kläger reiste am 25. Aug. 2016 auf dem Landweg in das Bundesgebiet ein und stellte am 21. September 2016 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen Asylantrag.
3
Nach persönlicher Anhörung, durchgeführt am 21. September 2016, lehnte das Bundesamt mit streitgegenständlichem Bescheid vom 21. Juli 2017 die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) und auf subsidiären Schutz (Nr. 3) ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 4). Der Kläger wurden zur Ausreise binnen 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung bzw. nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens aufgefordert und ihm für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung nach Äthiopien oder einen anderen zur Rückübernahme bereiten oder verpflichteten Staat angedroht (Nr. 5). Das für den Fall der Abschiebung verfügte Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).
4
Hiergegen hat der Bevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 31. Juli 2017, bei Gericht am 1. August 2017 per Telefax eingegangen, Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben und beantragt,
1. den Bescheid der Beklagten vom 21. Juli 2017 aufzuheben
2. die Beklagte zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise dem Kläger subsidiären Schutz zu gewähren, weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 des AufenthG vorliegen.
5
Die Beklagte hat die Behördenakten auf elektronischem Weg vorgelegt, ohne einen Antrag zu stellen.
6
Mit Beschluss vom 19. Januar 2022 hat die Kammer, nachdem den Beteiligten zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden war, den Rechtsstreit gemäß § 76 Abs. 1 AsylG dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
7
Nachdem das Gericht die Beteiligten mit Schreiben vom 20. Januar 2022 zur mündlichen Verhandlung geladen hat, hat der Bevollmächtigte des Klägers mit Schriftsätzen vom 18. Januar 2022 sowie 25. Januar 2022 mitgeteilt, dass er bereits seit einigen Jahren keinen Kontakt mehr zum Kläger habe, dieser sich auch nicht mehr in der Gemeinschaftsunterkunft in Traunstein befände und er den Kläger auch nicht das Ladungsschreiben habe weitergeben können.
8
Eine durch das Gericht daraufhin am 4. Februar 2022 durchgeführte Abfrage im Ausländerzentralregister hat ergeben, dass der Kläger bereits seit dem 8. August 2018 unbekannt verzogen ist.
9
In der mündlichen Verhandlung am 8. Februar 2022 war der Kläger weder persönlich anwesend noch durch seinen Bevollmächtigten vertreten. Die Beklagte war ebenfalls nicht vertreten.
10
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.
11
Über die Verwaltungsstreitsache konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 8. Februar 2022 entschieden werden, obwohl die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung nicht anwesend oder vertreten waren. Die Beteiligten wurden zur mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß geladen und in der Ladung darauf hingewiesen, dass auch ohne sie verhandelt und entschieden werden kann, § 102 Abs. 2 VwGO.
II.
12
Die Klage ist bereits unzulässig, da im für die Entscheidung des Gerichts maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keine ladungsfähige Anschrift des Klägers vorlag und damit die Voraussetzungen des § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht erfüllt sind.
13
Nach § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist notwendiger Inhalt der Klageschrift die Bezeichnung des Klägers, des Beklagten und des Gegenstands des Klagebegehrens. Außer dem Namen ist mit der Klage auch die ladungsfähige Anschrift des Klägers anzugeben. Ladungsfähige Anschrift ist die Anschrift, unter der die Partei tatsächlich zu erreichen ist. Bei einer natürlichen Person ist dies in der Regel die Wohnungsanschrift. Bei einer Änderung während des Prozesses - wie im vorliegenden Fall - ist diese mitzuteilen. Das ergibt sich aus der dem Kläger obliegenden Mitwirkungspflicht. Dies gilt unabhängig davon, ob der Kläger durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten wird. Die Angabe der ladungsfähigen Anschrift des Klägers soll nämlich nicht nur dessen hinreichende Individualisier- und Identifizierbarkeit sicherstellen und die Zustellung von Entscheidungen, Ladungen sowie gerichtlichen Verfügungen ermöglichen; sie soll vielmehr darüber hinaus auch gewährleisten, dass der Kläger nach entscheidungserheblichen Tatsachen befragt und sich im Falle des Unterliegens seiner Kostentragungspflicht nicht entziehen kann (vgl. zum Ganzen Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 82 Rn. 3). Die Angabe der ladungsfähigen Anschrift ist eine Zulässigkeitsvoraussetzung für die Klage (BVerwG, B.v. 14.2.2012 - 9 B 79/11 - juris), die spätestens bei Schluss der mündlichen Verhandlung vorliegen muss.
14
Vorliegend hat der Bevollmächtigte des Klägers nach Ladung zur mündlichen Verhandlung mitgeteilt, dass er bereits seit einigen Jahren keinen Kontakt mehr zum Kläger habe, dieser sich auch nicht mehr in der Gemeinschaftsunterkunft in Traunstein befände und er den Kläger daher auch nicht über die Ladung zur mündlichen Verhandlung habe in Kenntnis setzen habe können. Der Klägerbevollmächtigte hat damit zum Ausdruck gebracht, dass er die aktuelle Adresse des Klägers nicht mitteilen könne. Eine durch das Gericht daraufhin am 4. Februar 2022 durchgeführte Abfrage im Ausländerzentralregister hat zudem ergeben, dass der Kläger bereits seit dem 8. August 2018 unbekannt verzogen ist.
15
Die Klage war daher abzuweisen.
III.
16
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
17
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.