Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 31.03.2022 – AN 17 K 17.33896
Titel:

Erfolglose Asylklage iranischer Staatsangehöriger – Keine identitätsprägende Konversion zum christlichen Glauben 

Normenketten:
AsylG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
Leitsätze:
1. Der formale Akt der christlichen Taufe begründet bei der Rückkehr eines iranischen Staatsangehörigen in sein Herkunftsland noch keine beachtliche Gefahr politischer Verfolgung. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ebenso wenig führt die Asylantragstellung in Deutschland unter Angabe religiöser Gründe, selbst wenn sie im Iran bekannt geworden sein sollte, bei einer Rückkehr dorthin  voraussichtlich mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu Verfolgungsmaßnahmen. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylbewerber aus dem Iran, Keine glaubhafte Vorverfolgung (Kontakt zum Christentum, Teilnahme an Weihnachtsfeier), Keine Nachflutgründe (keine identitätsprägende Konversion, Aktivitäten in sozialen Netzwerken unter Pseudonym), Iran, Konversion zum christlichen Glauben, Kontakt zum Christentum im Iran, keine glaubhafte Vorverfolgung, keine identitätsprägende Konversion, keine Nachfluchtgründe, Aktivitäten in sozialen Netzwerken, Pseudonym
Fundstelle:
BeckRS 2022, 10769

Tenor

Die Klagen werden abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

1
Der 1975 geborene Kläger und die 1978 geborene Klägerin sind miteinander verheiratet, leben aber seit getrennt. Sie sind iranische Staatsangehörige. Sie reisten zusammen und mit ihrer 2002 geborenen Tochter am 26. Oktober 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 2. Februar 2016 Asylanträge. Bei der Asylantragstellung gaben sie an, protestantische Christen zu sein.
2
Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt für ... (Bundesamt) am 27. September 2016 gab der Kläger an, den Iran ca. fünf Jahr zuvor, vermutlich am 14. August 2010 verlassen und im Iran zuletzt, ca. sechs Monate lang, in … gelebt zu haben. Er habe 1993 Abitur gemacht und zwei Geschäfte für Handys gehabt. Er sei mit seiner Frau und seiner Tochter ca. 3 ½ bis 4 Jahre in der Türkei gewesen. Er sei als Schiit geboren, jetzt sei er Christ. Um Christ zu werden, müsse man an Christus glauben. In der Kirche werde dann gebetet und der Pfarrer lese etwas vor, dann sei man Christ. Auf Nachfrage gab er an, dass es sich dabei um ein Bauchgefühl handle und er noch nicht hundertprozentig Christ sei, auf weitere Nachfrage, dass er am 16. April 2013 getauft worden sei. Den Iran habe er aufgrund der Probleme seiner Frau verlassen. Sie und seine Tochter seien an Weihnachten 2010 von der Polizei festgenommen worden, deshalb seien sie in die Türkei gegangen. Sie seien Christinnen geworden und bei einem christlichen Fest gewesen. Er habe eigentlich auch kommen wollen, aber es sei zu spät geworden. Seine Frau sei dann zu ihm ins Geschäft gekommen und habe gesagt, dass die Polizei da gewesen sei und den Pfarrer festgenommen habe. Die Polizei habe auch den Ausweis der Frau und der Tochter mitgenommen. Es sei richtig, dass sie nicht festgenommen worden seien, sie seien aber verhört worden. Sie seien am Tag vor Silvester bei dem Fest gewesen, weil sie vom Pfarrer und seiner Frau eingeladen worden seien. Seine Frau sei schon 2007 Christin geworden. Sie habe daraufhin einen guten Charakter bekommen. Er habe dann versucht herauszufinden, ob er auch Christ werden könne. Das sei interessant gewesen, weil es im Christentum nur Liebe gebe. Die Tochter sei noch nicht Christin gewesen. Problem mit dem Regime habe er im Iran nicht gehabt, aber seine Eltern und Verwandten hätten den Islam und das Regime nicht akzeptiert. Alle seine Angehörigen seien jetzt Christen. Er selbst sei in der Türkei getauft worden von einem Pfarrer der Ilam-Kirche. Diese taufe viele Iraner. Als er getauft worden sei, seien es 350 Personen gewesen. Grund der Taufe sei gewesen, dass seine Frau immer nervös gewesen sei und sie viele Probleme miteinander gehabt hätten und es mit seiner Frau besser geworden sei, nachdem sie Christin geworden sei. Wichtigster Glaubensinhalt sei die Liebe und dass man so sein soll, wie man es von anderen Menschen erwarte. Man dürfe nicht gewalttätig sein. Dass er sich für das Christentum entschieden habe, hänge mit seiner Vergangenheit zusammen. Christen seien nett und korrekt. Er lebe seinen Glauben jetzt durch Kirchgänge und Beten. Er versuche jeden Tag gut zu leben. Jesus sei jeden Tag bei ihm. Wenn er Zeit hätte, würde er auch in der Bibel lesen, aber er arbeite. In der Bibel finde er beispielsweise die Geschichte vom verlorenen Sohn interessant. Seine Frau habe Christin sein wollen und in der Türkei freiwillig in der Kirche mitgearbeitet. Sie hätten einfach aus dem Iran herauskommen wollen. In der Türkei sei sein Asylantrag abgelehnt worden. In Deutschland gehöre der zur Evangelischen Kirche in …; den Namen kenne er nicht. Er besuche den Sonntagsgottesdienst. Auf Nachfrage, warum man gerade ihm eine Konversion aus Überzeugung glauben solle, verwies der Kläger auf seine finanziell nicht schlechte Situation im Iran und die schwierigen Verhältnisse durch die Flucht in die Türkei. In der Türkei habe er über Facebook einen Artikel über Machiavelli geschrieben. 48 Stunden später seien im Iran seine Mutter und seine Schwester festgenommen worden und eine Woche festgehalten worden. das sei ca. sechs bis sieben Monate nach seiner Einreise in die Türkei gewesen. Seine Mutter dürfe den Iran nicht verlassen. Er sei in der Türkei Mitglied einer nationalen iranischen Organisation (Sazeman-e Melli Wa Mihani) gewesen, deren Logo er auf seiner Facebookseite mit dem Namen …@ … bzw. … verwendet habe. Ziel der Organisation seien Frauen- und Kinderrechte gewesen. Er habe die Organisation wieder verlassen, weil der Kontakt nur über Skype möglich gewesen sei. Er sei kein aktives Mitglied gewesen und habe sie nach drei Monaten wieder verlassen, weil es dort nichts zu tun gegeben habe. Er habe auch einige politisch gefärbte Lieder gegen das Regime geschrieben. Im Iran habe er auch öfter Streit mit der Lehrerin seiner Tochter gehabt, weil er nicht gewollt habe, dass diese die Hidschab trage und im Koran lerne.
3
Die Klägerin gab bei ihrer Anhörung am 27. September 2016 an, den Iran am 12. August 2012 verlassen zu haben, dann ca. 3 ½ Jahre in der Türkei gelebt zu haben. Sie habe keine Ausbildung und im Geschäft ihres Mannes gearbeitet. Zu ihren Asylgründen gab die Klägerin an, die Religion gewechselt zu haben und Christin geworden zu sein. 2007 habe sie durch eine Freundin namens G* …, die sie aus Teenagerzeiten gekannt habe, Bekanntschaft mit dem Christentum gemacht. Zuvor sei sie sehr nervös und aggressiv gewesen und habe keinen guten Kontakt zu ihrer Familie gehabt. Ihr Vater sei Alkoholiker gewesen. Sie habe die Freundin G* … langsam näher kennengelernt. Als sie einmal bei ihr eingeladen gewesen sei, habe sie schließlich erzählt, dass sie Christin geworden sei. G* … habe ihr einen Satz aus der Bibel genannt, den sie habe lesen sollen. Sie sei dann nach Hause gegangen und habe die Bibel gelesen. Sie habe es aber nicht verstanden. Sie sei nach einigen Tagen erneut zu G* … eingeladen worden, wo noch zwei weitere Personen (S* … und A* …*) gewesen seien. Bei diesen habe sie ein gutes Verhalten bemerkt und ein gutes Gefühl gehabt. Sie hätten sie umarmt und einige gute Sätze zu ihr gesagt. Sie hätten auch für sie gebetet und einige heilige Worte für sie gelesen. Dabei habe sie ein gutes Gefühl wie ein Vogel bekommen. Sie habe dann einige Monate keinen Kontakt mehr mit ihnen gehabt, aber gebetet und mit Jesus gesprochen. Sie habe im Fernsehen den Sender Mahabad gefunden und Bruder X* … und Bruder Y* … und seine Frau S* … kennengelernt. Sie hätten zusammen gebetet. Sie habe diese Personen dreimal bei Verwandten ihres Mannes getroffen, wo sie immer sehr ängstlich gewesen seien. Sie hätten nach einigen Monaten erzählt, dass sie ihre Heimatstadt verlassen wollten. X* … sei nach … gegangen und später in die Türkei. Von den anderen wisse sie nichts. 2010 habe sie eine Freundin namens Z* … getroffen, die S* … und A* … in einem Gespräch erwähnt hätten. Mit Z* … sei sie zu A* … nach Hause gegangen und zu einem Fest am 29. Dezember 2010 eingeladen gewesen. Dort habe sie eine Figur für ihre Tochter geschenkt bekommen. Sie hätten mit geschlossenen Augen gebetet, als sie zweimal das Wort „Yaallah“ gehört habe und nach dem Öffnen der Augen gesehen habe, dass einige Männer die Anwesenden gefilmt hätten. Sie und ihre Tochter hätten Angst bekommen. Sie Männer hätten sogar Waffen dabeigehabt. Die Gäste hätten sich dann anziehen dürfen. A* … habe sich als verantwortlich ausgegeben. Nach einigen Stunden seien sie von der Polizei körperlich durchsucht worden. Ihre Ausweise seien einbehalten worden. Danach hätten sie gehen dürfen. Sie sei zu ihrem Mann gegangen. Sie habe dann einen Anruf von einem Unbekannten bekommen und sei aufgefordert worden mit ihrer Tochter, die sie von der Schule abgeholt habe, zu kommen. Sie sei mit ihrem Mann zu der genannten Adresse gegangen und sei dort von einem Mann, der auch auf dem Fest gewesen sei, zu diesem Fest und S* … und A* … befragt worden. Es habe einige Stunden gedauert. Sie habe ein Blatt unterschreiben sollen, ebenso ihr Mann, und man habe ihr gesagt, dass sie an einem solchen Fest nicht mehr teilnehmen dürfe, sonst werde sie festgenommen. Sie habe dann keinen Kontakt mehr mit S* … und A* … gehabt, aber M* … wieder getroffen, die gesagt habe, sie solle nicht mehr kommen, weil sie beobachtet würden. Ihr sei es schlecht gegangen. Unmittelbar zur Ausreise habe geführt, dass sie E* … und F* …, die eigentlich in der Türkei lebten, kennengelernt habe. Die Schwester von E* … habe sie dann angerufen und mitgeteilt, dass E* … und F* … festgenommen worden seien. Sie solle vorsichtig sein und alle Bibeln und christlichen Bücher verstecken. Sie habe Angst bekommen, weil sie unterzeichnet habe, keinen Kontakt mehr mit Christen zu haben. E* … habe unterrichtet, wie man Christ werde. Auf Nachfrage, dass diese Personen in der Türkei gelebt hätten, gab die Klägerin an, dass sie zwei Jahre vor der Ausreise der Kläger in den Iran zurückgekehrt seien. F* … sei festgenommen und zu acht Jahren Gefängnis verurteilt worden, aber nach wenigen Monaten gegen eine Geldzahlung freigekommen. Er sei dann zu ihr gekommen und habe ihr gesagt, es sei besser für sie, den Iran zu verlassen. Es sei 2012 gewesen. Einen Monat später hätten sie und E* … und F* … den Iran verlassen. Die Polizei habe gedacht, dass F* … Leute über das Christentum unterrichte. Wie die Leute damals in die Wohnung von A* … gekommen seien, wisse sie nicht. Sie habe hierüber später mit A* … gesprochen, die gemeint habe, dass sie vielleicht jemand an die Polizei verraten habe. Wie sie den Sender Mahabad gefunden hätten, wisse sie nicht mehr.
4
Die Klägerin legte im Rahmen der Anhörung jeweils eine Taufurkunde für den 16. April 2013 vor sowie eine Bestätigung der Organisation „222 Ministries“ vom 6. Februar 2016 und gab dazu an, dass diese Organisation von den Vorfällen von Dezember 2010 durch eine Erzählung von A* … gewusst habe. 222 Ministries gibt in dem Schreiben an, dass die Angaben durch die Pfarrer S* … und A* … zur Kenntnis gelangt seien; auf den Inhalt der Bestätigung wird verwiesen. Sie legte weiter eine Bestätigung sowie den Gemeindebrief der … Gemeinschaft vor (Inhalt: Bestätigung, dass die Familie seit Dezember 2015 regelmäßig die Gottesdienste besuche und rege am Gemeindeleben teilnehme). Hierzu gab die Klägerin an, dass ihr Mann zufällig auf der Straße den Pastor J* … der Gemeinde getroffen habe, der sie eingeladen habe. Sie praktiziere ihren Glauben im alltäglichen Leben durch einen Besuch eines Seminars in … (hierzu legte sie eine Abwesenheitsmeldung der bfz für den 23. und 24.6.2016 vor). Sie stehe immer im Kontakt mit Gott, ihr Glaube komme von Herzen. Sie habe auch noch Kontakt mit ihren Freundinnen in der Türkei. Sie schaue einen Sender über Youtube und sie gehe - dies gab die Klägerin auf Nachfrage an - jeden Sonntag in die Kirche. Aufgaben und Dienste habe sie in der Gemeinde noch nicht. Wichtigster Glaubensinhalt sei „Liebe und nett sein“. Sie lese die Bibel und habe eine solche auf Persisch. Im Iran könnte sie nicht offiziell Christin sein, sie würde ihren Glauben aber auch nicht verstecken. Sie wünsche sich ein Leben in Freiheit. Ob sie das Risiko auf sich nehmen würde, sei eine schwierige Frage. In der Akte befinden sich zwei Dokumente der Persischen Kirche von Adana (vom 12.9.2014 und 19.4.2016), dass die Familie seit ihrer Ankunft am 13. August 2012 aktive Mitglieder der Kirche seien und am 16. April 2013 getauft worden seien und dass die Klägerin an einem Bibelschultraining von Juni bis August 2015 teilgenommen habe.
5
Mit Bescheid vom 24. Mai 2017, den Klägern zugestellt am 27. Mai 2017, lehnte das Bundesamt die Anträge der Kläger auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ab (Ziffer 1). Ebenso wurden die Anträge auf Asylanerkennung und auf Gewährung subsidiären Schutzes abgelehnt (Ziffern 2 und 3). Weiter stellte das Bundesamt fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen (Ziffer 4) und drohte den Klägern die Abschiebung - in erster Linie - in den Iran an, falls sie nicht innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe des Bescheides bzw. unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens freiwillig ausreisten (Ziffer 5). Es befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6).
6
Zur Begründung ist im Bescheid ausgeführt, dass das Vorbringen nicht überzeugen könne, sondern mit den tatsächlichen Gegebenheiten nicht im Einklang stehe und in mehreren Punkten lebensfremd erscheine. Das lange Zuwarten und die Ausreise ohne individuelle Behelligung zeige, dass kein tatsächliches Verfolgungsinteresse der staatlichen Behörden vorgelegen habe. Trotz Nachfragen sei es bei einer pauschalen Darstellungsweise durch die Klägerin geblieben. Viele Fragen seien offengeblieben.
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Zunächst mit beim Verwaltungsgericht Ansbach am 29. Mai 2017 eingegangenem Schriftsatz (unterzeichnet vom Kläger allein) teilte der Kläger mit, dass er Klage erhebe; mit Schriftsatz vom 1. Juni 2017, eingegangenen am 6. Juni 2017, wurde die Klage auf die Klägerin und die Tochter der Kläger erweitert. Die Klagen wurden unter dem Aktenzeichen AN 17 K 17.33649 erfasst.
8
Mit Schriftsatz vom 6. Juni 2017, eingegangen am gleichen Tag, erhoben die Kläger durch ihre ehemalige Prozessbevollmächtigte erneut Klage (AN 17 K 17.33896). Sie beantragten zuletzt,
den Bescheid des Bundesamtes vom 27. Mai 2017 in den Punkten 1 und 2 bis 6 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise den subsidiären Schutz zuzuerkennen, hilfsweise zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
9
Mit Schriftsatz vom 16. Juni 2017 wurde klägerseits vorgetragen, dass sich die Kläger bis zu ihrer Ausreise an verschiedenen Orten versteckt gehalten und nicht gearbeitet hätten. Sie hätten sich ernsthaft dem Christentum zugewandt.
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Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 13. Juni 2017,
die Klagen abzuweisen.
11
Über die Ausländerbehörde und die Polizei wurde Anfang 2019 mitgeteilt, dass die Kläger getrennt lebten, ein Verfahren wegen häuslicher Gewalt des Klägers gegenüber der Klägerin eingeleitet sei und ein Kontaktverbot bestehe. Der Kläger sei am 30. Januar 2019 zur Polizei gekommen und habe von psychischen Problemen und einem Suizidversuch berichtet. Dem Kläger, der sich aus dem Bezirksklinikum … selbst entlassen habe, sei zum 22. Februar 2019 eine neue Wohnung zugewiesen worden.
12
Für die Klägerin wurde mit Schriftsatz vom 18. März 2020 unter Vorlage einer ärztlichen Stellungnahme vom 17. Dezember 2019 mitgeteilt, dass sie wegen depressiver Episode und psychotischen Symptomen in psychiatrischer Behandlung sei.
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Mit Schriftsatz vom 2. Januar 2021 wurde eine Bestätigung des Evangelisch-Lutherischen Pfarramts … vom 22. September 2020 für die Klägerin vorgelegt, dass diese zusammen mit ihrer Tochter und ihrem Mann am 16. April 2013 in der iranischen Gemeinde Adana/Türkei getauft worden seien und dies von der örtlichen armenischen Kirchengemeinde bestätigt worden sei. Die dortige Kirchengemeinde werde auch vom freikirchlichen Elam-Verbund iranischer Christen genutzt. Nach den Bestätigungen seien die Kläger bereits im Iran Mitglieder einer christlichen Hauskirche gewesen. Die Klägerin sei praktizierende Christin und besuche regelmäßig Gottesdienste und Bibelgesprächskreise.
14
Mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2021 wurde unter Vorlage von ärztlichen Unterlagen von Mai 2021 auf eine stationäre nervenärztliche Behandlung der Klägerin vom 20. April bis 11. Mai 2021 und auf eine bestehende Medikation mit Milnacipran hingewiesen. Aus dem ärztlichen Entlassungsbericht vom 11. Mai 2021 ergibt sich, dass die Kläger seit drei Jahren getrennt leben. Der Kläger leide nach Angaben der Klägerin unter einer Drogenabhängigkeit. Die Klägerin leide unter einer „schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome“. Seit zwei Monaten bestehe keine Medikation mehr. Von der Klägerin sei als Grund der unsichere Aufenthaltsstatus in Deutschland angegeben worden. Hinweise auf eine posttraumatische Belastungsstörung hätten wegen der Sprachbarriere nicht diagnostiziert werden können.
15
Mit Schriftsatz des neuen Prozessbevollmächtigten vom 28. Februar 2022 wurden die Klagen begründet. Für den Kläger wurde seine regimekritischen Äußerungen über Facebook und seit Oktober 2017 über Twitter unter dem Namen „…“ bzw. „…“ hingewiesen und exemplarisch hierzu zahlreiche Ausdrucke vorgelegt. Er habe sich gegen den Islam, den Koran und Allah und gegen das iranische Regime geäußert und für den Shah. Der Kläger habe dort Todesdrohungen und Drohungen, dass man ihn auch in Europa finden werde, erhalten. Für die Klägerin wurde die Kopie einer Aufnahmebestätigung in die Ev.-Luth. Kirche von „2020“ vorgelegt. Auf eine Anfragebeantwortung des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Oldenburg vom 29. November 2021 wurde verwiesen.
16
In der mündlichen Verhandlung nahmen die Kläger die Klage AN 17 K 17.33649 zurück und machten weitere Angaben zu den Vorgängen und Wegbegleitern im Iran, der Türkei und Deutschland, insbesondere zu ihrem Glauben, der Kläger darüber hinaus zu seinen Aktivitäten in den sozialen Netzwerken. Für die Einzelheiten des Vorbringens wird insoweit auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Verfahrens wird im Übrigen auf die Gerichtsakten AN 17 K 17.33649 und AN 17 K 20.33896 und die Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klagen sind zulässig, aber unbegründet und deshalb abzuweisen.
18
1. Die Klagen sind fristgerecht innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 74 Abs. 1 AslyG erhoben worden. Die doppelte Klageerhebung steht der Zulässigkeit im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, § 77 Abs. 1 AsylG, nicht mehr entgegen, da die erste Klage (AN 17 K 17.33.649) in der mündlichen Verhandlung vom 24. März 2022 rechtzeitig zurückgenommen worden ist.
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2. Die Klagen sind jedoch unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamts vom 24. Mai 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO. Den Klägern steht weder ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG, noch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG oder auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu. Auch im Übrigen stößt der angegriffene Bescheid auf keine rechtlichen Bedenken.
20
a) Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Ergänzende Regelungen ergeben sich aus § 3a AsylG für die Verfolgungshandlungen, aus § 3b AsylG für die Verfolgungsgründe, aus § 3c AsylG zu den Akteuren, von denen Verfolgung ausgehen kann, aus § 3d AsylG zu den Akteuren, die Schutz bieten können, und nach § 3e AsylG zu einem möglichen internen Schutz.
21
Für die Beurteilung der Frage, ob die Furcht des Betroffenen vor Verfolgung begründet ist im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG, gilt dabei einheitlich der Prognosemaßstab der tatsächlichen Gefahr („real risk“). Erforderlich ist eine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass der Betroffene bei einer Rückkehr verfolgt werden wird. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen überwiegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 1.6.2011 - 10 C 25/10 - NVwZ 2011, 1463; U.v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 - NVwZ 2013, 936). Dabei ist die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 Qualifikationsrichtlinie in Form einer widerlegbaren Vermutung zu beachten, wenn der Asylbewerber bereits Verfolgungshandlungen oder Bedrohungen mit Verfolgungscharakter erlebt hat und sich seine Furcht hinsichtlich einer Rückkehr in sein Heimatland aus einer Wiederholung bzw. Fortsetzung der erlittenen Verfolgung ergibt.
22
Mit Rücksicht darauf, dass sich der Schutzsuchende hinsichtlich asylbegründender Vorgänge außerhalb des Herkunftslandes in einem gewissen, sachtypischen Beweisnotstand befindet, genügt bezüglich der Vorgänge im Herkunftsland für die nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO gebotene richterliche Überzeugungsgewissheit in der Regel die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller und darf das Gericht keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen. Es hat sich vielmehr mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit zu begnügen (vgl. BVerwG, U.v. 29.11.1977 - 1 C 33/71 - NJW 1978, 2463). Andererseits muss der Asylbewerber von sich aus unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen, widerspruchsfreien Sachverhalt schildern. Bei erheblichen Widersprüchen oder Steigerungen im Sachvortrag kann ihm in der Regel nur bei einer überzeugenden Auflösung der Unstimmigkeiten geglaubt werden (vgl. BVerwG B.v. 21.7.1989 - 9 B 239/89 - NVwZ 1990, 171).
23
Dies zugrunde gelegt, haben die Kläger keinen glaubhaften Sachverhalt zu einer im Iran bereits erlebten oder bevorstehenden Verfolgung vorgebracht, so dass die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 Qualifikationsrichtlinie für sie nicht eingreift. Das Vorbringen der Kläger rund um die Ereignisse im Zusammenhang mit der Teilnahme der Klägerin an einer christlichen Weihnachtsfeier und zu Kontakten der Kläger zu Christen im Iran bzw. zu einer Hinwendung zum christlichen Glauben glaubt die Einzelrichterin den Klägern nicht. Die Angaben der Kläger hierzu sind in vielen Punkten oberflächlich und unkonkret. Die Angaben der Kläger untereinander widersprechen sich dabei in zahlreichen Punkten, auch weichen die Angaben der Kläger in der mündlichen Verhandlung von denen, die sie beim Bundesamt und im schriftlichen Verfahren gemacht haben, ab. Vor allem aber spricht gegen ein real Erlebtes das ausweichende und einsilbige Antwortverhalten auf die Fragen der Einzelrichterin und die mehrfachen Anpassungen des Vorbringens beider Kläger an die Fragestellungen, Nachfragen und Vorhalte des Gerichts auf unplausible, unklare und widersprüchliche Aussagen.
24
Auf die Unplausibilität, dass die Kläger noch ca. 1 ½ Jahre nach der - ihren Angaben zufolge - fluchtauslösenden und aufgedeckten Teilnahme der Klägerin an der Weihnachtsfeier im Iran verbracht haben, was auch das Bundesamt in seiner Bescheidsbegründung vom 24. Mai 2017 aufgegriffen hat, reagierten die Kläger durch schriftsätzliches Vorgehen damit, dass sie angaben, sich bis zu Ausreise versteckt gehalten zu haben. In der mündlichen Verhandlung gab die Klägerin auf die entsprechende Frage des Gerichts zunächst (und auch nach ersichtlichen Zögern) jedoch an, dass sie sich nicht versteckt hätten, sie passte ihr Aussageverhalten auf Vorhalt des Gerichts dann jedoch dahingehend an, dass sie sich nur für kurze Zeit versteckt hätten. Nähere Erläuterungen oder eine Distanzierung von früherem Vorbringen erfolgte nicht.
25
Auch zur Rolle des Klägers im Geschehen und zu seiner Zuwendung zum Christentum erfolgten widersprüchliche Angaben. Er selbst gab in der mündlichen Verhandlung zunächst an, im Iran bereits Christ gewesen, aber keine Aktivitäten gehabt zu haben. Später, nach kritischen Nachfragen des Gerichts, gab er jedoch an, nicht zu behaupten, dass er Christ sei. Zu der Frage, wann er durch seiner Frau Bekanntschaft mit dem Christentum gemacht habe, antwortete er, dass dies ca. ein Jahr vor der Ausreise gewesen sei. Dies steht jedoch in unauflöslichem Widerspruch zur angeblich fluchtauslösenden Weihnachtsfeier, die bereits 1 ½ Jahre vor der Ausreise stattgefunden haben soll. Dazu wie er mit seiner Frau zum Christentum ins Gespräch gekommen sei, machte er - trotz mehrfacher Nachfrage des Gerichts - lediglich ausweichende und völlig vage und unkonkrete Angaben („Ich habe das Verhalten meiner Frau beobachtet und mir Fragen gestellt“; „Ich habe sie gefragt und wir haben darüber gesprochen.“ „Ich weiß, dass ich immer wieder Fragen gestellt habe.“).
26
Die Klägerin korrigierte die offensichtlich unwahren Angaben des Klägers hierzu nicht und machte ihrerseits unglaubhafte und ausweichende Angaben („Ich hatte damals [2007] noch nicht viele Erkenntnisse und es hat lange gedauert, bis ich diese Erkenntnisse bekommen habe. Erst dann habe ich angefangen, mit ihm zu sprechen.“; „Es fällt mir schwer, eine Zeit zu benennen.“), was ihre eigene Glaubwürdigkeit auch insgesamt erschüttert. Auch, wenn man insoweit eine Schutzbehauptung der Klägerin zugunsten ihres Mannes (etwa aus Angst vor diesem) in Erwägung zieht, kann ihr Vorbringen im Übrigen nicht überzeugen. Die schon beim Bundesamt ohne Stringenz erzählte und mit vielen unrelevanten Nebenhandlungen und Nebenpersonen angereicherte Geschichte, die aber dennoch konkrete und detaillierte Angaben und eine lebendige Schilderung vermissen lässt, wurde auch in der mündlichen Verhandlung nicht konkretisiert. Fragen wurden nur einsilbig beantwortet, etwa die nach der Bekanntschaft mit den Christentum über die Freundin G* … In diesem Zusammenhang machte die Klägerin auch widersprüchliche Angaben zum Lesen der Bibel. Zunächst gab sie in der mündlichen Verhandlung an, die Bibel von G* … nur genommen, aber nicht gelesen zu haben, auf Nachfrage sagte sie dann, das Buch nicht lange zur Seite gelegt zu haben. Beim Bundesamt gab die Klägerin hingegen an, die Bibel gleich gelesen, aber zunächst nicht verstanden zu haben. Wesentlich steigernd wird ihr Vortrag auf die gerichtliche Frage, warum sie noch 1 ½ Jahre nach der Weihnachtsfeier im Iran verblieben seien. Dass sie eine Woche nach dem Vorfall vorgeladen worden sei und es nach zwei Monaten zu einer erneuten Befragung gekommen sei, ist bei der Bundesamtanhörung von ihr so nicht erwähnt worden. Nach ihren dortigen Angaben habe sie einen Anruf von unbekannt erhalten und ein Protokoll unterschreiben müssen, wobei Zeitabläufe insoweit nicht geschildert worden sind.
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Eine Vorverfolgung sowohl des Klägers also auch der Klägerin kann damit nicht angenommen werden. Insbesondere ist nichts dafür glaubhaft gemacht, dass sich die Kläger tatsächlich bereits im Iran dem Christentum zugewandt oder auch nur in Kontakt mit dem Christentum gekommen sind. Ergänzend wird gem. § 77 Abs. 2 AsylG auch auf die Ausführungen des Bundesamts in seinem Bescheid vom 24. Mai 2017 Bezug genommen.
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b) Die Kläger haben zur Überzeugung des Gerichts auch nicht glaubhaft gemacht, dass beachtliche Nachfluchtgründe eingetreten sind, die einer Rückkehr in den Iran entgegenstehen. Ein Nachfluchtgrund liegt dabei nicht in einer formalen Konversion zum Christentum im Gastland. In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist es geklärt (vgl. BayVGH, U.v. 25.2.2019 - 14 B 17.31462 - juris Rn. 24 m.w.N., U.v. 29.10.2020 - 14 B 19.32048 - juris Rn. 20), dass es für die Frage einer Verfolgungsgefahr aufgrund erfolgter Konversion zum Christentum maßgeblich darauf ankommt, ob im Fall der Rückkehr der Person in den Iran davon auszugehen ist, dass diese ihren Glauben - und die damit verbundene Abkehr vom Islam - aktiv ausübt oder nur erzwungenermaßen, unter dem Druck drohender Verfolgung, auf eine Glaubensbetätigung verzichten wird. Erforderlich ist damit eine echte und ernsthaft innere Zuwendung zum Christentum, die formale Aufnahme in eine christliche Glaubensgemeinschaft durch die Taufe ist nicht ausreichend. Eine solche identitätsprägende Hinwendung zum christlichen Glauben ist für die Kläger nicht anzunehmen. Es bestehen vielmehr Zweifel an einer ernsthaften inneren Zuwendung zum christlichen Glauben, weil ein nachvollziehbares und konkretes Erweckungserlebnis, sei es im Iran, sei es in Deutschland oder einen sonst nachvollziehbaren Grund für eine Hinwendung zum Christentum nicht ersichtlich ist und nicht glaubhaft vorgebracht wurde. Die Angaben zur Hinwendung an den christlichen Glauben im Iran werden den Klägern - wie oben dargelegt - nicht geglaubt. Da die Kläger ihre Taufe in der Türkei auf die (unglaubhafte) Verfolgungsgeschichte im Iran zurückführen und dadurch hieran anknüpfen, dass der Kontakt durch die Pfarrer im Iran hergestellt worden sei, kann auch die Taufe in der Türkei nicht als Zeichen echter innere Zuwendung gesehen werden. Wie der Kläger selbst angibt, handelte es sich um eine Massentaufe von Iranern und Afghanen, so dass die Vermutung nachliegt, dass diese aus asyltaktischen Gründen (die Kläger haben bereits in der Türkei ein Asylverfahren durchlaufen), nicht aber aus christlicher Überzeugung erfolgt ist.
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Dass inzwischen, d. h. in Deutschland, eine identitätsprägende Hinwendung zum Christentum erfolgt ist, an der die Kläger im Falle einer Rückkehr in den Iran weiter festhalten würden, sie den Glauben sichtbar oder erzwungenermaßen nur heimlich weiter ausüben würden, ist nach der Überzeugung des erkennenden Gerichts nicht der Fall. Für den Kläger ist insoweit von vorneherein nichts ersichtlich und vorgetragen, aber auch für die Klägerin ist eine solche enge, identitätsprägende Verbindung nicht feststellbar. In der Regel zeigt sich eine (spät) angenommene Glaubensüberzeugung durch emotionale Äußerungen und Handlungen und durch das Bedürfnis, über seinen Glauben zu sprechen. Gerade dies fehlt bei der Klägerin, die in der mündlichen Verhandlung durchgehend einsilbig blieb, gänzlich. Auch besondere Aktivitäten in der Kirchengemeinde machte sie nicht mehr geltend, trug vielmehr von sich aus - quasi entschuldigend - vor, dass durch ihre Arbeit und die Coronapandemie die Teilnahme an kirchlichen Veranstaltungen eingeschränkt bzw. beendet worden ist. Von Bedeutung ist zudem, dass keine Motivation bzw. kein Erweckungserlebnis für die Hinwendung zum Christentum deutlich geworden sind, sondern die Hinwendung auf die - nicht glaubhaften - Geschehnisse im Iran zurückgeführt wird und von diesen Schutzbehauptungen keine Distanzierung stattfand.
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Dass ein Kontakt der Klägerin zu bzw. eine gewisse Integration der Klägerin in die Evang.- Luth. Kirchengemeinde in … erfolgt ist, wird vom Gericht, auch nach entsprechender Bekundung eines Mitglieds der Kirchengemeinde in der mündlichen Verhandlung, durchaus gesehen und zu Grunde gelegt. Dass die Verbindung über soziale, gesellschaftliche und/oder humanitäre Aspekte hinausgeht und mehr als nur als lose betrachtet werden kann, ist jedoch nicht ersichtlich. Die Zugehörigkeit der Klägerin zur christlichen Glaubensgemeinschaft stellt für sie, soweit erkennbar, keine existentielle Lebensfrage dar und ist damit nicht von asylrechtliche Relevanz.
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Der formale Akt der Taufe als solches begründet noch keine beachtliche Verfolgungsgefahr. Es gibt nämlich keine Erkenntnisse dahingehend, dass allein deshalb einem Übergetretenen bei einer Rückkehr in den Iran - selbst unter dem Recht der Scharia - mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine asylrechtlich relevante Verfolgung droht (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 5.2.2021, S. 13 ff.; BFA, Länderinformation der Staatendokumentation/Version 3 vom 2.7.2021, S. 47 ff., Schweizerische Flüchtlingshilfe, Iran: Gefährdung von Konvertiten vom 7.6.2018, S. 17 ff., so auch BayVGH, U.v. 25.2.2019 - 14 B 17.31462 - juris Rn. 25; U.v. 29.10.2020 - 14 B 19.32048 - juris Rn. 22). Es spricht auch nichts dafür, dass die formale Konversion der Kläger im Iran überhaupt bekannt geworden ist.
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Ebenso wenig führt die Asylantragstellung in Deutschland unter Angabe von religiösen Gründen bei einer Rückkehr in den Iran voraussichtlich - selbst wenn dies dort bekannt geworden sein sollte - mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu Verfolgungsmaßnahmen. Den iranischen Sicherheitsbehörden ist bekannt, dass Asylbewerber aus dem Iran überwiegend aus anderen als politischen Gründen versuchen, in Deutschland einen dauernden Aufenthalt zu erreichen, hierzu Asylverfahren betreiben und dabei auch häufig eine Konversion zu anderen Religionen behaupten (vgl. BayVGH, B.v. 7.11.2016 - 14 ZB 16.30380 - juris; B.v. 8.8.2017 - 14 ZB 17.30924; B.v. 28.8.2017 - 14 ZB 30.625 und B.v. 9.7.2018 - 14 ZB 30670).
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Bei der Rückkehr in den Iran kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen, insbesondere zu Kontakten während dieser Zeit. Die Befragung geht in Ausnahmefällen mit einer ein- bis zweitägigen Inhaftierung einher. Keiner westlichen Botschaft ist aber bislang ein Fall bekannt geworden, in dem Zurückgeführte darüber hinaus staatlichen Repressionen ausgesetzt waren oder im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Es gibt derzeit auch keine Hinweise auf eine Veränderung dieser Praxis (vgl. OVG NRW, B.v. 21.10.2019 - 6 A 3923/19.A - juris; B.v. 10.2.2017 - 13 A 293/17.A - juris; B.v. 15.6.2011 - 13 A 1050/11.A; VGH BW, U.v. 15.4.2015 - A 3 S 1459/13 - juris; SächsOVG, U.v. 14.1.2014 - A 2 A 911/11 - juris; BayVGH, B.v. 25.2.2013 - 14 ZB 13.30023 - juris; B. v. 21.1.2013 - 14 ZB 12.30456 - juris; OVG Lüneburg, B.v. 13.5.2011 - 13 LA 176/10 - AuAS 2011, 174; VG Düsseldorf, U.v. 11.10.2011 - 5 K 7134/10.A und v. 9.3.2011 - 5 K 3257/10.A).
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c) Schließlich begründen auch die Aktivitäten des Klägers in den sozialen Netzwerken keinen beachtlichen Nachfluchtgrund. Selbst wenn der Kläger tatsächlich Autor der im Gerichtsverfahren vorgelegter Nachrichten ist (was durch die Ausdrucke schwerlich nachweisbar ist) und selbst, wenn weiter diese Nachrichten tatsächlich regimekritische Äußerungen enthalten sollten, die bei den Sicherheitsbehörden im Iran auf Aufmerksamkeit gestoßen sind oder geeignet sind, Aufmerksamkeit zu erregen (auch dies ist aufgrund der größtenteils nicht übersetzten Ausdrucke nicht feststellbar; soweit Übersetzungen mit Online-Übersetzer vorgenommen und vorgelegt worden sind, sind diese kaum verständlich, die Äußerungen völlig unklar und unverständlich und nicht als regimekritisch feststellbar), ist mit Konsequenzen bei einer Rückkehr in den Iran nicht zu rechnen, weil die Nachrichten nicht auf den Kläger als Verursacher zurückgeführt werden können. Er gibt selbst an, dass sein Twitter- und sein Facebook-Account unter dem Pseudonym „…“, also nicht unter seinem richtigen Namen laufen, so dass dadurch keine Verbindung zu ihm hergestellt werden kann. Auch keines der vom Kläger verwendeten Profilbilder ermöglicht eine Identifizierung des Klägers, der dort nur von Weitem und/oder im Schatten stehend abgebildet ist, falls es sich überhaupt um ein Foto des Klägers selbst handelt. Das Gericht hat den Kläger auf den Profilbildern jedenfalls nicht erkannt; eine Identifizierung ist damit aller Wahrscheinlichkeit nach, auch für niemanden sonst möglich. Im Übrigen sind Profilbilder jederzeit änderbar und von jedermann fremde Fotos nutzbar, sodass einem Profilfoto - was allgemein und auch den iranischen Sicherheitsbehörden bekannt ist - kein nennenswerter Identifizierungswert zukommt. Ob das Handy des Klägers bzw. seine Accounts unter seiner richtigen Identität registriert sind, blieb offen. Auch die Accountdaten sind jedenfalls manipulierbar. Eine Gewähr oder ein Nachweis für die Registrierung mit seinen richtigen Personaldaten besteht nicht. Der Kläger hat dies nicht einmal vorgetragen. Dafür, dass die Identität von „…“ im Iran nicht bekannt ist, spricht auch deutlich, dass der Kläger sich selbst auf eine Verfolgungsgefahr wegen seiner regimekritischen Posts zunächst nicht gestützt hat, er sich deshalb offenbar jahrelang nicht für gefährdet gehalten hat. Die Klägerseite erläuterte in der mündlichen Verhandlung, dass die Nachrichten über Twitter und Facebook erst aufgrund rechtsanwaltlicher Beratung aufgegriffen worden sind, nicht aber auf Initiative des Klägers und vor allem erst nach jahrelangen Aktivitäten. Bei den Erwiderungen auf die Posts des Klägers mit drohendem Inhalt handelt es sich damit ersichtlich um leere, mangels der Kenntnis von der Identität des Klägers nicht realisierbare Drohungen, selbst dann, wenn die einschüchternden Erwiderungen von staatlichen Stellen kommen sollten, was aber ebenfalls völlig unklar und durch nichts belegt ist. Auf die Frage, mit welchen Konsequenzen ein Asylantragsteller im Fall von regimekritischen Äußerungen im Ausland bei einer Rückkehr in den Iran zu rechnen hat und darauf, ob Konsequenzen und ein Auffinden der Person auch im Ausland möglich und wahrscheinlich sind, kommt es für den Kläger damit nicht an.
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3. Den Klägern steht auch kein Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG zu. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär schutzberechtigt, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG). Hierfür spricht, nachdem den Klägern ihre Fluchtgeschichte und eine identitätsprägende Zuwendung zum Christentum nicht geglaubt wird und auf sie zurückführbare regimekritische Äußerungen nicht vorliegen, nichts.
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4. Es liegen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Nach § 60 Abs. 7 AufenthG ist eine Abschiebung unzulässig, wenn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit des Asylantragstellers bei einer Rückkehr in den Iran vorliegt. Hierfür ist nichts mehr ersichtlich. Gesundheitliche Einschränkungen wurden zuletzt nicht mehr vorgetragen. Nach den letzten ärztlichen Unterlagen war auch die Klägerin wieder medikationsfrei.
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Was die humanitären und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Iran anbelangt, können diese ohnehin nur ausnahmsweise ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG rechtfertigen (ausführlich hierzu etwa VG Ansbach, U.v. 13.7.2021 - AN 17 K 21.30074 - juris Rn. 48 m.w.N.). Ausweislich der vorliegenden Erkenntnismittel ist zwar von einer angespannten wirtschaftlichen Situation im Iran insbesondere in Folge der Sanktionen der USA und des Währungsverfalls auszugehen (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Iran, Version 3, 2.7.2021, S. 80 f.). Gleichwohl gewährleistet der Iran auch für Rückkehrer eine Grundversorgung, zu der neben staatlichen Hilfen auch das islamische Spendensystem beiträgt. Im Übrigen gibt es soziale Absicherungsmechanismen wie Armenstiftungen, Kinder-, Alten-, Frauen- und Behindertenheime. Spezielle Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer und ihre Familien sind allerdings nicht bekannt (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran (Stand Dezember 2020), vom 5.2.2021, S. 24). Die medizinische Versorgung ist auf ausreichendem Niveau gewährleistet (BFA a.a.O., S. 84 ff.). Darüber hinaus können die Kläger bei einer Rückkehr einerseits mit familiärer Unterstützung rechnen und sind sie - wie vor ihrer Ausreise - in der Lage, ihren Lebensunterhalt selbst zu erwirtschaften.
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Ebenso wenig ergibt sich ein Abschiebungshindernis aus der gegenwärtigen Pandemie-Lage durch das Corona-Virus. Eine eine Rückkehr unzumutbar machende Situation in den Iran haben die Kläger weder vorgetragen noch liegt eine solche nach Einschätzung des Gerichts vor. Jedenfalls stünde § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG einer Berücksichtigung im vorliegenden Verfahren entgegen.
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5. Auch die im angefochtenen Bescheid enthaltene Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Voraussetzungen der §§ 34 Abs. 1, 38 Abs. 1 AsylG liegen vor.
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6. Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG unterliegt keinen rechtlichen Bedenken. Die Befristung steht im Ermessen der Behörde, vgl. § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG und wird vom Gericht in zeitlicher Hinsicht nur auf - hier nicht vorliegende -Ermessensfehler hin überprüft (§ 114 Satz 1 VwGO).
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Die nicht dem heutigen Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, der einen behördlichen Erlass des Einreise- und Aufenthaltsverbots fordert, entsprechende Formulierung der Ziffer 6 im Bescheid vom 24. Mai 2017 („gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot“) ist insoweit unschädlich. Die nunmehr geforderte Einzelfallentscheidung über die Verhängung eines Einreiseverbots von bestimmter Dauer ist regelmäßig in einer behördlichen Befristungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG zu sehen (BVerwG, B.v. 13.7.2017 - 1 VR 3.17 - juris Rn. 72; s. auch BVerwG, U.v. 21.8.2018 - 1 C 21/17 - NVwZ 2019, 483 Rn. 25).
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7. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).