Titel:
Erfolglose Nachbarklage: Baugenehmigung für Büro- und Verwaltungsgebäude in einem Mischgebiet; auf dem Grundstück erfolgte bisher bereits gewerbliche Nutzung
Normenketten:
BauGB § 34 Abs. 1, Abs. 2
BauNVO § 6, § 15 Abs. 1 S. 1, S. 2
Leitsätze:
1. Es ist nicht zu befürchten, dass durch die Umsetzung eines Bauvorhabens (hier: Nutzung als Büro- und Verwaltungsgebäude) die gewerbliche Nutzung im Mischgebiet eine dominierende, das Wohnen übermäßig zurückdrängende Bedeutung bekäme, sodass das Mischgebiet „umkippen könnte“ zu einer Gemengelage oder zu einem Gewerbegebiet, wenn auf dem Baugrundstück bisher ausschließlich gewerbliche Nutzung (hier: in Form eines Natursteinwerks und später in Form eines Cateringdienstes mit Geschirrverleih) betrieben wurde; ein Verstoß gegen § 15 Abs. 1 S. 1 BauNVO ist dann nicht gegeben. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Schutz vor unerwünschter Einsichtnahme im Regelfall Sache des Grundstückseigentümers selbst, etwa durch Bepflanzung. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. Auch die Situation der notwendigen Fahrradabstellplätze an der Grundstücksgrenze führt nicht zu einem Abwehrrecht der Klägerin, da unzumutbare Störung weder von den Stellplätzen noch durch deren Nutzung zu erwarten ist. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nachbarklage gegen Bürogebäude mit Tiefgarage im Mischgebiet, Gebot der Rücksichtnahme, Zufahrt über Nachbargrundstück zur Tiefgarage aufgrund eines Geh- und Fahrtrechts, Mischgebiet, Einsichtnahme, Fahrradstellplatz, Abwehrrecht, Nachbarklage, Umkippen
Fundstelle:
BeckRS 2021, 9832
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich gegen die Baugenehmigung für die Errichtung eines Büro- und Verwaltungsgebäudes mit Tiefgarage auf dem Nachbargrundstück.
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Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. …, Gemarkung …, …str. … in … Das Grundstück liegt nördlich der …straße und weist eine Fläche von ca. 25 x 23 m auf. Das Grundstück der Klägerin ist mit einem zweigeschossigen Wohngebäude mit ausgebautem Satteldach bebaut, das an die westliche Grundstücksgrenze und das dort vorhandene Gebäude angebaut ist. Die Baugenehmigung für dieses Gebäude wurde mit Bescheid der Beklagten vom 16. März 1964 erteilt, zugleich wurden drei Stellplätze, einer an der nördlichen und zwei an der östlichen Grundstücksgrenze gelegen, genehmigt. Nach den genehmigten Plänen befinden sich in dem Anwesen je zwei Wohnungen pro Stockwerk, also sechs Wohnungen, wobei die Schlafzimmer jeweils in der nordwestlichen bzw. nordöstlichen Gebäudeecke gelegen sind. Die Wandhöhe der nördlichen Außenwand beträgt ca. 6,50 m, die Firsthöhe ca. 12 m.
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Nördlich angrenzend an das Grundstück der Klägerin liegt das ebenfalls etwa 25 m breite und zwischen ca. 80 und ca. 93 m tiefe Grundstück FlNr. …, Gemarkung …, das Baugrundstück. Dieses verfügt im Norden über eine Zufahrt zum weiter nördlich verlaufenden … Auf dem Baugrundstück war ursprünglich ein Steinmetzbetrieb vorhanden, für den mit Baugenehmigung vom 10. Mai 1962 die Errichtung einer ca. 18,50 x 20 m großen Werkhalle sowie südlich davon einer Stützmauer genehmigt wurde. Die Wandhöhe der südlichen Außenwand dieser Halle betrug im Westen ca. 8,20 m, im Osten ca. 7,40 m mit einem Tor in der südlichen Wand.
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Mit am 29. Mai 2017 eingegangenem Bauantrag, ergänzt durch Tekturantrag vom 24. Mai 2019, beantragte die Beigeladene die Erteilung der Baugenehmigung für ein Büro- und Verwaltungsgebäude mit Tiefgarage (Az.: …*). Mit planungsrechtlicher Stellungnahme vom 7. Dezember 2017 erteilte die Beklagte ihr Einvernehmen und führte aus, für das Baugrundstück gebe es keine bauplanerischen Festsetzungen, es liege ein faktisches GE nach § 8 BauNVO vor, es bestünden Bedenken wegen der Tiefgaragenzufahrt nach Süden zur …straße im Hinblick auf das auf der anderen Straßenseite gelegene allgemeine Wohngebiet.
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Im Baugenehmigungsverfahren wurde von der Beigeladenen die schallimmissionsschutztechnische Untersuchung gemäß TA-Lärm des Ingenieurbüros … vom 17. Januar 2018 vorgelegt, welche zu dem Schluss kam, dass das Bauvorhaben die Immissionsrichtwertanteile tags und nachts an allen gemäß den Vorgaben der Bauordnungsbehörde der Beklagten untersuchten Immissionsorten in der Nachbarschaft des Bauvorhabens einhalte. Auch das Spitzpegelkriterium tags der TA-Lärm werde an allen Immissionsorten eingehalten, im Nachtzeitraum werde das Spitzenpegelkriterium an den Immissionsorten 2 und 5 überschritten. Nach den Angaben des Architekten sei für das Bürogebäude im Regelfall von üblichen Betriebszeiten im Tagzeitraum von 6 bis 22 Uhr auszugehen. Da nicht ausgeschlossen werden könne, dass einzelne Pkw-Fahrten auch im Nachtzeitraum stattfinden könnten, bleibe die abschließende Beurteilung des Spitzenpegelkriteriums nachts der zuständigen Behörde überlassen. Die Berechnung der Beurteilungspegel im Gutachten ergab für den IO 2, vor der nördlichen Außenwand des Gebäudes der Klägerin im Bereich der am meisten östlich gelegenen Fenster im EG, 1. OG und 2. OG Beurteilungspegel von tagsüber 46 dB(A) (EG), 45 dB(A) (1. OG) und 44 dB(A) (2. OG). Für die ungünstigste volle Nachtstunde betrugen die Werte 42, 41 und 40 dB(A). Der berechnete Spitzenpegel betrug tags und nachts 71 dB(A). Laut dem Lärmschutzgutachten wurde von vier Pkw-Bewegungen je Stellplatz im Tagzeitraum sowie vorsorglich von vier Pkw-An- bzw. Abfahrten in der lautesten Nachtstunde jeweils für den Zu- und Abfahrtsverkehr von der Tiefgarage ausgegangen. Auch für die nördlich des Vorhabens gelegenen sieben Besucherstellplätze sind Immissionsberechnungen enthalten.
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Die Beigeladene legte auf Anforderung der Bauordnungsbehörde ein am 2. Februar 2018 erstelltes Mobilitätskonzept vor, wonach sieben Stellplätze für Besucher und Gäste im Norden auf dem Baugrundstück errichtet werden sollten sowie 41 in einer Tiefgarage für die Mitarbeiter mit Ausfahrt nach Süden über das Grundstück der Klägerin, wobei von dem im Grundbuch eingetragenen Geh- und Fahrtrecht Gebrauch gemacht werden soll. Zugleich wurde auf die Lage des Grundstücks zwischen den VAG-Bushaltestellen der Linie … …straße und* … hingewiesen, womit die Verbindung zum U- und Straßenbahnnetz gegeben sei. Die Fahrtzeiten des ÖPNV würden in den Zugängen der Treppenhäuser aufgehängt, um die Abfahrtszeiten aller Mitarbeiter im Bürogebäude zur Verfügung zu stellen und die Büroarbeitszeiten auf die Ankunfts- und Abfahrtszeiten abstimmen zu können.
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In der von der Beklagten vorgelegten Betriebsbeschreibung vom 5. April 2018 wird ausgeführt, dass das Baugrundstück nach Rücksprache mit dem Stadtplanungsamt als Gewerbegebiet definiert werde, bei den Büro- und Geschäftszeiten sei von den üblichen Geschäftszeiten von 6:00 Uhr bis 22:00 Uhr auszugehen.
8
Laut Vertrag vom 28. Mai 2019 einigten sich die Beigeladene und die Beklagte über die Ablösung von 23 Stellplätzen für je 8.500,00 EUR.
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Mit Schriftsatz der Klägervertreter vom 14. Juni 2018 wandte die Klägerin gegen das Vorhaben ein, die Erschließung sei nicht gesichert, da die Zufahrt zur Tiefgarage vom Geh- und Fahrtrecht nicht gedeckt sei, weiter sei die Lage der Fahrradabstellplätze an der Grundstücksgrenze unzulässig. Am 11. Juni 2019 legte die Beigeladene bei der Beklagten einen Grundbuchauszug des Amtsgerichts … von … Blatt … vor, wonach ein Geh- und Fahrtrecht zugunsten des Grundstücks FlNr. … beim Grundstück … eingetragen ist.
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Mit Bescheid vom 15. Oktober 2019 erteilte die Beklagte der Beigeladenen die Baugenehmigung für die Errichtung eines Büro- und Verwaltungsgebäudes. Das Gebäude besteht aus zwei aneinandergrenzenden Gebäudeteilen mit jeweils drei Geschossen und Flachdach, wobei die südliche Außenwand eine Breite von ca. 16,80 m und laut genehmigtem Abstandsflächenplan eine Höhe von 10,19 m bis 10,25 m aufweist, bei einem Abstand von der südlichen Grenze zum Grundstück der Klägerin von zwischen ca. 4,90 m bis ca. 8,40 m. Von den 71 laut Auflage Nr. 4 notwendigen Stellplätzen müssen 48 auf dem Baugrundstück nachgewiesen und 23 abgelöst werden. Von den herzustellenden Stellplätzen sollen laut den genehmigten Plänen 7 entlang der nördlichen Grundstücksgrenze und nördlich des Gebäudes mit Zufahrt zum … hergestellt werden sowie 41 in der unter dem Gebäude zu errichtenden Tiefgarage. Die Zufahrt zur Tiefgarage erfolgt entlang der östlichen Gebäudewand, das Zufahrtstor hat einen Abstand von der südöstlichen Gebäudeecke von ca. 17,5 m. Die Zufahrt erfolgt über eine östlich des Gebäudes gelegene Rampe und verläuft dann ebenerdig weiter nach Süden über das Grundstück der Klägerin zur …straße. Die laut Auflage Nr. 5 auf dem Grundstück herzustellenden 35 Fahrradabstellplätze sollen nach dem genehmigten Plan „Außenanlagen“ entlang der südlichen Grundstücksgrenze errichtet werden. Weitere Auflagen nehmen Bezug auf die vorgelegten Bauvorlagen, die Betriebsbeschreibung vom 5. April und das Mobilitätskonzept vom 2. Februar 2018. In Auflage Nr. 17 werden die Immissionsrichtwerte auf tags 57 und nachts 42 dB(A) am IO 2 festgesetzt. Weiter wird dort festgelegt, dass der Immissionsrichtwert nachts nur von notwendigen technischen Anlagen verwendbar sei, da während der Nachtzeit von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr kein Betrieb zulässig sei.
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Mit am 18. November 2019 beim Gericht eingegangenen Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten erhoben die Klägervertreter gegen den ihnen am 17. Oktober 2019 zugestellten Baugenehmigungsbescheid Klage. Zur Begründung führen sie mit Schriftsatz vom 19. Februar 2020 aus, auf dem Baugrundstück sei ursprünglich ein Natursteinwerk betrieben worden, ein kleiner Betrieb mit ca. 6 bis 10 Angestellten, dessen Geschäftszeiten Montag bis Donnerstag von 7:00 Uhr bis 16:00 Uhr und Freitag von 7:00 Uhr bis 13:00 Uhr betragen hätten. Dieser Betrieb habe bisher lediglich 5 bis 10 tägliche Zufahrten von Pkw und kleineren Pritschenwägen über das Grundstück der Klägerin verursacht, am Wochenende habe es keinerlei Verkehr gegeben, durchschnittlich zweimal im Monat habe ein Lkw mit Steinladung die Durchfahrt zum Natursteinwerk genutzt. Die ursprüngliche Betreiberin, die …GmbH, sei im Jahr 2012 aus dem Gebäude ausgezogen, dieses habe der neue Eigentümer zeitweise als Lager für Porzellan genutzt, seit etwa drei Jahren stehe das Gebäude leer. Neben dem auf dem Baugrundstück befindlichen mittig gelegenen Hauptgebäude, das einen Abstand zum Grundstück der Klägerin von ca. 27 m aufgewiesen habe, sei parallel zur nördlichen Grundstücksgrenze des klägerischen Grundstücks ein Nebengebäude mit 2 m Höhe von ca. 20 m Breite vorhanden gewesen, das den Gartenbereich und das Grundstück der Klägerin von Lärm- und Sichtbeeinträchtigungen ausgehend vom Nachbargrundstück abgeschirmt habe. An der Ostseite des Grundstücks der Klägerin verlaufe ein ca. 5 m breiter Weg, der von der …straße zum Baugrundstück führe, dieser verjünge sich im Einfahrtsbereich stellenweise auf ca. 4 m, östlich davon seien zwei Parkplätze errichtet worden für die Fahrzeuge der Mieter. Dort verbleibe eine Durchfahrtsbreite von ca. 3 m, der Weg werde auch von der Klägerin und ihren Mietern als Zugang zum Garten genutzt.
12
Im Grundbuch von … Blatt … sei in Abteilung II zugunsten des jeweiligen Eigentümers der FlNr. … ein Geh- und Fahrtrecht eingetragen, dessen Inhalt sich aus der Bewilligung der Grunddienstbarkeit vom 31. Juli 1980 ergebe.
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In dem in der Anlage vorgelegten Abdruck der Bestellungsurkunde der Grunddienstbarkeit heißt es:
„Die Zufahrt zu dem auf Flst. Nr. … betriebenen Natursteinwerk erfolgt über Flst. … Um diese Zufahrt für dauernde Zeiten und auch im Falle künftiger Eigentumsänderungen rechtlich sicher zu stellen, bewilligt und beantragt Herr … die Eintragung einer Grunddienstbarkeit an Flst. … Gemarkung … (dienendes Grundstück) zugunsten des jeweiligen Eigentümers von Flst. … Gemarkung … (herrschendes Grundstück) mit folgendem Inhalt:
Der jeweilige Eigentümer des Flst. Nr. … ist berechtigt, über Flst. Nr. … jederzeit zu gehen und mit Fahrzeugen aller Art zu fahren, um von dem nächsten öffentlichen Weg aus zu dem berechtigten Grundstück und umgekehrt gelangen zu können.
Das Geh- und Fahrtrecht kann zu allen Zwecken, insbesondere auch zu gewerblichen, sowohl von dem Eigentümer als auch dessen Angehörigen, Angestellten, Mietern und Pächtern ausgeübt werden.
Die Zufahrt hat auf der bereits bestehenden ca. 5 Meter breiten Fuhre an der Ostseite des Grundstücks Flst. Nr. … zu erfolgen. Die Unterhaltung des Weges obliegt dem Berechtigten.“
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Hintergrund der Eintragung und Bewilligung der Grunddienstbarkeit sei gewesen, dass das ursprünglich zusammengehörige Grundstück FlNr. … und … vom vorherigen Eigentümer geteilt worden sei und die Zufahrt von der …straße über das vordere Grundstück zu dem hinteren Grundstück rechtlich sichergestellt werden sollte. Das Baugrundstück verfüge auch über eine Zufahrt zum …, beide Zuwegungen sollten trotz der Grundstücksteilung erhalten bleiben und rechtlich gesichert werden. Zweck des eingetragenen Rechts sei daher gerade nicht die Sicherung der ausschließlichen Zufahrt über die …straße gewesen. Vielmehr sollten auch in Zukunft zwei Zuwegungen zu dem Grundstück offengehalten werden. Der vorgeschriebene Zweck ergebe sich direkt aus dem Wortlaut der Bewilligung selbst, mit der Bezeichnung „von dem nächsten öffentlichen Weg“ werde verdeutlicht, dass hiermit die Zufahrt zu dem Grundstück ohne Umweg auf dem schnellsten Weg gemeint sei. In der Folge sei die Zufahrt bisher lediglich teilweise genutzt worden, um zu dem kleinen Natursteinwerk zu gelangen. Demgegenüber solle die Zu- und Abfahrt des gesamten Pkw-Verkehrs zur Tiefgarage ausschließlich über das Grundstück der Klägerin erfolgen. Gemäß der vorgelegten Untersuchung des Ingenieurbüros … sei mit mindestens 164 Zu- und Abfahrten täglich hinsichtlich der 41 Stellplätze zu rechnen, dabei seien insbesondere die Zu- und Abfahrten für Anlieferung, Postverkehr und mögliche Besucher nicht berücksichtigt. Die Baugenehmigung verletze die Klägerin in ihren subjektiven Rechten und verstoße gegen das Rücksichtnahmegebot gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO. Durch die Überfahrt über ihr Grundstück werde die Klägerin übermäßig mit Lärmimmissionen belastet. So habe der VGH München mit Beschluss vom 29. Januar 1992 - 2 CS 91.3488 entschieden, dass Stellplätze in einem Innenhof zwischen Vorder- und Rückgebäude je nach Lage des Einzelfalls dem Rücksichtnahmegebot widersprechen könnten, insbesondere, wenn der von den Stellplätzen ausgehende Lärm die Schlafzimmerbereiche des Wohngebäudes sowie den Gartenbereich betreffe. Entsprechend liege der Fall hier, zudem sei auch mit der Nutzung der Tiefgaragenzufahrt durch Lieferverkehr von Lkw zwischen 6:00 Uhr und 22:00 Uhr zu rechnen. Durch das Einparken und Rangieren auf den 41 Stellplätzen und durch das Zuschlagen der Autotüren werde erheblicher Lärm entstehen. Hinzu komme, dass das bisherige Nebengebäude, das das Grundstück der Klägerin abgeschirmt habe, abgerissen werden solle. Auch das Bundesverwaltungsgericht (B.v. 20.3.2003 - 4 B 59/02) habe entschieden, dass Garagen und Stellplätze in ruhigen rückwärtigen Gartenbereichen hinter Wohnhäusern oft rechtlichen Bedenken begegneten. Im Hinblick auf die Zumutbarkeit für die Klägerin sei hier nicht auf die TA-Lärm abzustellen. Hier sei das vertretbare Maß bei Weitem überschritten, der rückwärtige Wohnbereich werde von den Mietern als Schlafbereich genutzt, der rückwärtige Grundstücksteil diene als Garten und Ruhebereich der Erholung. Dieser Bereich sei umso schutzwürdiger, als im vorderen Bereich durch die …straße bereits hohe Verkehrsimmissionen bestünden. Im Übrigen sei die Zufahrt über das Grundstück der Klägerin im Hinblick auf die zu erwartenden täglich mindestens 164 Zu- und Abfahrten zuzüglich Besucher und Lieferverkehr hier nicht möglich, da bei einer derart engen Zufahrt mit teilweise nur 3 m Breite ein gefahrloser Begegnungsverkehr nicht möglich sei. Der Verkehr und die damit einhergehenden Geruchs- und Lärmbelästigungen seien der Klägerin und ihren Mietern nicht zumutbar, es werde auch auf einen Beschluss des OVG Münster (vom 13.6.2013 - 10 B 268/13) verwiesen. Hier sei es sogar so, dass die Lärm- und Abgasbeeinträchtigungen direkt auf dem Grundstück der Klägerin entstünden, und nicht nur in einem unmittelbar an das Grundstück angrenzenden Bereich wie in der Entscheidung des OVG Münster.
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Weiterhin habe das Bauvorhaben eine erdrückende, einmauernde und abriegelnde Wirkung im Hinblick auf das Grundstück der Klägerin. Bereits östlich des klägerischen Grundstücks sei ein Gebäudekomplex vorhanden, der die Sicht nach Osten vollständig abriegle, durch das geplante Bauvorhaben, welches bis auf wenige Meter an ihre Grenze heranreiche, werde nunmehr auch die Sicht nach Norden vollständig verbaut. Für die Klägerin entstehe dadurch eine unzumutbare Gefängnishofsituation. Das geplante Bauvorhaben sei im Übrigen im Verhältnis zu den umliegenden Wohnhäusern völlig überdimensioniert, dies zeige die Baumasse von 14.525 m³ sowie die Grundflächenzahl von 0,53. Auch ermögliche das Gebäude unzumutbare Einsichtsmöglichkeiten in den Gartenbereich der Klägerin und sei deshalb rücksichtslos.
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Schließlich sei das Vorhaben auch nicht gebietsverträglich, denn es liege hier ein faktisches Mischgebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 BauNVO vor. Ein solches sei durch ein gleichwertiges Nebeneinander zweier Nutzungsarten gekennzeichnet, hier aber sei bereits auf dem östlich gelegenen Nachbargrundstück ein sehr großer Gewerbebetrieb vorhanden, zu dem das Bauvorhaben in unmittelbarer Nähe der nachbarschaftlichen Wohnbebauung hinzukomme. Dadurch werde ein Gebietscharakter geschaffen, welcher dem eines reinen Gewerbegebietes gleiche. Das Vorhaben sei vom äußeren Erscheinungsbild nicht mit dem Charakter eines Mischgebiets verträglich, im Einzelfall könne nach der Rechtsprechung auch Quantität in Qualität umschlagen. Dies sei hier der Fall. Schließlich sei das Vorhaben unzulässig, da aufgrund der derzeitigen Planung die öffentliche Erschließung nicht gesichert sei i.S.v. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Die Abwicklung des gesamten Verkehrs von der …straße über das Grundstück der Klägerin sei zivilrechtlich unzulässig und von der Grunddienstbarkeit nicht gedeckt. Zwar sei nicht nur die bei der Bestellung der Grunddienstbarkeit gerade bestehende Nutzung maßgeblich, sondern der Umfang einer Dienstbarkeit könne mit dem Bedürfnis des herrschenden Grundstücks wachsen, hier sei aber die geplante Nutzung weder in qualitativer noch in quantitativer Hinsicht mit dem bisherigen Betrieb des Natursteinwerks zu vergleichen. Die zu erwartende Bedarfssteigerung beruhe nicht allein auf einer naturgemäßen Fortentwicklung der technischen oder wirtschaftlichen Verhältnisse, sondern auf einer nicht voraussehbaren Intensivierung der Nutzung. Der Klägerin stehe ein zivilrechtlicher Abwehranspruch gegen die Beigeladene zu, der hier auch im öffentlichen Recht ausnahmsweise zu berücksichtigen sei. Schließlich gehe von dem Bauvorhaben mittelbar eine Gefahr für Leib und Leben der Klägerin und ihrer Mieter aus im Hinblick auf die fehlende Erschließung, denn aufgrund des zu erwartenden hohen Verkehrsaufkommens könne der Zugang zum Garten nicht mehr gefahrlos genutzt werden. Auch sei ein gefahrloser Begegnungsverkehr künftig nicht mehr möglich.
17
Die Klägervertreter beantragen,
den Baugenehmigungsbescheid vom 15. Oktober 2019 aufzuheben.
18
Die Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 22. Mai 2020,
19
Zur Begründung wird ausgeführt, die Baugenehmigung sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht ihren Rechten. Das Vorhaben verletze insbesondere nicht den Gebietserhaltungsanspruch, da hier eine zulässige gewerbliche Nutzung in einem faktischen Mischgebiet geplant sei und sich das Vorhaben nach der Art der baulichen Nutzung in die nähere Umgebung einfüge. Hier werde auf dem streitgegenständlichen Grundstück nur eine gewerbliche Nutzung durch eine andere gewerbliche Nutzung ersetzt. Auch das Gebot der Rücksichtnahme werden nicht verletzt, dies gelte insbesondere für die Tiefgaragenzufahrt. Die sich aus einer zulässigen Nutzung ergebenden Störungen durch Kfz-Verkehr seien im Regelfall als sozialtypische Begleiterscheinungen des täglichen Lebens zumutbar, dies folge bereits aus § 12 Abs. 1 BauNVO. Stellplätze und Garagen seien jedenfalls für den durch die zugelassene Hauptnutzung verursachten Bedarf quasi akzessorisch zu dieser zulässig. Hier würden zudem wesentliche Beeinträchtigungen wie das Zuklappen der Türen oder das Anlassen der Motoren bei der Anlage einer Tiefgarage vermieden. Weder die Auffahrt noch die Torgeräusche führten zu unzumutbaren Störungen der Klägerin auch im Hinblick auf den großen Abstand zu ihrem Gebäude. Die immissionsschutzrechtliche Betrachtung durch das Ingenieurbüro … bestätige diese Einschätzung. Eine mögliche Überschreitung des Spitzenpegelkriteriums in der Nacht sei unschädlich, da mit einem Verkehr in den Nachtzeiten bei den üblichen Büroöffnungszeiten ohnehin nicht zu rechnen sei. Unzuträgliche Verkehrsgeräusche durch Rangieren bei Begegnungsverkehr seien nicht zu erwarten, es bestehe die Möglichkeit, bei einer Begegnung von Fahrzeugen, dass das zufahrende Fahrzeug auf dem Baugrundstück warte, bis das abfahrende Kfz die Tiefgarage verlassen habe. Zudem stehe auch das Grundstück der Klägerin für den Begegnungsverkehr zur Verfügung, da der vorgelegten Bewilligungsurkunde zu entnehmen sei, dass die Zufahrt auf der bereits bestehenden ca. 5 m breiten Fuhre an der Ostseite des Grundstücks zu erfolgen habe, sodass der Ausübungsbereich der Grunddienstbarkeit in einer Breite von 5 m bestehe. Das Vorhaben habe weder erdrückende Wirkung noch sei es rücksichtslos, dies wäre nur bei einem nach Höhe und Volumen übergroßen Baukörper in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäude möglich. Hier halte die südliche Außenwand des Gebäudes die Abstandsfläche ein, auch bei Zugrundelegung von 0,4 H nach der städtischen Abstandsflächensatzung. Das Bauplanungsrecht vermittle auch keinen generellen Schutz vor unerwünschten Einblicken, es sei im innerörtlichen Bereich normal, dass von einem Grundstück auf das andere Einsicht genommen werden könne. Ein unzumutbarer Ausnahmefall sei hier nicht gegeben. Aus dem behaupteten Fehlen einer ausreichenden wegemäßigen Erschließung des Vorhabens ließe sich zudem keine Verletzung der Rechte der Klägerin herleiten, die Zu- und Abfahrt sei mittels der eingetragenen Grunddienstbarkeit gedeckt, dies gelte auch für die Nutzungsänderung.
20
Am 14. April 2021 nahm die Kammer das Baugrundstück, das Grundstück der Klägerin sowie die maßgebliche nähere Umgebung in Augenschein.
21
In der mündlichen Verhandlung am 14. April 2021 waren die Parteien vertreten und stellten die angekündigten Schriftsätze.
22
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten, hinsichtlich der Ergebnisse von Augenschein und mündlicher Verhandlung auf die jeweilige Niederschrift verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
24
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 15. Oktober 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
25
Nachdem die Klägerin hier als Eigentümerin des Nachbargrundstücks gegen die Baugenehmigung klagt, kann die Klage nur erfolgreich sein, wenn die Baugenehmigung rechtswidrig ist und die Rechtswidrigkeit auf der Verletzung einer Norm beruht, die gerade dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt und im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen ist.
26
Da das gegenständliche Bauvorhaben, die Errichtung eines Büro- und Geschäftshauses mit Tiefgarage, keinen Sonderbau gemäß Art. 2 Abs. 4 BayBO darstellt, ergibt sich der Prüfungsumfang im Baugenehmigungsverfahren hier aus Art. 59 BayBO.
27
Bauplanungsrechtlich richtet sich die Zulässigkeit des Bauvorhabens nach § 34 BauGB, da für das Baugrundstück kein rechtsgültiger Bebauungsplan besteht. Nach den vorliegenden Akten und insbesondere aufgrund des durchgeführten Augenscheins geht die Kammer dabei davon aus, dass das Baugrundstück in einem faktischen Mischgebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 BauNVO liegt. Insoweit geht die Kammer davon aus, dass die hier maßgebliche nähere Umgebung des Baugrundstücks i.S.d. § 34 Abs. 2 BauGB durch den … Weg im Norden, die …straße im Süden und die …straße im Osten bis zum Beginn des Grundstücks FlNr. … Gemarkung … begrenzt wird und die Ausdehnung nach Osten weiter durch dessen östliche Grenze sowie weiter nach Norden bis zum … durch die westliche Grenze des Grundstücks FlNr. … Gemarkung … begrenzt wird. Dieser Bereich ist nach den Feststellungen im Augenschein und den vorliegenden Akten geprägt von Wohnnutzung, insbesondere im westlichen Teil des Gebiets, aber auch entlang des … und der …straße, während im östlichen Bereich mehrere auch größere Grundstücke ganz oder überwiegend gewerblich genutzt werden, wobei die Kammer davon ausgeht, dass diese Gewerbebetriebe das Wohnen nicht wesentlich stören. Im Hinblick insbesondere auf die umfangreichen gewerblichen Nutzungen auf den Grundstücken FlNrn. …, … …, … und auf dem Baugrundstück, FlNr. … sowie den zahlreichen wohngenutzten Grundstücken kann hier nach Auffassung der Kammer von einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Wohn- und Gewerbenutzung ausgegangen werden, sodass ein Mischgebiet vorliegt.
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In dem damit vorliegenden Mischgebiet ist die geplante Nutzung als Büro- und Verwaltungsgebäude auf dem Baugrundstück nach § 6 Abs. 2 Nr. 2 allgemein zulässig.
29
Auch ein Verstoß gegen § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO ist hier entgegen der Auffassung der Klägerin nicht gegeben, da das geplante Bauvorhaben sowohl nach Anzahl, Lage, Umfang und Zweckbestimmung der Eigenart des Mischgebiets entspricht. Es ist auch nicht zu befürchten, dass durch die Umsetzung des Bauvorhabens hier die gewerbliche Nutzung im Mischgebiet eine dominierende, das Wohnen übermäßig zurückdrängende Bedeutung bekäme, sodass das Mischgebiet „umkippen könnte“ zu einer Gemengelage oder zu einem Gewerbegebiet. Denn auf dem Baugrundstück wurde bisher ausschließlich gewerbliche Nutzung in Form eines Natursteinwerks und später in Form eines Cateringdienstes mit Geschirrverleih betrieben. Im Hinblick auf die übereinstimmenden Angaben der Parteien, dass diese Nutzung bis 2017 ausgeübt wurde und im Hinblick auf die auf dem Baugrundstück nach wie vor vollständig vorhandenen betrieblichen Einrichtungen, die - wie die große Krananlage -, aber auch die Gebäude und die noch vorhandene Werbetafel eine gewerbliche Nutzung ins Auge springen lassen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die gewerbliche Prägung des Baugebiets erloschen wäre. Vielmehr erweckt das Baugrundstück weiterhin den Eindruck einer gewerblichen Nutzung, zumal die hierfür erteilte Baugenehmigung weiterhin fortbesteht. Diese weiterhin bestehende gewerbliche Prägung des Baugrundstücks und die Fortwirkung der dort genehmigten und früher ausgeübten gewerblichen Nutzung führen auch dazu, dass das Bauvorhaben selbst dann auf dem Baugrundstück bauplanerisch zulässig wäre, wenn hier statt eines Mischgebietes von einer Gemengelage auszugehen wäre, denn diese Gemengelage wäre im Bereich des Baugrundstücks ersichtlich gewerblich geprägt, Bauvorhaben in diesem Umfang und mit entsprechender gewerblicher Nutzung sind im Baugebiet etwa auf dem angrenzenden Grundstück FlNr. …, aber auch auf dem Grundstück FlNr. … vorhanden, sodass sich das Bauvorhaben auch nach § 34 Abs. 1 BauGB in die in der Umgebung vorhandenen Nutzungen einfügen würde. Dass die maßgebliche Umgebung um das Baugrundstück zu einem allgemeinen Wohngebiet geworden sein könnte, kann im Hinblick auf die dort vorhandene umfangreiche gewerbliche Nutzung, insbesondere auch im Hinblick auf die Größe, den Störgrad und den Umfang der gewerblichen Nutzungen ausgeschlossen werden. Dabei kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass gewerbliche Nutzungen etwa auf dem Grundstück FlNr. … dauerhaft aufgegeben wären, da die entsprechenden baulichen Anlagen nach wie vor vorhanden sind, wenn auch derzeit keine sichtbare gewerbliche Nutzung stattfindet. Entsprechendes dürfte auch, ohne dass dies entscheidungserheblich wäre, für das westlich an das Baugrundstück angrenzende Grundstück FlNr. … und die dort vorhandene, früher gewerblich genutzte Halle gelten.
30
Das Bauvorhaben verstößt auch nicht gegen das sich hier aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ergebende Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme im Hinblick auf das wohngenutzte Grundstück der Klägerin.
31
Nach den den Genehmigungsstempel tragenden Bauunterlagen werden vom Bauvorhaben die Abstandsflächen, insbesondere auch in Richtung zum Grundstück der Klägerin, eingehalten. Der geringste Abstand zwischen der südlichen Außenwand und der Grundstücksgrenze beträgt hier ca. 4,90 m, während die Wandhöhe maximal 10,25 m beträgt und nach der geltenden Abstandsflächensatzung der Beklagten eine Abstandsfläche von 0,4 H ausgelöst wird. Eine übermäßige Einbuße an Besonnung und Belichtung bedingt durch das Bauvorhaben wird weiter schon dadurch ausgeschlossen, dass das Bauvorhaben nördlich vom Wohngrundstück der Klägerin gelegen ist und somit praktisch keinen Schatten auf ihr Grundstück werfen dürfte. Im Übrigen besitzt auch die Klägerin ein ca. 18 m breites und im First ca. 12 m hohes Gebäude, das direkt südlich des Baugrundstücks gelegen ist und dieses wohl in größerem Maße verschattet als umgekehrt eine Beschattung beim Baugrundstück durch das Vorhaben eintreten dürfte. Nachdem die grenzständigen Nebengebäude auf dem Baugrundstück zur Klägerin hin abgebrochen werden sollen, ist eine erneute Prüfung der Abstandsflächenrelevanz dieser Nebengebäude nicht geboten. Andererseits können durch den Abbruch dieser Gebäude Rechte der Klägerin nicht verletzt werden, da sie keinen Anspruch auf eine Bebauung etwa in Form einer Grenzwand auf dem Grundstück der Beigeladenen besitzt. Soweit die Klägerin eine übermäßige Einsichtnahme in ihren Garten befürchtet, so löst dies ersichtlich kein Abwehrrecht gegen das Bauvorhaben aus. Zum einen ermöglicht die örtliche Situation hier eine wechselseitige Einsichtnahme, da auch die Klägerin bis ins Dachgeschoss Gaubenfenster besitzt und damit auch auf das Baugrundstück Einblick nehmen kann, im Übrigen ist ein Schutz vor unerwünschter Einsichtnahme im Regelfall Sache des Grundstückseigentümers selbst, etwa durch Bepflanzung. Insofern ist durch die großen Bäume im Garten hier ohnehin zumindest im Sommerhalbjahr nur mit einer sehr eingeschränkten Einblicksmöglichkeit vom Baugrundstück aus zu rechnen.
32
Auch die Situation der notwendigen Fahrradabstellplätze an der Grundstücksgrenze führt nicht zu einem Abwehrrecht der Klägerin, da unzumutbare Störung weder von den Stellplätzen noch durch deren Nutzung zu erwarten ist.
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Soweit die Klägerin unzumutbaren Lärm und weitere Immissionen durch den vom Vorhaben ausgelösten Verkehr rügt, so liegen dafür keine belastbaren Anhaltspunkte vor. So hat die Beklagte in der angefochtenen Baugenehmigung in der Auflage Nr. 17 für das klägerische Grundstück einen Immissionsrichtwert von 47 dB(A) tags und 42 dB(A) nachts festgesetzt, ebenso wie die sich daraus ergebenden Spitzenpegel. Die Beklagte ist dabei zutreffend von der Einstufung als Mischgebiet sowohl für das Grundstück der Klägerin als auch das Baugrundstück ausgegangen und hat die nach der TA-Lärm im Mischgebiet anzusetzenden Werte tags und nachts um jeweils 3 dB(A) reduziert. Damit wäre auch einer Vorbelastung durch weitere Gewerbebetriebe, von der beim Augenschein allerdings nichts festzustellen war, hinreichend genüge getan.
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Es ist auch nicht ersichtlich, dass die hier zutreffend festgesetzten Immissionsrichtwerte durch das Bauvorhaben beim Grundstück der Klägerin nicht eingehalten werden können. Vielmehr zeigt das vorgelegte, nach Auffassung der Kammer gut nachvollziehbare Gutachten des Ingenieurbüros …, dass beim maßgeblichen Immissionsort vor den am meisten belasteten Fenstern auf dem Grundstück der Klägerin die Immissionsrichtwerte tags und nachts eingehalten werden, wobei sie während der hier aufgrund der Betriebszeit von 6:00 bis 22:00 Uhr maßgeblichen Tagzeit sogar erheblich unterschritten werden. Was die im Gutachten errechnete Überschreitung des Spitzenpegels nachts angeht, so führt dies nicht zur Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung und einem Abwehrrecht der Klägerin. Zum einen sind nach § 12 BauNVO die von der hier zulässigen gewerblichen Nutzung ausgelösten Stellplätze und Garagen im Baugebiet zulässig, womit auch die üblicherweise von dieser Stellplatz- und Garagennutzung ausgehenden Immissionen grundsätzlich von Nachbarn hinzunehmen sind. Hinzu kommt, dass aufgrund der Formulierung der Auflage Nr. 18 der Baugenehmigung hier von einem Verkehr und damit Lärmimmissionen zur Nachtzeit nicht ausgegangen werden kann. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass hier der gesamte Parkverkehr, das besonders laute Türenschlagen, eventuelle Unterhaltungen oder sonstige Geräusche beim Ein- und Aussteigen sowie beim Anfahren durch die Unterbringung der 41 Stellplätze in der Tiefgarage von der Klägerin vollständig abgeschirmt sind, von den 7 nördlich des Gebäudes anzulegenden oberirdischen Stellplätzen kann im Hinblick auf das Grundstück der Klägerin ebenfalls keine Belästigung ausgehen. Auch die Ausfahrt aus der Tiefgarage und die Rampe werden durch das geplante Gebäude im Hinblick auf das Grundstück der Klägerin weitgehend abgeschirmt.
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Soweit sich die Klägerin gegen die Zufahrt zur Tiefgarage von der …straße hier über ihr Grundstück wendet, so erfolgt diese in Ausübung der für das Baugrundstück als herrschendem Grundstück zu Lasten des Grundstücks der Klägerin im Grundbuch eingetragenen Grunddienstbarkeit in Form eines Geh- und Fahrtrechts. Im Hinblick auf den Wortlaut der Bestellungsurkunde (URNr. … vom 31. Juli 1980) geht die Kammer davon aus, dass der nunmehr geplante Verkehr von Art und Umfang her sich im Rahmen des Geh- und Fahrtrechts bewegt. Dies ergibt sich für die Kammer zum einen aus dem aus dem Text ersichtlichen Zweck der Grunddienstbarkeit, nicht nur die Zufahrt zu dem auf dem Baugrundstück betriebenen Natursteinwerk für dauernde Zeiten und auch im Fall künftiger Eigentumsänderungen rechtlich sicherzustellen, sondern in der ausdrücklichen Festschreibung, dass das Geh- und Fahrtrecht zu allen Zwecken, insbesondere auch zu gewerblichen, sowohl von dem Eigentümer selbst als auch dessen Angehörigen, Angestellten, Mietern und Pächtern ausgeübt werden kann, wobei die Zufahrt auf der bereits bestehenden ca. 5 m breiten Fuhre an der Ostseite des Grundstücks der Klägerin zu erfolgen habe. Aus dem Inhalt der Urkunde wie aus der Historie ihrer Entstehung folgert die Kammer, dass die Bewilligung der Grunddienstbarkeit durch den damaligen Grundstückseigentümer beider Grundstücke ersichtlich dazu dienen sollte, weiterhin die ungehinderte Zufahrt von der …straße aus zum Baugrundstück und einer dort ausgeführten gewerblichen Nutzung zu sichern. Aus diesem Grund kann die Urkunde nach Auffassung der Kammer auch nicht dahingehend verstanden werden, dass ausschließlich die Zufahrt zum Natursteinbetrieb und nur in dem für diesen erforderlichen Umfang bewilligt werden sollte, da ja gerade auch andere gewerbliche Nutzungen ausdrücklich genannt wurden. Schließlich ist zu beachten, dass das Natursteinwerk, wie die vorhandenen Anlagen, insbesondere die Betriebshalle und die Krananlage zeigen, einen erheblichen Umfang hatte, der auch Lkw-Verkehr auslöste, sodass die nunmehrige Benutzung durch die Mitarbeiter der zukünftigen Büronutzung als Zufahrt zur Tiefgarage mit Pkw über das zulässige Maß keinesfalls hinausgehen dürfte. Damit ist aber zum einen die Erschließung des Baugrundstücks durch die beiden Zufahrten im Norden zu den 7 Stellplätzen und im Süden zur Tiefgarage gesichert, ohne dass dadurch unzumutbare Belästigungen oder Beeinträchtigungen bei der Klägerin ausgelöst werden und diese damit ein Abwehrrecht hätte.
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Damit war die Klage abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 161 VwGO, der Streitwert wurde gemäß § 52 Abs. 1 GKG festgesetzt. Eine Verpflichtung der Klägerin zur Erstattung von Kosten des Beigeladenen kam hier nicht in Frage, da dieser keinen eigenen Antrag gestellt und damit kein Kostenrisiko übernommen hat.