Inhalt

VGH München, Entscheidung v. 26.04.2021 – 20 CE 21.1141
Titel:

Befreiung von der Maskenpflicht an Grundschule 

Normenketten:
VwGO § 123, § 146
IfSG § 28 Abs. 1 S. 1, § 28a Abs. 1 Nr. 2, § 32 S. 1
BayIfSMV § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Hs. 2, § 18 Abs. 2
Leitsatz:
Für die Glaubhaftmachung von gesundheitlichen Gründen ist regelmäßig die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung erforderlich, die nachvollziehbare Befundtatsachen sowie eine Diagnose enthalten muss (Fortführung BayVGH BeckRS 2020, 28369).  (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Maskenpflicht (Grundschule), Befreiung aus gesundheitlichen Gründen, ärztliches Attest, Grundschule, Mund-Nasen-Bedeckung, gesundheitliche Gründe, Befreiung von der Tragepflicht, Glaubhaftmachung, Diagnose
Vorinstanz:
VG Regensburg vom 24.03.2021 – RN 5 E 21.410
Fundstelle:
BeckRS 2021, 9460

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Antragsteller von der Verpflichtung, auf dem Schulgelände eine Mund-Nasen-Bedeckung (MNB) zu tragen, befreit ist und ob der Antragsteller die Befreiung durch ärztliches Attest alle drei Monate glaubhaft zu machen hat.
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Der siebenjährige Antragsteller besucht die 1. Klasse einer Grundschule im Landkreis Landshut. Bereits mit Attesten vom 1./22. Oktober und 19. November 2020 wurde ihm seitens des Facharztes für Allgemeinmedizin und Psychotherapeutische Medizin Dr. M. eine Befreiung von der Maskenpflicht aus gesundheitlichen Gründen attestiert.
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Das Attest vom 19. November 2020 enthielt dabei am Ende folgenden Hinweis:
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„PS:
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Zur Vollständigkeit sei hier folgende Stellungnahme des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) zitiert:
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„Kinder ab sechs Jahren können dem BVKJ zufolge optional eine Maske tragen, aber sie sollten sie jederzeit abnehmen können, wenn sie dies möchten.“ (ärzteblatt.de. „Keine Gefahr für Kinder durch Mund-Nasen-Schutz“ vom Donnerstag, 12. November 2020)
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Bei auftretenden Schäden für ein Kind trägt im Übrigen die Schule bzw. der betroffene Lehrer die volle Verantwortung. Die Staatsregierung hat die Verantwortung bei Nichtbeachtung von Befreiungsgründen angelehnt.“
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Das Attest vom 19. November 2020 wurde von der Schulleitung akzeptiert, sodass der Antragsteller am Schulunterricht ohne Maske teilnehmen konnte. Nach Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts forderte die Schulleitung den Antragsteller mit Schreiben vom 23. Februar 2021 zur Vorlage eines neuen Attestes auf, da die letzte ärztliche Bescheinigung vom November mittlerweile seine Gültigkeit verloren habe.
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Das Verwaltungsgericht Regensburg hat auf den Antrag des Antragstellers nach § 123 VwGO mit Beschluss vom 24. März 2021 vorläufig festgestellt, dass der Antragsteller zur Glaubhaftmachung der Befreiung aus gesundheitlichen Gründen gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der 12. BaylfSMV von der gemäß § 18 Abs. 2 Satz 1 der 12. BaylfSMV grundsätzlich geltenden Maskenpflicht auf dem Schulgelände einen Arzt seiner Wahl konsultieren darf. Im Übrigen lehnte es die Anträge ab, vorläufig festzustellen, dass der Antragsteller von der geltenden Maskenpflicht auf dem Schulgelände aus gesundheitlichen Gründen befreit ist (1.), sowie vorläufig festzustellen, dass der Antragsteller nicht verpflichtet ist, alle drei Monate ein ärztliches Attest zur Glaubhaftmachung des Befreiungstatbestandes einzureichen (2.). Vorliegend könne dahinstehen, ob die vorgelegte Kopie eines Attests vom 19. November 2020 den Anforderungen des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 2 12. BayIfSMV noch genüge. Gerade im Hinblick auf die unspezifische Feststellung mehrerer Allergien mit Hautauschlägen im Gesicht und einer Allergie im Bereich der Atemwege sei jedenfalls nicht erkennbar, welche konkreten Allergien vorliegen sollten, die eine Nachvollziehbarkeit des Krankheitsbildes für eine Schulleitung oder ein erkennendes Gericht ermöglichen würde, um diese in die Lage zu versetzen, das Vorliegen des Befreiungstatbestandes beurteilen zu können. Dass dem Attest eine Untersuchung vorausgegangen sei, lasse sich diesem nicht entnehmen. Erhebliche Zweifel ergäben sich auch hinsichtlich der Kausalität zwischen Erkrankung und der Unzumutbarkeit des Tragens einer Maske. Während dies hinsichtlich einer Neurodermitis, sofern diese überhaupt im Gesichtsbereich der zu tragenden MNB (aktuell) vorhanden wäre - was der attestierende Arzt in dieser Form nicht explizit bescheinige -, grundsätzlich denkbar wäre, bestünden hinsichtlich der anderen Krankheitsbilder bereits insoweit Zweifel. Inwieweit die „verschiedenen Allergien“, ohne diese genauer zu bezeichnen, allesamt zu Hautausschlägen im Gesicht führen sollten, läge es nahe, die genauen Allergien und ihre symptomatischen Folgen ausführlicher zu erörtern, um Entscheidungsträgern eine nachvollziehbare Entscheidungsgrundlage zu ermöglichen. Als begehrender Antragsteller obliege diesem dem Grunde nach, trotz weiterhin bestehender Amtsermittlungspflicht, die Glaubhaftmachung im Rahmen seiner Darlegungslast. Unabhängig von den substantiellen Zweifeln am Vorliegen der formellen Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der 12. BaylfSMV hinsichtlich des ärztlichen Attestes, sei schon deswegen von keiner ausreichenden Glaubhaftmachung auszugehen, da der Antragsteller nicht willens oder in der Lage sei, ein aktuelles ärztliches Attest vorzulegen. Es bestünden keine durchgreifenden Bedenken, regelhaft nach drei Monaten ein neues ärztliches Attest einzufordern. Es handele sich im Fall des Antragstellers auch nicht um Krankheitsbilder, bei denen es nicht erforderlich wäre, in regelmäßigen Abständen das Vorliegen des Befreiungstatbestandes zu überprüfen. Hinsichtlich mehrerer Allergien sowie der attestierten Angstzustände handele es sich nach dem bereits Ausgeführten um derart unspezifische Krankheitsbilder mit nicht hinreichend dargestellter Kausalität zwischen Symptomatik und Unzumutbarkeit der Maskentragung, dass allein dieser Umstand schon eine regelmäßige Überprüfung nahelege, sofern man überhaupt zum Zeitpunkt der Erstellung des Attestes die Voraussetzungen der Befreiung annähme. Bei der diagnostizierten Neurodermitis handele es sich um ein Krankheitsbild, welches regelmäßig von einem lebenslangen Wandel der Krankheit mit häufiger Milderungstendenz und von schubartigen Ausbrüchen gekennzeichnet sei, welches sich gerade vom Säuglingszum Kindesalter hin häufig vom Gesichtsbereich zu den Extremitäten, Gelenken und Augenlidern hin entwickele. Dem Attest seien nähere Ausführungen hinsichtlich des Vorliegens einer atypischen Neurodermitis oder auch sonstiger konkreterer Leiden des Antragstellers nicht zu entnehmen. Mithin könne nicht davon ausgegangen werden, dass jegliche längerfristige Erkrankung zur fehlenden Erforderlichkeit der Vorlage regelmäßiger Atteste führen würde. Bereits die Notwendigkeit der Glaubhaftmachung insbesondere mittels ärztlichen Attestes, welche im Befreiungstatbestand des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der 12. BaylfSMV angelegt sei, beinhalte, dass dieses Attest aktuell zu sein habe. Eine ausdrückliche Kodifizierung im Gesetz oder in der Verordnung, wie sie der Bevollmächtigte des Antragstellers fordere, bedürfe es bei juristischen Selbstverständlichkeiten nicht. Das Erfordernis einer aktuellen und sich ggf. wiederholenden Bescheinigung medizinischer Sachverhalte sei in zahlreichen Rechtsgebieten verankert und bedürfe daher keiner näheren Erläuterung. Die zur Entscheidung berufene Kammer folge insoweit der Rechtsansicht des OVG Münster (B.v. 24.9.2020 - 13 B 1368/20 - COVuR 2020, 715 Rn. 8). Das Gericht habe im Übrigen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die in § 18 Abs. 2 Satz 1 der 12. BaylfSMV angeordnete Maskenpflicht an Schulen.
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Mit seiner Beschwerde beantragt der Antragsteller die Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses und die Stattgabe seiner Anträge 1 und 2 vom 4. März 2021, soweit das Verwaltungsgericht diese abgelehnt hat. Auf die Schriftsätze vom 3./23. März 2021 wurde Bezug genommen. Das Verwaltungsgericht habe nicht gewürdigt, dass der Antragsgegner selbst im November 2020 bestätigt habe, dass das vorgelegte Originalattest den Anforderungen des Antragsgegners genüge. Soweit das Gericht meine, dass mögliche konkrete Allergien oder Atemwegserkrankungen näher beschrieben sein müssten, sei dies angesichts der Einlassungen des Antragsgegners, das Attest habe die Anforderungen erfüllt, obsolet. Die Vorlage des Originalattestes sei nicht möglich gewesen, da dieses zum Nachweis der Maskenbefreiung dauerhaft benötigt werde. Auch nach der Rechtsprechung des Senats seien die Bezeichnungen der entsprechenden Krankheiten, gegebenenfalls die ICD-Werte, ausreichend. Der Antragsteller sei nach München gefahren und habe ein neues Attest des Dr. M. vom 23. März 2021 besorgt, das folgenden Wortlaut hat:
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„… [Der Antragsteller] leidet dauerhaft an Neurodermitis (Diagnose L20.8 nach lCD-10) und verschiedenen Allergien mit Hautausschlägen im Gesicht sowie einer Allergie im Bereich der Atemwege (J30.3 nach ICD-10). Beim Tragen der Maske treten diese verstärkt auf. Außerdem kommt es dabei zu Angstzuständen (F41.1 nach ICD-10). Daher ist er aus gesundheitlichen Gründen von der Maskenpflicht in der Schule zu befreien.“
12
Es gebe keine Rechtsgrundlage dafür, mindestens alle drei Monate ein neues Attest vorzulegen. Zumal der Antragsgegner sein Einverständnis mit dem zuvor vorgelegten Attest erklärt habe. Sofern sich das Gericht auf den Rahmenhygieneplan berufe, bestehe eine Pflicht zur Ermessensausübung. Woher das Gericht sein Fachverständnis nehme, dass es sich bei mehreren Allergien, Angstzuständen und Atemwegserkrankungen um nicht spezifizierte Krankheitsbilder handele, könne nicht nachvollzogen werden. Allergien, Atemwegserkrankungen oder psychische Angstzustände seien nicht innerhalb von einigen Monaten verschwunden. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, bei einer Neurodermitis könne ein lebenslanger Wandel der Krankheit vorliegen, impliziere, dass auch die entsprechende Stärke anhalte bzw. durch das Maskentragen eine Verschlechterung auch milderer Tendenzen vorliegen könne. Da das Attest gegenüber vielen Personen ohne Schweigepflicht verwandt werde, sei es nicht notwendig, die gesamte Krankheitsgeschichte im Rahmen einer ausführlichen Anamnese oder Diagnose innerhalb des Attestes darzustellen. Gegenteiliges greife in die Grundrechte des Antragstellers und den Datenschutz ein. Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Bedenken der Maskenpflicht werde auf die bisherigen Ausführungen und insbesondere auf einen Vortrag des Chefarztes des Klinikums Neubrandenburg verwiesen.
13
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten des Antragsgegners und die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
II.
14
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
A.
15
Das Beschwerdevorbringen, auf das sich die Prüfung des Senats beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigt keine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Ablehnung des Eilantrags erweist sich im Ergebnis (vgl. BayVGH, B.v. 21.5.2003 - 1 CS 03.60 - juris Rn. 16; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 146 Rn. 29 ff.) als richtig. Zur Begründung wird auf den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts Bezug genommen. Ergänzend wird Folgendes ausgeführt:
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1. Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihm das Tragen einer MNB aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich oder unzumutbar ist (vgl. § 18 Abs. 2 und § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 12. BayIfSMV).
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a) Der Senat geht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren davon aus, dass die Maskenpflicht nach § 18 Abs. 2 12. BayIfSMV mit § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1 Nr. 2 IfSG (Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung) eine verfassungsgemäße Rechtsgrundlage hat (BayVGH, B.v. 8.12.2020 - 20 NE 20.2461 - juris Rn. 24 ff.). Auch die übrigen verfassungsrechtlichen Bedenken des Antragstellers teilt der Senat nicht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Beschlüsse des Senats vom 16. März 2021 (Az. 20 NE 21.627 - BeckRS 2021, 4746), 2. März 2021 (Az. 20 NE 21.469 - BeckRS 2021, 3794), 15. Februar 2021 (Az. 20 NE 21.411 - juris), 29. Januar 2021 (Az. 20 NE 21.201 - BeckRS 2021, 791), 28. Januar 2021 (Az. 20 NE 21.136 - BeckRS 2021, 970), 7. September 2020 (Az. 20 NE 20.1981 - BeckRS 2020, 21962), 8. Dezember 2020 (Az. 20 CE 20.2875 - BeckRS 2020, 34824) und 3. Dezember 2020 (Az. 20 CE 20.2809 - BeckRS 2020, 34848) verwiesen.
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b) Die von dem Antragsteller vorgelegten ärztlichen Atteste und eidesstattliche Versicherungen sind - wie das Erstgericht zutreffend erkannt hat - nicht geeignet, das Vorliegen eines Befreiungsgrundes von der Pflicht zum Tragen einer MNB nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 12. BayIfSMV glaubhaft zu machen.
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aa) Von der Pflicht zum Tragen einer MNB befreit sind u.a. Personen, die glaubhaft machen können, dass ihnen das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich oder unzumutbar ist; die Glaubhaftmachung erfolgt bei gesundheitlichen Gründen insbesondere durch eine ärztliche Bescheinigung, die die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie den Grund, warum sich hieraus eine Befreiung der Tragepflicht ergibt, enthält (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 12. BayIfSMV). Der Senat hat bereits zur 7. BayIfSMV erkannt, dass für die Glaubhaftmachung bei gesundheitlichen Gründen regelmäßig die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung erforderlich ist, die nachvollziehbare Befundtatsachen sowie eine Diagnose enthalten müsse (BayVGH, B.v. 26.10.2020 - 20 CE 20.2185 - juris Rn. 18 f.). Der Verordnungsgeber hat sich bei der Konkretisierung der Anforderungen der Glaubhaftmachung in § 2 Nr. 2 Halbsatz 2 9. BayIfSMV an dieser Entscheidung orientiert (vgl. Begründung der 9. BayIfSMV vom 30.11.2020, BayMBl. 2020 Nr. 684, S. 6). Hintergrund der Rechtsprechung des Senats ist, dass die rechtliche Situation bei einer Befreiung von der Verpflichtung, eine MNB zu tragen, nicht vergleichbar mit der Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gegenüber einem Arbeitgeber ist. Mithilfe der ärztlichen Bescheinigungen soll eine überwiegende Wahrscheinlichkeit belegt werden, dass Personen aus gesundheitlichen Gründen von der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zum Tragen einer MNB befreit sind. In derartigen Konstellationen muss die Verwaltung bzw. das Gericht, wie auch in anderen Rechtsgebieten, aufgrund konkreter und nachvollziehbarer Angaben in den ärztlichen Bescheinigungen in die Lage versetzt werden, das Vorliegen der jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen selbständig zu prüfen (BayVGH, B.v. 26.10.2020 - 20 CE 20.2185 - juris Rn. 19; vgl. auch OVG NW, B.v. 24.9.2020 - 13 B 1368/20 - juris Rn. 12). Anders als etwa bei einem Attest zur Befreiung vom Schulbesuch wegen Krankheit sind hier auch Grundrechtspositionen insbesondere anderer Schülerinnen und Schüler sowie des Schulpersonals - das Recht auf Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) - betroffen, für die die Schule eine herausgehobene Verantwortung trägt. Die Maskenpflicht dient dazu, Andere vor einer Ansteckung mit dem neuartigen Coronavirus zu schützen und die Ausbreitungsgeschwindigkeit von COVID-19 in der Bevölkerung zu reduzieren.
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bb) Die hier vorgelegten ärztlichen Atteste (insbesondere v. 19.11.2020 und 23.3.2021) erfüllen die dargestellten Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 12. BayIfSMV nicht (vgl. BA S. 8 ff.).
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(1) Die in der ärztlichen Bescheinigung des Dr. M. vom 23. März 2021 aufgeführten Diagnosen „Neurodermitis (Diagnose L20.8 nach lCD-10)“, „verschiedenen Allergien mit Hautausschlägen im Gesicht sowie einer Allergie im Bereich der Atemwege (J30.3 nach ICD-10)“ und „Angstzustände (F41.1 nach ICD-10)“ sind weder für sich genommen noch in der Zusammenschau geeignet, ohne weitere fachkundige Erläuterung eine nachvollziehbare Erklärung dafür zu liefern, dass dem Antragsteller das Tragen einer einfachen Mund-Nasen-Bedeckung nicht möglich oder nicht zumutbar wäre.
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Das Verwaltungsgericht hat insoweit unter anderem zutreffend festgestellt, dass der attestierende Arzt bereits nicht explizit bescheinigt habe, dass eine Neurodermitis überhaupt im Gesichtsbereich der zu tragenden MNB auftrete (BA S. 8). Inwiefern das Auftreten von Allergien mit Hautausschlägen im Gesicht sowie eine Allergie im Bereich der Atemwege beim Antragsteller - die ICD-10-Klassifikation J 30.3 erfasst eine sonstige allergische Rhinopathie, inklusive einer ganzjährigen bestehenden allergischen Rhinopathie - durch das bloße Tragen einer Schutzmaske unabhängig von dem verwendeten Material eintreten könnte, erschließt sich nicht. Das Attest führt zur Glaubhaftmachung von gesundheitlichen Gründen, insbesondere auch hinsichtlich der behaupteten „Angstzustände (F41.1 nach ICD-10)“ im Wesentlichen ausschließlich verschiedene Klassifizierungsnummern der ICD 10 an. Damit werden letztlich nur die Klassifizierungen von Symptomen benannt; eine tragfähige medizinische Diagnose, eine Bewertung des Gesundheitszustands des Antragstellers oder eine Grunderkrankung ergibt sich daraus nicht (vgl. BayVGH, B.v. 8.12.2020 - 20 CE 20.2875). Angesichts der Unschärfe des Krankheitsbildes bei psychischen Erkrankungen genügen die hier vorliegenden Schlagworte nicht den Anforderungen des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 12. BayIfSMV.
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In dem Attest fehlen zudem insbesondere Angaben, auf welcher Grundlage der Arzt zu seiner Einschätzung gelangt ist (vgl. OVG NW, B.v. 2.3.2021 - 13 B 1995/20 - juris Rn. 8; B.v. 24.9.2020 - 13 B 1368/20 - juris Rn. 11). Dass dem Attest eine Untersuchung vorausgegangen ist, lässt sich ihm nicht entnehmen. Zweifel an einer persönlichen Vorstellung werden durch die Angabe des Antragstellers (Beschwerdebegründung v. 20.4.2021, S. 3) verstärkt, wonach von einer Fahrt zu dem Arzt nach München die Rede ist, während sich die Niederlassung der Praxis knapp 70 km entfernt von München in S. befindet und das Attest diesen Ort auch als Ausstellungsort benennt. Zudem fehlen in der ärztlichen Bescheinigung Angaben darüber, ob die von dem Antragsteller geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden.
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Da das genaue Krankheitsbild somit letztlich im Unklaren bleibt, ist nicht nachvollziehbar, aufgrund welcher konkreten gesundheitlichen Gefahren das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung für den Antragsteller unmöglich oder unzumutbar sein könnte. Die lapidare Feststellung des Arztes, der Antragsteller sei von dem Tragen einer Maske „zu befreien“, kann die substantiierte Darlegung eines medizinischen Wirkungszusammenhangs nicht ersetzen.
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(2) Daraus, dass das Attest vom 19. November 2020 von der Schulleitung mit Schreiben vom 24. November 2020 akzeptiert wurde, kann sich der Antragsteller schon aufgrund der zwischenzeitlich geänderten Rechtslage nicht mit Erfolg berufen. Denn erst mit der 9. BayIfSMV vom 30. November 2020 (BayMBl. 2020 Nr. 683) hat der Verordnungsgeber die Anforderungen der Glaubhaftmachung in § 2 Nr. 2 Halbsatz 2 9. BayIfSMV konkretisiert (vgl. Begründung der 9. BayIfSMV vom 30.11.2020, BayMBl. 2020 Nr. 684, S. 6).
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(3) Der Senat teilt auch nicht die Auffassung des Antragstellers, es sei unangemessen, an das vorzulegende ärztliche Attest gewisse Mindestanforderungen zu stellen, weil nicht absehbar sei, wie viele und welche Personen Zugriff darauf hätten und gesetzlich nicht sichergestellt sei, dass das Attest nur im Rahmen der Prüfung des Antrags auf Befreiung von der Maskenpflicht verarbeitet werde. Schulen und Schulaufsichtsbehörden dürfen personenbezogene Daten der Schülerinnen und Schüler bereits nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 85 Abs. 1 Satz 1 BayEUG nur verarbeiten, soweit dies zur Erfüllung der ihnen durch Rechtsvorschrift übertragenen Aufgaben erforderlich ist. Überdies entspricht es allgemeinen datenschutzrechtlichen Grundsätzen, dass personenbezogene Daten vor unbefugter oder unrechtmäßiger Verarbeitung zu schützen sind, vgl. Art. 5 Abs. 1 Buchst. f DSGVO (vgl. OVG NW, B.v. 2.3.2021 - 13 B 1995/20 - juris Rn. 14).
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2. Der Antrag nach § 123 VwGO, vorläufig festzustellen, dass der Antragsteller nicht verpflichtet ist, alle drei Monate ein ärztliches Attest zur Glaubhaftmachung des Befreiungstatbestandes einzureichen, ist mangels erforderlichen Rechtsschutzbedürfnisses bereits unzulässig. Ein Antrag gemäß § 123 VwGO, mit dem vorläufiger, vorbeugender Rechtsschutz begehrt wird, ist nur dann zulässig, wenn der Antragsteller dafür ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis geltend macht. Regelmäßig fehlt dieses besondere Rechtschutzbedürfnis, weil es dem Antragsteller zuzumuten ist, die behördliche Maßnahme abzuwarten (BayVGH, B.v. 31.5.2005 - 11 CE 05.921, 11 C 05.923 - juris Rn. 16; Kuhlain BeckOK VwGO, Posser/Wolff 56. Edition Stand: 01.07.2020, § 123 Rn. 45 m.w.N.). So verhält es sich hier. Denn die Schulleitung hat in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zur Beurteilung des Befreiungstatbestandes des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 12. BayIfSMV (lediglich) die Vorlage eines aktuellen Attestes (nach geänderter Rechtslage) gefordert; auch wenn in dem Schreiben vom 23. Februar 2021 die Aufforderung enthalten war, das neue Attest „auf drei Monate zu befristen“ war damit keine vorgreifende Verpflichtung für den Antragsteller dahingehen verbunden, in Zukunft alle drei Monate ein neues ärztliches Attest (ungeachtet des Inhalts bis dahin vorgelegter ärztlicher Bescheinigungen und der pandemischen Entwicklung) vorzulegen. Dies entspricht auch Ziffer 6.1 Buchst. f) des Rahmenhygieneplans zur Umsetzung des Schutz- und Hygienekonzepts für Schulen nach der jeweils geltenden Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (GemBek. v. 19.3.2021; BayMBl. 2021 Nr. 209), wonach nur „sofern erforderlich“ in der Regel nach drei Monaten eine erneute ärztliche Bescheinigung zur Glaubhaftmachung für die Befreiung vom Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung verlangt werden kann. Mit Vorlage des ärztlichen Attestes vom 23. März 2021 kam der Antragsteller der Aufforderung des Antragsgegners nach Vorlage eines aktuellen - wenn auch zur Glaubhaftmachung der gesundheitlichen Gründe im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 12. BayIfSMV) nicht ausreichenden - Attestes im Übrigen nach. 28
B.
28
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1, 2 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG. Die Werte der Streitgegenstände der beiden Anträge werden nicht zusammengerechnet (vgl. § 39 Abs. 1 GKG), da ihnen kein selbstständiger materieller Gehalt zukommt. Da das Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz die Hauptsacheentscheidung vorwegnimmt, ist eine Reduzierung des Streitwerts nicht angezeigt (vgl. Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013).
C.
29
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).