Inhalt

VG Würzburg, Urteil v. 21.04.2021 – W 2 K 20.942
Titel:

zur Festsetzung eines vorläufigen Verbesserungsbeitrags für die Wasserversorgungseinrichtung 

Normenketten:
BayKAG Art. 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 4, Abs. 5
BayGO Art. 21 Abs. 2
Leitsätze:
1. Ein Verbesserungsbeitrag kann nur entstehen, wenn zuvor für die betreffende Einrichtung Herstellungsbeiträge entstanden sind, was gültiges Herstellungsbeitragsrecht voraussetzt. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine rein technische Trennung einer Wasserversorgungseinrichtung in zwei Zonen beinhaltet nicht gleichzeitig die rechtliche Trennung der Einrichtungseinheit. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vorauszahlung auf Verbesserungsbeitrag, Verbesserungsmaßnahme, Wasserversorgung, Einrichtungseinheit, Wasserversorgungseinrichtung, Verbesserungsbeitrag, Herstellungsbeitrag
Fundstelle:
BeckRS 2021, 9366

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. 
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet. 

Tatbestand

I.
1
Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung eines vorläufigen Verbesserungsbeitrags für die Wasserversorgungseinrichtung des Beklagten.
2
Der Kläger ist Eigentümer des Flurstücks Nr. …, Gemarkung R., …Straße … …, das an die als öffentliche Einrichtung betriebene Wasserversorgungseinrichtung der Beklagten angeschlossen ist. Das Grundstück wird über Fernwasser versorgt.
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Mit Bescheid vom 12. November 2019 setzte die Beklagte unter Bezugnahme auf die damalige Beitragssatzung für die Verbesserung und Erneuerung der Wasserversorgungseinrichtung des Marktes R. (VES-WAS 2019) vom 5. September 2019 eine „Vorauszahlung auf den vorläufigen Beitrag für die Verbesserung und Erneuerung der Wasserversorgungseinrichtung“ der Beklagten einen Betrag“ in Höhe von 669,12 EUR fest. Auf den Inhalt dieser Satzung wird Bezug genommen.
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Der Kläger erhob mit Schreiben vom 20. November 2019 gegen den Bescheid vom 12. November 2019 Widerspruch, über den noch nicht entscheiden ist.
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Die Beklagte erließ nach Beratung mit den Rechtsaufsichtsbehörden eine neue Beitragssatzung für die Verbesserung und Erneuerung der Wasserversorgungseinrichtung des Marktes R. (VES-WAS 2020) vom 25. Juni 2020.
II.
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Mit Schriftsatz vom 21. Juli 2020, bei Gericht am gleichen Tag eingegangen, ließ der Kläger Untätigkeitsklage erheben und diese im Wesentlichen wie folgt begründen:
7
Der angegriffene Bescheid sei rechtswidrig. Die geplanten Verbesserungsmaßnahmen lägen alle im Ortsteil G., so dass der Kläger dadurch keinen Vorteil erhalte. Durch die beabsichtigten Modernisierungsmaßnahmen könne dem Kläger kein besonderer Vorteil zukommen, was aber für die Entstehung einer sachlichen Beitragspflicht erforderlich sei.
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Nach § 1 VES-WAS solle nach einem Grundsatzbeschluss des Marktgemeinderats die Wasserversorgung des Ortsteils G. eigenständig bleiben. Insofern bildeten G. und der Wohnort des Klägers in … keine Einrichtungseinheit. Außerdem sei das Grundstück des Klägers wegen seiner erhöhten Lage an die Fernwasserversorgung angeschlossen und es bestehe keine Möglichkeit, die gemeindliche Wasserversorgung in Anspruch zu nehmen oder Vorteile aus den geplanten Verbesserungsmaßnahmen zu erlangen.
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Der Kläger lässt beantragen,
Der Bescheid des Marktes R. vom 6. November 2019, geändert durch Bescheid vom 12. November 2019 (FAD-Nr. 2264) wird aufgehoben.
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Die Beklagte lässt beantragen,
die Klage abzuweisen.
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Es wird im Wesentlichen vorgetragen: Der angegriffene Bescheid sei rechtmäßig. Es handele sich bei der abgerechneten Maßnahme um eine beitragsfähige Verbesserung der Gesamtanlage. Die Beklagte betreibe die Wasserversorgungseinrichtung als eine Einrichtungseinheit im Sinne Art. 21 Abs. 2 Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (GO), so dass ein Verbesserungsbeitrag auch dann erhoben werden könne, wenn sich die Verbesserungsmaßnahmen lediglich in einem Ortsteil auswirke. Zwar bestünden für das Gemeindegebiet der Beklagten hinsichtlich der Wasserversorgung zwei getrennte Zonen, nämlich für den Ortsteil G. eine Eigenwasserversorgung während in den anderen Ortsteilen die Wasserversorgung durch den Zweckverband Fernwasser Mittelmain sichergestellt werde, weshalb es auch keine leitungsmäßige Verbindung zwischen beiden Zonen gebe, was aber nichts an der rechtlichen Einrichtungseinheit ändern könne.
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Für die weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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1. Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entschieden werden, da beide Beteiligten mit Schreiben vom 28. Januar 2021 und vom 4. Februar 2021 ihr Einverständnis zu dieser Entscheidungsform erklärten (§ 101 Abs. 2 VwGO).
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2. Die Klage gegen die Festsetzung des vorläufigen Verbesserungsbeitrags ist in Form einer Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO zulässig, jedoch unbegründet.
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Der mit Beitragsbescheid vom 6. November 2019 in der Form des Änderungsbescheids vom 12. November 2019 erhobene vorläufige Verbesserungsbeitrag ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
16
Gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) i.d.F. d. Bek. vom 4. April 1993 (GVBl S. 264, BayRS 2024-1-I), zuletzt geändert durch Gesetz vom 9. Juni 2020 (GVBl S. 286), können Gemeinden für die Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtung einen besonderen Vorteil bildet.
17
2.1 Auf dieser Rechtsgrundlage hat die Beklagte die Beitragssatzung für die Verbesserung und Erneuerung der Wasserversorgungseinrichtung des Marktes R. vom 25. Juni 2020 erlassen. An dem ordnungsgemäßen Zustandekommen dieser Satzung gem. Art. 26 Abs. 2 GO bestehen keine rechtlichen Bedenken.
18
Diese Satzung kann auch rückwirkend den Bescheiden vom 6. bzw. 12. November 2019 als Rechtsgrundlage dienen, da im Beitragsrecht ein Austausch einer nichtigen Satzung durch eine wirksame mangels anzuerkennenden Vertrauensschutzes auch rückwirkend möglich ist (vgl. BayVGH, U.v. 1.2.2018 - 20 BV 15.1025 - juris).
19
Das Beitragsrecht beruht auf dem Prinzip der Einmaligkeit der Erhebung (vgl. statt vieler: BayVGH, U.v. 11.3.2010 - 20 B 09.1890 - BeckRS 2010, 55166). An bereits abgeschlossene Tatbestände dürfen nicht durch Rechtsvorschrift rückwirkend ungünstigere Folgen geknüpft werden als die vorausgegangenen Bestimmungen vorsehen (vgl. BayVerfGH vom 6.11.1991 - Vf.9-VII-90 - BayVBl 1992, 80). Ein Verbesserungsbeitrag bezieht sich deshalb nicht auf den abgeschlossenen Tatbestand der erstmaligen Herstellung und Anschaffung, für den ein Herstellungsbeitrag entrichtet wurde, sondern auf neue Investitionen zur Verbesserung einer Anlage, wodurch mit Wirkung für die Zukunft auf der Grundlage eines neuen Sachverhalts ein neuer Beitragstatbestand geschaffen wurde (BayVerfGH a.a.O.). Die Entstehung des Verbesserungsbeitrags ist deshalb nur möglich, wenn zuvor für die betreffende Einrichtung Herstellungsbeiträge entstanden sind. Dies erfordert insbesondere das Vorliegen von gültigem Herstellungsbeitragsrecht (BayVGH, B.v. 11.5.2005 - 23 ZB 04.3348 - BeckRS 2005, 39605; U.v. 16.3.2005 - 23 BV 04.2295 - GK 2005, Rn. 188). Dies gilt auch für die Erhebung einer Vorauszahlung auf einen Verbesserungsbeitrag (BayVGH, B.v. 11.5.2005 - 23 ZB 04.3348 - BeckRS 2005, 39605).
20
Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verbesserungsbeitragssatzung am 25. Juni 2020 lag mit der Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabensatzung des Marktes R. (BGS-WAS) vom 5. September 2019 Herstellungsbeitragsrecht vor, an dessen Wirksamkeit kein Anlass zu Zweifel besteht. Gleiches trifft auf die Satzung für die öffentliche Wasserversorgungseinrichtung des Marktes R. (Wasserabgabensatzung - WAS) vom 5. September 2019 zu. Da die Verbesserungsmaßnahmen, die der erhobenen Vorauszahlung zugrundeliegen, zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch nicht abgeschlossen sind, kann derzeit offenbleiben, ob die aktuell gültige Herstellungsbeitragssatzung bereits neu kalkulierte Beitragssätze beinhaltet (vgl. dazu: Bay. VGH, B.v.9.12.2003 - 23 CS 03.2903 - GK 2004, Rn. 118).
21
In § 6 VES-WAS 2020 hat der Beklagte zulässigerweise von der Möglichkeit des Art. 5 Abs. 4 KAG Gebrauch gemacht, zunächst einen vorläufigen Verbesserungsbeitrag zu erheben, und in § 3 Abs. 2 VES-WAS 2020 die gemäß Art. 5 Abs. 5 KAG vorgesehene Möglichkeit zur Erhebung von Vorauszahlungen bis zu 100 Prozent genutzt.
22
Jenseits der Frage, ob die dem erhobenen Verbesserungsbeitrag zugrundeliegenden Baumaßnahmen verbesserungsbeitragsfähig sind, sind Anhaltspunkte für die Nichtigkeit der Verbesserungsbeitragssatzung und der darin enthaltenen Regelungen zur Erhebung von Vorauszahlungen auf den Verbesserungsbeitrag weder vorgetragen noch ersichtlich.
23
2.2 Der Kläger führt in der Klagebegründung ausschließlich an, dass die Maßnahmen, die in § 1 VES-WAS 2020 Verbesserungsbeitrage erhoben werden sollen, nur die Wasserversorgung des Ortsteils G. beträfen und er dadurch keinen Vorteil erhalte. Dieser Einwand dringt rechtlich nicht durch.
24
Der Beklagte betreibt seine Wasserversorgungsanlage als öffentliche Einrichtung im Sinne einer Einrichtungseinheit gem. Art. 21 Abs. 2 GO und hat die in Art. 21. Abs. 2 Satz 2 GO grundsätzlich vorgesehen Einrichtungseinheit der Wasserversorgung nicht getrennt. Vielmehr hat er in § 1 Abs. 1 WAS festgelegt, dass die Wasserversorgung als öffentliche Einrichtung die Gemeindeteile G., M. und R. umfasst. Eine andere Regelung hätte der Beklagte nur per Satzung (vgl. Art. 21. Abs. 2 Satz 2 GO) erlassen können, was nicht ersichtlich ist. Insbesondere stellt nicht der Satz in § 1 Nr. 1 VES-WAS 2020 „Grundsätzlich soll die Wasserversorgung im Gemeindeteil G. eigenständig bleiben. Grundsatzbeschluss.“ eine solche Satzungsregelung dar. Dieser Satz zielt erkennbar auf eine rein technische Trennung der Wasserversorgungseinrichtung der Beklagten in zwei Zonen ab, wonach für die Zone G. weiterhin eine eigenständige Wasserversorgung betrieben werden soll. Dies hat der Beklagte in der Klageerwiderung bekräftigt. Eine rechtliche Trennung der Einrichtungseinheit wurde damit nicht geregelt und war ersichtlich auch nicht gewollt.
25
Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Beklagte bei der Entscheidung, die Wasserversorgung weiterhin als Einrichtungseinheit für alle Gemeindeteile zu betreiben, sich von Willkür leiten ließ, eventuellen Rechtsirrtümern unterlegen ist oder von sachfremden Erwägungen ausgegangen ist (vgl. Thimet, Kommunalabgaben- und Ortsrecht in Bayern, Stand Dez. 2020, Abschnitt IV, Art. 5, Frage 2, Pk. 1.2).
26
Aus diesen Gründen kann der Kläger nicht aus der Solidargemeinschaft aller durch die Wasserversorgungseinrichtung des Beklagten versorgten Anschlussnehmer entlassen werden. Die Klage ist als unbegründet abzuweisen.
27
3. Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge aus § 154 VwGO abzuweisen.
28
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.