Titel:
Unzulässige Klage um strittige Verbeitragung von Versorgungsbezügen
Normenkette:
SGB V § 229, § 240, § 248
Leitsätze:
1. Eine Klageabweisung als unzulässig trägt den drei Funktionen des Widerspruchsverfahrens - Selbstkontrolle der Verwaltung, erweiterte Rechtsschutzmöglichkeit durch Überprüfung von Recht- und Zweckmäßigkeit eines Verwaltungsakte und Entlastung der Gerichte - Rechnung. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bestimmt eine Firmenrente mit über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, ist diese Firmenrente auch bei der Beitragsbemessung für die freiwillige Versicherung zu berücksichtigen. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
3. Renten der betrieblichen Altersvorsorge gelten als Versorgungsbezug. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Verbeitragung nach § 229 Abs. 1 Nr. 5 SGB V ist verfassungskonform auszulegen. Für eine Privilegierung bedarf es der alleinigen Beitragszahlung durch den Versicherten sowie die alleinige Versicherungsnehmereigenschaft. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
unzulässige Klage, Versorgungsbezüge, Verbeitragung, Rente, betriebliche Altersvorsorge, Privilegierung, Beitragszahlung
Fundstelle:
BeckRS 2021, 9308
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten
Tatbestand
1
Streitig ist die Verbeitragung der Versorgungsbezüge des Klägers.
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Der Kläger war bei der Beklagten in der Zeit vom 01.09.2001 bis zum 30.09.2015 freiwillig, vom 01.10.2015 bis zum 31.12.2015 als Rentenantragsteller und seit dem 01.01.2016 in der Krankenversicherung der R. (KV...) kranken- und pflegeversichert. Von der A. Lebensversicherung AG (nunmehr: A.) wurde gemeldet, dass der Kläger eine Kapitalleistung der betrieblichen Altersversorgung in Höhe von 59.382,58 € (Fälligkeit am 02.01.2013) ausbezahlt bekommen habe.
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Mit Bescheid vom 02.05.2013 wurde 1/120 des ausgezahlten Betrags für die Verbeitragung in der Kranken- und Pflegeversicherung mit Wirkung ab dem 01.02.2013 berücksichtigt. Der Bescheid wurde nicht angegriffen und damit bindend (§ 77 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
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Mit Bescheid vom 20.10.2015 wurde dem Kläger eröffnet, dass er die Voraussetzungen für die KVdR erfüllen würde und mit dem 01.10.2015 pflichtversichert sei. Am 30.12.2015 informierte der Kläger die Beklagte darüber, dass er keine weiteren beitragspflichtigen Einnahmen habe.
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Seit dem 01.01.2016 entrichtete der Kläger als KvdR-Versicherter nur noch Beiträge aus der Kapitalleistung auf der Grundlage von 494,85 € monatlich (Bescheid vom 27.02.2016).
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Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 05.01.2018 wurde der Kläger wie in den Vorjahren über die seit dem 01.01.2018 zu entrichtenden Beiträge unterrichtet. Danach erfolgt eine Verbeitragung der betrieblichen Altersvorsorge in Höhe von 494,85 € anlässlich einer Senkung des Zusatzbeitrags auf 0,9 Prozentpunkte monatlich mit einem Gesamtbeitragssatz von 18,3% (15,5% Krankenversicherung und 2,8% Pflegeversicherung).
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Hiergegen erhob der Kläger am 15.01.2018 Widerspruch und machte geltend, dass die Prüfung sämtlicher Gehaltsbescheinigungen seit 1988 ergeben habe, dass die von der A. angegebene Auszahlungshöhe zum überwiegenden Teil durch private Einzahlungen durch den Kläger selbst erfolgt sei. Der Vertrag sei während seiner Beschäftigung bei der C. in C-Stadt in der Zeit von 1988 bis Januar 1993 abgeschlossen worden. Danach sei er nahtlos bis zum 30.06.1997 bei der D. (später: Bundesanstalt E.) angestellt gewesen. Hierbei seien keine Prämien seitens der Bundesanstalt in den Versicherungsvertrag bezahlt worden, vielmehr habe er diese alleine übernommen. Vom 01.03.1997 bis zum 01.09.2001 sei er dann Angestellter bei der F. GmbH gewesen. Auch in der Zeit habe er die Versicherungsprämien selbst bezahlt. Seit Ende September 2001 habe er sich mit dem Kauf der G. Hausverwaltungen GmbH (nunmehr: G.), deren alleiniger Gesellschafter er sei, selbständig gemacht. Zwar habe die G. die Prämien bezahlt, jedoch habe er diese nicht steuerlich geltend machen können.
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Aus allem folge, dass die von der A. angegebene Auszahlungshöhe falsch sei. Lediglich die durch die Beklagte einbehaltenen Beiträge, die auf einer Beitragszahlung durch die C. beruhten (insgesamt vier Prämienzahlungen), seien korrekt erhoben worden.
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Mit telefonischem Kontakt vom 27.08.2018 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie gerne bereit sei, den Bescheid vom 02.05.2013 zu überprüfen. Hierfür benötige die Beklagte jedoch die Bescheinigung der A., dass der Kläger alleiniger Versicherungsnehmer gewesen sei und alleine einbezahlt habe. Erneut telefonisch wurde am 10.09.2018 Kontakt mit dem Kläger aufgenommen und daran erinnert, dass die Beklagte die Bestätigung der A. benötigen würde, dass der Kläger bzw. ab welchem Zeitpunkt er alleiniger Versicherungsnehmer des Vertrags mit der A. gewesen war. Der Kläger entgegnete, dass er nie Versicherungsnehmer gewesen sei, worauf der Sachbearbeiter der Beklagten erwiderte, dass die betriebliche Altersvorsorge dann in vollem Umfang beitragspflichtig bliebe.
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Mit Schreiben vom 21.09.2018 wurde der Kläger sodann gebeten, einen vollständigen Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2011 sowie den Ursprungsbescheid aus dem Jahr 2011 (Ausstellungsdatum 27.03.2013) einzureichen. Der letztere Steuerbescheid wurde erneut am 27.11.2018 angemahnt.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 30.01.2020 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 05.01.2018 zurückgewiesen. Die Kapitalleistung in Höhe von 59.382,58 € sei zu verbeitragen, weil ein Bezug zum früheren Berufsleben des Klägers bestehen würde. Der frühere Arbeitgeber des Klägers, die C. GmbH, habe die Direktversicherung zugunsten des Klägers abgeschlossen. Die Bundesanstalt E. und in der Folge die weiteren Arbeitgeber des Klägers hätten den Vertrag jeweils als Versicherungsnehmer übernommen und fortgeführt. Unerheblich für die Beitragspflicht sei der Umstand, dass der Kläger die Beitragszahlungen ab dem 01.02.1993 selbst finanziert und ab dem 01.11.2002 keine steuerlichen Vorteile gehabt habe. Nach der bis zum 31.12.2019 geltenden Rechtslage sei die Beitrags-Bemessungsgrundlage von 494,85 € pro Monat zutreffend festgelegt worden. Aufgrund des GKV-Betriebsrentenfreibetragsgesetzes komme es ab dem 01.01.2020 zu Änderungen, über die der Kläger mit gesondertem Bescheid Mitteilung erhalten würde.
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Hiergegen hat der Kläger am 12.02.2020 Klage zum Sozialgericht München erhoben. Er richtet sich gegen die Verbeitragung der ausgezahlten Kapitalleistung in Höhe von 59.382,58 €. Es sei zutreffend, dass der ehemalige Arbeitgeber des Klägers, die Fa. C. GmbH in C-Stadt, eine Direktversicherung für den Kläger abgeschlossen habe. Es sei aber unrichtig, dass die nachfolgenden Arbeitgeber die Versicherung fortgeführt hätten. Ab September 2001 sei er aufgrund des Kaufs der G., deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer er sei, selbständig.
Der Bescheid vom 02.01.2013 wird aufgehoben.
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Die Beklagte beantragt,
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Alleine die Versicherungsnehmereigenschaft des Arbeitgebers sei ausschlaggebend für die Beitragspflicht. Mit der Meldepflicht der Zahlstelle gehe die Aufgabe einher, den betrieblichen und den meldepflichtigen Anteil der Gesamtablaufleistung auszuweisen. Die Zahlstelle der A. habe den Beitrag von 59.382,58 € gemeldet. Zudem sei eine Kapitalleistung auch dann Versorgungsbezug, wenn der Direktversicherungsvertrag von einer GmbH zu Gunsten des Alleingesellschafter-Geschäftsführers abgeschlossen würde (Verweis auf Entscheidung des LSG Baden-Württemberg vom 01.03.2011, L 12 KR 2421/09).
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Mit Verfügung vom 03.08.2020 bat das Gericht um Vorlage aller Vertragsunterlagen zum streitgegenständlichen Versicherungsverhältnis, auf dem die Auszahlung in Höhe von 59.382,58 € beruht sowie die Auszahlungsinformation der A. zum 02.01.2013.
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Der Kläger legte am 20.08.2020 lediglich die Gutschrift der A. aus dem Versicherungsverhältnis in Höhe von 75.503,57 € vor.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakte des hiesigen Verfahrens Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid ist möglich, da die Sache keinerlei Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden angehört.
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1. Die Klage ist bereits unzulässig.
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Nach § 123 SGG entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Die Bindung des Gerichts bezieht sich auf den erhobenen Anspruch, d.h. auf das Klagebegehren. Streitgegenstand ist der prozessuale Anspruch, d.h. das vom Kläger aufgrund eines bestimmten Sachverhalts an das Gericht gerichtete Begehren der im Klageantrag bezeichneten Entscheidung. Das Gericht muss von Amts wegen (§ 106 Abs. 1 SGG: Aufklärungspflicht des Vorsitzenden) klären, welche Anträge gestellt werden sollen. Es ist an die Fassung der Anträge nicht gebunden, aber an das vom Kläger Gewollte.
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Der Kläger beantragt vorliegend die Aufhebung des Bescheids vom 02.01.2013. Die Auslegung seines Klagebegehrens, die sich auf die nach seiner Auffassung rechtswidrigen Beitragserhebung im Hinblick auf seine betriebliche Altersvorsorge, ausgezahlt von der A. richtet, erfolgt mangels eines Bescheids vom 02.01.2013 (Auszahlungsdatum des streitgegenständlichen Betrags) dahingehend, dass der Kläger die Aufhebung des Bescheids vom 02.05.2013 begehrt. Mit diesem Bescheid wurde 1/120 des ausgezahlten (Teil-) Betrags in Höhe von 59.382,58 € von insgesamt 75.503,57 € für die Verbeitragung in der Kranken- und Pflegeversicherung mit Wirkung ab dem 01.02.2013 berücksichtigt.
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Dieser Bescheid ist bindend geworden (§ 77 SGG), da er mit ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung:versehen wurde und nicht innerhalb der Monatsfrist angegriffen wurde. Folge eingetretener Bindungswirkung ist, dass es ungeachtet der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts den ordentlichen Rechtsbehelfen hiergegen an einer Sachentscheidungsvoraussetzung fehlt (Jüttner in: Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl. 2020, § 77 SGG [Bindende Wirkung des Verwaltungsakts], Rn. 13 unter Verweis auf den Orientierungssatz der Entscheidung des Landessozialgerichts Hamburg vom 03. Februar 2011, Az. L 5 AS 222/10, juris).
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Zwar hat der Kläger mit telefonischem Kontakt vom 27.08.2018 wohl fernmündlich die Überprüfung des Bescheids der Beklagten vom 02.05.2013 beantragt, da die Beklagte dem Kläger mitteilte, dass sie gerne bereit sei, den Bescheid vom 02.05.2013 zu überprüfen. Hierfür würde sie aber die Bescheinigung der A. benötigen, dass der Kläger alleiniger Versicherungsnehmer gewesen sei und alleine einbezahlt habe. Erneut telefonisch wurde am 10.09.2018 Kontakt mit dem Kläger aufgenommen und daran erinnert, dass die Beklagte die Bestätigung der A. benötigen würde, dass der Kläger bzw. ab welchem Zeitpunkt er alleiniger Versicherungsnehmer des Vertrags mit der A. gewesen war. Nach dem Protokoll des Telefonats hat der Kläger sodann entgegnet, dass er nie Versicherungsnehmer gewesen sei, worauf der Sachbearbeiter der Beklagten erwiderte, dass die betriebliche Altersvorsorge dann in vollem Umfang beitragspflichtig bliebe.
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Unterlagen, die die Versicherungsnehmereigenschaft des Klägers beweisen, wurden hingegen weder im Verwaltungsverfahren (auf Anfrage des Sachbearbeiters) noch im Gerichtsverfahren (auf Anfrage der erkennenden Kammer) vorgelegt.
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Mithin fehlt es an einer Sachentscheidung bzgl. des Überprüfungsbegehrens, zumindest aber (wenn die telefonische Äußerung des Sachbearbeiters vom 10.09.2018 als mündlicher Verwaltungsakt aufgefasst wird) an einer Widerspruchsentscheidung. Denn ausweislich des Verfügungssatzes des Widerspruchsbescheids bezieht sich dieser alleine auf den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 05.01.2018. Dieser hat als Regelungsinhalt hingegen gerade nicht die grundsätzliche Beitragspflichtigkeit der ausgezahlten Altersvorsorge, sondern alleine die Höhe des Beitrags. Letztere ist hingegen unstreitig, wie sich auch aus dem Klageantrag des Klägers ergibt, der alleine auf den Bescheid vom 02.01.2013 (gemeint: 02.05.2013) Bezug nimmt.
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Auch in den Gründen des Widerspruchsbescheids vom 30.01.2020 wird nirgends auf einen mündlichen Bescheid vom 10.09.2018 Bezug genommen, so dass die Widerspruchsbehörde erkennbar hierzu keine Entscheidung treffen wollte. Dass sie gleichwohl in den Gründen alleine auf die Richtigkeit der Verbeitragung abstellt, als wenn dies Gegenstand des Widerspruchs wäre (was nicht ist), macht eine unzulässige Klage nicht zulässig:
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Da das Vorverfahren, das den Erlass des Widerspruchsbescheids einschließt (§ 62 Halbsatz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X - in Verbindung mit § 8 Halbsatz 2 SGB X), bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht durchgeführt worden ist und auch keine der in § 78 Abs. 1 Satz 2 SGG benannten Ausnahmekonstellationen vorliegt, in denen es einer solchen Nachprüfung nicht bedarf, ist die Klage als unzulässig abzuweisen. Dies entspricht dem Wortlaut des § 78 SGG und nimmt dem Kläger keinen Rechtsschutz, da er nach Erlass des Widerspruchsbescheids (bezogen auf sein Überprüfungsbegehren) erneut klagen kann. Außerdem trägt die Abweisung der Klage als unzulässig den drei Funktionen des Widerspruchsverfahrens - Selbstkontrolle der Verwaltung, erweiterte Rechtsschutzmöglichkeit für den Einzelnen durch Überprüfung von Recht- und Zweckmäßigkeit eines Verwaltungsakts, Entlastung der Gerichte - besser Rechnung (so zutreffend Sozialgericht Stuttgart, Gerichtsbescheid vom 09.05.2011 - S 20 SO 1922/11 in: juris).
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2. Die Klage ist überdies nach nur summarischer Prüfung unbegründet. Der angegriffene Widerspruchsbescheid entspricht, soweit von der Kammer nachprüfbar, geltendem Recht.
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Der Kläger war bei der Beklagten bis zum 30.09.2015 freiwillig krankenversichert. Ab dem 01.10.2015 wurde der Kläger pflichtversichert (Bescheid vom 20.10.2015). Aus der Verwaltungsakte geht nicht eindeutig hervor, ob die für den Kläger günstigere Beitragserhebung in der Pflichtversicherung bereits ab dem 01.10.2015 oder erst zum 01.01.2016 erfolgte. Sofern der günstigere Beitrag erst mit dem 01.01.2016 erhoben wurde (Bescheid vom 27.02.2016), scheint dies aufgrund des Beginns der KVdR ab Rentenantrag (Felix in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 5 SGB V (Stand: 16.09.2020), Rn. 97) rechtsfehlerhaft zu sein und der Bescheid wäre entsprechend von Amts wegen abzuändern (§ 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch -SGB X).
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a. Für die freiwillige Versicherungszeit gilt was folgt:
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Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung ist § 240 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in der Fassung vom 20.11.2012. § 240 Abs. 1 S. 2 SGB V bestimmt über die beitragspflichtigen Einnahmen freiwilliger Mitglieder, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigen soll. Dabei sind bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit mindestens die Einnahmen zu berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtigen Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen wären (Abs. 2 S. 1). § 3 Abs. 1 Satz 1 der vom Vorstand des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen auf der Grundlage des § 240 Abs. 1 SGB V beschlossenen „Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler“ vom 27.10.2008 (gültig ab 01.01.2009) bestimmt, dass für das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen, der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verwandt werden können ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung als Einnahmen zugrunde zu legen sind. Demnach reicht es für die Beitragspflichtigkeit der vom Kläger erhaltenen Firmendirektversicherung (Firmenrente) während seiner freiwilligen Versicherung aus, dass die Einnahmen geeignet sind, für den Lebensunterhalt verwandt zu werden. Es ist dagegen nicht erforderlich, dass es sich bei der Firmenrente des Klägers um einen Versorgungsbezug im Sinne des § 229 Abs. 1 SGB V handelt. Angesichts der Höhe der an den Kläger gewährten Firmenrente ist diese geeignet, den laufenden Lebensunterhalt des Klägers zu finanzieren. Damit bestimmt die Firmenrente mit über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Klägers. Mit Recht hat demnach die Beklagte in ihrem Bescheid vom 02.05.2013 die Firmenrente bei der Beitragsbemessung für die freiwillige Versicherung berücksichtigt (vgl. insoweit auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. November 2019 - L 1 KR 16/18 -, Rn. 23, juris; Kammerurteil vom 30. Januar 2020 - S 15 KR 1563/18 -, Rn. 15, juris).
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Es ist zudem rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Beklagte zur Verbeitragung der streitgegenständlichen Zahlung bzgl. der Krankenversicherung den allgemeinen Beitragssatz von 15,5% anwandte (vgl. Bescheid vom 02.05.2013). Denn die streitgegenständliche Leistung ist nach der Überzeugung der Kammer ein Versorgungsbezug im Sinne von § 229 Abs. 1 Nr. 5 SGB V. Die Verbeitragung nach dem allgemeinen Beitragssatz ergibt sich sodann aus § 240 Abs. 2 S. 5 (i.d.F. vom 20.12.2011) i.V. m. § 248 Abs. 1 S. 1 SGB V (i.d.F. vom 26.03.2007). Er beträgt 15,5% der beitragspflichtigen Einnahmen, § 241 SGB V i. d. F. v. 22.12.2010.
34
§ 248 Satz 1 SGB V ist hierbei sachlich nur auf aus den beitragspflichtigen Einnahmen der Versorgungsbezüge und des Arbeitseinkommens zu tragende Beiträge anwendbar. Welche Einnahmen als Versorgungsbezüge gelten, regelt die Legaldefinition des § 229 SGB V (Propp in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 248 SGB V, Rn. 19). Renten der betrieblichen Altersvorsorge gelten insoweit als Versorgungsbezug (Propp, a.a.O., Rn. 20).
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Leistungen sind dann der betrieblichen Altersversorgung zuzurechnen, wenn sie die Versorgung des Arbeitnehmers im Alter bezwecken, also der Sicherung des Lebensstandards nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Erwerbsleben dienen sollen. Durch diese Zwecksetzung unterscheidet sich die betriebliche Altersversorgung von sonstigen Zuwendungen des Arbeitgebers, etwa solchen zur Überbrückung erwarteter Arbeitslosigkeit oder Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes (vgl. LSG Bayern, Urteil vom 07.03.2019, Az. L 20 KR 335/18).
36
Der Zweck der Alterssicherung ist vorliegend zwischen den Beteiligten unstreitig. Inwieweit der gesamte von der A. gemeldete Betrag zu verbeitragen ist, wird im Überprüfungsverfahren (§ 44 SGB X) zu ermitteln sein (vgl. die Ausführungen unten).
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Die Aufteilung in 120 Monatsanteile ergibt sich aus § 5 Abs. 4 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler. Dieser bestimmt:
„Die in Form nicht regelmäßig wiederkehrender Leistungen gewährten Versorgungsbezüge, Leistungen aus einer befreienden Lebensversicherung sowie Leistungen von Versicherungsunternehmen, die wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung gezahlt werden, sind vom Zeitpunkt des auf die Auszahlung folgenden Monats dem jeweiligen Beitragsmonat mit einem 1/120 des Zahlbetrags der Leistung für 120 Monate zuzuordnen.“
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b. Für die Zeit ab der Pflichtversicherung in der KVdR (gem. §§ 5 Nr. 11, 186 Abs. 9 SGB V ab Rentenantragstellung) gilt was folgt:
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Die Verbeitragung dem Grunde nach ergibt sich aus § 229 Abs. 1 Nr. 5 Halbsatz 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch in der Fassung vom 14.11.2003. Die Norm ist entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 28.09.2010, Az. 1 BvR 1660/08) verfassungskonform auszulegen. Für eine Privilegierung bedarf es der alleinigen Beitragszahlung durch den Versicherten sowie die alleinige Versicherungsnehmereigenschaft. Beides wurde vom Kläger hingegen trotz entsprechender Aufforderung seitens der Beklagten und seitens des Gerichts nicht nachgewiesen. Er hat im hiesigen Verfahren lediglich behauptet, dass er nach seiner ersten Anstellung (bezogen auf die Anstellung bei Vertragsschluss) bei den weiteren Arbeitgebern alleiniger Versicherungsnehmer gewesen sei. Der Kläger wird daher im noch aufzunehmenden bzw. abzuschließenden Überprüfungsverfahren (§ 44 SGB X) entsprechende Original-Versicherungsurkunden mitsamt der Umschreibung der Versicherungsnehmereigenschaft auf ihn mit Aufnahme der zweiten Anstellung nachzuweisen haben. Da die A. 59.382,58 € von 75.503,57 € als Bemessungsgrundlage für die Verbeitragung meldete, geht die A. offenkundig von einer weitgehenden Versicherungsnehmereigenschaft der jeweiligen Arbeitgeber aus. Die Beklagte wird im Überprüfungsverfahren hierzu Ermittlungen aufnehmen und die A. um Übersendung der jeweiligen Urkunden bitten müssen, um die Richtigkeit der Meldung nachvollziehen zu können.
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Sofern nach dem Ergebnis dieser Ermittlung der gemeldete Betrag gem. der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf Beiträgen in den Versicherungsvertrag beruht, bzgl. derer der Kläger weder formeller Versicherungsnehmer war oder Versicherungsnehmer war, jedoch die Beiträge nicht selbst entrichtet hat, wäre die Verbeitragung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das oberste deutsche Gericht hat deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Verbeitragung in diesem Umfang wegen des höheren Schutzzwecks der Generationengerechtigkeit verfassungskonform ist.
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Die Verbeitragung der Höhe nach ist zwischen den Beteiligten nicht streitig; eine nähere Prüfung der erkennenden Kammer erübrigt sich insoweit (vgl. zur Zulässigkeit dieses Vorgehens BSG SozR 4-2500 § 129 Nr. 7 Rn. 10). Die entlastende Gesetzesnovelle zum 01.01.2020 (§ 226 Abs. 2 S. 2 SGB V in der Fassung ab dem 01.01.2020) wird von der Beklagten gem. den Ausführungen im Widerspruchsbescheid umgesetzt und in einem gesonderten Verwaltungsakt verbeschieden.
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Nach allem war die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.