Inhalt

VG München, Beschluss v. 26.04.2021 – M 30 S 21.2086
Titel:

Mund-Nasen-Bedeckung („Maskenpflicht“) im Bayerischen Landtag, Corona-Testpflicht im Bayerischen Landtag für von der Maskenpflicht Befreite, Verfassungsrechtliche Streitigkeit, Recht der Abgeordneten, Rechtsschutz zum Verwaltungsgericht unzulässig

Normenketten:
GVG §§ 17 ff.
VwGO § 40, § 80
BV Art. 13, Art. 21, Art. 64
Schlagworte:
Mund-Nasen-Bedeckung („Maskenpflicht“) im Bayerischen Landtag, Corona-Testpflicht im Bayerischen Landtag für von der Maskenpflicht Befreite, Verfassungsrechtliche Streitigkeit, Recht der Abgeordneten, Rechtsschutz zum Verwaltungsgericht unzulässig
Fundstelle:
BeckRS 2021, 9304

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt

Gründe

I.
1
Die Antragsteller wehren sich als Fraktion (Antragstellerin zu 1) bzw. als Abgeordnete des Bayerischen Landtags gegen Anordnungen der Präsidentin des Bayerischen Landtags zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Bayerischen Landtag bzw. Corona-Testpflicht für von dieser Pflicht Befreite.
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Mit am 19. April 2021 in Kraft getretener und im Internet unter www.bayern.landtag.de veröffentlichter Allgemeinverfügung hat die Präsidentin des Bayerischen Landtags die 3. Anordnung und Dienstanweisung vom 25. März 2021 bezüglich Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der durch die Ausbreitung des „Corona-Virus“ bedingten besonderen Situation ergänzt. Unter anderen wird dadurch nunmehr in Nr. 4 Buchst. a) Satz 2 in parlamentarischen Sitzungen u.a. für die Mitglieder des Landtags das Tragen einer medizinischen Gesichtsmaske am Platz geregelt. Nach Nr. 4 Buchst. c) kann im Plenarsaal die Mund-Nasen-Bedeckung am Redepult sowie bei einem Wortbeitrag vom Platz abgenommen werden, sofern der Infektionsschutz durch geeignete Abtrennungen zwischen den Plätzen oder durch Einhaltung eines Mindestabstands von 1,5 Meter gewährleistet wird. In Nr. 4 Buchst. d) wird die Regelung zur Befreiung von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Abdeckung insoweit ergänzt, als diesen Personen Zutritt zu parlamentarischen Sitzungen nur gewährt wird, wenn sie über ein aktuelles negatives Testergebnis in Bezug auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-Cov-2 verfügen und dieses auf Verlangen glaubhaft machen können. Hierzu wird näher ausgeführt. Die sofortige Vollziehbarkeit wurde in II. der Allgemeinverfügung und Nr. 6 der 3. Anordnung und Dienstanweisung vom 25. März 2021, geändert durch vorstehende Allgemeinverfügung am 14. April 2021, angeordnet und auf Seite 5/6 begründet.
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Hiergegen haben die Antragsteller mit Schriftsatz vom 16. April 2021 am 17. April 2021 Klage zum Verwaltungsgericht München mit dem Begehren der Aufhebung der Allgemeinverfügung vom 14. April 2021 sowie Anordnung und Dienstanweisung vom 14. April 2021, hilfsweise Feststellung von deren Rechtswidrigkeit erhoben (M 30 K 21.2085). Zur Begründung wird ausgeführt, die Antragstellerin zu 1) mache eigene Rechte als Fraktion des Bayerischen Landtags gegen die Antragsgegnerin geltend, ferner ihre Rechte aus dem Hausrecht über die ihr überlassenen Fraktionsräume und Fraktionsbüros. Die Antragsteller zu 2), zu 3), zu 4) und zu 5) würden ihre Abgeordnetenrechte als Abgeordnete des Bayerischen Landtags gegen die Antragsgegner geltend machen, ferner „über ihre Rechte als Abgeordnete als Einzelpersonen“ auch ihr Grundrecht auf Allgemeine Handlungsfreiheit, auf körperliche Unversehrtheit und Meinungsfreiheit. Den gewöhnlichen Besuchern des Landtags sowie Mitarbeitern des Landtags stehe der Verwaltungsrechtsweg offen. Dies gelte vorliegend in gleichem Maße für die Antragsteller. Die Antragsteller zu 3), zu 4) und zu 5) seien durch ärztliches Zeugnis von der Maskenpflicht befreit. In der umfangreichen rechtlichen Stellungnahme unter B. des Schriftsatzes vom 16. April 2021 wird einleitend ausgeführt, dass die Verfügung das Recht des freien Mandats und die Fraktionsrechte in erheblicher Weise verletze, sodann zur allgemeinen Risikobewertung (I.), Gefährlichkeit der Corona-Mutante (II.), Wirksamkeit von Masken (III.), gesundheitlichen Gefahren durch Masken (IV.), einer Zusammenfassung (V.), Kollision mit dem freien Mandat (VI.), zur formellen Rechtswidrigkeit - mangelnden Zuständigkeit der Landtagspräsidentin (VII.) und Rechtswidrigkeit der sofortigen Vollziehbarkeit (VIII.) ausgeführt; es werden umfangreiche Anlagen vorgelegt. Unter dem 22. April 2021 wird auf richterlichen Hinweis zur Frage der Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs ergänzt, die Antragsteller machten auch geltend, in ihren Grundrechten verletzt zu sein, ebenso wie die im Landtag angestellte Bürokraft. Dabei möge die zusätzliche Betroffenheit das freie Mandat betreffend im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ausgeklammert werden. Die Antragsteller seien in ihrem Recht auf allgemeine Handlungsfreiheit betroffen, in Bezug auf die Pflicht zum Tragen einer Maske im Recht auf körperliche Unversehrtheit sowie durch die Testpflicht in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Daher sei die Sache einer Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zugänglich.
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Zudem beantragen die Antragsteller mit Schriftsatz vom 16. April 2021,
die aufschiebende Wirkung der hiesigen Klage gegen die Allgemeinverfügung der Präsidentin des Bayrischen Landtages vom 14.04.2021 sowie gegen die Anordnung und Dienstanweisung der Präsidentin des Bayrischen Landtages vom 14.04.2021 wiederherzustellen, hilfsweise die sofortige Vollziehung aufzuheben.
5
Die Antragsgegner beantragen,
den Antrag abzulehnen.
6
Mit Schreiben vom 22. April 2021 hat das Landtagsamt sie zum Antrag Stellung genommen und dabei insbesondere darauf hingewiesen, dass der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet und damit der Antrag unzulässig sei. Die Allgemeinverfügung beanspruche für die Fraktionsbüros und Büros der Mitglieder des Landtags im Übrigen keine Geltung.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten der Verfahren M 30 K 21.2085 und M 30 S 21.2086 Bezug genommen.
II.
8
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, die aufschiebende Wirkung der Klage vom 17. April 2021 zum Verwaltungsgericht München wiederherzustellen bzw. die sofortige Vollziehung aufzuheben, ist unzulässig. Es fehlt schon an der Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs, sodass neben der Anfechtungsklage im Verfahren M 30 K 21.2085 auch bereits der Eilantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO unzulässig ist.
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1. Für die Klage und damit verbunden auch das Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO ist nicht der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Vielmehr liegt eine verfassungsrechtliche Streitigkeit vor.
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Nach § 40 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind.
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Zwar ist die antragstellerseits angefochtene Allgemeinverfügung i.S.v. Art. 35 Satz 2 BayVwVfG in Ausübung des der Antragsgegnerin zu 1) als eigenem Recht (vgl. insoweit Klein in Maunz-Dürig, Grundgesetz Kommentar, Band IV Art. 21 Rn. 146 - Nov. 2018) zustehenden Hausrechts nach Art. 21 Abs. 1 BV nicht grundsätzlich einer verwaltungsgerichtlichen Prüfung entzogen (VG München, B.v. 5.8.2020 - M 30 S 20.3336 - beck-online - und nachfolgend B.v. 4.9.2020 - M 30 S7 20.3600 - n.v.; Huber in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaats Bayern, 6. Auflage 2020, Art. 21 Rn. 3; s.a. Klein in Maunz-Dürig, a.a.O. Rn. 174).
12
Vorliegend ist aber von einer verfassungsrechtlichen Streitigkeit auszugehen (vgl. bereits VG München, B.v. 7.7.2020 - M 30 S 20.2940 - beck-online; BVerfG, U.v. 30.7.2003 - 2 BvR 508/01 - beck-online; BerlVerfGH, U.v. 22.2.1996 - VerfGH 17/95 - beck-online; Huber in Meder/Brechmann a.a.O. Rn. 3; Klein in Maunz-Dürig, a.a.O. Rn. 174 a.E.), denn das streitige Rechtsverhältnis zwischen den Verfahrensbeteiligten ist wesentlich vom Verfassungsrecht geprägt. Dies ergibt sich zum einen aus der formellen Stellung der Antragsteller und Antragsgegner im verfassungsrechtlichen Kontext zueinander, zum anderen aber insbesondere durch die antragstellerische Berufung auf das Recht der Abgeordneten auf freie Ausübung des Mandats nach Art. 13 Bayerische Verfassung (BV) (vgl. a. BadWürttStGH, U.v. 28.1.1988, NJW 1988, 3199 ff. - beck-online; VerfGH Baden-Württemberg, B.v. 18.11.2019 - 1 GR 58/19 - beck-online). Damit wurzelt (vgl. insoweit BVerfG, B.v. 23.11.1982 - 2 BvH 1/79 - beck-online; U.v. 7.4.1976 - 2 BvH 1/75 - beck-online) die Streitigkeit zwischen den Beteiligten letztlich in der Reichweite der sog. freien Mandatsausübung nach Art. 13 Abs. 2 BV im Spannungsfeld mit der Ausübung des Hausrechts nach Art. 21 BV und so in einem verfassungsrechtlich bestimmten Rechtsverhältnis. Insoweit haben die Antragsteller auch beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof Klage und Eilantrag in gleicher Angelegenheit erhoben (Vf. 37-Iva-21).
13
Zwar haben sich die Antragsteller zu 2), zu 3), zu 4) und zu 5) auch auf ihre Grundrechte der Allgemeinen Handlungsfreiheit, körperlichen Unversehrtheit und Meinungsfreiheit berufen und begehren eine insoweit etwaig darauf beschränkte verwaltungsgerichtliche Überprüfung. Nähere Ausführungen hierzu finden sich in der umfangreichen Klagebegründung hierzu jedoch kaum. Die Antragsgegner haben in der Antragserwiderung die wenigen, in Bezug auf eine mögliche Grundrechtsverletzung unsubstantiierten Passagen, die damit im Zusammenhang stehen könnten, aber schon unter anderen Überschriften (s. B. I. bis VIII. der Klageschrift) verortet sind, herausgearbeitet. Vielmehr ist offensichtlich, dass es den Antragstellern im Wesentlichen um ihre Abgeordnetenrechte und Fraktionsrechte geht und die Berufung auf die Grundrechte bezweckt, Zugang zum Verwaltungsrechtsweg zu erhalten.
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Das dem vorliegenden Rechtsstreit zugrundeliegende Verhältnis bleibt jedoch dennoch wesentlich vom Verfassungsrecht geprägt. Dass Abgeordnete ihre Grundrechte nicht etwa an der Pforte des Bayerischen Landtages zurücklassen, sondern diese auch etwa während der Teilnahme an einer parlamentarischen Sitzung fortwirken, verändert den verfassungsrechtlich geprägten Charakter des tatsächlich zugrundeliegenden Verhältnisses zwischen den Beteiligten nicht. Deutlich wird dies selbst in den eigenen Formulierungen der Antragsteller, die die Grundrechte „über ihre Rechte als Abgeordnete als Einzelpersonen“ geltend machen.
15
Darüber hinaus dringt das antragstellerische Vorbringen, wenn die hausrechtlichen Regelungen von den Besuchern und Mitarbeitern im verwaltungsrechtlichen Wege angegriffen werden könnten, müsse dies in gleichem Maße für die Abgeordneten gelten, vorliegend schon deshalb nicht durch, da die im Klageverfahren vorliegend angegriffenen Regelungen nicht allgemeine Hausrechtsregelungen darstellen. Im bereits zitierten Verfahren M 30 S 20.3336 beim Verwaltungsgericht München war hingegen eine Regelung gegenständlich, die die Verkehrsflächen im Bayerischen Landtag betrifft. Die vorliegend streitgegenständlichen Regelungen sind aber ausdrücklich an die Mitglieder des Landtags sowie die dem parlamentarischen Bereich dienenden Personen gerichtet. Für Besucher bestehen spezielle Regelungen. So regelt z.B. Nr. 2 Buchst. c der 3. Anordnung und Dienstanweisung vom 25. März 2021 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 3, Nr. 5 der Hausordnung, dass derzeit Besuchergruppen sowie Einzelbesucher zur Teilnahme an öffentlichen Sitzung nach Maßgabe freier Zuhörerplätze keinen Zugang erhalten. Nr. 3 der 3. Anordnung und Dienstanweisung vom 25. März 2021 beinhaltet eine eigenständige Regelung zum Zutritt für parlamentarische Sitzungen im Zusammenhang mit den in § 8 der Hausordnung genannten Personengruppen. Nr. 4 Buchst. d) der 3. Anordnung und Dienstanweisung vom 25. März 2021 schließt für nicht dem parlamentarischen Bereich dienende Personen den Zutritt bei Befreiung von der Maskenpflicht aus. Auch den dem parlamentarischen Bereich dienenden Personen dürfte insoweit nicht der Verwaltungsrechtsweg offenstehen, als ihr Verhältnis zum Bayerischen Landtag von einem entsprechenden Arbeitsverhältnis geprägt ist. Der Abgeordnetenstatus und die damit verbundenen Reche können somit vorliegend entgegen der Vorstellung der Antragsteller nicht weggedacht werden, ohne dass auch die Betroffenheit bezüglich der angegriffenen Regelungen entfällt.
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Mangels Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs sind die Sachentscheidungsvoraussetzungen für einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht gegeben und ist dieser abzulehnen.
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2. Eine Verweisung der verfassungsrechtlichen Streitigkeit an den an sich zuständigen Bayerischen Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 64 BV kommt nicht in Betracht. Die §§ 17 ff. GVG finden auf verfassungsrechtliche Streitigkeiten keine Anwendung (allg. Meinung und std. Rechtsprechung; BayVGH, B.v. 13.2.1991 - 4 CE 91.404 - beck-online; Ehlers in Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand 37. EL Juli 2019, § 17 Rn. 25).
18
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.