Titel:
Akteneinsichts- und Auskunftsanspruch des Baugeldgläubigers gegen den Insolvenzverwalter der Generalunternehmerin
Normenketten:
ZPO § 299 Abs. 2
InsO § 4
BGB § 242, § 810
Leitsätze:
1. Kein rechtliches Interesse iSv § 299 Abs. 2 ZPO ist die bloße Suche nach Auskünften, Informationen oder Beweismitteln bzw. Indizien, die der Gesuchssteller zur Verbesserung seiner Lage in einem anderen Verfahren erstrebt oder die ihn erst in den Stand versetzen sollen, ein solches Verfahren mit nennenswerter Erfolgsaussicht zu führen. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Baugeldgläubiger hat gegen den Insolvenzverwalter der Generalunternehmerin keinen Akteneinsichts- und Auskunftsanspruch. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Baugeldgläubiger, Generalunternehmer, Insolvenzverwalter, Akteneinsicht, Auskunft, rechtliches Interesse
Fundstellen:
ZIP 2021, 915
ZInsO 2021, 1394
BeckRS 2021, 8866
LSK 2021, 8866
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 22.516,00 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Über das Vermögen der antragsgegenständlichen Insolvenzschuldnerin hat das Amtsgericht W. am 28.11.2017 das Insolvenzverfahren eröffnet und den Beklagten zum Insolvenzverwalter bestellt.
2
Die Insolvenzschuldnerin hatte vor der Insolvenzeröffnung drei verschiedene Geschäftsführer, davon zwei zum Teil gleichzeitig (im einzelnen vergleiche Klage Seite 3 Mitte). Die Insolvenzschuldnerin war mit einem beträchtlichen Jahresumsatz als Generalunternehmerin tätig und hat für verschiedene Auftraggeber Wohn- und Gewerbebauten neu hergestellt. Ihre Bauleistungen erbrachte die Insolvenzschuldnerin nicht durch eigene Mitarbeiter, sondern durch Subunternehmer. Bei den antragsgegenständlichen Bauvorhaben der Insolvenzschuldnerin war die Klägerin in den Jahren 2016/2017 als Subunternehmerin mit Außen- und Innenputzarbeiten beauftragt und hat diese erbracht. Sie hat dafür Schlussrechnungen gestellt, aus denen sie insgesamt 225.162,45 € noch nicht bezahlt bekommen hat (im einzelnen Klage Seite 4). Sie hat diese Forderungen am 23.1.2018 zur Insolvenztabelle angemeldet und nimmt an, dass sie mit diesen Forderungen voll ausfallen wird, indem die Insolvenzmasse wohl so gering ist, dass einfache Insolvenzgläubiger leer ausgehen (Blatt 5 oben).
3
Gegen zwei der drei Geschäftsführer hat die Klägerin ein Auskunftsersuchen gerichtet, nämlich diese aufgefordert, ihr Auskunft darüber zu geben, zu welchem Zeitpunkt die Insolvenzschuldnerin Zahlungen ihrer Auftraggeber für die vorgenannten Bauvorhaben erhalten hat. Die Geschäftsführer haben der Klägerin hierauf mitgeteilt, dass sie diese Auskunft nicht erteilen können, da ihnen die Geschäftsunterlagen der Insolvenzschuldnerin nach der Insolvenzeröffnung nicht mehr vorliegen.
4
Die Klägerin hat mit Schreiben vom 7.9.2018 den Beklagten aufgefordert, ihr Einsicht in die Insolvenzakte zu gewähren (Blatt 6/7, K2). Der Beklagte weigert sich (Blatt 7, K2, K3).
5
Die Klägerin meint, gegenüber den drei Geschäftsführern der Insolvenzschuldnerin Ansprüche auf Schadensersatz gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 1 des Gesetzes zur Sicherung von Bauforderungen (BauFordSiG) zu haben. Die Klägerin erklärt sich die Nichtzahlung ihrer offenen Schlussrechnungsbeträge damit, dass diese Forderungen nicht mehr erfüllt werden konnten, weil die Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin für diese zwar von ihren Auftraggebern Baugeld hereingeholt hatten im Sinne von § 1 Abs. 1 BauFordSiG, dieses aber dann zweckwidrig verwendet haben. Baugelder seien es gewesen im Sinne von § 1 Abs. 3 Ziffer 2 BauFordSiG, weil sie der Insolvenzschuldnerin zugeflossen waren für die Herstellung eines Baues, den die Empfängerin dem jeweiligen Auftraggeber versprochen hatte, ferner weil an der Leistung andere Unternehmen aufgrund Werkvertrages beteiligt waren, nämlich unter anderem die Klägerin (Blatt 5 Mitte).
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Die Klägerin meint: hier komme ihr auch die Beweislastregel von § 1 Abs. 4 BauFordSiG zugute (Blatt 5).
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Die Klägerin glaubt, dass die Insolvenzschuldnerin Baugelder in einer Höhe erhalten hat, die die Restwerklohnforderung der Klägerin übersteigt (Blatt 5 unten), wobei diese Baugelder spätestens bei Insolvenzantrag nicht mehr vorhanden waren. Daraus folgert die Klägerin, dass sie nicht zweckentsprechend verwendet wurden. Die daraus resultierenden Schadensersatzforderungen will die Klägerin gegen die Geschäftsführer persönlich richten: Diesen schreibt die Klägerin Folgendes zu: „Sie mussten selbstverständlich wissen, dass die Zahlungen ihrer Auftraggeber im Zusammenhang mit der Errichtung der vorgenannten Bauvorhaben gewährt wurden“. Damit meint die Klägerin: Die Geschäftsführer müssen dies gewusst haben. Denn die Klägerin folgert daraus, dass den Geschäftsführern die Baugeldeigenschaft der empfangenen Geldbeträge bekannt gewesen sei (Blatt 6).
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Die Klägerin hat die Vorstellung, dass sie gegenüber den drei Geschäftsführern „zur Begründung ihrer Schadensersatzforderungen die Höhe dieser der Insolvenzschuldnerin zugegangenen Zahlungen vortragen muss“ (Blatt 6). Diese Höhe kennt die Klägerin nicht. Sie weiß nicht, in welchem Umfang die Insolvenzschuldnerin Baugeldzahlungen erhalten hat und in welchem Umfang diese an am Bau beteiligte Subunternehmer weitergeleitet worden sind (Blatt 7).
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Daraus schließt die Klägerin, dass sie auf eine Einsichtnahme in die Geschäftsunterlagen der Insolvenzschuldnerin bei dem Beklagten angewiesen ist. Eine Berechtigung hierzu möchte sie aus § 4 InsO in Verbindung mit § 299 Abs. 2 ZPO ableiten (Blatt 6).
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Die Klägerin meint weiter: Daneben bestehe der Anspruch auch aus § 242 BGB und gemäß § 810 BGB (Blatt 27).
11
In der Kommentarliteratur werde wie selbstverständlich vorausgesetzt, dass Baugeldgläubiger in Insolvenzakten Einsicht nehmen können (Blatt 27, K4, nachfolgend: „Kommentarliteratur-Argument“).
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Die Möglichkeit, dass ein Insolvenzverwalter Auskünfte schulde, lasse auch die Entscheidung OLG Köln 21. November 2007, 2 U 110/07 (B1) offen, indem der Senat dort (B1 Seite 3 Rn. 9) herausarbeitet, dass der Auskunftsanspruch bestehen kann, wenn der Berechtigte einen Schadensersatzanspruch dem Grunde nach bereits hat und nur zur Höhe noch Informationen braucht, um zum Schadensumfang vortragen zu können, den er entschuldbarerweise nicht kennt (Blatt 27, nachfolgend: „Kölner Anspruchsgrund-Argument“).
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Verfehlt sei das Rechtsmissbrauchs-Argument des Beklagten als ob Ansprüche der Klägerin gegen die drei Geschäftsführer ohnehin verjährt wären. Die Klägerin habe es verstanden, diese Verjährung nicht eintreten zu lassen (Blatt 29).
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Die Klägerin beantragt,
Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der [Insolvenzschuldnerin] Amtsgericht W., Az IN …-, Einsicht in die Geschäfts- und Buchhaltungsunterlagen der Insolvenzschuldnerin zu gewähren,
Auskunft zu erteilen über die Zahlungen, die die Insolvenzschuldnerin von ihren Auftraggebern/Bestellern bei folgenden Bauvorhaben vor Insolvenzeröffnung am 28.11.2017 erhalten hat:
15
Der Beklagte beantragt
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Der Beklagte meint, die Klage sei schon unzulässig, da das Landgericht nicht zuständig sei für die Prüfung eines Akteneinsichtsgesuch nach § 299 Abs. 2 ZPO (Blatt 14/15), da das Landgericht unter keinem Gesichtspunkt selbst Insolvenzgericht ist.
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Der Beklagte meint weiter, die Klage sei auch unbegründet, denn er schulde der Klägerin weder Akteneinsicht noch Auskunft.
18
Die Geschäftsunterlagen der Insolvenzschuldnerin seien nicht Bestandteil der gerichtlichen Insolvenzakte (Blatt 14). Und soweit die obergerichtliche Rechtsprechung ein Akteneinsichtsrecht des Insolvenzgläubigers bejaht habe (BGH 5.4.2006, IV AR (VZ) 1/06), betreffe das immer nur die Insolvenzakte des Gerichts. Vielmehr sei anerkannt, dass dem Insolvenzgläubiger kein Einsichtsrecht in die vorinsolvenzlichen Geschäftsunterlagen zustehen könne (Blatt 14).
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Auch sonst stehe der Klägerin keine Anspruchsgrundlage zur Seite.
20
Ansprüche aus BauFordSiG wären - sofern sie sich gegen die Schuldnerin richten könnten - begrifflich eine Insolvenzforderung, denn die Grundlage für einen solchen Anspruch wäre diesfalls ja immer „vorinsolvenzlich gelegt“.
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Wenn die Klägerin aber die Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin direkt und persönlich in Anspruch nehme wegen unerlaubter Handlung, dann begreife der Beklagte nicht, wieso sich die Geschäftsführer einfach auf die Aussage zurückziehen könnten, sie hätten keinen Zugriff mehr auf die Geschäftsunterlagen und Geschäftsdaten. Wenn die Geschäftsführer es vorziehen, sich in der von der Klägerin geschilderten Weise bedeckt zu halten, dann erzeuge das keinen Anspruch auf Akteneinsicht gegen die vom Beklagten vertretene Insolvenzmasse der Insolvenzschuldnerin (Blatt 15). Vielmehr müsste die Klägerin dann doch auch ohne die hier begehrten Auskünfte ihre Ansprüche durchsetzen können, da ihr die Beweislastumkehr von § 1 Abs. 4 BauFordSiG zugutekomme (Blatt 24).
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Andererseits seien Ansprüche der Klägerin gegen die Geschäftsführer verjährt (Blatt 16), denn die Klägerin habe spätestens mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens Kenntnis „von allen anspruchsbegründenden Tatsachen“ gehabt, nämlich gewusst, dass „sie Forderung gegen die Schuldnerin hat, welche womöglich nach dem BauFordSiG gesichert sind“ (so Blatt 16). Und dass die Geschäftsführer Verjährung einwenden würden, sei ohne weiteres zu unterstellen (Blatt 16). Das zeige, dass die Klage gegen den Beklagten rechtsmissbräuchlich, nämlich für die Klägerin wirtschaftlich zwecklos sei.
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Soweit die Klägerin hingegen die Verjährung unterbrochen habe, müsse sie den Prozess gegen die ehemaligen Geschäftsführer auch ohne die Auskunft mit unverminderter Erfolgsaussicht führen können (Blatt 24).
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Gegen die hiesige Klage seien auch datenschutzrechtliche Bedenken einzuwenden (Blatt 15 unten).
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Auch der Hilfsantrag sei unbegründet, da der Beklagte es nicht schulde, vorinsolvenzliche Geschäftsdaten und Unterlagen auszuwerten (schon gar nicht unentgeltlich), einzig damit die Klägerin sich für einen Rechtsstreit mit Dritten munitionieren kann.
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Das Gericht hatte in einem ersten Hinweis (Blatt 9/10) Fragen der Anwendbarkeit von §§ 4 InsO, 299 Abs. 2 ZPO aufgeworfen.
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Es hatte in dieser Verfügung Verhandlungstermin anberaumt, den Parteien aber gleich vorgeschlagen, einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zuzustimmen (Blatt 9).
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Die Parteien haben zugestimmt (Blatt 11, Blatt 12).
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Die Kammer hat daher mit Beschluss vom 29.1.2021 (Blatt 18) angeordnet, dass schriftlich entschieden wird. Schriftsätze konnten bis zum 3.3.2021 eingereicht werden. Dies geschah auch (Blatt 23/25 sowie 26/29).
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig.
31
Insbesondere ist das Landgericht München I für die Klage sachlich (namentlich mit Blick auf den Streitwert) zuständig.
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Richtig ist zwar, dass ein unmittelbar auf § 299 Abs. 2 ZPO gegründeter Akteneinsicht- oder Auskunftsanspruch ans Insolvenzgericht zu richten wäre.
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Richtet die Klägerin aber, wie hier, ihr Begehren gegen den Insolvenzverwalter direkt, so bezweckt sie keine unmittelbare Anwendung von § 299 Abs. 2 ZPO, sondern will ihn über § 4 InsO, somit „gesetzes-analog“ angewandt sehen. Die später angezogenen Anspruchsgrundlagen begründen gleichfalls keine andere Zuständigkeit als die allgemeine des Landgerichts als Streitgericht. Für die Klage gegen den Insolvenzverwalter unmittelbar ist das Landgericht daher zuständig. Ob der Anspruch besteht, wäre hingegen eine Frage der Begründetheit.
34
Die Klage ist jedoch in Haupt- und Hilfsantrag unbegründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Akteneinsichts- und auch keinen Auskunftsanspruch.
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Da unmittelbare vertragliche Beziehungen oder sonstige Sonderverbindungen zwischen den Parteien nicht bestehen, konnte sich dieser Anspruch allenfalls aus gesetzlichen Vorschriften ergeben.
36
Er ergibt sich nicht aus §§ 4 InsO, 299 Abs. 2 ZPO.
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Offenbleiben kann, inwieweit § 299 Abs. 2 ZPO in der Weise anzuwenden wäre, dass er sich unmittelbar gegen den Insolvenzverwalter und nicht gegen ein Gericht richten würde.
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Denn der Klageanspruch bestünde selbst dann nicht, wenn man sich den Fall so dächte, als wäre der Beklagte selbst Vorstand des Gerichts und als wären die hier interessierenden Unterlagen Teil einer ganz normalen Gerichtsakte (zum Beispiel als dessen Anlagen oder als beigezogene Verfahren): Dann wäre der „schiere“ § 299 Abs. 2 ZPO (direkt) anzuwenden, und das Ergebnis würde lauten müssen, dass dem Kläger Akteneinsicht und Auskünfte zu versagen wären.
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1. Nach § 299 Abs. 2 ZPO bekommt Akteneinsicht oder Auskünfte derjenige, der ein rechtliches Interesse hieran glaubhaft machen kann.
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Diese Voraussetzung ist lediglich dann entschärft, wenn ein Einverständnis der Parteien vorliegt. Parteien wären hier die Parteien der jeweiligen Bauverträge, in deren Zuge die Klägerin vermutet, dass Baugeld überlassen worden sei. Für ein solches Einverständnis ist nichts vorgetragen und auch nichts sonst ersichtlich. Soweit man statt der Bauvertragsparteien oder zusätzlich auf ein Einverständnis der drei Geschäftsführer abstellen wollte, so könnte an diesem Punkt nichts anderes gelten.
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2. Nach gefestigter Rechtsprechung ist ein rechtliches Interesse zu trennen von einem bloß wirtschaftlichen Interesse, mag letzteres auch noch so lebhaft sein. Kein rechtliches Interesse ist die bloße Suche nach Auskünften, Informationen oder Beweismitteln bzw. Indizien, die der Gesuchssteller zur Verbesserung seiner Lage in einem anderen Verfahren erstrebt oder die ihn erst in den Stand versetzen sollen, ein solches Verfahren mit nennenswerter Erfolgsaussicht zu führen.
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3. Ein rechtliches Interesse besteht nur dann, wenn persönliche Rechte des Antragstellers durch den Akteninhalt berührt werden und der Bezug zum Streitstoff hinreichend deutlich ist (vgl. BGH MDR 2006, 947; OLG München, Beschluss vom 21.1.2010, Az. 9 VA 14/09). Nicht ausreichend ist ein Interesse des Dritten, durch die Akteneinsicht Tatsachen zu erfahren, damit er sich leichter tut, Ansprüche geltend zu machen oder abzuwehren, die in keinem rechtlichen Bezug zum Prozessgegenstand stehen (vgl. KG NJW 1988, 1738; Zöller-Greger, ZPO, 29. Aufl., Rdn. 6 a zu § 299; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 70. Aufl., Rdn. 25 zu § 299 „Ausforschung“). Denn dabei geht es nur um ein wirtschaftliches Interesse, das für § 299 ZPO nicht ausreicht.
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4. Die Klägerin hat, hieran gemessen, zwar ein wirtschaftliches Interesse geltend gemacht, nämlich sich für einen intendierten oder bereits laufenden BauFordSiG-Prozess gegen zwei der drei Ex-Geschäftsführer mit Informationen ausrüsten zu wollen. Das kann in dieser Form aber nicht als rechtliches Interesse im Sinne von § 299 ZPO gewertet werden.
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5. Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht etwa deshalb, weil die Klägerin bereit wäre, die Einsicht schonend abzuwickeln (Schriftsatz vom 3.3.2021 Seite 3 = Blatt 28/29). Das schafft kein rechtliches Interesse.
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Der Anspruch ergibt sich nicht aus § 242 BGB.
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Das gilt auch dann, wenn man darüber hinwegsieht, dass es zwischen den hiesigen Parteien nicht um die Erfüllung eines Vertrags ergeht und eine Sonderverbindung, wie gezeigt, zwischen ihnen nicht besteht. Denn selbst wenn man § 242 BGB als ein allgemeines Einfallstor für Billigkeitserwägungen unter Rechtsgenossen ansieht, ergibt sich daraus hier kein Akteneinsicht- oder Auskunftsanspruch der Klägerin:
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1. Das „Kommentarliteratur-Argument“ verfängt nicht, weil die zitierte Kommentarstelle bereits selbst nicht postuliert, es bestehe ein Recht des potentiellen BauFordSiG-Gläubigers auf Einsicht in die Unterlagen des Insolvenzverwalters. Erst recht würde die Kommentarstelle für eine solche Auffassung keinerlei Begründung liefern. Als Begründung reicht ein tatsächliches (wirtschaftliches) Bedürfnis der Klägerin auch hier nicht aus, denn Bedürfnisse sind unter Rechtsgenossen derart häufig, dass es nicht gangbar ist, bereits aus einem Bedürfnis eines Rechtssubjekts einen Anspruch gegen ein anderes Rechtssubjekt folgern zu wollen.
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2. Das „Kölner Anspruchsgrund-Argument“ überzeugt gleichfalls nicht.
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Die Entscheidung des OLG Köln (B1) stützt den Klageanspruch rechtlich nicht. Der Senat sagt vielmehr an der klägerseits zitierten Stelle, dass ein Auskunftsanspruch gegen den Insolvenzverwalter bestehen könne, wenn der Auskunftsgesuchs-Steller einen deliktischen Anspruch gegen den Insolvenzverwalter selbst habe. Das ist auf den vorliegenden Fall bereits nicht übertragbar.
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Davon unabhängig aber hat der Senat für die von ihm skizzierte Ausnahme-Konstellation gefordert, dass ein deliktischer Anspruch dem Grunde nach bereits gesichert bestehen müsse. Davon kann vorliegend keine Rede sein, weil das die Klägerin so selbst nicht behauptet. Im Gegenteil führt sie aus, dass sie zwar die Zweckentfremdung von Baugeld vermutet, dazu aber kein Wissen hat. Dass sie gegen die drei Ex-Geschäftsführer oder auch nur einen von ihnen dem Grunde nach einen Anspruch habe, kann die Klägerin nicht behaupten und will sie auch nicht behaupten, sondern begehrt klagegegenständlich Einsicht und Auskunft gerade mit dem Ziel, einen möglichen Anspruchsgrund hernach darlegen zu können.
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Der Einspruch besteht auch nicht aus § 810 BGB.
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1. § 810 Fall 1 BGB greift nicht ein:
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Hiernach könnte die Klägerin dann Urkunden des Beklagten aus dem hier interessierenden Insolvenzverfahren einsehen, wenn diese Urkunden „im Interesse“ der Klägerin „errichtet“ worden wären.
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Hierhin gehört das Argument der Klägerin, dass das BauFordSiG in seiner zeitlich anwendbaren Fassung, anders als früher, kein Baubuch mehr vorschreibt, also keine qualifizierte Buchführung.
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Das ist allerdings kein Argument für die Klageforderung, sondern dagegen: Mangels Baubuchs ist vollends unklar, was für Unterlagen es geben soll, aus denen sich einerseits Zahlungsflüsse aussagekräftig ergeben und die andererseits eine im Interesse der Klägerin errichtete Urkunde darstellen würden. Ist das Baubuch entfallen, so eröffnet das nicht gleichsam automatisch ein Einsichtsrecht in „sonstige Buchhaltungsunterlagen des Baugeldempfängers“ (Blatt 28). Denn der Entfall des Baubuches führt nicht dazu, dass diese sonstigen Buchführungsunterlagen im Interesse der Baugeldgläubiger errichtet würden. Allgemeine Buchführungsunterlagen dienen dazu, dass der Buchführende selbst für sich einen Überblick gewinnt oder/und behält. Allgemeine Buchführungsunterlagen werden nicht mit der Zielrichtung erstellt, Gläubigern der Gesellschaft Informationen über unerlaubte Handlungen ihrer Geschäftsführer dermaleinst leichter zugänglich zu machen.
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2. Auch § 810 Fall 2 BGB greift nicht ein.
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In dieser Alternative würde die Vorschrift voraussetzen, dass die Urkunden ein Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und einem anderen beurkunden.
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Hierhin gehört das Argument der Klägerin (Blatt 28), dass die Verwendungspflicht in Bezug auf empfangene Baugelder ein Rechtsverhältnis zwischen dem Baugeldgläubiger und dem Baugeldempfänger begründe. Die Klägerin meint, deshalb müsse ein Recht auf Einsicht in alle Urkunden bestehen, welche den Empfang von Baugeldern und die Eigenschaft der empfangenen Gelder als Baugeld beurkunden (Blatt 28, K5).
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Dem ist nicht zu folgen.
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Richtig ist, dass die Verwendungspflicht als Rechtsverhältnis gesehen werden kann. Aber:
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Allgemeine Buchungsunterlagen, Bauverträge, Darlehensverträge, Überweisungsbelege, Kontoauszüge usw. (K5) beurkunden nicht dieses Rechtsverhältnis. Denn sie beurkunden regelmäßig bereits nicht die Eigenschaft von Baugeld und somit bereits nicht den Kern dessen, was ein Rechtsverhältnis zwischen dem Baugeldempfänger und einem Baugeldgläubiger (etwa der Klägerin) begründen würde.
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Die in den Unterlagen abgebildeten Transaktionen mögen rechtlich zwar eine Baugeldeigenschaft begründen, wenn man sie in einen Zusammenhang stellt und auswertet. Erst hierdurch würde ggf. die Eigenschaft von Baugeld herausgearbeitet. Beurkundet wird sie in den einzelnen Urkunden als Tatsache oder Rechtsbehauptung hingegen nicht. Die Kammer hat, soweit ihre Erinnerung zurückreicht, noch in keinem Bauvertrag, Darlehensvertrag, Überweisungsbeleg oder gar Kontoauszug festgehalten gefunden, dass es sich hier um „Baugeld“ im Sinne des BauFordSiG handle - weder ausdrücklich noch sinngemäß.
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Nicht mehr angekommen ist es auf sonstige Fragen, etwa betreffend etwaige Verjährung von Ansprüchen gegen die drei Ex-Geschäftsführer (Blatt 29).
Entscheidungen von Amts wegen
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Zu den Kosten ergibt sich der Ausspruch aus § 91 Abs. 1 ZPO.
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Zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt der Ausspruch aus § 709 Satz 2 ZPO.
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Der Streitwert war endgültig zu taxieren (§ 63 Abs. 2 GKG), und zwar durch Beschluss, der aber räumlich in den Urteilstenor mit aufgenommen werden konnte.
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Der Interessensangabe der Klagepartei konnte gefolgt werden. Nicht begründet war die These des Beklagten, der Streitwert betrage die vollen 225.162,45 € (Blatt 17), mit denen die Klägerin voraussichtlich ausfallen wird. Vielmehr ist die klägerseits angesetzte Quote plausibel, weil die Klägerin sich ja gerade kein sicheres Wissen vom Bestehen der Forderung zutraut und die mit der Klage erstrebte Akteneinsicht/Auskunft ein bloßes Hilfsmittel sein soll (§ 3 ZPO).