Titel:
Keine Haftung der Porsche AG für Thermofenster in von Audi geliefertem Dieselmotor (hier: Porsche Cayenne)
Normenkette:
BGB § 31, § 826
Leitsätze:
1. Zu - jeweils verneinten - (Schadensersatz-)Ansprüchen von Käufern eines Porsche-Fahrzeugs, in das ein mit einem sog. Thermofenster ausgestatteter, von Audi entwickelter Diesel-Motor eingebaut ist, vgl. auch OLG München BeckRS 2020, 41015; BeckRS 2020, 44392; OLG Dresden BeckRS 2020, 32522; BeckRS 2021, 6203; OLG Bamberg BeckRS 2021, 2533; LG München I BeckRS 2020, 42410; LG München II BeckRS 2020, 43746; LG Nürnberg-Fürth BeckRS 2020, 43093; LG Würzburg BeckRS 2020, 44850. (redaktioneller Leitsatz)
2. Sachvortrag zum Motor EA 189 kann nicht einfach pauschal auf den - im hier streitgegenständlichen Fahrzeug eingebauten - Motor V6 EU5 übertragen werden. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein etwaiges sittenwidriges Verhalten der Audi AG im Zusammenhang mit der Herstellung des Motors ist der Porsche AG als Fahrzeugherstellerin nicht ohne Weiteres zuzurechnen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Implementation eines Thermofensters reicht per se nicht aus, um das Gesamtverhalten der Fahrzeugherstellerin als sittenwidrig zu qualifizieren. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Diesel-Abgasskandal, Porsche, 3.0 Liter V6-Dieselmotor, unzulässige Abschalteinrichtung, Thermofenster, Sittenwidrigkeit, Zurechnung, Gesamtverhalten
Fundstelle:
BeckRS 2021, 8686
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert des Verfahrens wird festgesetzt auf € ….
Tatbestand
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Der Kläger fordert von der Beklagten auf deliktischer Grundlage die Rückabwicklung eines Autokaufes.
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Der Kläger erwarb am 19.02.2014 vom Porsche Zentrum … den im Klageantrag Ziffer 1 näher bezeichneten, neuen Porsches Cayenne zum Preis von € … (Anlage K 1). Im Fahrzeug ist ein Dieselmotor V6 EU5 verbaut. Dieser wurde von der … hergestellt und zur Beklagten geliefert, die den Motor dann im streitgegenständlichen Pkw verbaute. Das streitgegenständliche Fahrzeug wies bei Klageerhebung einen Kilometerstand von 20.000 km und in der mündlichen Verhandlung am 02.03.2021 einen Kilometerstand von 34.013 km auf.
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Das Kraftfahrtbundesamt leitete Ende 2019 ein Anhörungsverfahren im Hinblick auf diesen Fahrzeugtyp ein. Dieses Verfahren wurde im September 2020 abgeschlossen. Es wurde kein emissionsbezogener Rückruf durch das Kraftfahrbundesamt angeordnet. Der Motor ist auch nicht von einer verpflichtenden Softwareaktualisierung betroffen. Im Juni 2020 wurde auf das streitgegenständliche Fahrzeug ein freiwilliges Softwareupdate aufgespielt.
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Mit anwaltlichem Schreiben vom 30.11.2018 forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 14.12.2018 auf, die Ansprüche des Klägers auf Schadensersatz anzuerkennen (Anlage K 3).
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Der Kläger trägt vor, im streitgegenständlichen Fahrzeug sei eine unzulässige Prüfstandserkennung, ein unzulässiges Thermofenster, eine unzulässige Lenkwinkelerkennung und eine unzulässige Neigungserkennung verbaut.
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Der Kläger beantragt - nach Teilklagerücknahme hinsichtlich der Deliktszinsen und erstmaliger Anrechnung eines Nutzungsersatzes - zuletzt zu erkennen:
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Die Beklagte beantragt:
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Die Beklagte ist der Ansicht, die Klage sei unsubstantiert; im Übrigen komme eine deliktische Haftung nicht in Betracht
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 02.03.2021 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Die Klage hat keinen Erfolg.
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1. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von € … aus §§ 826, 31 BGB zu.
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a) Es fehlt insoweit es bereits an Sachvortrag des Klägers, der geeignet wäre. Im Zusammenhang mit den angegebenen Rechtssätzen die begehrte Rechtsfolge zu ergeben. Bei den Angaben des Klägers handelt es sich vielmehr um einen Vortrag „ins Blaue hinein“.
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Unstreitig ist im streitgegenständlichen Fahrzeug ein Motor V6 EU5 verbaut. Sämtlicher durch den Kläger vorgebrachter Sachvortrag zum nicht streitgegenständlichen Motor EA189 kann aus Sicht des Gerichts nicht einfach auf den Motor V6 EU5 übertragen werden. Die Ausführungen des Klägers sind zu pauschal (vgl. auch OLG München, 17 U 7360/19, Hinweisbeschluss vom 31.03.2020). Dies gilt umso mehr, da für das streitgegenständliche Fahrzeug unstreitig durch das Kraftfahrtbundesamt keine emissionsbedingte Rückrufaktion durchgeführt wurde und nicht einmal ein verpflichtendes Softwarupdate gefordert wurde. Eine Beweisaufnahme konnte daher nicht angeordnet werden, da sie eine unzulässige Ausforschung darstellen würde.
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b) Aber selbst, wenn man den klägerischen Vortrag als wahr unterstellen würde, läge keine sittenwidrige Schädigung gerade durch die Beklagte vor. Denn die Beklagte hat den streitgegenständlichen Motor unstreitig nicht selbst hergestellt. Etwaiges sittenwidriges Verhalten der … ist der Beklagten nicht ohne Weiteres zuzurechnen (BGH VI ZR 505/19). Ferner reicht die Implementation eines Thermofensters per se gerade nicht aus, um das Gesamtverhalten der Beklagten als sittenwidrig zu qualifizieren (vgl. BGH VI ZR 889/20).
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2. Schadensersatzansprüche des Klägers aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 I, § 27 I EG-FGV und § 823 II BGB i.V.m. § 263 StGB, § 31 BGB bestehen nicht (vgl. BGH ZIP 2020, 1715 Rn. 10 ff, 17 ff; ZIP 2021, 84 Rn. 20).
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3. Mangels Hauptanspruch ist der Antrag auf Feststellung von Annahmeverzug ebenso unbegründet wie die Anträge auf Zinsen und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten.
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4. Andere durchgreifende Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich.
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1. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.
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2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und 2 ZPO.
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3. Die Streitwertfestsetzung basiert auf § 63 Abs. 2 S. 1 GKG. Maßgebend war gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Halbsatz 1 ZPO der ursprünglich in der Klageschrift geltend gemachte Hauptsachewert. Dieser beläuft sich auf € … da der Kläger zum damaligen Zeitpunkt der Auffassung war, ein Abzug von Nutzungsersatz müsse er nicht zulassen. Die insoweit (neben den Deliktszinsen) erklärte Teilklagerücknahme führte nicht zu einer Streitwertreduzierung: eine gestaffelte Streitwertfestsetzung scheidet aus (vgl. OLG München NJW-RR 2017, 700). Der Antrag auf Feststellung des Annahmeverzuges hat wegen wirtschaftlicher Identität keinen eigenen Wert (BGH, Aktenzeichen IX ZR 109/17, Tz 4). Die ferner geltend gemachten Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten hatten gemäß § 4 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO insoweit außer Betracht zu bleiben.