Inhalt

VG Würzburg, Beschluss v. 23.04.2021 – W 8 E 21.546
Titel:

Eilverfahren, Vorwegnahme der Hauptsache, begehrte allgemeine Befreiung von der Maskenpflicht im Gymnasium, begehrtes generelles Absehen vom Testerfordernis als Voraussetzung für die Teilnahme am Präsenzunterricht im Gymnasium, keine Ausnahmegenehmigung von Maskenpflicht und Testerfordernis, spezielle gesundheitliche Gründe oder konkret individuelle Gründe nicht glaubhaft gemacht, grundsätzliche Kritik an Maskenpflicht und am Testerfordernis in der Schule, Teilnahme am Präsenzunterricht ohne Maske und ohne Test unmittelbar kraft Verordnung untersagt, kein atypischer Ausnahmefall, familienrechtliche Generalklausel rechtfertigt keine Maßnahmen gegen öffentlich-rechtliche Körperschaften und deren Funktionsträger, familienrechtliche Generalklausel zum Kindeswohl ermöglicht keine Anordnungen zur Missachtung öffentlich-rechtlicher Vorschriften und zur Begehung von Rechtsverstößen, keine Gefährdung des Kindeswohls, Ablehnung von Prozesskostenhilfe

Normenketten:
VwGO § 40
VwGO § 88
VwGO § 123
BayIfSMV § 18 Abs. 2 12.
BayIfSMV § 18 Abs. 4 12.
BayIfSMV § 28 Abs. 2 12.
BGB § 1666
Schlagworte:
Eilverfahren, Vorwegnahme der Hauptsache, begehrte allgemeine Befreiung von der Maskenpflicht im Gymnasium, begehrtes generelles Absehen vom Testerfordernis als Voraussetzung für die Teilnahme am Präsenzunterricht im Gymnasium, keine Ausnahmegenehmigung von Maskenpflicht und Testerfordernis, spezielle gesundheitliche Gründe oder konkret individuelle Gründe nicht glaubhaft gemacht, grundsätzliche Kritik an Maskenpflicht und am Testerfordernis in der Schule, Teilnahme am Präsenzunterricht ohne Maske und ohne Test unmittelbar kraft Verordnung untersagt, kein atypischer Ausnahmefall, familienrechtliche Generalklausel rechtfertigt keine Maßnahmen gegen öffentlich-rechtliche Körperschaften und deren Funktionsträger, familienrechtliche Generalklausel zum Kindeswohl ermöglicht keine Anordnungen zur Missachtung öffentlich-rechtlicher Vorschriften und zur Begehung von Rechtsverstößen, keine Gefährdung des Kindeswohls, Ablehnung von Prozesskostenhilfe
Fundstelle:
BeckRS 2021, 8444

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
IV. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird sowohl für das vorliegende Sofortverfahren als auch für das Klageverfahren W 8 K 21.545 abgelehnt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin ist eine knapp 13 Jahre alte Gymnasiastin. Sie wendet sich im Wege des Eilrechtsschutzes gegen die Anordnung zum Tragen eines Mund- und Nasenschutzes während und außerhalb des Unterrichts sowie gegen das Testerfordernis als Voraussetzung für die Teilnahme am Präsenzunterricht.
2
Mit Schreiben vom 8. April 2021 erhob die Antragstellerin Klage sowie Sofortantrag beim Amtsgericht Bad Kissingen. Das Amtsgericht Bad Kissingen, Abteilung für Familiensachen, erklärte sich mit Beschluss vom 19. April 2021 für unzuständig und verwies das Verfahren an das zuständige Verwaltungsgericht Würzburg.
3
Im Schriftsatz vom 8. April 2021 ließ die Antragstellerin, vertreten durch ihre Eltern, anregen,
1.
von Amts wegen ein Verfahren gemäß § 1666 Abs. 1 und 4 BGB zur Beendigung einer derzeit bestehenden nachhaltigen Gefährdung des körperlichen, seelischen und geistigen Wohls von … … … sowie darüber hinaus aller weiteren Schulkinder des … …, die aufgrund von zwingenden schulinternen Anordnungen zum Tragen eines Mund- und Nasenschutzes während und außerhalb des Unterrichts sowie der Testpflicht zur Teilnahme am Präsenzunterricht besteht, zu eröffnen,
2.
die Rechtmäßigkeit der dieser Anordnung zugrundeliegenden Vorschriften - insbesondere der 12. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 5. März 2021 i.V.m. dem Rahmenhygieneplan Schule vom 12. März 2021 sowie des Beschlusses des Ministerrates vom 7. April 2021 - zu überprüfen,
3.
hilfsweise für den Fall, dass eine Entscheidung der Hauptsache aus formellen Gründen kurzfristig nicht möglich ist, eine einstweilige Anordnung ohne mündliche Verhandlung nach § 49 ff. FamFG zu erlassen, mit der die nachstehend begründete Gefährdungslage für … … … bis zur Entscheidung in der Hauptsache durch vorläufige Aussetzung der schul-internen Anordnungen zum Tragen des Mund- und Nasenschutzes sowie der Testpflicht zur Teilnahme am Präsenzunterricht vorläufig aufgehoben wird,
4.
dem Kind im Hinblick auf die fachübergreifend zu bewertende Situation … … … … als Verfahrensbeistand gemäß § 158 FamFG i.V.m. Art. 16 Abs. 2, 37 UN-Konvention über die Rechte des Kindes beizuordnen.
4
Zur Antragsbegründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Das Familiengericht sei zuständig. Bereits im November 2020 sei nach Einführung der Maskenpflicht für Schüler festzustellen gewesen, dass die Antragstellerin vermehrt über Kopfschmerzen, Schwindel, Konzentrationsschwächen und Lustlosigkeit geklagt habe. Das Kindeswohl sei gefährdet. Die Grundrechte des Kindes und seiner Mitschüler resultierten insbesondere aus Art. 1, Art. 2 und Art. 6 GG. Darüber hinaus statuiere die UN-Kinderrechtskonvention verschiedene Rechte, ebenso die Europäische Menschenrechtskonvention. Schließlich würden die Grenzen staatlichen Handelns im Internationalen Pakt über bürgerliche Rechte und politische Rechte festgelegt. Das Infektionsschutzgesetz und die daraus resultierenden Maßnahmen seien an diesen Vorschriften zu messen. Vorliegend ergebe sich eine Gefährdung des körperlichen, geistigen und des seelischen Wohls der Antragstellerin aus den in der 12. BayIfSMV enthaltenen Vorgaben i.V.m. dem Rahmenhygieneplan Schule. Durch den Maskenzwang sei ein soziales Miteinander, wie es für die Entwicklung in der Altersgruppe normal und notwendig sei, unterbunden. Schreiben an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus seien unbeantwortet geblieben. Inzwischen sei festzustellen, dass zahlreiche Veröffentlichungen ihre Erfahrungen mit den Auswirkungen der Maßnahmen auf das körperliche, geistige und seelische Wohl des Kindes bestätigten. Jeder Lehrer und jeder Betreuer, der sich darauf berufe, Anweisungen zu folgen und den Kindern Masken und Tests aufoktroyiere, schädige die Kinder an ihrer Gesundheit, was letztlich als Missbrauch von Schutzbefohlenen zu werten sei. Das Familiengericht sei verpflichtet, gegenüber Dritten, hier insbesondere Lehrkräften und Schulleitung, die Rechtswidrigkeit bzw. Nichtigkeit der das Kind und seine Mitschüler gefährdenden schulinternen Anordnungen festzustellen und anzuordnen, dass diese zu unterlassen seien. Um die dauerhafte Gefahrenlage durch weitere Maßnahmen zu Lasten des Kindeswohls zu beenden, müsse das Gericht darüber hinaus die Unwirksamkeit der 12. BayIfSMV als Grundlage für die Maßnahmen an Schulen feststellen. Der Gesetz- und Verordnungsgeber dürfe nicht von unzutreffenden tatsächlichen Gegebenheiten ausgehen. Persönliche Befindlichkeiten und Ansichten des Bundeskanzlers und der Ministerpräsidenten seien hierfür untauglich. Die Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus habe an Schulen bislang eine untergeordnete Rolle gespielt. Kinder trügen nicht überproportional zum Infektionsgeschehen bei. Die Erforderlichkeit der Maßnahmen sei von dem bisherigen Infektionsgeschehen sowie auch mit Blick auf den Schutz des Gesundheitssystems fraglich. Die Maskenpflicht an Schulen sei ungeeignet, da es keine belastbaren Hinweise gebe, dass Masken im Alltag effektiv zur Reduktion von Infektionen führten. Das Verbot sozialer Kontakte von Kindern sei kein grundrechtskonformes Gemeinwohlziel. Die Testpflicht an Schulen sei ebenfalls als Kindeswohlgefährdung anzusehen, da diese einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit darstelle. Außerdem sei nicht ersichtlich wie mit Hilfe eines PCR-Tests das Infektionsgeschehen eingedämmt werden solle, da dieser Test keinerlei Aussagen zur Infektiosität des Einzelnen treffen könne. Die Vorgaben der Verordnung und Rahmenhygienepläne gemessen an den Kriterien der Erforderlichkeit, Geeignetheit und Angemessenheit seien nicht verhältnismäßig und somit aufzuheben. Es bestünden erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Außerdem bestünden Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Infektionsschutzgesetzes.
5
Mit Schriftsatz vom 22. April 2021 beantragte das Landratsamt Bad Kissingen für den Antragsgegner:
6
Der Antrag wird abgelehnt.
7
Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Dem Antrag fehle bereits das Rechtsschutzbedürfnis, weil zuvor kein Antrag auf Befreiung oder Ausnahmegenehmigung gestellt worden sei. Weiter sei kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Eine mögliche Gesundheitsgefährdung aus persönlichen Gründen sei nicht vorgetragen worden. Eine Ausnahme sei auch aus infektionsschutzrechtlicher Sicht nicht vertretbar. Das Infektionsgeschehen im Landkreis sei diffus. Ein starker Anstieg von Neuinfektionen sei auch in den Schulen zu verzeichnen. In elf Schulen und vier Kindertageseinrichtungen seien Infektionsfälle bekannt und Quarantänemaßnahmen angeordnet. Auch zur Testobliegenheit seien keine persönlichen oder gesundheitlichen Gründe vorgetragen, die eine Ausnahme rechtfertigen könnten.
8
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze samt Anlagen in der Gerichtsakte (einschließlich der Akten des Klageverfahrens W 8 K 21.545 und der Verfahren des Bruders W 8 K 21.547 und W 8 E 21.548) Bezug genommen.
II.
9
Bei verständiger Würdigung des Vorbringens der Antragstellerin und des gestellten Antrags (§ 122 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 88 VwGO) ist dieser wohlwollend im Interesse der Antragstellerin dahingehend auszulegen, dass die Antragstellerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes für sich und ihre Mitschüler bzw. Mitschülerinnen entweder die Feststellung begehrt, dass sie und ihre Mitschüler/innen von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung auf dem Gelände des von ihr besuchten Gymnasiums sowie vom Testerfordernis in Bezug auf eine Infektion mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 als Voraussetzung für die Teilnahme am Präsenzunterricht befreit sind, verbunden mit der Verpflichtung des Antragsgegners, die Antragstellerin die Schule ohne Maske und ohne Vorlage eines Tests auf das Coronavirus besuchen zu lassen, oder eine Ausnahmegenehmigung begehrt, dass sie und ihre Mitschüler bzw. Mitschülerinnen von der Maskenpflicht auf dem Schulgelände ausgenommen sind sowie dass die Teilnahme am Präsenzunterricht auch ohne Test in Bezug auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 zugelassen wird.
10
Für den so verstandenen Antrag ist das Verwaltungsgericht Würzburg zuständig. Abgesehen davon, dass das Gericht an die Verweisung des Amtsgerichts Bad Kissingen gebunden ist, ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet, weil sich das Antragsbegehren gegen Maßnahmen der Träger öffentlicher Gewalt einschließlich der Schulbehörden richtet. Die gerichtliche Kontrolle dieser hoheitlichen Maßnahmen einschließlich der Gesundheitsschutzmaßnahmen in den Schulen, die auf öffentlichem Recht basieren, obliegt allein den Verwaltungsgerichten (vgl. zuletzt nur VG Weimar, B.v. 20.4.2021 - 8 E 416/21 We - juris Rn 6 f.; AG Waldshut-Tiengen, B.v. 13.04.2021 - 306 Ar 6/21 - juris Rn. 8).
11
Soweit die Antragstellerin generelle Bedenken, insbesondere gegen die betreffenden Regelungen in der 12. BayIfSMV anmeldet, ist nicht das Verwaltungsgericht Würzburg zuständig, sondern wäre der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Wege eines Normenkontrollverfahrens nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO bzw. im Eilverfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO zuständig. Der Antragstellerin bzw. ihren gesetzlichen Vertretern bleibt unbenommen, entsprechende Anträge direkt beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof unter Beachtung des Anwaltszwangs zu stellen.
12
Der vorliegende Antrag hat im Ergebnis keinen Erfolg. Der Antrag ist teilweise schon unzulässig, aber insgesamt jedenfalls unbegründet.
13
Statthaft ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vorliegend ein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung auf dem Schulgelände und im Unterricht der Schulen des Freistaats Bayern ergibt sich direkt aus § 18 Abs. 2 der 12. BayIfSMV, ebenso wie die mögliche Befreiung von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung aus gesundheitlichen Gründen (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 der 12. BayIfSMV). Die Vorlage eines Tests auf das Coronavirus als Voraussetzung für die Teilnahme am Präsenzunterricht und an den Präsenzphasen des Wechselunterrichts in den Schulen des Freistaats ergibt sich direkt aus § 18 Abs. 4 BayIfSMV. Soweit es um die Befreiung von der Maskenpflicht sowie um die Teilnahme am Präsenzunterricht ohne Test geht, spricht vieles dafür, dass in der Hauptsache eine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaft wäre und der Schulleiter - jedenfalls bezogen auf die Maskenpflicht - darüber zu befinden hätte (vgl. schon VG Würzburg, B.v. 3.12.2020 - W 8 E 20.1863 - juris). Soweit die Antragstellerin darüber hinaus eine Ausnahmegenehmigung von Regelungen der 12. BayIfSMV, insbesondere von der Maskenpflicht auf dem Schulgelände nach § 18 Abs. 2 der 12. BayIfSMV bzw. vom Testerfordernis als Voraussetzung für die Teilnahme am Präsenzunterricht nach § 18 Abs. 4 der 12. BayIfSMV begehrt, kommt theoretisch eine Ausnahmegenehmigung nach § 28 Abs. 2 der 12. BayIfSMV in Betracht, über die aber nicht der Schulleiter, sondern das Landratsamt zu entscheiden hätte (BayVGH, B.v. 16.3.2021 - 20 NE 21.627 - juris Rn. 27; B.v. 3.12.2020 - 20 CE 20.2809 - juris Rn. 17). Dafür wäre in der Hauptsache eine Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO statthaft.
14
Der Eilantrag ist ebenso wie die Klage jedoch nur insoweit zulässig, als sich die jeweiligen Begehren auf die Antragstellerin selbst beziehen. Soweit die Antragstellerin sowohl in der Klage als auch im Eilverfahren die Befreiung bzw. die Ausnahmen von der Maskenpflicht sowie vom Testerfordernis auch für ihre Mitschüler und Mitschülerinnen begehrt, ist die Klage unzulässig. Gleichermaßen ist entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO ein dahingehender Eilantrag unzulässig, weil die Antragstellerin mit Bezug auf ihre Mitschüler/innen ohne deren ausdrückliche jeweilige Bevollmächtigung nicht einfach als deren Sachwalter auftreten und geltend machen kann, möglicherweise in eigenen Rechten verletzt zu sein. Im Gegenteil spricht vieles dafür, dass ein dahingehendes Begehren zu Lasten der anderen Schulkinder gehen würde, weil diese dadurch ohne ihr Zutun einem höheren Infektionsrisiko und weiteren Gesundheitsgefahren ausgesetzt sein könnten.
15
Der allein für die Person der Antragstellerin zulässige Antrag nach § 123 VwGO ist unbegründet.
16
Die Antragstellerin hat keinen Anordnungsanspruch dahingehend glaubhaft gemacht, dass sie von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung auf dem Schulgelände oder vom Testerfordernis für den Präsenzunterricht befreit ist oder einen Rechtsanspruch für die Erteilung einer dahingehenden Ausnahmegenehmigung hat.
17
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gefahr zu verhindern oder wenn es aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung setzt nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO voraus, dass die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft machen kann. Eine Glaubhaftmachung liegt vor, wenn sich das Vorliegen von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch als überwiegend wahrscheinlich darstellt.
18
Im Hinblick auf die durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete Garantie effektiven Rechtsschutzes ist der Antrag dann begründet, wenn der geltend gemachte Anspruch hinreichend wahrscheinlich ist (Anordnungsanspruch) und es der Antragstellerin schlechthin unzumutbar ist, das Ergebnis des Hauptsacheverfahrens abzuwarten (Anordnungsgrund). Diese Voraussetzungen sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen.
19
Vorliegend besteht zudem die Besonderheit, dass die Feststellung im Wege der einstweiligen Anordnung, dass die Antragstellerin von der Verpflichtung, eine Mund-Nasen-Bedeckung auf dem Schulgelände zu tragen, befreit ist und auch das Testerfordernis nicht beachten muss, bzw. die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung bezogen auf die Maskenpflicht und das Testerfordernis jedenfalls zu einer teilweisen Vorwegnahme der Hauptsache führen würden. Denn selbst bei einem Obsiegen in der Hauptsache könnte der Antragstellerin nicht mehr zugesprochen bekommen, als was sie ausgehend von dem gestellten Antrag sowie unter Berücksichtigung des Vorbringens begehrt. Eine Vorwegnahme der Hauptsache widerspricht grundsätzlich dem Wesen und dem Zweck der einstweiligen Anordnung. Im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung kann das Gericht grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und einer Antragstellerin nicht schon im vollen Umfang, wenn auch nur unter Vorbehalt einer neuen Entscheidung in der Hauptsache, das gewähren, was sie nur in einem Hauptsacheprozess erreichen könnte. Im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG, welcher einen effektiven Rechtsschutz gewährleistet, ist eine Vorwegnahme der Hauptsache im Eilverfahren ausnahmsweise dann zulässig, wenn dies im Interesse des Rechtsschutzes erforderlich ist und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit auch für den Erfolg im Hauptsacheverfahren spricht (vgl. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 123 Rn. 13 f.). Maßgeblich für die Entscheidung über das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 123 Rn. 27 m.w.N.).
20
Gemessen hieran liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht vor. Die Antragstellerin hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Erfolgsaussichten ihrer Klage in der Hauptsache (W 8 K 21.545) sind bei summarischer Prüfung offenkundig nicht gegeben.
21
Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass sie aktuell von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung auf dem Schulgelände ihrer Schule aus gesundheitlichen Gründen oder aufgrund einer Behinderung gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 12. BayIfSMV befreit ist.
22
Denn die Antragstellerin hat die in der 12. BayIfSMV abschließend genannten Befreiungs- bzw. Ausnahmegründe von der Maskenpflicht überhaupt nicht konkret thematisiert und schon nicht behauptet, dass deren Voraussetzungen in ihrer Person aktuell vorlägen. Die Maskenpflicht auf dem Schulgelände ergibt sich unmittelbar aus § 18 Abs. 2 Satz 1 12. BayIfSMV i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 1 12. BayIfSMV. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 12. BayIfSMV sind Personen, die glaubhaft machen können, dass ihnen das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung aufgrund einer Behinderung oder aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich oder unzumutbar ist, von der Trageverpflichtung befreit; die Glaubhaftmachung erfolgt bei gesundheitlichen Gründen insbesondere durch eine ärztliche Bescheinigung, die die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose) durch lateinische Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie den Grund, warum sich hieraus eine Befreiung der Tragepflicht ergibt, enthält. Dahingehende Gründe hat die Antragstellerin nicht vorgebracht. Sie hat vorliegend vielmehr nur allgemein auf ihr Kindeswohl verwiesen, aber keine konkreten gesundheitlichen Gründe benannt, geschweige denn ein aktuelles aussagekräftiges ärztliches Attest entsprechend der soeben genannten Vorgaben vorgelegt. Das Erfordernis eines aussagekräftigen Attestes zur Beurteilung eines möglichen Befreiungsgrundes deckt sich mit der gängigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. VG Würzburg, B.v. 3.12.2020 - W 8 E 20.1863 - juris Rn. 21 m.w.N.). Auch sonstige in der Verordnung genannten Befreiungs- oder Ausnahmegründe (siehe § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 bzw. § 18 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und 3 der 12. BayIfSMV), die das kurzzeitige Abnehmen der Maske zulassen, hat die Antragstellerin nicht geltend gemacht, zumal ihr Begehren weit über diese Möglichkeiten hinausreicht.
23
Die Antragstellerin hat weiter keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, dass sie am Präsenzunterricht auf dem Schulgelände ohne Test auf das Coronavirus teilnehmen darf (vgl. auch schon VG Würzburg, B.v. 20.04.2021 - W 8 E 21.530 - juris bzw. dejure.org).
24
Denn aus § 18 Abs. 4 Satz 1 der 12. BayIfSMV ergibt sich unmittelbar, dass die Teilnahme am Präsenzunterricht und an den Präsenzphasen des Wechselunterrichts sowie an der Notbetreuung und der Mittagsbetreuung Schülerinnen und Schülern nur erlaubt ist, wenn sie sich zwei Mal wöchentlich, im Fall des Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 mindestens zwei Mal wöchentlich, nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5 einem Test in Bezug auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 unterziehen. Diese Regelung gilt - abgesehen von der allgemeinen Ausnahmemöglichkeit des § 28 Abs. 2 der 12. BayIfSMV - nach der 12. BayIfSMV unmittelbar und uneingeschränkt, ohne dass die Schule davon abweichen kann.
25
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 12. April 2021 unter anderem unter Bezugnahme auf die Begründung zur Änderungsverordnung der 12. BayIfSMV ausgeführt: „Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Maßnahme ist entscheidend, dass gerade im Hinblick auf den Schutz besonders sensibler Gesundheitsdaten (Art. 9 DSGVO) die Teilnahme an den Testungen nach § 18 Abs. 4 12. BayIfSMV ausschließlich freiwilliger Natur ist. Dies gilt auch für die Verarbeitung der hierdurch gewonnenen Gesundheitsdaten. Eine Einwilligung (Art. 4 Nr. 11 DSGVO) setzt zunächst eine freiwillige Entscheidung voraus. Nach der Datenschutz-Grundverordnung kann eine Willensbekundung nur freiwillig sein, wenn die betroffene Person „eine echte oder freie Wahl hat und somit in der Lage ist, die Einwilligung zu verweigern oder zurückzuziehen, ohne Nachteile zu erleiden“ (Erwägungsgrund [ErwGr] 42 DSGVO). Die Einwilligung ist jederzeit frei widerruflich, worüber der Betroffene zu belehren ist (Art. 7 Abs. 3 DSGVO). Ob der Verordnungsgeber auch sonstige Gründe nach Art. 9 Abs. 2 GDVO, welche eine Verarbeitung der Gesundheitsdaten auch gegen den Willen der Betroffenen erlauben würden, in Erwägung gezogen hat, lässt sich der Begründung der Verordnung nicht entnehmen und muss deshalb im Rahmen der Prüfung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren außer Betracht bleiben. Dies bedeutet, dass Schülerinnen und Schüler, welche einen Test nicht durchführen wollen oder können, nicht vom Unterrichtsangebot ausgeschlossen werden dürfen, sondern am Distanzunterricht und am Distanzlernen teilnehmen können. … Der Senat versteht die Begründung der Verordnung nicht in der Weise, dass Schülerinnen und Schüler, die keinen negativen Test vorweisen, nur dann am Distanzunterricht teilnehmen können, wo dieser gegebenenfalls angeboten wird, sondern in der Weise, dass ähnlich dem Wechselunterricht, soweit erforderlich, grundsätzlich Präsenz- und Distanzunterricht flächendeckend stattfindet. Nur so sind die Freiwilligkeit der datenschutzrechtlichen Einwilligung und damit das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) gewährleistet. Denn entfiele eine Beschulung insgesamt, könnte nicht mehr von einer freien Wahl der Schülerinnen und Schüler bzw. ihrer Erziehungsberechtigten ausgegangen werden. Es bestünde die Gefahr, dass die Einwilligung gerade nicht aufgrund eines freiwilligen Entschlusses erfolgt, sondern unter dem „Druck“, ansonsten vom Schulunterricht gänzlich ausgeschlossen zu werden und damit womöglich Bildungsnachteile zu erfahren.“ (BayVGH, B.v. 12.4.2021 - 20 NE 21.926 - juris Rn. 24 u. 27; B.v.13.4.2021 - 20 NE 21.1032 - juris Rn. 24 u. 27).
26
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat sich mit diesen Ausführungen auf die Begründung der Änderungsverordnung (BayMBl. 2021 Nr. 262) bezogen. Dort ist unter anderem ausgeführt: „ein Anspruch auf bestimmte Angebote besteht nicht. Dies bedeutet: Wenn es Distanzunterricht an der Schule für die jeweilige Jahrgangsstufe gibt, sind Schülerinnen und Schüler, die keinen negativen Coronatest nachweisen können bzw. wollen, verpflichtet, am Distanzunterricht teilzunehmen. Andererseits sind die Schulen nicht verpflichtet, bestimmte Distanzangebote für die Schülerinnen und Schüler einzurichten. Die Schülerinnen und Schüler können auch keinen Anspruch darauf erheben. Es gilt dann letztlich dasselbe, wie bei den Schülerinnen und Schüler, die aufgrund einer individuellen Gefährdung vom Präsenzunterricht bzw. den Präsenzphasen des Wechselunterrichts beurlaubt sind. Die Schulen werden sich im Rahmen der Kapazitäten darum bemühen, auch für diese Schülerinnen und Schüler mindestens angemessene Lernangebote zur Verfügung zu stellen. Die Schulpflicht wird durch diese Lernangebote erfüllt.“
27
Ausgehend von dieser Begründung, die vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich wie zitiert gebilligt ist, muss sich ein Schulkind, das nicht getestet werden will, auf den Distanzunterricht verweisen lassen. Weiter hat eine Schülerin oder ein Schüler dabei keinen Anspruch auf bestimmte Lerninhalte in den einzelnen Fächern. Der Distanzunterricht kann - auch inhaltlich - zwangsläufig nicht mit einem durchgehenden Präsenzunterricht identisch sein und muss es auch nicht. Es genügt, wenn sie überhaupt ein Unterrichtsangebot erhalten und nicht gänzlich davon ausgeschlossen werden (BayVGH, B.v. 12.4.2021 - 20 NE 21.926 - juris Rn. 24; B.v.13.4.2021 - 20 NE 21.1032 - juris Rn. 24). Dem wäre auch Genüge getan, wenn bestimmte Unterrichtsinhalte entfallen würden, wie etwa auch beim Sportunterricht, oder nur gekürzt vermittelt werden (VG Würzburg, B.v. 20.04.2021 - W 8 E 21.530 - juris bzw. dejure.org).
28
Abgesehen davon hat die Antragstellerin auch sonst offenkundig keinen Anspruch auf eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 28 Abs. 2 der 12. BayIfSMV betreffend die Maskenpflicht oder das Testerfordernis als Voraussetzung für den Präsenzunterricht.
29
Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 28 Abs. 2 der 12. BayIfSMV liegen nicht vor. Dem Vorbringen die Antragstellerin ist schon nicht zu entnehmen, dass sie einen dahingehenden Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung bei der Kreisverwaltungsbehörde, also beim zuständigen Landratsamt, gestellt hat.
30
Abgesehen davon liegen die Voraussetzungen einer Ausnahmegenehmigung nicht vor. Nach § 28 Abs. 2 Satz 1 der 12. BayIfSMV können Ausnahmegenehmigungen von den Regelungen dieser Verordnung im Einzelfall auf Antrag von der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde erteilt werden, soweit dies aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist. Nach Satz 2 des § 28 Abs. 2 der 12. BayIfSMV dürfen Ausnahmegenehmigungen, die wie hier, einen generellen Personenkreis oder eine allgemeine Fallkonstellation betreffen, nur mit dem zusätzlichen Einvernehmen der zuständigen Regierung erteilt werden.
31
Vorliegend ist schon nicht ersichtlich, dass in der Person der Antragstellerin ein Einzelfall, also ein atypischer Ausnahmefall vorliegt. Vielmehr betrifft das Begehren vorliegend eine allgemeine Fallkonstellation und einen generellen Personenkreis in einer Schule. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Eröffnung eines Ermessensspielraums zur Erteilung einer Ausnahmegenehmigung liegen bereits nicht vor, da die Antragstellerin nicht geltend machen kann, aufgrund einer Atypik ihres Falles einen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zu haben. Es handelt sich vielmehr um einen Regelfall der Maskenpflicht und des Testerfordernisses in der Schule. Die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung setzt voraus, dass ein besonders gelagerter Fall vorliegt, der ein Abweichen von der allgemeinen Regelung rechtfertigen kann. Es muss sich um einen atypischen Einzelfall handeln, den der Verordnungsgeber beim Erlass der allgemein gültigen Regelungen nicht in Blick hatte. Erst wenn ein solcher vorliegt, eröffnet sich überhaupt für die zuständige Behörde ein Ermessensspielraum. Diese Sichtweise folgt aus dem Wesen eines Ausnahmefalles. Es muss um eine besondere Fallgestaltung gehen, die, hätte der Verwaltungsgeber sie erkannt, er vermutlich von sich aus ausgenommen hätte und die vom Regelfall abweicht. Das Erfordernis einer atypischen Fallgestaltung hängt auch mit dem weiteren Merkmal der infektionsschutzrechtlichen Vertretbarkeit zusammen. Die Kreisverwaltungsbehörde hat die Wertungen des Verordnungsgebers für den Regelfall zu beachten (vgl. zum Ganzen VG Würzburg, B.v. 14.4.2021 - W 8 E 21.510 - juris; VG Regensburg, B.v. 9.3.2021 - RO 5 E 21.363 - juris Rn. 35 ff.; B.v. 24.2.2021 - RO 5 E 21.170 - juris Rn. 32 ff.).
32
Ausgehend von diesem Maßstab hat die Antragstellerin primär keine konkret individuellen Gründe für sich vorgetragen, die die Annahme eines Sonderfalls im Vergleich zu allen anderen Schulkindern rechtfertigen würden, sondern sich gerade auch auf alle weiteren Schulkinder ihrer Schule bzw. generell auf alle Schulkinder bezogen. Dem Gericht leuchtet - gerade aufgrund des aktuellen pandemischen Geschehens, das sich erneut verstärkt und auch zunehmend Schulen betrifft (vgl. BayVGH, B.v. 12.4.2021 - 20 NE 21.926 - juris Rn. 31; B.v. 16.3.2021 - 20 NE 21.627 - juris Rn. 29 mit Bezug auf das Robert-Koch-Institut), wie der Antragsgegner anführt, auch im hier betroffenen Landkreis - nicht ein, dass eine so weitgehende allgemeine Ausnahme von der Maskenpflicht und dem Testerfordernis, wie von der Antragstellerin begehrt, in der Schule infektionsschutzrechtlich vertretbar sein sollte.
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Des Weiteren dürfen nach § 28 Abs. 2 Satz 2 der 12. BayIfSMV Ausnahmegenehmigungen nur unter der zusätzlichen Voraussetzung eines Einvernehmens der zuständigen Regierung erteilt werden, weil die von der Antragstellerin angesprochene Schulsituation eine allgemeine Fallkonstellation betrifft und darüber hinaus durch die angestrebte Begünstigung auch für die anderen Schulkinder einen generellen Personenkreis umfasst.
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Abgesehen davon, dass demnach schon die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nicht vorliegen, ist nicht ersichtlich, dass unabhängig davon eine Erteilung an einer Ausnahmegenehmigung zwingend vorzunehmen wäre. Vielmehr wäre eine Ermessensentscheidung zu treffen. Jedenfalls fehlte es hierbei offenkundig einer Ermessensreduzierung auf Null (vgl. näher VG Würzburg, B.v. 14.4.2021 - W 8 E 21.510 - juris; VG Regensburg, B.v. 9.3.2021 - RO 5 E 21.363 - juris Rn. 45 ff.).
35
Der von der Antragstellerin ausdrücklich angesprochene generalklauselartige § 1666 BGB ist im vorliegenden Fall offenkundig nicht einschlägig. Er geht den hier relevanten speziellen infektionsschutzrechtlichen Regelungen nicht vor, sondern hat diese vielmehr zu beachten. Die familienrechtliche Generalklausel des § 1666 BGB zum Kindeswohl rechtfertigt keine Maßnahmen gegen Träger hoheitlicher Gewalt, also öffentlich-rechtlichen Körperschaften und deren Funktionsträger. Erst recht ermöglicht sie keine Anordnung, die mit der Missachtung wirksamer öffentlich-rechtlicher Vorschriften verbunden wäre oder einen Verstoß gegen solche Vorschriften, wie hier die 12. BayIfSMV, gebieten würde. Denn § 1666 BGB ist keine taugliche Rechtsgrundlage für die Befugnis, Anordnungen gegenüber Hoheitsträgern, Behörden und Vertretern von Behörden zu treffen. Für eine solche Anordnungskompetenz fehlt es an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage. Bei den in § 1666 Abs. 4 BGB genannten Dritten handelt es sich um private Personen, nicht um Träger öffentlicher Gewalt (vgl. mit weiteren Nachweisen VG Weimar, B.v. 20.4.2021 - 8 E 416/21 We - juris Rn. 7; AG Waldshut-Tiengen, B.v. 13.4.2021 - 306 Ar 6/21 - juris Rn. 8; AG Wittenberg, B.v. 8.4.2021 - 5 F 140/21 EASO - juris Rn. 11; AG Reutlingen [Familiengericht], B.v. 7.4.2021 - 16 F 247/21 - BeckRS 2021, 7047 Rn. 20; siehe auch AG Hannover, Pressemitteilung vom 15.4.2021 - juris).
36
§ 1666 BGB regelt mögliche familiengerichtliche Maßnahmen bei einer Gefährdung des Kindeswohls, die primär auf die Eltern zielen und nur ausnahmsweise auch Dritte als Adressaten ansprechen können. Insbesondere können Rechte der Eltern, das Kind zu erziehen, und das Recht des Kindes, nur von seinen Eltern erzogen zu werden, sowohl eingeschränkt als auch gegen die Beeinträchtigung durch Dritte gesichert werden. Darum geht es hier aber nicht. Erforderlich wäre zudem eine konkrete gegenwärtige Gefahr für das Kind und das Kindeswohl, die mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (vgl. Burghart in beck-online, Großkommentar, GesamtHrsg: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Hrsg: Wellenhofer, Stand: 01.02.2021, § 1666 BGB Rn. 1, 89 ff. und 102 ff.). Dafür ist nichts ersichtlich. Vielmehr steht die Maskenpflicht sowie auch das Testerfordernis in der Schule dem Kindeswohl nicht entgegen, sondern dient ihm sogar, weil die streitgegenständlichen Hygienemaßnahmen gerade einer Gefährdung des Kindeswohles vorbeugen sollen und die infektionsschutzrechtlichen Regelungen unter bestimmten Voraussetzungen konkrete individuelle Befreiungs- und Ausnahmemöglichkeiten für den Einzelfall vorsehen (vgl. auch AG Wittenberg, B.v. 8.4.2021 - 5 F 140/21 EASO - juris Rn. 8 ff., 11 f.; AG Reutlingen [Familiengericht], B.v. 7.4.2021 - 16 F 247/21 - BeckRS 2021, 7047 Rn. 5 ff., 8 und 11).
37
Soweit das Amtsgericht Weimar (B.v. 8.4.2021 - 9 F 148/21 - juris) und das Amtsgericht Weilheim (B.v. 13.4.2021 - 2 F 192/21 - juris) abweichende Auffassungen vertreten, sind diese für das Verwaltungsgericht Würzburg nach den vorstehenden Ausführungen juristisch nicht nachvollziehbar. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat zur Entscheidung des Amtsgerichts Weimar vom 8. April 2021 ausdrücklich ausgeführt, er erachte die Entscheidung „hinsichtlich der Annahme der Rechtswegzuständigkeit, der Verfahrensgestaltung, der Art und Weise der Sachverhaltsermittlung und schließlich des Ergebnisses als ausbrechenden Rechtsakt und misst ihr daher keine entscheidungserhebliche Bedeutung bei“ (BayVGH, B.v. 16.4.2021 - 10 CS 21.1113, Urteilsabdruck S. 11; veröffentlicht: https://www.vgh.bayern.de/media/bayvgh/presse/10_cs_21.1113_anonym; vgl. auch VGH BW, Be.v. 22.4.2021 - 1 S 1007/21, 1 S 1047/21, 1 S 1049/21, 1 S 1121/21, 1 S 1137/21 - juris).
38
Unabhängig davon weist das Gericht darauf hin, dass Anlass zur Prüfung bestehen könnte, ob umgekehrt bei der Kindesmutter bzw. Eltern eine das Kindeswohl gefährdende Verkennung der tatsächlichen Gefahrenlage in Zusammenhang mit den Schutzmaßnahmen vor dem SARS-CoV-2-Virus vorliegen könnte, weil beim Unterlassen der Schutzmaßnahmen ein nicht nur völlig unerhebliches Risiko einer schwerwiegenden Erkrankung des Schulkindes drohen könnte (so ausdrücklich AG Wittenberg, B.v. 8.4.2021 - 5 F 140/21 EASO - juris Rn. 17 und 23).
39
Ergänzend wird weiter angemerkt, dass das Gericht keine durchgreifenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit und Verfassungsmäßigkeit der streitgegenständlichen Regelungen in § 18 Abs. 2 und 4 der 12. BayIfSMV hat (vgl. dazu etwa BayVerfGH, B.v. 22.4.2021 - Vf. 26-VII-21 - beck-aktuell; BayVGH, B.v. 12.4.2021 - 20 NE 21.926 - juris; B.v.13.4.2021 - 20 NE 21.1031 - juris; B.v. 16.3.2021 - 20 NE 21.627 - juris; B.v. 8.12.2020 - 20 CE 20.2875 - juris; siehe auch VGH BW, Be.v. 22.4.2021 - 1 S 1007/21, 1 S 1047/21, 1 S 1049/21, 1 S 1121/21, 1 S 1137/21 - juris; OVG LSA, B.v. 21.4.2021 - 3 R 97/21 - juris; B.v. 16.4.2021 - 3 R 94/21 - juris; VG Weimar, B.v. 20.4.2021 - 8 E 416/21 We - juris; NdsOVG, B.v. 19.4.2021 -13 MN 192/21 - juris; OVG BlnBbg B.v. 15.4.2021 - OVG 11 S 51/21 - juris).
40
Zu den von der Antragstellerin angesprochenen Einschränkungen ihrer Grundrechte sowie ihrer Rechte aus internationalen Konventionen ist lediglich noch anzufügen, dass es gerade bei der Pflicht zur Einhaltung des Hygienekonzepts in den Schulen unter Einbezug der Maskenpflicht auf dem Schulgelände sowie des Testerfordernisses als Voraussetzung für die Teilnahme am Präsenzunterricht, auch um Grundrechtspositionen, insbesondere der von der Antragstellerin genannten anderen Schülerinnen und Schüler sowie des Schulpersonals - konkret um das Recht auf deren Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) - geht, für die die Schule eine herausgehobene Verantwortung trägt. Die Maskenpflicht und das Testerfordernis dienen geradezu auch andere vor einer Ansteckung zu schützen und die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Covid-19 in der Bevölkerung zu reduzieren (so ausdrücklich BayVGH, B.v. 8.12.2020 - 20 CE 20.2875 - juris Rn. 12) und so auch die Antragstellerin zu schützen.
41
Soweit die Antragstellerin im Übrigen generelle Bedenken gegen die Maskenpflicht in Schulen hegt und sich damit unmittelbar auf die Rechtmäßigkeit der Regelungen der 12. BayIfSMV bezieht, ist, wie schon angemerkt, darauf hinzuweisen, dass die direkte Überprüfung der entsprechenden Regelungen der 12. BayIfSMV dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof im Wege eines Normenkontrollverfahrens nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO bzw. § 47 Abs. 6 VwGO obliegt (vgl. etwa BayVGH, B.v. 26.10.2020 - 20 CE 20.2185 - juris Rn. 14). Der Antragstellerin bleibt unbenommen, unter Beachtung des Anwaltszwangs dahingehende Anträge direkt beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu stellen.
42
Selbst wenn man im vorliegenden Verfahren davon ausgehen wollte, dass die Erfolgsaussichten offen wären, würde eine Folgeabwägung gerade vor dem Hintergrund des Infektionsgeschehens in den letzten Tagen zu Lasten der Antragstellerin ausfallen. In Rede stehen vorliegend hochrangige Gemeinschaftsgüter. Insbesondere geht es auch um die Grundrechte von Mitschülerinnen und Mitschülern. Die Maskenpflicht und das Testerfordernis dienen gerade dazu, sowohl die Antragstellerin selbst als auch ihre Mitschüler/innen zu schützen. Weiter soll gerade die Anwesenheit eines ungetesteten Schülers bzw. einer ungetesteten Schülerin verhindert werden, um die anderen Schulkinder sowie das Schulpersonal nicht einer vermeidbaren Ansteckungs- und Gesundheitsgefahr auszusetzen. Die Nachteile für die Antragstellerin sind weniger schwerwiegend als im umgekehrten Fall bei einem Verzicht auf Maske und Testung und dem damit verbundenen Verzicht auf Eigen- und Fremdschutz mit der Gefährdung der Mitschüler/innen und Lehrer/innen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 12. April 2021 (20 NE 21.926 - juris Rn. 31) darauf hingewiesen, dass gerade auch der Anstieg der Fallzahlen bei Kindern und Jugendlichen bemerkbar ist. Dies gilt insbesondere auch für den Bereich der Schule und gerade auch im hier betroffenen Landkreis, wie der Antragsgegner mitgeteilt hat.
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Nach alledem war der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
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Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG. In Ermangelung anderweitiger Angaben war vom Auffangstreitwert in Höhe von 5.000,00 EUR auszugehen. Eine Halbierung des Streitwerts nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes war nicht geboten, da die Antragstellerin wie dargestellt die Vorwegnahme der Hauptsache begehrt.
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Nach alledem war auch der Antrag auf Prozesskostenhilfe sowohl im vorliegenden Eilverfahren als auch für das Klageverfahren W 8 K 21.545 abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 114 Satz 1 ZPO i.V.m. § 166 VwGO). Insoweit war der Antragstellerin auch kein Prozessbevollmächtigter gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 121 Abs. 2 ZPO beizuordnen.