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OLG München, Endurteil v. 29.01.2021 – 20 U 820/20
Titel:

Rom I-VO auch im Verhältnis zur Türkei als Drittstaat anwendbar

Normenkette:
VO (EG) 593/2008 Art. 2
Leitsatz:
Die Rom I - VO ist gemäß Art. 2 Rom I - VO räumlich universell und damit auch im Verhältnis zur Türkei als Drittstaat anwendbar. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rom I, Anwendbarkeit, Drittstadt, Türkei
Vorinstanz:
LG Landshut, Endurteil vom 10.01.2020 – 55 O 2685/17
Fundstelle:
BeckRS 2021, 790

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Landshut vom 10. Januar 2020, Az. 55 O 2685/17, abgeändert und - teilweise zur Klarstellung - neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 71.625,39 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 27. Juli 2017 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Verfahren erster Instanz auf € 73.378,29, für das Berufungsverfahren auf € 75.131,19 festgesetzt.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten, Warenlieferungen der Klägerin zu bezahlen.
2
Die Klägerin ist ein Textilunternehmen mit Sitz in der Türkei, die Beklagte betreibt unter den Firmen „D. Fashion“ mit Sitz in Griechenland und „E. Fashion“ mit Sitz in Deutschland Geschäfte.
3
Die klageweise geltend gemachte Gesamtforderung stammt aus Warenlieferungen aus den Jahren 2015 und 2016 an die „D. Fashion“ in Griechenland. Aus der Geschäftsbeziehung ist ein Betrag von $ 83.356,00 offen (K 1a), den die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 20. November 2019 mit € 73.378,29 beziffert hat.
4
Zu dieser offenen Forderung haben die Klägerin und die Beklagte, handelnd durch den Zeugen P., in den Geschäftsräumen der Firma „E. Fashion“ in Deutschland und unter Verwendung des Firmenstempels „E. Fashion“ am 8. Dezember 2016 (K 2) und am 19. Mai 2017 (K 3) Ratenzahlungsvereinbarungen getroffen. Nach der „Zahlungsvereinbarung zwischen B. & E. Fashion (D.)“ vom 8. Dezember 2016 (K 2) sollte die offene Gesamtsumme von $ 83.356,00 in sechs oder sieben Raten bis Juni 2017 vollständig an die Klägerin bezahlt werden. In der Ratenzahlungsvereinbarung vom 19. Mai 2017 einigten sich die Parteien auf eine Rückzahlung der Gesamtsumme in sechs Raten bis Ende November 2017. Die Beklagte hat auf diese Vereinbarungen keine Zahlungen erbracht.
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Die Klägerin hat die Bezahlung der offenen Forderung mit Anwaltsschreiben vom 12. Juli 2017 (K 4) - gerichtet an die Beklagte unter der Adresse der deutschen Niederlassung - unter Fristsetzung zum 26. Juli 2017 und vorsorglicher Kündigung der getroffenen Ratenzahlungsvereinbarung vergeblich angemahnt. Hierauf hat die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 16. August 2017 (K 5) finanzielle Probleme geltend gemacht und die Tilgung der Gesamtschuld durch monatliche Ratenzahlungen in Höhe von $ 10.000,00 in Aussicht gestellt.
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Mit Anwaltsschreiben vom 31. August 2017 (K 6) hat die Beklagte erstmals schriftlich Mängel der Lieferungen und Zuviellieferungen eingewandt sowie, dass die Zahlungsvereinbarungen eigenmächtig vom Zeugen P. getroffen worden seien, weshalb sich die Beklagte nicht an sie gebunden fühle. „Gegenüber der in Deutschland ansässigen Fa. E. Fashion“ gebe es keine offenen Forderungen der Klägerin.
7
Die Klägerin hat vor dem Landgericht beantragt, die Beklagte zur Zahlung von € 73.378,29 nebst gesetzlicher Zinsen seit dem 27.07.2017 zu verurteilen. Sie hat behauptet, dass der für die deutsche „E. Fashion“ tätige Zeuge P. die fraglichen Lieferungen bei der Klägerin bestellt habe. Dieser sei der Vertreter der Beklagten gewesen. Er habe die Geschäftsbeziehung zur Klägerin von Deutschland aus eigenständig betreut und sämtliche Gespräche über die Zahlungen im Auftrag und mit Kenntnis und Duldung der Beklagten geführt. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte sich das Handeln des Zeugen P. zurechnen lassen müsse. Alle sonstigen Geschäfte, die über den Zeugen abgeschlossen worden seien, seien von der Beklagten anstandslos bezahlt worden. Die Beklagte habe bis heute nicht näher dargelegt, welche Ware fehlerhaft oder nicht bestellt gewesen sei.
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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat vorgebracht, dass das Landgericht Landshut unzuständig sei, da die Beklagte ihren Wohnsitz in Griechenland habe. Der Zeuge P. sei zwar Angestellter der Beklagten, habe aber keine Vertretungs- oder Abschlussvollmacht für die beiden Unternehmen der Beklagten gehabt. Er habe keine für die Beklagte verbindlichen Vereinbarungen treffen können. Der Zeuge P. habe eingestanden, dass er die Zahlungsvereinbarung ohne Abstimmung und Zustimmung der Beklagten abgeschlossen habe, weil Hr. E. E. ihn gebeten habe, keine Abzüge für die fehlerhaften Lieferungen vorzunehmen, weil er sonst Schwierigkeiten bekomme. Wegen des kollusiven Zusammenwirkens der Zeugen E. E. und P. könne die Klägerin aus den Zahlungsvereinbarungen keine Ansprüche herleiten. Diverse Lieferungen seien derart mangelhaft gewesen, dass sie nicht weiterverarbeitet bzw. verkauft werden hätten können. So habe der Kunde L. im Jahr 2015 wegen der mangelhaften Stoffe Rechnungsbeträge gekürzt. Die Klägerin habe teilweise mehr Ware geliefert als bestellt und gelieferte Ware doppelt abgerechnet.
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Auf die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils und die dort gestellten Anträge wird ergänzend Bezug genommen.
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Zwischen dem 5. April 2018 und dem 12. April 2019 haben die Parteien das Verfahren nicht betrieben. Die Klägerin hat in dieser Zeit den Streitgegenstand erneut vor dem Landgericht Landshut unter dem Aktenzeichen 22 O 664/19 rechtshängig gemacht. Mit Schriftsatz vom 2. Juli 2019 (Bl. 34) hat die Klägerin mitgeteilt, das hiesige Verfahren fortzuführen und im Verfahren 22 O 664/19 die Klage zurückgenommen. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 14. Oktober 2019 wurden die von Klägerin an die Beklagte zu erstattenden Kosten auf € 1.752,00 zuzüglich Zinsen festgesetzt.
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Mit Endurteil vom 10. Januar 2020 hat das Landgericht Landshut nach informatorischer Anhörung beider Parteien und Vernehmung der Zeugen E. E. und P. A. die Klage als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass es international unzuständig sei. Eine Zuständigkeit ergebe sich nicht aus § 4 Abs. 1 EuGVVO. Beklagte sei die natürliche Person M. F. die nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ihren Wohnsitz in Griechenland habe. Zwar könne gemäß § 17 Abs. 2 HGB ein Kaufmann auch unter seiner Firma verklagt werden. Die hierfür erforderliche Voraussetzung eines unternehmensbezogenen Geschäftes sei vorliegend allerdings nicht gegeben. Denn streitgegenständlich seien allein Ansprüche der türkischen Klägerin gegen das griechische Unternehmen der Beklagten. Das deutsche Unternehmen der Beklagten sei hiervon unabhängig. Auch aus den Vereinbarungen vom 8. Dezember 2016 und vom 19. Mai 2017 stünden der Klägerin keine Zahlungsansprüche gegen die E. Fashion zu. Denn hierbei handele es sich um Ratenzahlungsvereinbarungen ohne weitergehende rechtliche Konsequenzen. Auch eine Zuständigkeit nach Art. 5, Art. 7 Nr. 1 EuGVVO oder aus nationalem Recht bestehe nicht. Insbesondere sei eine Anwendbarkeit von § 23 ZPO gemäß Art. 5 EuGVVO ausdrücklich ausgeschlossen.
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Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung erstrebt die Klägerin die Aufhebung des landgerichtlichen Urteils und wie in erster Instanz die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von € 73.378,29 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.07.2017. Sie bringt vor, dass das Landgericht fehlerhaft davon ausgegangen sei, dass die Klägerin die Fa. D. in Griechenland verklagt habe. Tatsächlich klage sie aus den Ratenzahlungsvereinbarungen, die der Zeuge P. für die E. Fashion mit Sitz in Deutschland unterzeichnet habe. Inhaberin der E. Fashion sei die Beklagte. Es handele sich um einen Schuldbeitritt der E. Fashion und der Beklagten. Die Beklagte müsse sich das Handeln des Zeugen P., das sie geduldet habe, zurechnen lassen. Das Landgericht habe darüber hinaus außer Acht gelassen, dass die Beklagte auch noch im Anwaltsschreiben vom 16. August 2017 (K 5) die Bezahlung der offenen Gesamtforderung zugesagt habe. Die unsubstantiierten Mängeleinreden seien unbeachtlich.
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Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt die Zurückweisung der Berufung. Sie macht insbesondere geltend, dass das Landgericht seine Unzuständigkeit zutreffend dargelegt habe, denn es gehe um Forderungen der Klägerin gegen D. mit Sitz in Griechenland. Der von der Klägerin behauptete Schuldbeitritt scheitere daran, dass jeweils die Beklagte Inhaberin von D. und E. sei; ein drittes Rechtssubjekt, das die Haftung für die Schulden eines anderen übernehme, sei nicht vorhanden. Die Zahlungsvereinbarungen stellten auch kein wirksames Saldoanerkenntnis dar, denn die Beklagte sei weder Teilnehmer der Vereinbarungen noch Unterzeichner gewesen; der Zeuge P. habe diese Vereinbarungen eigenmächtig getroffen, um dem Zeugen Eren zu helfen. Im Übrigen seien die Forderungen verjährt. Hilfsweise erklärt die Beklagte die Aufrechnung mit der Forderung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Landshut vom 14. Oktober 2019, Az. 22 O 664/19 über € 1.752,90 nebst Zinsen.
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Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze und auf die Niederschrift über die mündlichen Verhandlungen vom 14. Oktober 2020 (Bl. 28 f. Band II) und vom 20. Januar 2021 (Bl. 30 ff. Band II) Bezug genommen.
II.
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Die zulässige Berufung der Klägerin hat überwiegend Erfolg. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch ist mit Ausnahme eines Betrages von € 1.752,90, gegen den die Beklagte hilfsweise aufgerechnet hat, begründet, weshalb das Urteil des Landgerichts im tenorierten Umfang abzuändern war.
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1. Die deutschen Gerichte sind gemäß Art. 7 Nr. 5 EuGVVO, § 21 Abs. 1 ZPO zuständig. Die Beklagte, die ihren Wohnsitz in Griechenland hat, kann vor deutschen Gerichten verklagt werden, da sie außerhalb ihres Wohnsitzstaates von einer Niederlassung in Deutschland aus am Geschäftsverkehr teilgenommen hat und aus dieser Beteiligung ein Rechtsstreit entstanden ist (vgl. Zöller, ZPO, Art. 7 EuGVVO, Rn. 117, Rn. 120 f., Rn. 126).
17
Die fraglichen Lieferverträge mit der Klägerin sind, wie die Beweisaufnahme ergeben hat, von dem in der deutschen Niederlassung beschäftigten Zeugen P. und von dort aus abgeschlossen und betreut worden, ebenso wie die nachfolgenden Zahlungsvereinbarungen (vgl. auch Zöller, ZPO, § 21 Rn. 11). Die Beklagte selbst und der Zeuge P. haben übereinstimmend vorgebracht, dass der Zeuge in Deutschland und für die deutsche „E. Fashion“ tätig war (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20. November 2019, S. 4, Bl. 66; S. 8 Bl. 70). Auch der Geschäftsführer der Klägerin hat in seiner informatorischen Anhörung angegeben, dass der Zeuge P. die Ware von der Klägerin gekauft habe (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20. November 2019, S. 3, Bl. 65). Dies hat der Zeuge E. E. bestätigt und berichtet, dass von Beginn an die Zusammenarbeit zwischen der Klägerin und der Beklagten über den Zeugen P. erfolgt sei (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20. November 2019, S. 6 f. Bl. 68 f.).
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2. Auf die Vertragsbeziehung ist deutsches Recht anwendbar, denn die Parteien haben jedenfalls nachträglich die Anwendung deutschen Rechts vereinbart, Art. 3 Abs. 1 Rom I - VO.
19
Die Rom I - VO ist gemäß Art. 2 Rom I - VO räumlich universell und damit auch im Verhältnis zur Türkei als Drittstaat anwendbar (vgl. Palandt, Rom I 2 Rn. 1). Der Anwendungsbereich der Verordnung ist eröffnet, Art. 1 Rom I - VO.
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Wie sich aus dem Vorbringen der Parteien im Prozess eindeutig ergibt, soll nach ihrem übereinstimmenden Willen deutsches Recht auf den Fall Anwendung finden. Beide Parteien haben den Sachverhalt auf der Grundlage der deutschen Rechtsnormen juristisch aufbereitet und das von ihnen gefundene Ergebnis unter Anwendung deutschen Rechts begründet (vgl. insbesondere den klägerischen Schriftsatz vom 16. Dezember 2019, Bl. 74 ff. und den Schriftsatz der Beklagten vom 3. Juli 2020, Bl. 16 ff., Band II). Ergänzend ist zu würdigen, dass die Klägerin von der Beklagten unbeanstandet die eingeklagte Forderung in die Landeswährung Euro umgerechnet hat.
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3. Unabhängig davon, von welcher Niederlassung aus bestellt und wohin die Ware geliefert wurde, besteht ein Zahlungsanspruch gegen die Beklagte persönlich. Diese allein ist Schuldnerin der klägerischen Forderung, denn die Firmen „D. Fashion“ und „E. Fashion“ sind, wie auch die Beklagte selbst vorgetragen hat, keine selbständigen Rechtssubjekte.
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Dass die Bestellungen im üblichen Geschäftsgang und ordnungsgemäß erfolgt sind, und dass die Ware geliefert wurde, hat die Beklagte nicht in Abrede gestellt.
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4. Die Höhe des offenen Saldos hat die Beklagte durch Abschluss der Ratenzahlungsvereinbarungen, die ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis gemäß § 781 BGB darstellen (vgl. Palandt, BGB, § 781 Rn. 3), unstreitig gestellt und die Umrechnung des Betrages in Euro nicht beanstandet. Auch in ihrer Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hat die Beklagte bestätigt, dass in der Geschäftsbeziehung zur Klägerin noch $ 90.000,00 offen sind (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20. November 2019, S. 5, Bl. 67).
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Soweit die Beklagte einwendet, dass sie sich die Ratenzahlungsvereinbarungen (K 2, K 3) nicht zurechnen lassen müsse, geht dies fehl. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme verfügte der Zeuge P. über umfangreiche Vollmachten und arbeitete weitgehend weisungsfrei. Dem Geschäftsführer der Klägerin war er als „Chef“ oder als derjenige der Firma, „der die Entscheidungen trifft“, bekannt (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20. November 2019, S. 3, Bl. 65). Der Zeuge E. E. hat ihn als Geschäftsführer wahrgenommen (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20. November 2019, S. 6 f. Bl. 68 f.). Die Beklagte hat eingeräumt, dass der Zeuge P. über das Geschäftskonto verfügen konnte (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20. November 2019, S. 4 f., Bl. 66 f.). Der Zeuge selbst hat mitgeteilt, dass er durchaus auch in anderen Fällen über Abzüge verhandelt hat (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20. November 2019, S. 4 f., Bl. 66 f.).
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Dass der Zeuge P. kollusiv, d.h. bewusst zum Nachteil der Beklagten, mit dem Zeugen E. E. zusammengewirkt hätte, hat die Beweisaufnahme ersichtlich nicht ergeben. Schon die Behauptung der Beklagten, dass Fehler des Zeugen E. E. vertuscht werden sollten, hat sie nicht beweisen können. Dass der Zeuge P. in der Vereinbarung Nachteile für die Beklagte gesehen hätte, ergibt sich ebenfalls nicht. Hinzu kommt, dass in keiner Weise erkennbar ist, dass der Klagepartei, insbesondere dem Zeugen E. E., bekannt gewesen wäre, dass der Zeuge P. entsprechende Vereinbarungen nicht abschließen hätte dürfen.
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Eine konkrete Kenntnis der Beklagten davon, dass der Zeuge P. diese Vereinbarungen geschlossen hat, ist zu ihrer Wirksamkeit nicht erforderlich. Gleiches gilt für den Einwand der Beklagten, dass kein Kontokorrent vereinbart worden sei.
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5. Dass das Vorbringen der Beklagten, die Klägerin habe Lieferungen doppelt abgerechnet, auch den in den Zahlungsvereinbarungen (K 2, K 3) anerkannten Saldo betreffen würde, ist nicht ersichtlich.
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6. Die Behauptung der Beklagten, die Lieferungen der Klägerin seien teilweise mangelhaft gewesen, ist unsubstantiiert. Eine unverzügliche Mängelrüge gemäß § 377 HGB ist für die einzelnen Lieferungen schon nicht behauptet, weshalb die Beweislast für das Vorliegen von Mängeln die Beklagte trifft. Gleiches gilt aufgrund der Saldoanerkenntnisse, die beide deutlich nach den klägerischen Lieferungen abgegeben wurden (Palandt, BGB, § 781 Rn. 6).
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Der Zeuge E. E. hat Mängel in Abrede gestellt (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20. November 2019, S. 7, Bl. 69). Soweit die Beklagte behauptet, die letzte Lieferung der Klägerin vom 24. August 2016 sei mangelhaft gewesen (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20. November 2019, S. 9, Bl. 71), hat sie hierfür keinen Beweis angeboten.
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Den schriftsätzlichen Vortrag, dass Lieferungen an den Kunden L. Mängel aufgewiesen hätten, hat die Beklagte in ihrer Anhörung nicht wiederholt. Im Übrigen ist schon nicht ersichtlich, dass solche Lieferungen überhaupt Bestandteil der hier begehrten Bezahlung sind.
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7. Die Forderung ist nicht verjährt. Nach dem Vorbringen der Parteien stammen die Forderungen aus Lieferungen aus den Jahren 2015 und 2016. Nach §§ 195, 199 BGB verjähren Forderungen aus dem Jahr 2015 frühestens zum Ende des Jahres 2018.
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Vorliegend hat die Einreichung der Klage am 19. Oktober 2017 die Verjährung gehemmt, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, § 167 ZPO. Die Zeit der Hemmung wird in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet, § 209 BGB. Bei - wie hier - Stillstand des Verfahrens endet die Hemmung sechs Monate nach der letzten Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle, § 204 Abs. 2 Satz 3 BGB.
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Unter Anwendung der vorstehenden Grundsätze wurde die Verjährung im hiesigen Verfahren vom 19. Oktober 2017 bis 5. Oktober 2018 (6 Monate nach Eingang des Schriftsatzes vom 5. April 2018, Bl. 23) gehemmt. Mit Schriftsatz vom 24. Mai 2019 hat die Klägerin das Verfahren weiterbetrieben, was erneut die Hemmung des Laufs der Verjährungsfrist bewirkt hat, § 204 Abs. 2 Satz 4 BGB.
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Die Zeit der Hemmung zwischen dem 19. Oktober 2017 und dem 5. Oktober 2018 ist auf den Fristenlauf nicht anzurechnen; diese gut 11 Monate verlängern deshalb ab dem 1. Januar 2019 die Verjährungsfrist. Wegen der erneuten Hemmung bereits Ende Mai 2019 ist Verjährung damit hier noch nicht eingetreten.
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8. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 286, 288 BGB. Die Beklagte befand sich jedenfalls nach Ablauf der mit Anwaltsschreiben vom 12. Juli 2017 (K 4) gesetzten Frist in Verzug.
III.
36
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
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Der Streitwert erster Instanz entspricht dem Wert des Zahlungsantrags. Für den Streitwert 2. Instanz war der Wert der Hilfsaufrechnung zu addieren.