Inhalt

VG Würzburg, Urteil v. 28.01.2021 – W 3 K 19.39
Titel:

Kein Unterhaltsvorschuss bei Wechselmodell

Normenkette:
UVG § 1 Abs. 1 Nr. 2
Leitsatz:
Zwei Kinder können keinen Unterhaltsvorschuss beanspruchen, wenn das Gericht in der Zusammenschau zu dem Ergebnis kommt, dass sie ihren Lebensmittelpunkt entsprechend eines zwischen den Eltern vereinbarten Wechselmodells bei beiden Elternteilen und nicht nur alleine bei der Kindsmutter haben. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Unterhaltsvorschussleistungen nach dem UVG, Leben bei einem Elternteil i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG, fehlender Lebensmittelpunkt des Kindes bei einem einzigen Elternteil, Unterhaltsvorschuss, Wechselmodell, Lebensmittelpunkt, Elternteil
Fundstelle:
BeckRS 2021, 7777

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. 

Tatbestand

I.
1
Die Parteien streiten um die Gewährung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) ab April 2018.
2
Die Kindsmutter Frau … …, geboren am … … 1981, lebt vom Kindsvater Herrn … …, geboren am … … 1977, seit 1. März 2018 dauernd getrennt. Die Eltern der Kläger sind nicht verheiratet. Das Sorgerecht für die Kläger hat die Kindsmutter. Die Vaterschaft des Kindsvaters wurde jeweils durch das Standesamt Aschaffenburg festgestellt.
3
In der Umgangsvereinbarung der Eltern vom 7. März 2018 wird ein Wechselmodell vereinbart. Dieses sieht die folgenden Regelungen vor: Der Kindsvater hat das Recht und die Pflicht zum Umgang mit den Klägern alle 14 Tage von Freitag nach der Schule ab ca. 13:00 Uhr bis Donnerstag früh nach dem zur Schule/Kita-Bringen. Die Rückgabe der Kläger an die Kindsmutter erfolgt nach dem Ende der Schule bzw. der Betreuung in der Kita. Prozentual halten sich die Kläger zu 40 Prozent beim Kindsvater und zu 60 Prozent bei der Kindsmutter pro Monat auf. Die Ferien werden hälftig geteilt. Den Vatertag verbringen die Kinder beim Kindsvater, den Muttertag bei der Kindsmutter. Weihnachten und Silvester werden jedes Jahr gewechselt. Die Osterferien verbringen die Kläger ebenfalls im Wechsel zwischen Kindsmutter und Kindsvater, die sich die Feiertage teilen. Beim Wechsel der Kinder von einem Elternteil zum anderen Elternteil führen die Kläger ein sogenanntes „Muttibuch“ mit sich, in welchem die relevanten Termine und sonstige Eintragungen festgehalten werden. Ist ein Kind umgangsunfähig, d.h. transportunfähig, erkrankt, verbleibt das Kind so lange beim jeweiligen Elternteil, bis es ohne Gesundheitsgefährdung wieder wechseln kann. Die Übersicht über die schulischen Aktivitäten liegt bei der Kindsmutter. Sie ist die erste Ansprechpartnerin der Schule. Den Kindsvater entbindet dies jedoch nicht von der Pflicht, sich in angemessener Art und Weise um die schulischen Belange der Kläger zu kümmern, wenn die Kläger bei ihm sind. Die Kindsmutter sorgt dafür, dass die Kläger beim Wechseln alle relevanten Schulunterlagen dabeihaben. Elternabende und sonstige schulische Aktivitäten werden von beiden Elternteilen besucht oder es wird abgesprochen, wer den jeweiligen Termin übernimmt.
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Mittels Urkunde vom 3. April 2018 verpflichtete sich der Kindsvater, für die Kläger jeweils ab 1. April 2018 einen Unterhaltsbetrag in Höhe von 72,00 EUR monatlich im Voraus zu zahlen.
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Am 19. April 2018 beantragte die Kindsmutter für die Kläger
die Gewährung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz, da der Kindsvater unregelmäßig Unterhalt zahle.
6
Mittels Schreiben vom 17. Mai 2018 erklärte die Kindsmutter, dass kein Wechselmodell bestehe. Sie habe das alleinige Sorgerecht, trage jegliche Verantwortung in allen Bereichen, organisiere alles und trage auch jegliche Kosten für die Kläger. Der Kindsvater habe sich bereits in der Vergangenheit schon wenig für die Kläger interessiert. Der Kindsvater zahle für die Kläger jeweils Unterhalt in Höhe von 72,00 EUR.
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Mit Bescheid vom 13. Juni 2018 lehnte die Beklagte den Antrag vom 19. April 2018 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass es Voraussetzung für die Leistungsgewährung nach dem Unterhaltsvorschussgesetz unter anderem sei, dass das betreffende Kind mit einem seiner Elternteile in einer häuslichen Gemeinschaft lebe (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG). Dabei sei maßgeblich, bei welchem Elternteil die Kinder ihren Lebensmittelpunkt haben. Beteilige sich auch der andere Elternteil im wesentlichen Umfang an der Erziehung, sei zu prüfen, ob eine Alleinerziehung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG vorliege. Lebe das Kind ein Drittel bis zur Hälfte der Zeit bei einem anderen Elternteil, sei eine Einzelfallprüfung erforderlich. Aus der Umgangsvereinbarung vom 7. März 2018 und den Angaben der Kindsmutter sei zu entnehmen, dass sich die Kläger zu 60 Prozent bei der Kindsmutter und zu 40 Prozent beim Kindsvater aufhielten. Zudem würden sämtliche Ferienzeiten gleichmäßig aufgeteilt. Die Kindsmutter sei daher gerade nicht wegen des Ausfalls des anderen Elternteils der doppelten Belastung mit Erziehung und Unterhaltsgewährung ausgesetzt. Es sei dabei unerheblich, ob ein gemeinsames Sorgerecht vorliege.
8
Am 4. Juli 2018 legte die Kindsmutter für die Kläger gegen den Ablehnungsbescheid vom 13. Juni 2018 Widerspruch ein. Begründet wurde dieser damit, dass kein Wechselmodell vorliege, da laut dem Bundesgerichtshof nur bei hälftiger Teilung von einem solchen Wechselmodell auszugehen sei. Die Kindsmutter decke den Grundbedarf der Kläger alleine.
9
Der Kindsvater teilte im Rahmen des Widerspruchsverfahrens mit, dass er Unterhalt für die Kläger zahle. Die Umgangsvereinbarung werde eingehalten.
10
Die Kindsmutter teile mit, dass die Umgangsvereinbarung weiterhin bestehe. Nach Aussagen der Kindsmutter wurde Unterhalt in der Zeit vom 1. März 2018 bis 31. August 2018 wie folgt geleistet: 431,00 EUR am 5. April 2018, 142,00 EUR am 10. April 2018, ab Mai 2018 144,00 EUR als Dauerauftrag. In der Zeit vom 1. November bis 8. November sowie vom 15. November bis 22. November als auch vom 29. November bis 6. Dezember 2018 seien die Kläger bei der Kindsmutter, in der Zeit vom 9. November bis 14. November und vom 23. November bis 28. November 2018 beim Kindsvater gewesen.
11
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 2018 wies die Regierung von Unterfranken den Widerspruch vom 4. Juli 2018 zurück. So sei es Voraussetzung für einen Anspruch auf Unterhaltsleistung nach dem Unterhaltsvorschussgesetz, dass die Kinder, für die die Leistung gewährt werden solle, bei einem ihrer Elternteile, der wie vorliegend ledig sei, lebten (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG) und dieser Elternteil wegen des Ausfalles des anderen Elternteils die doppelte Belastung mit Erziehung und Unterhaltsgewährung in seiner Person zu tragen habe. Eine solche Alleinerziehung liege nicht vor, wenn beide Elternteile die Betreuungsleistungen dergestalt erbrächten, dass keiner die Leistung alleine erbringen müsse. Dabei müssten die Erziehungs- und Betreuungsanteile quantitativ und qualitativ nicht gleich sein. Lasse sich nicht eindeutig feststellen, bei welchem Elternteil die Kinder ihren Lebensmittelpunkt hätten, würden Leistungen nach dem UVG ebenfalls nicht in Betracht kommen (Ziffer 1.3.1. Abs. 2 VwUVG). Es ergebe sich eine nahezu hälftige Aufteilung der Betreuungszeiten. Somit liege die alleinige Erziehungsverantwortung nicht bei der Kindsmutter. Schließlich zahle der Kindsvater anteilig für die Zeiten, in denen die Kinder nicht bei ihm, sondern bei der Kindsmutter seien, Unterhalt.
II.
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Gegen diese Entscheidung erhob die Kindsmutter für die Kläger am 18. Januar 2019 Klage zum Verwaltungsgericht Würzburg und beantragte zuletzt,
den Bescheid vom 13. Juni 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin Unterhaltsvorschuss in der gesetzlichen Höhe für die Zeit ab April 2018 bis einschließlich Dezember 2018 zu gewähren.
13
Die Klage wurde folgt begründet: Da die Kindsmutter finanzielle Kosten für die Verpflegung, Betreuung und Kleidung für die Kläger während deren Aufenthaltes in der Schule, Vereinsbeiträge und Ausstattung vollumfänglich allein trage bzw. bisher getragen habe, entstehe hierdurch ein finanzielles Ungleichgewicht, welches zur Sicherung des Unterhalts der Kläger nicht hinnehmbar sei. Um besagte Kosten abdecken zu können, habe die Kindsmutter bereits bei den entsprechenden Ämtern Anträge zur Sicherung des Lebensunterhaltes stellen müssen. Des Weiteren kümmere sich die Kindsmutter allein um die notwendige ärztliche Versorgung der Kläger, um alle schulischen Veranstaltungen und nicht zuletzt um den Großteil der anstehenden Freizeitaktivitäten der Kläger. Aus dem mit der Klage vorgelegten Terminprotokoll seit dem 1. Juli 2018 ergebe sich, dass von 21 Terminen der Kläger 19 von der Kindsmutter alleine, ein Termin durch den Kindsvater und ein Termin durch beide Elternteile gemeinsam wahrgenommen worden seien. Insgesamt liege kein Wechselmodell vor, sondern nur ein erweiterter Umgang.
14
Die Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
15
Dies begründete der Beklagte wie folgt: Die Kläger würden anhand der vorgelegten Unterlagen zu 60 Prozent von der Kindsmutter und zu 40 Prozent vom Kindsvater betreut. Die Ferienzeiten seien gleichmäßig aufgeteilt worden. Die Kindsmutter sei nicht alleinerziehend im Sinne des Unterhaltsvorschussgesetzes, auch wenn die fürsorgliche und erzieherische Hauptverantwortung bei ihr verbleibe. Der Lebensmittelpunkt bei einem Elternteil lasse sich durch die aufgeteilte Betreuung der Kläger nicht eindeutig feststellen. Der Sachverhalt sei vielmehr privatrechtlich zu klären und gegebenenfalls die Kostenverteilung und das Betreuungsmodell abzuändern.
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In der mündlichen Verhandlung vom 28. Januar 2021 erhob das Gericht über die Frage Beweis, bei welchem Elternteil die Kinder … … und … … von April 2018 bis einschließlich Dezember 2018 ihren tatsächlichen Lebensmittelpunkt hatten durch die Einvernahme des Kindsvaters als Zeugen.
17
Im Übrigen wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 28. Januar 2021, auf das weitere schriftsätzliche Vorbringen der Parteien sowie auf den Inhalt der einschlägigen Verwaltungsakten des Beklagten, welche Gegenstand des Verfahrens waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 13. Juni 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2018, mit dem die Beklagte die Gewährung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz für die Zeit vom 1. April 2018 bis einschließlich 31. Dezember 2018 für die Kläger versagt hat. Die Kläger begehren die Verpflichtung des Beklagten zur Gewährung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz für die Zeit ab dem 1. April 2018 und die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides. Streitgegenständlicher Zeitraum ist dabei grundsätzlich der Zeitraum bis zur letzten Behördenentscheidung, also regelmäßig bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids im Dezember 2018 (vgl. Grube, UVG, 2. Auflage 2020, Einleitung Rn. 110 m.w.N.).
19
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf den begehrten Verwaltungsakt.
20
Die Rechtsgrundlage im streitgegenständlichen Zeitraum ist § 1 Abs. 1 Gesetz zur Sicherung des Unterhalts von Kindern alleinstehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüssen oder -ausfallleistungen (Unterhaltsvorschussgesetz UVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Juli 2007 (BGBl. I S. 1446), zuletzt geändert durch Art. 38 Gesetz vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2451).
21
Nach § 1 Abs. 1 UVG hat danach derjenige einen Anspruch auf Leistungen, der das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UVG), nur bei einem seiner Elternteile lebt (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG) und nicht oder nicht regelmäßig Unterhalt von dem anderen Elternteil erhält (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a UVG).
22
Das Verwaltungsgericht ist nach ausführlicher mündlicher Verhandlung einschließlich Beweiserhebung durch Zeugeneinvernahme nicht zu der gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO zwingend erforderlichen Überzeugung gelangt, dass die Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. April 2018 bis 31. Dezember 2018 bei „einem“, d.h. nur bei einem einzigen ihrer beiden Elternteile leben, nämlich laut Klagebegründung bei ihrer Mutter. Dies wäre jedoch - neben den anderen zwischen den Beteiligten unstreitigen Voraussetzungen - gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG Voraussetzung für den eingeklagten Leistungsanspruch.
23
Ein Kind lebt dann im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG bei „einem“ (einzigen) Elternteil, wenn es mit diesem eine auf Dauer angelegte häusliche Gemeinschaft hat, in der es betreut wird und bei dem betreuenden Elternteil seinen Lebensmittelpunkt hat. Der betreuende Elternteil muss dabei der doppelten Belastung mit Erziehung und Unterhaltsgewährung ausgesetzt sein. So verfolgt der Gesetzgeber mit dem Unterhaltsvorschussgesetz das Ziel, die prekäre Lage eines Alleinerziehenden zu mildern. Alleinerziehend bedeutet nicht, dass der andere Elternteil überhaupt nicht mehr an der Betreuung und Erziehung des Kindes beteiligt sein darf. Eine Beteiligung des anderen Elternteils, die dagegen eine wesentliche Entlastung des Elternteils, das sich als alleinerziehend betrachten möchte, mit sich bringt, führt dagegen zum Fortfall des Anspruchs. Maßgeblich ist daher, welche Person die elementaren Lebensbedürfnisse des Kindes sichert und befriedigt, d.h. wer von den beiden Elternteilen im Wesentlichen für die Pflege, die Verköstigung, die Kleidung, für die Ordnung und Gestaltung des Tagesablaufs sorgt und bei welcher Person das Kind im Wesentlichen seine emotionale Zuwendung erhält. Dies ist im Wege einer umfassenden Prüfung der Umstände des Einzelfalles zu bewerten. Eine Alleinerziehung liegt dann vor, wenn die Sorge eines Elternteils nach ihrer Qualität und Quantität eindeutig dominiert (ständige Rechtsprechung etwa des BayVGH, vgl. z.B. U.v. 24.7.2003 - 12 B 99.2155 - juris, B.v. 10.9.1998 - 12 ZB 97.2588 - juris; B.v. 16.2.2007 - 12 C 06.3229 - juris; vgl. Grube, UVG, 2. Auflage 2020, § 1 Rn. 59, 60 m.w.N.).
24
Im Rahmen der informatorischen Anhörung der Kindsmutter als Vertreterin der Kläger teilte diese mit, dass jedes Kind bei ihr ein eigenes Kinderzimmer mit Bett und Schreibtisch hat. Die Kinder können ihre Kinderzimmer nach eigenem Geschmack dekorieren, beispielsweise Poster aufhängen. Anfangs mussten bei einem Wechsel der Kinder zum Kindsvater noch Spielsachen mitgegeben werden. Das ist jetzt nicht mehr notwendig, da der Kindsvater nun alles selbst kauft. Die Klägervertreterin geht davon aus, dass die Kinderzimmer beim Kindsvater ähnlich ausgestattet sind, obwohl sie noch nie da war. Regelmäßige Arzttermine übernimmt die Kindsmutter, das macht ungefähr 90 Prozent der angefallenen Arztbesuche aus. Das wird durch ein Arztprotokoll, welches über ein Jahr hinweg geführt worden ist, belegt. Wenn die Kinder beim Kindsvater sind und akut erkranken, geht der Kindsvater mit den Kindern zum Arzt. Wenn ein Kind in der Schule erkrankt, holt es derjenige ab, bei dem es gerade ist. Wenn ein Kind aufgrund von Krankheit länger zu Hause bleiben muss, ist der dafür verantwortlich, bei dem das Kind sich gerade aufhält. Vorgekommen ist dies aber noch nie. Die Kinder können mit der Kindsmutter zum Einkaufen gehen und werden auch mit Haushaltsarbeiten vertraut gemacht. Wie der Kindsvater das handhabt, kann die Kindsmutter nicht sagen. Sowohl beim Kindsvater als auch bei ihr haben die Kinder komplett ausgestattete Kleiderschränke. Für die Kinder kauft jeder alle Kleider. Auch sind sämtliche Sportsachen doppelt vorhanden. … hat seine Fußballausrüstung sowohl bei der Kindsmutter als auch beim Kindsvater. Ebenso verhält es sich mit der Reitausrüstung von … Wechseln die Kinder zwischen den Eltern, dann werden die Kleidungsstücke, die die Kinder gerade tragen, nicht gereinigt und wieder zurückgegeben an das Elternteil, der diese Kleidungsstücke gekauft hat und letztendlich reinigt. Die Kindsmutter unternimmt mit den Kindern regelmäßig Freizeitaktivitäten. Wie dies der Kindsvater handhabt, weiß die Kindsmutter nicht. Sie besucht mit den Kindern auch andere Leute und empfängt Freunde der Kinder bei sich. Der Sohn … ist im Fußballverein. Er hat Training am Dienstag und am Donnerstag. Am Dienstag bringen die Eltern abwechselnd … zum Fußballtraining, am Donnerstag macht dies ausschließlich die Kindsmutter. Fußballspiele besucht überwiegend die Kindsmutter und backt, wenn erforderlich, den Kuchen für die Bewirtung beim Fußball. Auch bei schulischen Veranstaltungen ist die Kindsmutter weit überwiegend zugegen. Den Kindergeburtstag richtet derjenige aus, bei dem die Kinder gerade sind. Jedes Kind hat seinen eigenen Adventskalender bei der Kindsmutter. Hefte für die Schule kauft in der Regel die Kindsmutter. Die Kosten der Mittagsverpflegung trägt die Kindsmutter alleine. Dies gilt ebenso für die Besuche beim Friseur mit … Die Kosten für den Optiker werden geteilt. Die Kosten für die Zahnspange sollen ebenso geteilt werden. Der Kindsvater kommt dabei nicht immer seinen Verpflichtungen nach. Insgesamt wird die Umgangsvereinbarung vom 7. März 2018 eingehalten. Lediglich in den Sommerferien wird manchmal hiervon abgewichen. Die Kindsmutter ist in der Lage, eine Erwerbstätigkeit auszuüben, wenn die Kinder beim Kindsvater sind.
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Der Vortrag der Kindsmutter ist in sich schlüssig und glaubhaft. Anhaltspunkte, an der Glaubwürdigkeit der Kindsmutter zu zweifeln, liegen nicht vor. Auch hat der Beklagte, dessen Vertreter während der ganzen Anhörung zugegen war, den Vortrag der Klägervertreterin weder angezweifelt noch bestritten.
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Der Kindsvater hat als Zeuge erklärt, dass jedes Kind bei ihm in der Wohnung ein eigenes Kinderzimmer mit Bett und Schreibtisch hat und auch über den Wandschmuck selbst bestimmen kann. Die Kinderzimmer sind mit genügend Spielsachen ausgestattet und werden ausschließlich als solche genutzt. Arztbesuche übernimmt der Elternteil, bei dem die Kinder gerade sind. Das gilt auch für akut notwendige Arztbesuche. Planbare Arzttermine vereinbart die Kindsmutter. Wird das Kind in der Schule krank, holt derjenige das Kind ab, bei dem es gerade ist und betreut es, falls es längerfristig nicht in die Schule kann. Die Kinder gehen mit zum Einkaufen, wenn sie das möchten und helfen auch im Haushalt mit. Die Kinder haben dort feste Aufgaben wie das Wegbringen des Abfalls und das Leeren des Briefkastens. … kocht auch gerne und reinigt ihr Kinderzimmer selbst. Es gibt sowohl bei der Kindsmutter als auch beim Kindsvater komplett ausgestattete Kleiderschränke. Die Kleider, die die Kinder beim Wechseln zwischen den Elternteilen gerade tragen, werden ungereinigt zurückgegeben. Wenn Zeit ist, unternimmt der Kindsvater mit den Kindern auch Freizeitaktivitäten und besucht gemeinsam mit den Kindern auch andere Leute. Die Kinder dürfen auch Freunde zum Übernachten beim Kindsvater einladen und vom Kindsvater aus Freunde besuchen. Zu Sportveranstaltungen und Trainingsterminen bringt das Elternteil die Kinder, bei dem die Kinder gerade sind. Bei Beiträgen zu Vereinsaktivitäten wird der aktiv, bei dem die Kinder sind. Der Kindsvater gibt an, dass er auch schon mal einen Kuchen gebacken hat. Die Sportausrüstung für Fußball und Reiten ist im Wesentlichen doppelt vorhanden. Kindergeburtstag richtet der Elternteil aus, bei dem die Kinder gerade sind. Die Kinder haben beim Kindsvater einen Adventskalender. Elternabende in der Schule übernimmt derjenige, bei dem die Kinder gerade nicht sind. Alle anderen Veranstaltungen deckt der ab, bei dem die Kinder sich gerade aufhalten. Der Kauf von Heften und anderen Schulmaterialien wird finanziell geteilt. Die Umgangsvereinbarung wird tatsächlich gelebt. Schulische Informationen erhalten die Kindsmutter und der Kindsvater gleichermaßen.
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Der Vortrag des Kindsvaters ist in sich schlüssig und glaubhaft. Anhaltspunkte, an der Glaubwürdigkeit des Kindsvaters zu zweifeln, liegen nicht vor. Auch haben weder die Kindsmutter als Klägervertreterin noch der Vertreter des Beklagten, die während der ganzen Einvernehmung zugegen waren, den Vortrag des Kindsvaters weder angezweifelt noch bestritten.
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Der Vortrag der Elternteile stimmt weitgehend überein, so dass das Gericht bei der Beurteilung von folgendem Sachverhalt ausgehen kann: Es sind bei beiden Elternteilen genügend Spielsachen vorhanden, sodass beim Wechsel der Kinder keine Spielsachen mitgeschickt werden müssen. Planbare Arzttermine vereinbart die Kindsmutter und nimmt diese auch in der Regel wahr. Dies wird auch durch das der Klage beiliegende Arztprotokoll so bestätigt. Bei Akuterkrankungen, die ein Abholen der Kinder von der Schule erforderlich machen, ist das Elternteil in der Verantwortung, bei dem sich die Kinder gerade befinden. Selbiges gilt für den Fall, wenn die Kinder krankheitsbedingt nicht die Schule besuchen können und zuhause betreut werden müssen. Beide Elternteile haben für die Kinder eigene Kleidung gekauft, die sie auch selbst waschen und in den Kleiderschränken der Kinder verwahren. Sportsachen sind ebenfalls doppelt vorhanden. Verantwortlich dafür, Termine in der Schule und bei Sportvereinen wahrzunehmen, ist stets das Elternteil, bei sich die Kinder gerade befinden.
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Im Rahmen der vorzunehmenden Einzelfallprüfung und Beurteilung des Sachverhalts stellt das Gericht zunächst für beide Kinder auf die Umgangsvereinbarung vom 7. März 2018 ab. Danach sind die Kinder im Wesentlichen quantitativ mehr bei der Kindsmutter, nämlich zu 60 Prozent der Zeit. Dies spricht zunächst für eine damit einhergehende erhöhte Belastung der Kindsmutter mit Betreuung und Erziehung der Kläger. Relativiert wird dies jedoch bereits dadurch, dass diese Umgangsvereinbarung nach übereinstimmender Aussage der Eltern nicht statisch ausgeführt wird, sondern beispielsweise in den Ferien flexibler gehandhabt wird.
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Zudem ist auf die tatsächlich gelebten Verhältnisse im Einzelnen abzustellen.
31
Es ergibt sich nach der Zeugeneinvernahme des Kindsvaters und der informatorischen Anhörung der Kindsmutter eine ganz erhebliche Entlastung durch den Kindsvater, sodass eine Alleinerziehung im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 UVG nicht vorliegt. Daher haben bereits hiernach die Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum bei beiden Elternteilen eine auf Dauer angelegte häusliche Gemeinschaft, in der ihre elementaren Lebensbedürfnisse einschließlich der emotionalen Zuwendung gesichert werden. Die Kinder sind bei beiden Elternteilen nicht nur Gäste, sondern vollwertige Haushaltsmitglieder. Erhebliches Gewicht misst das Verwaltungsgericht dem Umstand bei, dass die Kläger bei beiden Elternteilen voll eingerichtete Kinderzimmer haben, welche auch nur als solche genutzt werden. Die Kinder haben bei beiden Elternteilen ausreichend Kleidung in jeweils eigenen Kleiderschränken, einschließlich doppelt vorhandenen Sportausrüstungen. Beide Elternteile unternehmen mit den Klägern Freizeitaktivitäten. Etwas anderes ergibt sich nicht dadurch, dass die Kindsmutter glaubwürdig und glaubhaft dargelegt hat, dass sie ihren Sohn … am Donnerstag immer zum Fußballtraining begleitet und mit diesem zum Friseur geht. Die sich dadurch ergebende Mehrbelastung für die Kindsmutter wird durch den Kindsvater nach Darstellung der Kindsmutter insgesamt kompensiert. So ist die Verantwortung für die Kinder im Wesentlichen nahezu gleich aufgeteilt und der Kindsmutter ist es möglich, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, wenn die Kinder bei ihrem Vater sind. Sie muss also sich keineswegs immer zur Verfügung halten, um die Kinder schnell beim Vater, falls erforderlich, abholen zu können. Der Kindsvater nimmt sich nicht von seiner Verantwortung gegenüber den Kindern aus. Dass im Alltag der Kinder nicht immer alle anfallenden Aufgaben gleichmäßig verteilt werden können, vermag an dem grundsätzlich entstandenen Eindruck, dass die Elternteile im Wesentlichen die Kinder gleichwertig betreuten, nichts zu verändern. Auch die emotionale Zuwendung ist seitens beider Elternteile gleichermaßen vorhanden; Anzeichen hierfür sind auch beispielsweise, dass die Kläger bei beiden Elternteilen je einen Adventskalender haben und die Kindergeburtstage von beiden Elternteilen bereits ausgerichtet worden sind.
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Dem steht auch das Terminprotokoll für die Zeit vom 1. Juli 2018 bis 31. Dezember 2018 nicht entgegen. Bei dessen Auswertung ergibt sich zwar zunächst ein deutliches Übergewicht zu Gunsten der Kindsmutter, da diese von 21 Terminen der Kläger insgesamt 19 Termine alleine und einen Termin zusammen mit dem Kindsvater wahrgenommen hat. Der Kindsvater hat lediglich einen Termin wahrgenommen. Allerdings hat der Kindsvater nach dessen unbestrittener Aussage gerade bei Abendterminen die Betreuung der Kläger sichergestellt und es der Kindsmutter so erst ermöglicht, diese Termine wahrzunehmen. Dies ist als ganz erheblicher Beitrag des Kindsvaters zur Entlastung der Kindsmutter zu werten. Die Informationen - jedenfalls hinsichtlich der schulischen Termine - werden nach unbestrittener Zeugenaussage des Kindsvaters an beide Elternteile gleichermaßen kommuniziert. Eine Absprache dahingehend, dass nur die Kindsmutter diese Termine wahrnimmt und den Kindsvater davon entpflichtet, liegt nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht vor. Ebenso wenig weigert sich der Kindsvater, diese Termine wahrzunehmen.
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Wenn der Vortrag der Kindsmutter eine möglicherweise ungleiche Aufteilung hinsichtlich der für die Kläger anfallenden Kosten in den Raum stellt, ist dies für die Frage nach dem Lebensmittelpunkt der Kläger unbeachtlich. Für diese Frage kommt es entscheidend darauf an, wo die Kläger „zu Hause sind“ und wer den Klägern im Verhältnis zu den Elternteilen emotionale Zuwendung spendet. Die Kostenaufteilung betrifft das Verhältnis der Elternteile untereinander und kann deshalb hier keine Berücksichtigung finden. Sofern hier eine Veränderung durch die Kindsmutter angestrebt wird, ist dies im familiengerichtlichen Verfahren zu klären.
34
In der Zusammenschau kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Kläger ihren Lebensmittelpunkt bei beiden Elternteilen und nicht nur alleine bei der Kindsmutter haben. Die Kindsmutter wird durch die Betreuungsleistung des Kindsvaters in einem derartigen Umfang entlastet, dass sie nicht der doppelten Belastung mit Erziehung und Unterhaltsgewährung ausgesetzt ist, welche die Gewährung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz rechtfertigt.
35
Damit ist die Tatbestandsvoraussetzung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG nicht gegeben.
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Nach alledem ist die Klage als unbegründet abzuweisen.
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Die Kläger tragen gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens.
38
Das Verfahren ist gemäß § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.