Inhalt

VG München, Urteil v. 24.03.2021 – M 19L DK 20.2587
Titel:

Disziplinarklage betreffend Kürzung des Ruhegehalts

Normenketten:
BeamtStG § 34 S. 1, S. 3, § 35 S. 2, § 47 Abs. 1 S. 1
BayDG Art. 12 S. 1, Art. 14 Abs. 2 S. 1, S. 2, Art. 15 Nr. 2, Art. 53 Abs. 1
StGB § 263, § 53
LDO § 24 Abs. 2, § 26 Abs. 1 S. 1
BayEUG Art. 57 Abs. 2
BaySchO § 25
SGB IX § 178 Abs. 2
Leitsätze:
1. Im Hinblick auf den nach § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 StGB eröffneten Strafrahmen von bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe ist der Orientierungsrahmen bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis eröffnet. Ein besonders schwerer Fall liegt vor, weil der Beklagte seine Befugnisse als Amtsträger missbraucht hat. (Rn. 76) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Ausschöpfung des Orientierungsrahmens kommt nur in Betracht, wenn der Beamte das für die Ausübung seines Amtes erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat. Von der Höchstmaßnahme ist abzusehen, wenn Milderungsgründe vorliegen, die insgesamt geeignet sind, das schwere Dienstvergehen des Beklagten als weniger gravierend erscheinen zu lassen. (Rn. 80) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Disziplinarklage, Kürzung des Ruhegehalts, Insbes. 8-facher innerdienstlicher Betrug und bestimmungswidrige Verwendung vom Schulamt zugewiesener Unterrichtsstunden durch ehemaligen Grundschulrektor, Aberkennung des Ruhegehalts, innerdienstlicher Betrug, bestimmungswidrige Verwendung von Unterrichtsstunden, Grundschulrektor, Ruhestand, GdB 40, Betrug, Strafbefehl, fingierte Stundenpläne, Anwesenheitspflicht, Bargeldkasse, schwarze Kasse, Bankkonto, Pflicht zur ordnungsgemäßen Dienstausübung, Pflicht zu achtungswürdigen und vertrauenswürdigen Verhalten, Kontrollfunktion, Dienstpflichtverletzung, lernmittelfrei, innerdienstlich, Vorsatz, Orientierungsrahmen, Ausschöpfung, Milderungsgründe, Vertrauensverlust, Belastung, Überforderung, Pflege, Krankheit, Nachtatverhalten, Maßnahmeverbot
Fundstelle:
BeckRS 2021, 7705

Tenor

I.Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Kürzung des Ruhegehalts in Höhe von 1/10 für die Dauer von 54 Monaten erkannt.
II.Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.   

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt mit seiner Disziplinarklage die Aberkennung des Ruhegehalts des Beklagten.
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1. Der am 20. ... geborene Beklagte absolvierte 1973 den Schulabschluss der Fachhochschulreife an der Fachoberschule Augsburg. Nach Ableistung des Grundwehrdienstes in den Jahren 1973 und 1974 nahm er 1974 ein Studium an der Fachhochschule München in der Ausbildungsrichtung Sozialwesen auf. Ab 1976 studierte er an der Universität Augsburg Lehramt an Grund- und Hauptschulen. 1979 absolvierte er die Erste Prüfung für das Lehramt an Volksschulen (Einstellungsprüfung) mit der Gesamtnote gut (1,81). Mit Wirkung vom 2. Mai 1979 wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Lehramtsanwärter für den Volksschuldienst ernannt. 1982 absolvierte er die Zweite Prüfung für das Lehramt an Volksschulen (Anstellungsprüfung) mit der Note gut (2,0). Mit Wirkung vom 10. September 1982 wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Lehrer ernannt. Mit Wirkung vom 13. März 1995 wurde er in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen. Von 1991 bis 1993 legte er eine Zusatzqualifizierung als Beratungslehrer ab und beendete diese mit der Ersten Staatsprüfung als Erweiterungsprüfung im Fach Beratungslehrer mit der Note befriedigend (3,20). Mit Wirkung vom 1. Dezember 1997 wurde er zum Konrektor ernannt und zugleich zum ständigen Stellvertreter des Schulleiters der ... (Grundschule) bestellt. Seit 1. September 2000 wurde ihm eine Leistungsstufe gewährt. Mit Wirkung vom 1. August 2001 wurde er an die …-Volksschule … (Grundschule) versetzt und mit der Wahrnehmung der Aufgaben des Schulleiters beauftragt. Mit Wirkung vom 19. Dezember 2001 wurde er zum Rektor ernannt. Im Februar 2003 vollendete er eine Dienstzeit von 25 Jahren. Mit Wirkung vom 20. Mai 2008 wurde er an die Grundschule … versetzt. Mit Ablauf des 15. Februar 2019 trat er wegen Erreichens der Altersgrenze in den Ruhestand.
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Der Beklagte erhielt in den periodischen Beurteilungen 2006, 2010 und 2015 jeweils das Prädikat „UB“.
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Er ist verheiratet und hat drei volljährige Kinder. Mit Bescheid vom 3. August 2017 stellte das Zentrum Bayern Familie und Soziales, Region Schwaben, einen Grad der Behinderung von 40 v.H. fest.
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Der Beklagte ist durch Verhängung eines Verweises durch die Regierung von Schwaben mit Disziplinarverfügung vom 1. Dezember 2015, rechtskräftig seit 7. Januar 2016, disziplinarrechtlich vorbelastet. Dem Verweis lag zugrunde, dass er im gesamten Schuljahr 2013/14 vier laut Stundenplan zu haltende Förderstunden nicht abhielt. Strafrechtlich ist er mit Ausnahme der gegenständlichen Vorwürfe nicht vorbelastet.
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2. Die Regierung von Schwaben leitete mit Verfügung vom 9. Januar 2017 ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten ein. Mit Schreiben vom Folgetag setzte sie ihn hiervon in Kenntnis und räumte ihm Gelegenheit zur Äußerung ein. Der Bevollmächtigte bestellte sich mit Schreiben vom 31. Januar 2017 und nahm mit Schreiben vom 16. März 2017 Stellung zu den Vorwürfen. Das Staatliche Schulamt im Landkreis Augsburg äußerte sich zu der Stellungnahme des Bevollmächtigten mit Schreiben vom 25. April 2017. Mit Schreiben vom 27. September 2017 teilte es neue Vorwürfe gegen den Beklagten mit.
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Angesichts der Vielzahl der Vorwürfe ersuchte die Regierung von Schwaben die Landesanwaltschaft Bayern - Disziplinarbehörde - um Prüfung, ob das Verfahren übernommen werde. Die Landesanwaltschaft Bayern kam dem Ersuchen mit Schreiben vom 20. Oktober 2017 nach und informierte hiervon gleichzeitig den Bevollmächtigten.
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Mit Verfügung vom 28. Februar 2018 dehnte die Landesanwaltschaft Bayern das Disziplinarverfahren auf weitere Vorwürfe aus. Gleichzeitig schaltete sie die Staatsanwaltschaft Augsburg wegen des Verdachts auf Urkundenfälschung hinsichtlich einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein. Diese teilte der Landesanwaltschaft Bayern mit Schreiben vom 24. Mai 2018 mit, dass das gegen Unbekannt geführte Strafverfahren wegen Urkundenfälschung nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt worden sei. Die Landesanwaltschaft Bayern informierte den Bevollmächtigten des Beklagten mit Schreiben vom 1. Juli 2018 über die Ausdehnung des Disziplinarverfahrens und räumte ihm Gelegenheit zur Stellungnahme ein. Der Bevollmächtigte beantragte mit Schreiben vom 26. Juni 2018 die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung. Die Landesanwaltschaft kann dem mit Schreiben vom Folgetag nach. Der Bevollmächtigte äußerte sich mit Schreiben vom 30. Juli 2018 zu den Vorwürfen. Auf Anforderung der Landesanwaltschaft Bayern nahm die Regierung von Schwaben zu der Äußerung des Bevollmächtigten mit Schreiben vom 19. September 2018 Stellung und übermittelte weitere Unterlagen.
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Mit Schreiben vom 22. Oktober 2018 übersandte die Regierung von Schwaben ein vom Staatlichen Schulamt im Landkreis Augsburg erstelltes Persönlichkeitsbild vom 18. Oktober 2018.
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In einer Beweisaufnahme am 8. und 9. November 2018 vernahm die Landesanwaltschaft Bayern im Beisein des Bevollmächtigten die Schulamtsdirektorin W., die Konrektorin B. der Grundschule … und mehrere dort tätige Lehrerinnen und Lehrer als Zeuginnen und Zeugen.
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Mit Schreiben vom 6. Dezember 2018 holte die Landesanwaltschaft Bayern mehrere dienstliche Auskünfte ein. Der Direktor der Staatlichen Realschule … äußerte sich mit Schreiben vom 14. Dezember 2018, die Konrektorin B. mit Schreiben vom 19. Dezember 2018 und das Staatliche Schulamt im Landkreis Augsburg mit Schreiben vom 20. Dezember 2018.
12
Die Regierung von Schwaben informierte die Landesanwaltschaft Bayern mit Schreiben vom 21. Dezember 2018 über den Verdacht weiterer Dienstpflichtverletzungen durch den Beklagten und konkretisierte die Vorwürfe mit Schreiben vom 4. Februar 2019 und E-Mail vom 27. Februar 2019. Die Landesanwaltschaft Bayern dehnte das Disziplinarverfahren daraufhin mit Verfügung vom 9. April 2019 auf weitere Vorwürfe aus und informierte die Staatsanwaltschaft Augsburg mit Schreiben vom selben Tage über den Verdacht des Betrugs in einem besonders schweren Fall durch den Beklagten. Nachdem die Staatsanwaltschaft Augsburg ein Strafermittlungsverfahren gegen diesen eingeleitet hatte, setzte die Landesanwaltschaft Bayern das Disziplinarverfahren mit Verfügung vom 16. April 2019 aus. Mit Schreiben vom 9. Juli 2019 setzte sie den Bevollmächtigten über Ausdehnung und Aussetzung des Disziplinarverfahrens in Kenntnis und räumte ihm Gelegenheit zur Äußerung ein, auf die er mit Schreiben vom 17. Juli 2019 verzichtete.
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Das Amtsgericht Augsburg erließ am 14. Oktober 2019 einen Strafbefehl gegen den Beklagten (vgl. 3.).
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Die Landesanwaltschaft Bayern setzte das Disziplinarverfahren daraufhin mit Verfügung vom 26. Februar 2020 fort und dehnte es auf weitere Vorwürfe aus. Gleichzeitig informierte es den Bevollmächtigten hiervon und gab ihm erneut Gelegenheit zur Stellungnahme, auf die er mit Schreiben vom 6. April 2020 verzichtete.
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Mit Verfügung vom 8. Mai 2020 stellte die Landesanwaltschaft Bayern das Ergebnis der Ermittlungen fest, beschränkte das Disziplinarverfahren hinsichtlich einiger Vorwürfe und stellte den Beklagten von einem Vorwurf frei. Mit Schreiben vom selben Tag teilte sie dem Bevollmächtigten das Ermittlungsergebnis mit und räumte ihm abschließend Gelegenheit zur Äußerung ein. Hiervon machte dieser mit Schreiben vom 2. Juni 2020 Gebrauch und beantragte die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung und des Personalrats. Die Landesanwaltschaft Bayern sah von der Beteiligung aufgrund der Stellung des Beklagten als Ruhestandsbeamter ab.
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Mit Verfügung vom 10. Juni 2020 beschränkte sie das Disziplinarverfahren hinsichtlich weiterer Vorwürfe. Mit Verfügung vom selben Tag ordnete sie die Einbehaltung von 30 v.H. des Ruhegehalts des Beklagten an.
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3. Das Amtsgericht Augsburg verhängte gegen den Beklagten mit Strafbefehl vom 14. Oktober 2019, rechtskräftig seit 5. November 2019, eine Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten wegen Betrugs in acht tatmehrheitlichen Fällen (§ 263 Abs. 1, § 53 Strafgesetzbuch - StGB), deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Ihm wurde außerdem auferlegt, eine Geldauflage in Höhe von 6000 € zu bezahlen.
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Dem Strafbefehl liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
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Der Beklagte war bis zu seiner Pensionierung mit Ablauf des 15. Februar 2019 Schulleiter der Grundschule … In dieser Eigenschaft leitete er zu den nachfolgend näher bezeichneten Zeitpunkten Rechnungen von Schulbuchverlagen an den Schulaufwandsträger Markt … zur Begleichung weiter. Hierbei war ihm bewusst, dass der Markt lediglich solche Rechnungen zu begleichen hat, die lernmittelfreie Bücher zum Gegenstand haben. Gleichwohl übersandte er die Rechnungen an den Markt mit den Vermerken „Hst.“, „staatl. geförderte Lernmittel“ sowie „ok! E. …“, um beim Schulaufwandsträger den Eindruck zu erwecken, dass diese tatsächlich lernmittelfrei und damit von ihm zu bezahlen seien. Tatsächlich handelte es sich, wie er wusste, bei den auf den Rechnungen aufgeführten Büchern um nicht lernmittelfreie oder im Lehrplan nicht gelistete Bücher, die von den Eltern der Schüler zu bezahlen waren. Gleichzeitig versandte er Elternbriefe mit halbjährlichen Klassenabrechnungen an die Eltern, in denen diese zur Zahlung u.a. der nicht lernmittelfreien Bücher aufgefordert wurden. Die Eltern kamen der Aufforderung nach und zahlten die Kosten auf das Konto der Grundschule … ein. Der vorgefassten Absicht des Beklagten entsprechend beglich auch der Markt … in Unkenntnis der wahren Umstände die eingereichten Rechnungen, wodurch ihm, wie vom Beklagten vorgesehen und zumindest billigend in Kauf genommen, die nachfolgend näher bezeichneten Schäden entstanden. Um diese Beträge wurde die Grundschule …, wie er wusste und beabsichtigte, bereichert.
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Im Einzelnen handelte es sich um folgende Fälle:
...
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Es folgt eine Tabelle, aus der sich ergibt, dass der Beklagte am 27.9.2017, 5.8.2015, 21.9.2015, 18.3.2016, 20.7.2016, 20.9.2016, 5.10.2016 und 11.11.2016 Rechnungen an den Markt … weiterleitete.
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Insgesamt beliefen sich die Zahlungen des Marktes auf 11.988,95 €.
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4. Die Landesanwaltschaft Bayern erhob am 15. Juni 2020 Disziplinarklage gegen den Beklagten zum Verwaltungsgericht München mit dem Antrag,
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ihm das Ruhegehalt abzuerkennen.
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Zur Begründung erhob sie folgende Vorwürfe gegen den Beklagten:
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1. Er habe in den Schuljahren 2015/16 und 2016/17 die vom Schulamt zugewiesenen Stunden nicht ordnungsgemäß eingesetzt und diese zum Teil umgewidmet.
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So habe er im Schuljahr 2015/16 keine Arbeitsgemeinschaft zwischen Kindergarten und Grundschule eingerichtet, obwohl das Schulamt der Grundschule … zwei Stunden nach dem Bildungsfinanzierungsgesetz (nachfolgend: BiFi-Stunden) zugewiesen habe. Zudem habe er trotz Zuweisung von zwei Vorkursen mit insgesamt sechs Stunden nur einen Vorkurs eingerichtet.
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Im Schuljahr 2016/17 habe er keine Arbeitsgemeinschaft zwischen Grundschule und Kindergarten eingerichtet, obwohl das Schulamt der Grundschule hierfür zwei BiFi-Stunden zugewiesen habe. Außerdem habe er nur einen Vorkurs mit zwei Wochenstunden eingerichtet, obwohl das Schulamt der Grundschule … 18 Wochenstunden für sechs Vorkurse zugewiesen habe. Er habe die nicht belegten Unterrichtsstunden für die Einrichtung verschiedener Arbeitsgruppen (Schulblasorchester und differenzierter Deutschunterricht) verwendet. Außerdem habe er im Werken/Gestalten-Bereich entgegen einem Schreiben des Kultusministeriums kleinere Gruppen gebildet und den hieraus resultierenden höheren Stundenbedarf durch die nicht ordnungsgemäß eingesetzten Stunden ausgeglichen.
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2. Der Beklagte habe im Schuljahr 2016/17 für fünf Lehrkräfte eine vom tatsächlich durchgeführten Unterricht abweichende Version von deren Stundenplänen erstellt und dem Schulamt vorgelegt. Dabei habe er die Lehrkräfte K. und R. unter Druck gesetzt, die fingierten Versionen ihrer Stundenpläne zu unterschreiben. In den fingierten Stundenplänen seien Förder-Deutschstunden aufgeführt gewesen, die tatsächlich nicht gehalten worden seien.
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Hinsichtlich der weiteren drei Lehrkräfte werde er vom Vorwurf freigestellt, sie hinsichtlich der Unterschrift unter die fingierte Version der Stundenpläne unter Druck gesetzt zu haben.
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3. Er sei im Schuljahr 2016/17 teilweise seiner Anwesenheitspflicht nicht nachgekommen. So sei er von Beginn des Schuljahres bis Ende November 2016 - mit Ausnahme von drei Freitagen - jeweils freitags nicht in der Grundschule anwesend gewesen, weil er Altersermäßigungsstunden auf diesen Wochentag gelegt habe. Er habe sein Verhalten erst auf Anordnung des Schulamtes geändert. Am Freitag, den 17. Juli 2017, sei er wegen Überstundenausgleichs nicht anwesend gewesen. Darüber hinaus sei er an acht weiteren Schultagen (überwiegend Freitage) im Mai und Juni 2017 nicht bis zum Ende der Hauptunterrichtszeit, die in der Grundschule … bis zum Ende der 6. Unterrichtsstunde dauere, anwesend gewesen. Bei Schulleitern sei ein Überstundenausgleich nicht möglich. Die Ermäßigungsstunden aus Altersgründen würden durch Reduzierung der Unterrichtsverpflichtung gewährt, die ihm gegenüber vollzogen worden sei. Ein weitergehendes eigenmächtiges „Nehmen“ von Altersanrechnungsstunden sei nicht zulässig. Für das Schulamt sei durch die Kennzeichnung im vorgelegten Stundenplan nicht erkennbar gewesen, dass er den ganzen Freitag nicht in der Grundschule anwesend sei. Die Verpflichtung zur Anwesenheit ergebe sich aus § 26 Lehrerdienstordnung (LDO).
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4. Weiter werde dem Beklagten der Sachverhalt aus dem rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Augsburg zur Last gelegt. Er habe dem Markt … den entstandenen Schaden am 16. August 2019 erstattet. Der Sachverhalt stehe nach Art. 25 Abs. 2 Bayerisches Disziplinargesetz (BayDG) fest aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des rechtskräftigen Strafbefehls, den er akzeptiert habe. Sein Vortrag, dies sei nur aus gesundheitlichen Gründen und zur Vermeidung der Hauptverhandlung geschehen, könne die Indizwirkung des Strafbefehls ebenso wenig entkräften wie seine Erklärung, er habe nur das „Abrechnungsmodell“ der ehemaligen Verwaltungsangestellten Frau F. übernommen. Als Schulleiter gehöre es zu seinen Kernpflichten, die finanziellen Angelegenheiten der Schule ordnungsgemäß zu erledigen. Auch sei nicht glaubhaft, dass er 2016 und 2017 lediglich vergessen habe, den Betrag an den Markt … zu überweisen.
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5. Der Beklagte habe im Schuljahr 2017/18 über die Zweckbestimmung von § 25 Bayerische Schulordnung (BaySchO) hinaus ein Konto der Grundschule … bei der VR-Bank für die Abwicklung der Einnahmen und Ausgaben der Grundschule geführt.
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6. Weiter habe er im Schuljahr 2017/18 entgegen den haushaltsrechtlichen Vorschriften eine Bargeldkasse geführt, über die er Einnahmen und Ausgaben der Grundschule abgewickelt habe. Er habe die Handkasse unvollständig, ungenau und schwer nachvollziehbar geführt. Diese Bargeldkasse mit wechselnden Bargeldbeträgen habe er als sog. „Schwarze Kasse“ am Sachaufwandsträger der Grundschule vorbei geführt.
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7. Er habe 27 im Einzelnen dargestellte Ausgaben in Höhe von 4713,78 € getätigt bzw. vom Konto der Grundschule … bei der VR-Bank überwiesen, ohne dass Rechnungen oder sonstige Nachweise für die Ausgaben vorgelegen hätten.
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Durch das dargestellte Verhalten habe der Beklagte ein schweres innerdienstliches Dienstvergehen im aktiven Dienst begangen. Durch sämtliche geschilderte Vorfälle habe er gegen seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Dienstausübung aus § 34 Satz 1 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) und gegen seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten aus § 34 Satz 3 BeamtStG verstoßen. In dem unter 1. geschilderten Verhalten liege außerdem ein Verstoß gegen § 24 Abs. 2 LDO und gegen die Verpflichtung zur Befolgung von Richtlinien aus § 35 Satz 2 BeamtStG. Als Schulleiter sei er außerdem nach Art. 57 Abs. 2 Bayerisches Erziehungs- und Unterrichtsgesetz (BayEUG) für einen geordneten Schulbetrieb und Unterricht verantwortlich. In dem unter 2. dargestellten Verhalten liege ein Verstoß gegen seine Wahrheitspflicht. Die unter 3. genannten ungerechtfertigten Abwesenheitszeiten stellten einen Verstoß gegen § 35 Satz 2 BeamtStG i.V.m. § 26 Abs. 1 Satz 1 LDO dar. Mit dem Einreichen der Rechnungen beim Markt … (vgl. 4.) habe er einen Betrug im besonders schweren Fall nach § 263 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 StGB begangen und damit gegen seine Verpflichtung zur Beachtung der Gesetze aus § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG verstoßen. In den unter 5. und 6. dargestellten Taten, die das Führen einer sog. „schwarzen Kasse“ beinhalteten, liege ein Verstoß gegen § 25 BaySchO und damit gegen die Pflicht zur Befolgung von Richtlinien aus § 35 Satz 2 BeamtStG. Mit den unter 7. geschilderten Zahlungen habe er gegen Grundsätze des Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesens und damit ebenfalls gegen § 35 Satz 2 BeamtStG verstoßen. Bei allen Taten habe er vorsätzlich gehandelt.
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Die zu verhängende Disziplinarmaßnahme bestimme sich nach der schwersten Verfehlung, die hier im Betrug im besonders schweren Fall zum Nachteil des Marktes … mit einem Schaden in Höhe von knapp 12.000 € liege. Hierfür sehe § 263 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 StGB einen Strafrahmen von bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe vor. Damit ergebe sich ein Orientierungsrahmen bis zur Aberkennung des Ruhegehalts. Zwar komme dem ausgeurteilten Strafmaß bei innerdienstlichen Dienstvergehen keine indizielle Bedeutung zu; gleichwohl habe das Strafgericht eine Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten ausgesprochen. Der konkrete Unrechtsgehalt der Taten sei unabhängig hiervon sehr hoch. Der Beklagte habe den Markt … über einen Zeitraum von zwei Jahren in acht Fällen betrogen und hierdurch die erhebliche Schadenshöhe von 12.000 € verursacht. Zwar habe er sich nicht persönlich bereichert, dennoch aber insofern eigennützig gehandelt, als dass die Grundschule mehr Geld zur Verfügung gehabt und er damit seine Position als Schulleiter gestärkt habe. Die korrekte Abwicklung finanzieller Angelegenheiten gehöre zu den Kernpflichten eines Schulleiters. Das Gleiche gelte für die Sicherstellung eines lehrplankonformen Unterrichts. Lehrer hätten eine Vorbildfunktion, erst recht gelte dies für die herausgehobene Stellung eines Schulleiters.
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Zu Lasten des Beklagten spreche seine disziplinarrechtliche Vorbelastung infolge der Nichthaltung von vier Förderstunden im Schuljahr 2013/14. Trotz dieses Disziplinarverfahrens habe er die vom Schulamt zugewiesenen Unterrichtsstunden bereits im Schuljahr 2015/16 nicht ordnungsgemäß eingesetzt und damit in diesem Bereich erneut eigenmächtig nach den seiner Meinung nach zu setzenden Prioritäten gehandelt.
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Demgegenüber erreichten die zu seinen Gunsten einzustellenden mildernden Umstände weder für sich allein noch im Rahmen der erforderlichen Gesamtschau ein solches Gewicht, dass von der Aberkennung des Ruhegehalts abgesehen werden könne. Klassische Milderungsgründe seien nicht gegeben. Auch lägen keine sonstigen durchgreifenden Entlastungsgründe vor. Zu Gunsten des Beklagten sei zu würdigen, dass er im Strafverfahren die unkorrekte Abrechnung zulasten des Marktes eingeräumt, den Schaden nach Aufdeckung der Tat vollständig beglichen und gute Beurteilungen erhalten habe. Zudem sei er aufgrund diverser Erkrankungen, die auch zur Feststellung einer Schwerbehinderung mit dem GdB 40 v.H. geführt hätten, sowie weiterer privater Belastungen möglicherweise überfordert gewesen. Seine Dienstzeit sei insgesamt nicht beanstandungsfrei gewesen; ohnehin würde sich selbst eine beanstandungsfreie Dienstzeit nicht entlastend auswirken.
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Insgesamt liege ein endgültiger und unwiederbringlicher Vertrauensverlust vor. Die Aberkennung des Ruhegehalts verstoße auch nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
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Der Beklagte beantragte,
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auf eine mildere Maßnahme unterhalb der Höchstmaßnahme zu erkennen,
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hilfsweise, ihm einen Unterhaltsbeitrag von mindestens sechs Monaten zuzusprechen.
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Er ließ vortragen, es lägen wesentliche Mängel des Disziplinarverfahrens vor, die gerügt würden. Entgegen § 178 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) IX sei die Schwerbehindertenvertretung nicht unverzüglich über die Einleitung des Disziplinarverfahrens informiert worden. Die Regierung von Schwaben habe ihn nicht auf sein Recht auf Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung hingewiesen. Trotz seines entsprechenden Antrags sei vor Erhebung der Disziplinarklage zudem weder eine Anhörung der Personal- noch der Schwerbehindertenvertretung erfolgt.
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Er habe zwar im Kernbereich seiner Pflichten versagt; dennoch liege kein endgültiger Vertrauensverlust vor, weil besondere Milderungsgründe gegeben seien, die die Disziplinarmaßnahme der Kürzung des Ruhegehalts noch als ausreichend erscheinen ließen.
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Das Staatliche Schulamt des Landkreises Augsburg sei seiner Kontrollfunktion nicht nachgekommen. Ihm könnten die Abwesenheitszeiten zu Beginn des Schuljahres 2016/17 nicht vorgeworfen werden, weil aus seinem dem Schulamt am 13. September 2016 übersandten Stundenplan erkennbar gewesen sei, dass er am Freitag von 7:45 bis 10:15 Uhr Altersanrechnungsstunden nehmen wolle. Das Schulamt sei auch schon lange vorher über die Probleme mit Klassenplanung, Erstellung des Stundenplans und unzureichender Größe des Werkraums informiert gewesen und habe ihn damit alleine gelassen. Das Desinteresse des Schulamtes an seiner Person könne auch dem Persönlichkeitsbild vom 18. Oktober 2018 entnommen werden.
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Erstmalig im Schuljahr 2016/17 sei er mit der Situation und den vorgefundenen Gegebenheiten maßlos überfordert gewesen. Die bisherige Konrektorin sei in den Ruhestand getreten, die neue Konrektorin habe sich ausschließlich in das neu implementierte EDV-Schulprogramm einarbeiten wollen, Renovierungsarbeiten im Schulhaus hätten stattgefunden, drei Lehrkräfte seien zum Schulanfang ausgefallen. Er sei seit dem Schuljahr 2016/17 immer wieder für mehrere Wochen dienstunfähig erkrankt gewesen. Er habe massive gesundheitliche Probleme, so leide er seit 2010 an Epilepsie und seit 2014 an einer schweren Herzerkrankung; außerdem habe er 2016 einen Sportunfall erlitten. Rückblickend hätte er aufgrund seiner gesundheitlichen Konstitution vorzeitig in den Antragsruhestand gehen sollen. Außerdem habe er mit drei Pflegefällen in der Familie umfangreiche private Belastungen zu meistern gehabt. Hinzu komme, dass die frühere Verwaltungsangestellte Frau F. ab Juni 2013 ausgefallen und erst ab Mai 2014 und nur durch eine Teilzeitkraft ersetzt worden sei. Aufgrund all dieser Umstände habe er den Überblick verloren und den bürokratischen Vorgängen nicht die erforderliche Beachtung geschenkt.
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Zur Abwicklung der Rechnungen über nicht lernmittelfreie Bücher habe er das Modell von Frau F. übernehmen wollen, wonach die Rechnungen zu Beginn jeden Schuljahres an den Markt … bekannt gegeben und von dort direkt an die Händler ausgeglichen worden seien. Die Anweisung der Rückflüsse für die Jahre 2016 und 2017 nach Zahlung der Eltern habe er schlichtweg vergessen. Mit dem handschriftlichen Vermerk auf den Rechnungen habe er den Markt … nicht täuschen wollen. Es könne ihm lediglich der Vorwurf gemacht werden, dass er fahrlässig unterlassen habe, beim Markt nochmals nachzufragen, ob das „Modell F.“ weiterhin so praktiziert werden könne. Von einem vorsätzlichen Betrug zum Nachteil des Marktes sei jedoch nicht auszugehen. Er habe sich nur deshalb nicht gegen den Strafbefehl gewehrt, weil er sich aus gesundheitlichen Gründen den Strapazen und dem psychischen Druck einer Hauptverhandlung nicht habe aussetzen wollen.
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Der Sachverhalt des Strafbefehls sei nicht einfach bestritten, vielmehr seien positive Tatsachen für die Unrichtigkeit der dortigen tatsächlichen Feststellungen vorgetragen worden. Im Disziplinarverfahren sei deshalb der Untersuchungsgrundsatz nach Art. 23 BayDG nicht beachtet worden. Im Übrigen sei es für ihn bei Durchsicht der Kontoauszüge nicht immer offensichtlich gewesen, welche Posten sich hinter den überwiesenen Geldern befunden hätten.
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Er sei nicht mit der Vorschrift von Art. 25 BaySchO vertraut gewesen und in 20 Dienstjahren nie auf Defizite in seiner Handhabung hingewiesen worden. Die Bargeldkasse habe er lediglich zur Vereinfachung für die Lehrkräfte während seiner Abwesenheit aufgrund einer schweren Herz-Operation im Schuljahr 2017/18 eingerichtet. In den getätigten Überweisungen habe er den Verwendungszweck immer klar angegeben.
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Nur aus Überforderung habe er einige Lehrer zur Unterzeichnung der unrichtigen Stundenpläne aufgefordert. Insoweit liege ein persönlichkeitsfremdes Ausnahmeverhalten vor.
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Insgesamt seien die ihn entlastenden Umstände weit in der Überzahl. Allein die schweren gesundheitlichen Einschränkungen seien ursächlich dafür, dass er seinen Aufgaben am Ende seiner Amtszeit nicht mehr ordnungsgemäß nachgekommen sei. Er blicke auf eine beanstandungsfreie Dienstzeit von über 30 Jahren zurück, davon 15 Jahre in der Funktion als Rektor. Den Verweis habe er erst 2016 erhalten, als die Erkrankungen schon vorgelegen hätten. Das im Disziplinarverfahren eingeholte Persönlichkeitsbild vom 18. Oktober 2018 sei einseitig und wenig aussagekräftig. Ferner zeige sein gesamtes Nachtatverhalten echte Reue. So lägen Geständigkeit im Strafverfahren und Schadenswiedergutmachung aus dem Privatvermögen vor.
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Eine Disziplinarmaßnahme unter der Höchstmaßnahme würde neben dem Strafbefehl zur Sanktion ausreichen, zumal er aufgrund des Strafverfahrens bereits eine Geldauflage in Höhe von 6000 € entrichtet habe.
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Die Landesanwaltschaft Bayern replizierte mit Schreiben vom 21. August 2020 insbesondere, wesentliche Mängel des behördlichen Disziplinarverfahrens lägen aufgrund des zeitlichen Ablaufs der Feststellung der Schwerbehinderung des Beklagten und der Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung nicht vor. Bei Ruhestandsbeamten bestehe zudem keine Verpflichtung zur Beteiligung der Personal- und der Schwerbehindertenvertretung.
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Der Bevollmächtigte des Beklagten äußerte sich nochmals mit Schreiben vom 14. September 2020.
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In der mündlichen Verhandlung am 24. März 2021 wurde Herr L., ein Mitarbeiter in der Kämmerei des Marktes …, als Zeuge vernommen. Im Übrigen wiederholten die Parteien ihre schriftsätzlich gestellten Anträge.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Disziplinar-, Personal- und Beiakten, die beigezogene Strafakte und die Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Kürzung des Ruhegehalts in Höhe von 1/10 für die Dauer von 54 Monaten erkannt (vgl. Art. 12 BayDG).
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1. Das Disziplinarverfahren weist entgegen der Rüge des Beklagten in formeller Hinsicht keine Mängel auf. Nach Art. 53 Abs. 1 BayDG hat der Beamte bei einer Disziplinarklage wesentliche Mängel des behördlichen Disziplinarverfahrens oder der Klageschrift innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Klage geltend zu machen. Ein Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens ist wesentlich, wenn sich nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen lässt, dass er sich auf das Ergebnis des gerichtlichen Disziplinarverfahrens ausgewirkt haben kann; maßgeblich ist damit die Ergebnisrelevanz (BVerwG, B.v. 7.7.2016 - 2 B 1.16 - juris Rn. 10). Hier hat der Beklagte mehrere Mängel innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Klage am 17. Juni 2020 mit Schreiben vom 4. August 2020, eingegangen beim Verwaltungsgericht am Folgetag und damit innerhalb der gesetzlichen Zweimonatsfrist, geltend gemacht. Entgegen den vorgebrachten Rügen weist das Disziplinarverfahren jedoch in formeller Hinsicht keine Mängel auf.
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Ein Verstoß gegen das Beteiligungserfordernis der Schwerbehindertenvertretung ist nicht gegeben. Nach § 178 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) IX hat der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören; er hat ihr die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen. Hier fragte die Landesanwaltschaft Bayern bei Übernahme des Disziplinarverfahrens als Disziplinarbehörde mit Schreiben vom 20. Oktober 2017 an, ob der Beklagte zu den schwerbehinderten Menschen gehöre oder diesem Personenkreis gleichgestellt sei. Sein Bevollmächtigter beantragte erst mit Schreiben vom 26. Juni 2018 die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung, die dann mit Schreiben der Landesanwaltschaft Bayern vom 27. Juni 2016 und damit unverzüglich unterrichtet wurde. Eine frühere Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung war nicht veranlasst. Eine Maßnahme, die vom Dienstherrn in Unkenntnis der Schwerbehinderteneigenschaft des Beamten diesem gegenüber getroffen wird, ist nicht wegen einer unterbliebenen Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung rechtswidrig, wenn der Beamte es unterlassen hat, den Dienstherrn von der Schwerbehinderung oder der Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten in Kenntnis zu setzen (BVerwG, U.v. 17.4.2020 - 2 B 7.20 - juris Rn. 10; BayVGH, U.v. 16.1.2019 - 16a D 15.2672 - juris Rn. 18). Eine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung vor Erhebung der Disziplinarklage war ebenfalls nicht erforderlich. Diese konnte entfallen, weil der Beklagte zu diesem Zeitpunkt bereits im Ruhestand war und damit der Gesetzeszweck der Eingliederung schwerbehinderter Menschen in den Betrieb bzw. die Dienststelle nicht mehr greift. Gleiches gilt im Hinblick auf die unterbliebene Beteiligung der Personalvertretung (BayVGH, U.v. 18.3.2015 - 16a D 09.3029 - juris Rn. 37; Zängl, Bayer. Disziplinarrecht, Stand Aug. 2020, Art. 35 BayDG Rn. 51).
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2. In tatsächlicher Hinsicht steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte die ihm in der Disziplinarklage vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen begangen hat.
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2.1. Hinsichtlich des Vorwurfs 1 steht fest, dass er in den Schuljahren 2015/16 und 2016/17 vom Schulamt zugewiesene Stunden nicht ordnungsgemäß eingesetzt und diese zum Teil anders verwendet hat als vorgesehen. Insgesamt hat er in diesen beiden Schuljahren 23 Lehrerstunden statt für BiFi- und Vorkursstunden (im Schuljahr 2015/16 2 BiFi- und 3 Vorkursstunden; im Schuljahr 2016/17 2 BiFi- und 16 Vorkursstunden) für die Einrichtung von Arbeitsgemeinschaften (z.B. Blasorchester) und eine kleinere Gruppenbildung im Werken/Gestalten verwendet.
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2.2. Hinsichtlich des Vorwurfs 2 hält es das Gericht für erwiesen, dass der Beklagte dem Schulamt im Schuljahr 2016/17 für fünf Lehrkräfte eine vom tatsächlich durchgeführten Unterricht abweichende Version von deren Stundenplänen vorgelegt hat. Dabei hat er zwei Lehrkräfte unter Druck gesetzt, die fingierten Versionen ihrer Stundenpläne zu unterschreiben. In den fingierten Stundenplänen waren Förder-Deutschstunden genannt, die tatsächlich nicht gehalten wurden.
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2.3. Hinsichtlich des Vorwurfs 3 steht für das Gericht fest, dass der Beklagte im Schuljahr 2016/17 von Beginn des Schuljahres bis Ende November 2016 - mit Ausnahme von drei Freitagen - jeweils freitags und damit insgesamt acht Freitage nicht in der Grundschule anwesend war. Er begründete diese Abwesenheit mit Altersermäßigungsstunden, die ihm jedoch bereits durch Reduzierung der Unterrichtsverpflichtung gewährt wurden, so dass weitere freie Tage mit dieser Begründung nicht gerechtfertigt waren. Dem Beklagten ist allerdings zuzugestehen, dass er seine auf diese Begründung gestützte Abwesenheit nicht zu vertuschen versuchte. Aus seinem dem Staatlichen Schulamt vorgelegten Stundenplan für das Schuljahr 2016/17 ist die geplante Abwesenheit an Freitagen aus dem Grund „Altersermäßigung“ klar erkennbar (vgl. Beiakte 3b Anlage 1b). Die Abwesenheit an den acht Freitagen zwischen September und November 2016 lässt sich daneben nicht mit freien Tagen für Pflegeleistungen rechtfertigen. Selbst wenn für ihn nach § 2 Abs. 1 Pflegezeitgesetz (PflegeZG) die Möglichkeit bestanden haben mag, bis zu zehn freie Tage für Pflegeleistungen in Anspruch zu nehmen, hat er diese Tage nicht beantragt und wurden solche in der Folge auch nicht genehmigt.
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Der Beklagte war zudem am Freitag, den 17. Juli 2017, wegen Überstundenausgleichs nicht in der Grundschule anwesend. Ein Überstundenausgleich war bei ihm als Schulleiter jedoch nicht möglich.
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Darüber hinaus war er an acht Schultagen (überwiegend Freitage) im Mai und Juni 2017 nicht bis zum Ende der 6. Unterrichtsstunde und damit nicht in der Hauptunterrichtszeit in der Grundschule anwesend. Als nicht glaubhaft erachtet das Gericht seinen Vortrag, es habe eine Absprache mit dem Schulamt bestanden, wonach entgegen der Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 1 LDO in der Hauptunterrichtszeit nur eine Person der Schulleitung anwesend sein müsse. Ein Nachweis für diese Absprache findet sich nicht in den umfangreichen Disziplinarakten und wurde vom Beklagten auch nicht vorgelegt. Eine Absprache im vorgenannten Sinne wird vom Schulamt auch dementiert.
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2.4. Auch den unter 4. gegen den Beklagten erhobenen Vorwurf des Betrugs in acht tatmehrheitlichen Fällen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Augsburg vom 14. Oktober 2019 hält das Gericht für erwiesen. Im Zeitraum zwischen 5. August 2015 und 27. September 2017 leitete er an acht einzelnen Tagen Rechnungen von Schulbuchverlagen über nicht lernmittelfreie Bücher an den Markt … als Schulaufwandsträger zur Begleichung weiter. Obwohl er wusste, dass nicht lernmittelfreie Bücher nach Art. 51 Abs. 4 Satz 1 BayEUG von den Eltern zu bezahlen waren und der Markt lediglich Rechnungen für lernmittelfreie Bücher zu begleichen hatte (vgl. Art. 21 Abs. 2 Satz 1, Art. 8 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 Bayerisches Schulfinanzierungsgesetz - BaySchFG), übersandte er die Rechnungen mit billigenden Vermerken, um beim Markt den Eindruck zu erwecken, dass die Bezahlung veranlasst sei. Gleichzeitig stellte er das Geld für die Bücher auch den Eltern in Rechnung und erlangte so eine doppelte Bezahlung an die Grundschule. Eine Rückerstattung der von den Eltern erhaltenen Beträge an den Markt erfolgte auch nach Zahlungseingang nicht. Die doppelt veranschlagten Beträge beliefen sich auf insgesamt 11.988,95 €.
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An dieser Sachverhaltswürdigung ändert sich auch nichts im Hinblick auf die Aussage des Zeugen L., der in der Kämmerei des Marktes … beschäftigt ist, in der mündlichen Verhandlung vom 24. März 2021. Der Zeuge sagte aus, der Markt habe die Rechnungen ungeachtet der Einordnung der Lernmittel als lernmittelfrei oder nicht lernmittelfrei bezahlt und seine Zahlung nicht von der Lernmittelfreiheit der Lernmittel abhängig gemacht. Der Zeuge gab jedoch weiter an, dass eine Bezahlung der Rechnungen nur erfolgte, wenn darauf neben dem billigenden Vermerk des Beklagten auch das Einverständnis des ersten Bürgermeisters und des Kämmerers mit der Zahlung vermerkt waren. Anders als der Zeuge L. hat der im strafrechtlichen Verfahren am 18. Juli 2019 als Zeuge vernommene erste Bürgermeister des Marktes … Dr. H. jedoch nicht ausgesagt, der Markt habe wahllos sämtliche Rechnungen der Grundschule bezahlt. Er berief sich vielmehr darauf, dass er sich auf die Angaben des Beklagten zur Bestätigung der sachlichen und rechnerischen Richtigkeit verlassen habe und davon ausgegangen sei, dass mit dessen Unterschrift die Lernmittelfreiheit und damit die Zahlungspflicht des Marktes bestätigt werde. Da der Markt also nicht sämtliche Rechnungen der Grundschule … begleichen, sondern nur für lernmittelfreie Bücher aufkommen wollte, stellten die unrichtigen Bekundungen des Beklagten eine Täuschung jedenfalls des ersten Bürgermeisters dar, ohne dessen Unterschrift eine Bezahlung der Rechnungen nicht erfolgt wäre.
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2.5. Als erwiesen hält das Gericht auch die Vorwürfe 5 bis 7, für die sich Nachweise in den Disziplinarakten finden. Danach hat der Beklagte im Schuljahr 2017/18 über die Zweckbestimmung von § 25 BaySchO hinaus ein Konto für die Grundschule bei der VR-Bank und eine Bargeldkasse geführt, über die er Einnahmen und Ausgaben der Grundschule abgewickelt hat. Über das Konto und die Bargeldkasse hat er 27 Ausgaben in Höhe von 4713,78 € getätigt bzw. überwiesen, ohne dass Rechnungen oder sonstige Nachweise für die Ausgaben vorlagen.
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3. Durch sein Verhalten hat der Beklagte die in der Disziplinarklage aufgeführten Pflichten verletzt. Auf die dortigen Ausführungen (S. 17 f.) wird Bezug genommen (vgl. Art. 3 BayDG, § 117 Abs. 5 VwGO analog).
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4. Der Beklagte hat durch sein Verhalten ein einheitliches innerdienstliches Dienstvergehen nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen. Das Dienstvergehen ist ein innerdienstliches, weil das pflichtwidrige Verhalten in das Amt des Beklagten und in seine dienstlichen Pflichten eingebunden war (BVerwG, U.v. 10.12.2015 - 2 C 6.14 - juris Rn. 11). Der Beklagte handelte vorsätzlich; er wusste, was er tat, und nahm die Folgen seines Handelns jedenfalls billigend in Kauf (so beim Vorwurf unter 2.4.) bzw. wollte diese auch (so bei den Vorwürfen unter 2.1. bis 2.3. und 2.5.).
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5. Das Dienstvergehen wiegt schwer. Der Beklagte hat dennoch das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit noch nicht endgültig verloren im Sinne des Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG. Damit ist ihm als Ruhestandsbeamten nicht nach Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BayDG das Ruhegehalt abzuerkennen. Vielmehr kommt die nächstniedrige Disziplinarmaßnahme der Kürzung des Ruhegehalts zum Tragen (vgl. Art. 12 Satz 1 BayDG), die auf längstens fünf Jahre ausgesprochen werden kann. Hier erscheint eine Kürzung für die Dauer von 54 Monaten angemessen, aber auch erforderlich.
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Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild des Beamten und dem bisherigen dienstlichen Verhalten zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, U.v. 10.12.2015 - 2 C 6.14 - juris Rn. 12; U.v. 18.6.2015 - 2 C 9.14 - juris Rn. 25; BayVGH, U.v. 5.10.2016 - 16a D 14.2285 - juris Rn. 55). Gegenstand der disziplinarrechtlichen Bewertung ist die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrecht zu erhalten (BayVGH, U.v. 29.6.2016 - 16b D 13.993 - juris Rn. 36).
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Maßgebendes Kriterium für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist die Schwere des Dienstvergehens. Sie ist richtungsweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich zum einen nach Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtverstöße und Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte, insbesondere nach der Höhe des entstandenen Schadens (vgl. BayVGH, U.v. 25.10.2016 - 16b D 14.2351 - juris Rn. 73).
75
Bei mehreren Verfehlungen ist die schwerwiegendste maßgeblich (BayVGH, U.v. 25.10.2016 - 16b D 14.2351 - juris Rn. 74). Dies ist hier der Betrug in acht tatmehrheitlichen Fällen, der mit Strafbefehl des Amtsgerichts Augsburg vom 14. Oktober 2018 strafrechtlich geahndet wurde.
76
Zur konkreten Bestimmung der disziplinaren Maßnahmebemessung ist auch bei einem innerdienstlichen Dienstvergehen in einer ersten Stufe auf den Strafrahmen zurückzugreifen, weil der Gesetzgeber mit der Strafandrohung seine Einschätzung zum Unwert des Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht hat (BVerwG, B.v. 5.7.2016 - 2 B 24.16 - juris Ls. und Rn. 15). Für die disziplinarrechtliche Ahndung einer innerdienstlichen Straftat mit einem Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, U.v. 10.12.2015 - 2 C 6.14 - juris Rn. 20; BayVGH, U.v. 5.10.2016 - 16a D 14.2285 - juris Rn. 59). Damit ist hier im Hinblick auf den nach § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 StGB eröffneten Strafrahmen von bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe der Orientierungsrahmen bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis eröffnet. Ein besonders schwerer Fall liegt vor, weil der Beklagte seine Befugnisse als Amtsträger missbraucht hat. Bei seiner strafrechtlichen Wertung ist das Gericht nicht an den Schuldspruch im Strafbefehl gebunden, weil insoweit keine Bindungswirkung besteht. Ohnehin würde nichts anderes gelten, wenn man lediglich auf den Strafrahmen des (einfachen) Betrugs abstellt, für den § 263 Abs. 1 StGB eine Strafandrohung von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe vorsieht.
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Bei dem vorliegenden innerdienstlichen Dienstvergehen kommt dem ausgeurteilten Strafmaß keine indizielle Bedeutung zu (BVerwG, B.v. 5.7.2016 - 2 B 24.16 - juris Ls.). Unabhängig davon hat das Amtsgericht Augsburg den Beklagten zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt.
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Die konkrete Betrachtung der Tat ergibt, dass der Beklagte im Zeitraum von August 2015 bis September 2017 und damit für die Dauer von rund zwei Jahren acht einzelne Betrugstaten begangen und dem Markt … damit einen Schaden in Höhe von rund 12.000 € zugefügt hat. Der Beklagte hat es in dieser Zeit unterlassen, die von den Eltern erhaltenen Zahlungen an den Markt abzuführen. Ihm war dabei klar, dass das von ihm praktizierte Abrechnungssystem, das auf der Bezahlung nicht lernmittelfreier Lernmittel einerseits durch den Markt …, andererseits durch die Eltern basierte, zu Doppelzahlungen führte, die er nur durch Erstattung der von den Eltern erhaltenen Beträge an den Markt ausgleichen hätte können. Dennoch hat er sehenden Auges ein Abrechnungssystem praktiziert, bei dem die eindeutige Zuordnung der Zahlungen der Eltern als Bezahlung der lernmittelfreien Bücher nur äußerst schwierig oder gänzlich unmöglich war, weshalb die Erstattungen an den Markt letztlich unterblieben, was ihm klar war und ihm überdies durch jede weitere Rechnungstellung an den Markt für lernmittelfreie Bücher wieder ins Gedächtnis gerufen wurde. Durch dieses Vorgehen hat er sich selbst als Rektor und auch der Grundschule … einen finanziellen Freiraum verschafft und dabei seine Stellung als Schulleiter missbraucht. Danach bildet vorliegend die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis den Ausgangspunkt der disziplinarrechtlichen Maßnahmezumessung.
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Zu den Betrugstaten kommen die weiteren unter 2.1. bis 2.3. und 2.5. dargestellten Taten. Der Beklagte hat in den Schuljahren 2015/16 und 2016/17 23 Lehrerstunden zweckwidrig verwendet. Er hat im Schuljahr 2016/17 dem Schulamt für fünf Lehrkräfte eine vom tatsächlich durchgeführten Unterricht abweichende Version von deren Stundenplänen vorgelegt und dabei zwei Lehrkräfte unter Druck gesetzt, die fingierten Versionen ihrer Stundenpläne zu unterschreiben. Weiter war er an acht Freitagen zwischen September und November 2016 sowie am Freitag, den 17. Juli 2017, ganztägig nicht und zudem an acht Schultagen im Mai und Juni 2017 nicht bis zum Ende der Hauptunterrichtszeit in der Grundschule anwesend. Zudem hat er im Schuljahr 2017/18 ein Konto für die Grundschule bei der VR-Bank und eine Bargeldkasse geführt, über die er 27 Ausgaben in Höhe von 4713,78 € getätigt bzw. überwiesen hat, ohne dass ausreichende Nachweise hierfür vorlagen. Ein hohes disziplinarisches Gewicht kommt dabei der zweckwidrigen Verwendung der zugewiesenen Schulstunden sowie den unrichtigen Angaben gegenüber dem Schulamt zu, weil diese „Tricksereien“ auf eine bewusste und gewollte Täuschung der übergeordneten Behörde abzielten. Dem Beklagten war dabei bereits aufgrund des am 1. Dezember 2015 gegen ihn ausgesprochenen Verweises die Unzulässigkeit und Disziplinarwürdigkeit seines Handelns klar. Zu seinen Lasten ist dabei seine Stellung als Schulleiter zu berücksichtigen, die mit besonderem Ansehen und einer besonderen Vorbildfunktion verbunden ist, denen er mit seinem Verhalten nicht gerecht wurde.
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6. Die Ausschöpfung des Orientierungsrahmens kommt allerdings nur in Betracht, wenn der Beamte das für die Ausübung seines Amtes erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG). Dies ist nach Auffassung des Gerichts nicht der Fall. Von der Höchstmaßnahme ist abzusehen, weil Milderungsgründe vorliegen, die insgesamt geeignet sind, das schwere Dienstvergehen des Beklagten als weniger gravierend erscheinen zu lassen.
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Von der Höchstmaßnahme ist zugunsten einer weniger strengen Disziplinarmaßnahme abzusehen, wenn ein - ursprünglich vom Bundesverwaltungsgericht zu den Zugriffsdelikten entwickelter - sog. „anerkannter“ Milderungsgrund vorliegt. Die Milderungsgründe erfassen typisierend Beweggründe oder Verhaltensweisen des Beamten, die regelmäßig Anlass für eine noch positive Persönlichkeitsprognose geben. Zum einen tragen sie existenziellen Notlagen sowie körperlichen und psychischen Ausnahmesituationen - auch einer etwa verminderten Schuldfähigkeit - Rechnung, in denen ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet werden kann. Zum anderen erfassen sie ein tätiges Abrücken von der Tat, insbesondere durch die freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder die Offenbarung des Fehlverhaltens jeweils vor drohender Entdeckung (BayVGH, U.v. 28.9.2016 - 16a D 13.2112 - juris Rn. 56; U.v. 29.6.2016 - 16b D 13.993 - juris Rn. 44).
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Diese Milderungsgründe stellen jedoch keinen abschließenden Kanon der bei Dienstvergehen berücksichtigungsfähigen Entlastungsgründe dar. Bei der prognostischen Frage, ob gegenüber einem Beamten aufgrund eines schweren Dienstvergehens ein endgültiger Vertrauensverlust eingetreten ist, gehören zur Prognosebasis außerdem alle für diese Einschätzung bedeutsamen be- und entlastenden Ermessensgesichtspunkte, die in eine Gesamtwürdigung einzubeziehen sind. Selbst wenn keiner der vorrangig zu prüfenden anerkannten Milderungsgründe vorliegt, können entlastende Umstände gegeben sein, deren Gewicht in ihrer Gesamtheit dem Gewicht anerkannter Milderungsgründe vergleichbar ist. Entlastungsmomente können sich dabei aus allen denkbaren Umständen ergeben. Solche Umstände können das Absehen von der disziplinarischen Höchstmaßnahme rechtfertigen, wenn sie in ihrer Gesamtheit das Gewicht eines anerkannten Milderungsgrundes aufweisen. Entlastungsgründe sind nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ bereits dann einzubeziehen, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ihr Vorliegen sprechen (vgl. BayVGH, U.v. 28.9.2016 - 16a D 13.2112 - juris Rn. 57; U.v. 29.6.2016 - 16b D 13.993 - juris Rn. 45).
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6.1. Als mildernder Umstand ist die gesundheitliche, private und berufliche Belastungs- und Überforderungssituation des Beklagten im Tatzeitraum anzuführen. Er litt nachgewiesenermaßen an diversen Erkrankungen, insbesondere an einem Herzleiden und Epilepsie, auf die die Zuerkennung eines GdB von 40 v.H. gestützt wurde (vgl. DA S. 440) und die mehrmals zu mehrwöchigen Erkrankungen führten. Daneben war er durch Pflegeleistungen für Angehörige stark belastet. Infolge dieser eingeschränkten Leistungsfähigkeit führten insbesondere der Ausfall der langjährigen Schulsekretärin Frau F. mit der nur teilweisen Nachbesetzung der Stelle, der Ruhestand der bisherigen Konrektorin zum 31. Juli 2016 und der Antritt einer neuen Konrektorin im Schuljahr 2016/17, Baumaßnahmen in der Schule sowie der Ausfall mehrerer Lehrkräfte zu einer Überforderung durch das Amt des Schulleiters mit den damit verbundenen Verwaltungs- und Führungsaufgaben.
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6.2. Der Beklagte hat zudem ein äußerst anerkennenswertes Nachtatverhalten gezeigt. Er hat den entstandenen Schaden in Höhe von knapp 12.000 € zeitnah und vollumfänglich aus seinem Privatvermögen an den Markt … erstattet. Zudem war er im Straf- und Disziplinarverfahren kooperativ und vollumfänglich geständig. Er war außerdem bereits aufgrund des Ausspruchs des Amtsgerichts Augsburg mit einer Geldauflage in Höhe von 6000 € belastet. Überdies hat er mehrfach seine Reue und sein Bedauern über seine Taten zum Ausdruck gebracht.
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6.3. Weiter ist mildernd zu berücksichtigen, dass die schwerwiegendste Tat des Beklagten nicht in der Absicht erfolgte, sich selbst zu bereichern. Er hat die Doppelzahlungen durch den Markt … einerseits und die Eltern andererseits nicht dem Schulkonto entnommen und für eigene Zwecke verwendet. Vielmehr war die doppelte Veranschlagung der Beträge im Wesentlichen seiner Überforderung geschuldet und verblieb das Geld auf dem Schulkonto. Das Fehlen materiell-egoistischer Motive ist bei der Bemessung einer Disziplinarmaßnahme zu Gunsten des Beamten zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, B.v. 2.5.2017 - 2 B 21.16 - juris Rn. 13; BayVGH, U.v. 13.3.2019 - 16a D 17.908 - juris Rn. 33).
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6.4. Der Beklagte blickt zudem auf eine beanstandungsfreie Dienstzeit von über 30 Jahren zurück, gerechnet von seinem Dienstbeginn im Jahr 1974 bis zum Jahr 2014, in dem die mit dem Verweis vom 1. Dezember 2015 geahndeten Taten begannen. Während dieses beträchtlichen Zeitraums zeigte er gute dienstliche Leistungen, wie sich an den Beurteilungen in den Jahren 2006, 2010 und 2015 zeigt, die auf das Gesamtergebnis „UB“ lauten. Überdies ist er strafrechtlich nicht vorgeahndet.
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7. Insgesamt kommt das Gericht bei der Gesamtabwägung zu dem Ergebnis, dass die eingetretene Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG noch nicht als vollständig oder so schwerwiegend anzusehen ist, dass sie die Höchstmaßnahme in Form einer Aberkennung des Ruhegehalts erfordern würde. Dies gilt trotz des Umstands, dass der Beklagte als Schulleiter besonderes Vertrauen für sich in Anspruch genommen und dieses mit seinen Taten verletzt hat. Die nicht eigennützige Tatbegehung aufgrund seiner Überforderungssituation in Kombination mit dem Umstand, dass der Markt … ihm die Tatbegehung sehr leicht gemacht hat, was sich aus der Aussage des Zeugen L. in der mündlichen Verhandlung ergibt, lassen den eingetretenen Vertrauensverlust nicht als so gravierend erscheinen, dass die disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ausgesprochen werden müsste.
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Damit ist gegen den Beklagten als Ruhestandsbeamten die Kürzung des Ruhegehalts auszusprechen, die nach Art. 12 Satz 1 BayDG für die Dauer von maximal fünf Jahren zulässig ist. Dabei übt das Gericht das ihm zustehende Ermessen dahin aus, dass die Kürzungsdauer auf 54 Monate festgelegt wird. Die das Dienstvergehen bildenden Verfehlungen liegen leicht unter der Grenze zur nächstschärferen alternativen Maßnahme der Aberkennung des Ruhegehalts, so dass die Kürzungsdauer von 54 Monaten als angemessen, aber auch erforderlich erscheint. Dieser zeitliche Rahmen entspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und berücksichtig alle angesprochenen be- und entlastenden Umstände. Der Kürzungsbruchteil war auf 1/10 festzusetzen (BVerwG, U.v. 21.3.2001 - 1 D 29.00 - juris Rn. 19 bis 21).
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8. Das Maßnahmeverbot des Art. 15 Abs. 1 Nr. 2 BayDG steht der Kürzung der Dienstbezüge nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift darf, wenn gegen einen Beamten im Straf- oder Bußgeldverfahren unter anderem unanfechtbar eine Strafe, Geldbuße oder Ordnungsmaßnahme verhängt worden ist, wegen desselben Sachverhalts eine Kürzung der Dienstbezüge nur ausgesprochen werden, wenn dies zusätzlich erforderlich ist, um den Beamten zur Pflichterfüllung anzuhalten oder das Ansehen des Berufsbeamtentums zu wahren. Hier erscheint eine Kürzung des Ruhegehalts erforderlich, um das Ansehen des Berufsbeamtentums zu wahren, weil der Beklagte als Schulleiter mit den acht Betrugstaten eine Straftat von erheblichem Gewicht begangen hat. Es erschiene nicht nachvollziehbar, wenn er hierfür nicht disziplinarrechtlich zur Verantwortung gezogen würde.
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Die Kostenentscheidung folgt aus Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG. Da gegen den Beklagten im Verfahren der Disziplinarklage eine Disziplinarmaßnahme ausgesprochen wurde, trägt er die Kosten des Verfahrens.