Inhalt

VGH München, Beschluss v. 08.04.2021 – 20 NE 21.478
Titel:

Normenkontrolleilantrag gegen coronabedingte Schließung von Fitnessstudios

Normenketten:
GG Art. 19 Abs. 4, Art. 80 Abs. 1 S: 2
VwGO § 47 Abs. 6
12. BayIfSMV § 10 Abs. 3 S. 1
IfSG § 28 Abs. 1, § 28a Abs. 1, § 32 S. 1
Leitsätze:
1. Die Ergänzung oder Beschränkung des Anwendungsbereichs einer Norm kann nicht Rechtsschutzziel eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO sein. Ein solcher wäre als unzulässig abzulehnen, weil das Gericht nicht befugt ist, an Stelle des Verordnungsgebers den Regelungsgehalt einer Norm zu verändern. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Untersagung des Betriebs von Sportstätten durch § 10 Abs. 3 S. 1 12. BayIfSMV beruht voraussichtlich auf einer ausreichenden gesetzlichen Verordnungsermächtigung. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
3. Im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot in Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG bestehen keine schwerwiegenden Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 28a Abs. 1 Nr. 8 IfSG. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Corona, Fitnessstudio, Rehabilitationsbehandlung, medizinische Behandlung, Hygienemaßnahme, Ermächtigungsgrundlage, Bestimmtheitsgebot, Lockdown, pandemische Lage, Erfolgsaussicht, Folgenabwägung
Fundstelle:
BeckRS 2021, 7565

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin betreibt nach eigenen Angaben ein Studio zur Durchführung von Rehabilitationsbehandlungen und medizinischem Training in Bayern. Sie beantragte zuletzt sinngemäß, § 10 Abs. 3 Satz 1 der Zwölften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 5. März 2021 (12. BayIfSMV; BayMBl. 2021 Nr. 171) in der Fassung vom 25. März 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 224) vorläufig außer Vollzug zu setzen, soweit der Betrieb von Fitnessstudios innerhalb geschlossener Räume untersagt sei, hilfsweise, die einstweilige Anordnung mit der Maßgabe auszusprechen, dass der Betrieb von Fitnessstudios innerhalb geschlossener Räumlichkeiten unter Einhaltung von Hygienemaßnahmen erlaubt sei.
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Die pandemische Lage rechtfertige nicht die Betriebsschließung. Die §§ 28a, 28 und 32 IfSG seien verfassungswidrig. Insbesondere genüge § 28a IfSG nicht den Anforderungen des Parlamentsvorbehalts und des Bestimmtheitsgebotes. Die Befristungsregelung des § 28a IfSG sei wegen der Verlängerungsmöglichkeit unangemessen. Außerdem lägen die tatbestandlichen Voraussetzungen nicht vor. Ein drohender Kollaps des Gesundheitssystems sei nicht feststellbar. Ein „Lockdown“ sei kein geeignetes Mittel zur Infektionsbekämpfung. Die Infektionen fänden hauptsächlich in dem vom Verordnungsgeber nicht kontrollierbaren Privatbereich statt. Fitnessstudios seien keine Infektionstreiber. Sie müssten vielmehr als Element der Gesundheitsvorsorge gerade in Zeiten einer Pandemie geöffnet sein. Außerdem sei der Betrieb unter der Geltung eines Hygienekonzepts ein milderes Mittel. Infektionsketten seien gerade in Fitnessstudios sehr gut nachvollziehbar. Auch die flächendeckende Schließung ohne Rücksicht auf die lokale Infektionslage sei nicht notwendig. Die wirtschaftlichen Verluste seien bislang entschädigungslos geblieben. Es liege ein Eingriff in Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG vor. Die Betriebserlaubnis für Friseure sowie die Öffnung des Einzelhandels nach § 12 Abs. 1 12. BayIfSMV führe zu einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Das Gesetz verstoße gegen die Vollzugskompetenzen der Länder nach Art. 83 GG. Die Anknüpfung an den Inzidenzwert für den Umfang zu ergreifender Schutzmaßnahmen sei untauglich. PCR-Tests ließen keine Rückschlüsse auf die Infektionslage zu.
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Auf gerichtliche Nachfrage teilte der Antragsgegner mit Schreiben vom 15. März 2021 mit, dass unter bestimmten Umständen auch die Erbringung medizinischer oder therapeutischer Leistungen in ansonsten geschlossenen Sportstätten möglich sei. Es sei aber zweifelhaft, ob es sich bei dem Angebot der Antragstellerin um ärztlich verordneten Rehabilitationssport bzw. Funktionstraining i.S. des § 64 Abs. 1 Nr. 3, Nr. 4 SGB IX handele. Mit Schreiben vom 16. März 2021 führte die Antragstellerin aus, es bestehe derzeit keine epidemische Lage von nationaler Tragweite. Die Betriebsschließung sei daher nicht gerechtfertigt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
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Der zulässige Antrag ist unbegründet.
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Bei einer am Rechtsschutzziel nach Art. 19 Abs. 4 GG orientierten Auslegung richtet sich der Antrag auf eine vorläufige Außervollzugsetzung von § 10 Abs. 3 Satz 1 12. BayIfSMV. Nach dem Entscheidungsprogramm des § 47 Abs. 6 VwGO kann die Ergänzung oder Beschränkung des Anwendungsbereichs einer Norm nicht Rechtsschutzziel eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sein. Ein solcher wäre als unzulässig abzulehnen, weil das Gericht nicht befugt ist, an Stelle des Verordnungsgebers den Regelungsgehalt einer Norm zu verändern.
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Die Voraussetzungen des § 47 Abs. 6 VwGO, wonach das Normenkontrollgericht eine einstweilige Anordnung erlassen kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, liegen nicht vor. Ein Normenkontrollantrag in der Hauptsache gegen § 10 Abs. 3 Satz 1 12. BayIfSMV hat unter Anwendung des Prüfungsmaßstabs im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO (1.) bei summarischer Prüfung keine durchgreifende Aussicht auf Erfolg (2.). Unabhängig davon ginge auch eine Folgenabwägung zulasten des Antragstellers aus (3.).
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1. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen oder noch zu erhebenden Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a. ‒ ZfBR 2015, 381 - juris Rn. 12; zustimmend OVG NW, B.v. 25.4.2019 - 4 B 480/19.NE - NVwZ-RR 2019, 993 - juris Rn. 9). Dabei erlangen die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Eilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann.
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Ergibt die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist (BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a. ‒ ZfBR 2015, 381 - juris Rn. 12).
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Lassen sich die Erfolgsaussichten nicht absehen, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber später Erfolg hätte, und die Folgen, die entstünden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber später erfolglos bliebe. Die für eine einstweilige Außervollzugsetzung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass sie - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 - 4 VR 5.14 u.a. - juris Rn. 12; Ziekow in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 395; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 106).
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2. Nach diesen Maßstäben ist der Eilantrag auf einstweilige Außervollzugsetzung der angegriffenen Regelung abzulehnen, weil der in der Hauptsache erhobene Normenkontrollantrag bei summarischer Prüfung voraussichtlich keinen Erfolg hat.
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a) Zu der Frage, ob die angegriffene Untersagung des Betriebs von Sportstätten durch § 10 Abs. 3 Satz 1 12. BayIfSMV auf einer ausreichenden gesetzlichen Verordnungsermächtigung beruht, insbesondere den verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Parlamentsvorbehalt und an das Bestimmtheitsgebot aus Art. 80 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG genügt, wird zur Vermeidung von Wiederholungen vollinhaltlich Bezug genommen auf den Beschluss des Senats vom 8. Dezember 2020 (20 NE 20.2461 - juris Rn. 22 ff.), wonach gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 28a IfSG jedenfalls im Rahmen des Eilrechtsschutzes keine durchgreifenden Bedenken bestehen.
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Auch im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot in Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG hat der Senat keine schwerwiegenden Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 28a Abs. 1 Nr. 8 IfSG. Die Antragstellerin zeigt bereits nicht auf, inwieweit es die gesetzliche Formulierung des § 28a Abs. 1 Nr. 8 IfSG („Untersagung oder Beschränkung der Sportausübung“) den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern nicht erlauben sollte, sich auf mögliche belastende Maßnahmen einzustellen (vgl. BVerfG, U.v. 19.9.2018 - 2 BvF 1/15 u.a. - BVerfGE 150, 1 - juris Rn. 196 m.w.N.).
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b) Die von der Antragstellerin angegriffene Regelung in § 10 Abs. 3 Satz 1 12. BayIfSMV steht mit der Ermächtigungsgrundlage der § 32 Satz 1, § 28a Abs. 1 Nr. 8, § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG in Einklang, weil ihre Voraussetzungen vorliegen, und erweist sich bei summarischer Prüfung weder als offensichtlich unverhältnismäßig noch als gleichheitswidrig. Hierzu kann zur Begründung vollumfänglich auf die Beschlüsse des Senats zur Ablehnung der vorläufigen Außervollzugsetzung der Untersagung der Sportausübung nach der 11. BayIfSMV vom 25. Februar 2021 (20 NE 21.519 - BeckRS 2021, 3813) und der Untersagung des Betriebs von Sportstätten nach der 11. BayIfSMV vom 18. Dezember 2020 (20 NE 20.2698 - BeckRS 2021, 36150; 20 NE 20.2840 - BeckRS 2020, 36261N.) sowie nach der 12. BayIfSMV vom 12. März 2021 (20 NE 21.539 - BeckRS 2021, 4744) verwiesen werden.
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aa) Das pandemische Geschehen verstärkt sich aktuell erneut. Nach dem Situationsbericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom 7. April 2021 (abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Maerz_2021/2021-04-07-de.pdf? blob=publicationFile) nimmt die Zahl der Übertragungen von COVID-19 in der Bevölkerung in Deutschland wieder deutlich zu. Etwa seit Mitte März 2021 hat sich der Anstieg der Fallzahlen beschleunigt. COVID-19-bedingte Ausbrüche betreffen momentan insbesondere private Haushalte, das berufliche Umfeld sowie Alten- und Pflegeheime. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt in Bayern bei 121, bundesweit bei 110. Das RKI schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als „sehr hoch“ ein. Nach der aktuellen Risikobewertung des RKI (Stand 31.3.2021, vgl. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/ Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html) ist die Dynamik der Verbreitung einiger neuer Varianten (VOC) von SARS-CoV-2 besorgniserregend.
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Notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Absatz 1 Satz 1 und 2 IfSG zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) können für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Absatz 1 Satz 1 IfSG durch den Deutschen Bundestag insbesondere die Untersagung oder Beschränkung von Einrichtungen, die der Freizeitgestaltung zuzurechnen sind (§ 28a Abs. 1 Nr. 6 IfSG), und von Sportveranstaltungen und der Sportausübung sein (vgl. § 28a Abs. 1 Nr. 8 IfSG). Nach der seit dem 29. März 2021 geltenden Fassung der Norm (BGBl. 2021 I S. 370) sind bei Entscheidungen über Schutzmaßnahmen absehbare Änderungen des Infektionsgeschehens durch ansteckendere, das Gesundheitssystem stärker belastende Virusvarianten zu berücksichtigen (§ 28a Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz). Bei der Prüfung der Aufhebung oder Einschränkung der Schutzmaßnahmen nach den Sätzen 9 bis 11 sind insbesondere auch die Anzahl der gegen COVID-19 geimpften Personen und die zeitabhängige Reproduktionszahl zu berücksichtigen (§ 28a Abs. 3 Satz 11 IfSG).
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Mit einer landesweiten Inzidenz von 121 am 7. April 2021, die im Vergleich zu der Sieben-Tage-Inzidenz zum Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen Verordnung am 5. März 2021 sowie zum Zeitpunkt des Erlasses der Änderungsverordnung am 25. März 2021 stark angestiegen ist, besteht Handlungsbedarf zur effektiven Eindämmung des Infektionsgeschehens.
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bb) Die Schließung der Innenbereiche von Sportstätten nach § 10 Abs. 3 Satz 1 12. BayIfSMV erweist sich bei summarischer Prüfung aller Voraussicht nach nicht als unverhältnismäßig.
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Ob es im Betrieb der Antragstellerin zu Infektionen kommen kann oder schon gekommen ist, ist für die Frage der Verhältnismäßigkeit der Schließung von Sportstätten nicht relevant. Die Untersagung des Betriebs aller Sportstätten in Innenräumen, die regelmäßig gezielt von einer Vielzahl von Menschen zur Freizeitgestaltung oder zum körperlichen Training aufgesucht werden und bei typisierender Betrachtungsweise damit auch eine Vielzahl menschlicher und damit für das Infektionsgeschehen relevanter Kontakte hervorrufen (auf dem Parkplatz, im Eingangsbereich, in den Umkleideräumen und bei der Sportausübung), erfolgt, um nicht zwingend notwendige physische Kontakte zu verhindern und so das Infektionsgeschehen abzuschwächen. Immer dann, wenn Menschen aufeinandertreffen, besteht das Risiko einer Ansteckung. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass die exponentiell verlaufende Verbreitung des besonders leicht im Wege der Tröpfcheninfektion und über Aerosole von Mensch zu Mensch übertragbaren Virus voraussichtlich nur durch eine strikte Minimierung der physischen Kontakte zwischen den Menschen eingedämmt werden kann (BT-Drs. 19/23944 S. 31). In der derzeitigen pandemischen Situation eines andauernden und wieder ansteigenden Infektionsgeschehens begegnet die Entscheidung des Verordnungsgebers, die Ausübung von Freizeitsport so weit einzuschränken, dass in diesem Bereich physische Kontakte minimiert werden, keinen durchgreifenden Bedenken.
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Dass dem Normgeber mildere, aber gleichermaßen wirksame Mittel zur Verfügung gestanden hätten, um in den geregelten Bereichen die Infektionsgefahr zu minimieren und damit der weiteren Ausbreitung der Pandemie entgegenzuwirken, ist nicht offensichtlich. Der Senat geht nach wie vor davon aus, dass die Betriebsschließungen mit der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG durch den Deutschen Bundestag kraft Gesetzes eine grundsätzlich zur Bekämpfung der Coronavirus-Krankheit-2019 geeignete und erforderliche Infektionsschutzmaßnahme ist. Davon ist der Gesetzgeber durch den Erlass des mit Artikel 1 des Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 18. November 2020 (BGBl. I S. 2397) eingefügten § 28a IfSG sowie bei Erlass des Gesetzes zur Fortgeltung der die epidemische Lage von nationaler Tragweite betreffenden Regelungen vom 29. März 2021 (BGBl. 2021 I S. 370) ausgegangen. Zwar sind die dadurch eingeräumten Befugnisse der Infektionsschutzbehörden und damit vor allem des Verordnungsgebers nach § 32 IfSG, Untersagungs- und Beschränkungsmaßnahmen für ganze Bereiche des gesellschaftlichen Lebens sowie allgemeine Verhaltenspflichten für jedermann zur Bekämpfung von COVID-19 zu erlassen, zum Teil sehr weitgehend und in die Grundrechte der Betroffenen tief eingreifend. Auf der anderen Seite muss jedoch berücksichtigt werden, dass diese Befugnisse allein auf das Ereignis der Corona-Pandemie zugeschnitten sind und jedenfalls flächendeckend nur für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG durch den Deutschen Bundestag erlassen werden können. Dadurch hat der Bundestag eine Gefährdungseinschätzung durch die Corona-Pandemie, welche sowohl Gefahrenabwehrelemente als auch Gefahrenprognoseelemente (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 28.6.2004 - 6 C 21.03 - BeckRS 2004, 25030) enthält, zum Ausdruck gebracht, welche grundsätzlich solch einschneidende Maßnahmen voraussichtlich rechtfertigen kann. Dass der Bundestag hier seinen weiten Gestaltungsspielraum bei der Erfüllung seiner verfassungsrechtlichen Schutzpflichten gegenüber Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit und der Gesundheit (vgl. hierzu BVerfG, B.v. 12.5.2020 - 1 BvR 1027/20 - NVwZ 2020, 1823 - juris Rn. 6) überschritten hätte, ist nicht ersichtlich.
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Zwar können auch Hygienekonzepte zu einer Reduzierung von Ansteckungen mit SARS-CoV-2 beitragen. In der derzeitigen Phase der Pandemie, die weiterhin von einem stark diffusen Ausbruchsgeschehen geprägt ist und in der in vielen Fällen das Infektionsumfeld nicht ermittelt werden kann (vgl. auch Begründung vom 5.3.2021, BayMBl. 2021 Nr. 172 S. 2 sowie Begründung vom 25. März 2021, BayMBl. 2021 Nr. 225 S. 3), ist die Entscheidung des Verordnungsgebers, die Innenbereiche von Sportstätten geschlossen zu halten, unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Vorgaben zur Ergreifung umfassender Schutzmaßnahmen bei Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen (§ 28a Abs. 3 Satz 5 IfSG) rechtlich nicht zu beanstanden.
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Auch gegen die Angemessenheit der weitreichenden Betriebsschließungen bestehen derzeit keine durchgreifenden Bedenken. Dabei verkennt der Senat nicht, dass diese nicht zuletzt wegen ihrer Dauer zu schwerwiegenden wirtschaftlichen Einbußen der Betreiber führen und damit deren Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG schwer beeinträchtigen und ggf. im Einzelfall - mit zunehmender Dauer - auch in die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) eingreifen können. Gleichwohl erscheint das mit der Verordnung zur Änderung der 11. BayIfSMV vom 24. Februar 2021 (BayMBl. Nr. 149) bereits begonnene und mit der 12. BayIfSMV weiter umgesetzte Gesamtkonzept erster, vorsichtiger Öffnungsschritte (BayMBl. 2021, Nr. 150 S. 2) bei summarischer Prüfung als nicht von vorneherein unangemessene Reaktion auf das derzeit wieder im Anstieg begriffene pandemische Geschehen. Die Maßnahmen stehen im Einklang mit der Risikobewertung des RKI (vgl. RKI, Risikobewertung, Stand 15.3.2021, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Corona-virus/Risikobewertung.html).
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Dies gilt auch im Hinblick auf die von der Antragstellerin gerügte Verletzung ihres Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs aus Art. 14 Abs. 1 GG. Die Betriebsschließung verstößt voraussichtlich nicht wegen des Fehlens einer Ausgleichsregelung gegen die Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG. Begrenzungen der Eigentümerbefugnisse sind als Ausfluss der Sozialgebundenheit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) grundsätzlich entschädigungslos hinzunehmen. Überschreitet der Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums die Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit, indem er den Kernbereich der Eigentümerbefugnisse aushöhlt, so ist die gesetzliche Regelung unwirksam. Es ist dem Gesetzgeber aber nicht grundsätzlich verwehrt, eigentumsbeschränkende Maßnahmen, die er im öffentlichen Interesse für geboten hält, auch in Härtefällen durchzusetzen, wenn er durch kompensatorische Maßnahmen unverhältnismäßige oder gleichheitswidrige Belastungen des Eigentümers vermeidet und schutzwürdigem Vertrauen angemessen Rechnung trägt (vgl. BVerfG, U.v. 6.12.22016 - 1 BvR 2821/11 u.a. - BVerfGE 143, 246 - juris Rn. 258 ff.; B.v. 2.3.1999 - 1 BvL 7/91 - BVerfGE 100, 226 - juris Rn. 76 ff.).
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Betriebsschließungen aufgrund § 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG führen im Regelfall noch nicht zu einem Eingriff in die Substanz der geschlossenen Betriebe und damit auch nicht zu einer unverhältnismäßigen Einschränkung des Eigentumsgrundrechts (Art. 14 Abs. 1 GG) oder des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Auch Letzteres schützt nur den konkreten Bestand an Rechten und Gütern und keine bloßen Umsatz- und Gewinnchancen; es geht nicht über die Gewährleistung des Art. 12 Abs. 1 GG hinaus (vgl. BVerfG, U.v. 6.12.2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. - BVerfGE 143, 246 - juris Rn. 240). Bei der Beurteilung der Eingriffsintensität und der Frage, ob eine Norm einen eigentumsrelevanten Eingriff in die Substanz eines Gewerbebetriebs i.S.d. Art. 14 Abs. 1 GG begründet (vgl. auch Winter/Thürk in Schmidt, COVID-19, Rechtsfragen zur Corona-Krise, 2. Aufl. 2020, § 18 Rn. 48), sind insbesondere die Dauer der Maßnahme und die Auswirkungen auf die betroffenen Betriebe zu beurteilen. Auch wenn die seit 2. November 2020 anhaltende Betriebsschließung von Fitnessstudios diese wirtschaftlich hart trifft, vermag der Senat gegenwärtig noch keinen Eingriff in das Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG von einem solchen Ausmaß erkennen, der nur durch einen durch den Gesetzgeber vorab normierten finanziellen Ausgleich verhältnismäßig sein könnte (vgl. auch VGH BW, B.v. 18.2.2021 - 1 S 398/21 - juris Rn. 99 f.).
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Angesichts des weiterhin angespannten und sich zuletzt wieder deutlich verstärkenden Infektionsgeschehens sowie der gravierenden Auswirkungen im Fall einer (konkret drohenden) Überlastung des Gesundheitssystems stehen die mit den Maßnahmen verbundenen Einschränkungen für die Grundrechte der Antragstellerin, auf die sie sich beruft (Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG), gegenwärtig nicht offensichtlich außer Verhältnis zu Gewicht und Dringlichkeit der die Maßnahmen rechtfertigenden Gründe.
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cc) Ein Verstoß des § 10 Abs. 3 Satz 1 12. BayIfSMV gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht feststellbar. Wegen der bereits dargelegten Übertragungswege des Coronavirus dürfte bei der Sportausübung in Innenräumen wegen der Aerosolbildung von einer höheren Ansteckungsgefahr als beim Besuch eines Friseurbetriebes oder bei der Erledigung von Einkäufen in Geschäften des Einzelhandels auszugehen sein. Insofern sind die in Bezug genommenen Sachverhalte nicht vergleichbar, weshalb ihre unterschiedliche Behandlung durch den Verordnungsgeber sachlich gerechtfertigt erscheint.
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3. In dieser Situation ergibt außerdem eine Folgenabwägung, dass die zu erwartenden Folgen einer Außervollzugsetzung der angegriffenen Regelung - im Hinblick auf die damit einhergehende mögliche Eröffnung weiterer Infektionsketten - schwerer ins Gewicht fallen als die Folgen ihres weiteren Vollzugs für die Rechte der Normadressaten. Gegenüber den bestehenden Gefahren für Leib und Leben, vor denen zu schützen der Staat nach dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) verpflichtet ist, müssen die Interessen der von der Schließung von Sportstätten Betroffenen derzeit zurücktreten.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Da die von der Antragstellerin angegriffene Bestimmung bereits mit Ablauf des 18. April 2021 außer Kraft tritt (§ 30 12. BayIfSMV), zielt der Eilantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, sodass der Streitwert für das Eilverfahren nicht nach Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit zu verringern ist.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).