Inhalt

VG Würzburg, Beschluss v. 12.04.2021 – W 8 S 21.455
Titel:

Allgemeinverfügung, Antragsgegner, Anordnung der aufschiebenden Wirkung, Räumlicher Geltungsbereich, Aufschiebende Wirkung, Verwaltungsgerichte, Befähigung zum Richteramt, Verwaltungsakt, Hinreichende Bestimmtheit, Streitwertfestsetzung, Prozeßkostenhilfeverfahren, Festsetzung des Streitwerts, Streitwertbeschwerde, Streitwertkatalog, Beschwerdeschrift, Wert des Beschwerdegegenstandes, Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, Konkretisierung, Summarische Prüfung, Alkoholverbot

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1
IfSG § 28a Abs. 1 Nr. 9
BayIfSMV § 24 Abs. 2 S. 2 12.
BayIfSMV § 28 Abs. 1 12.
Schlagworte:
Sofortverfahren, Allgemeinverfügung der Stadt …, Alkoholabgabeverbot, Untersagung der Abgabe von alkoholischen Getränken „im Mainuferbereich“, keine hinreichende Bestimmtheit, Verweis auf andere Allgemeinverfügung mit Lageplan, Unklarheit des konkreten räumlichen Umgriffs der Allgemeinverfügung, fehlende hinreichend bestimmte Abgrenzung des betroffenen Bereichs
Fundstelle:
BeckRS 2021, 6989

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage W 8 K 21.456 gegen die Nr. 1 Satz 1 der Allgemeinverfügung der Stadt … vom 15. März 2021 wird angeordnet.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen das mit Allgemeinverfügung der Stadt … vom 15. März 2021 angeordnete Alkoholabgabeverbot.
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1. Der Antragsteller ist Inhaber der Gaststätte … Die Gaststätte befindet sich am … Mit Allgemeinverfügung vom „15. März 2021“ untersagte die Antragsgegnerin die Abgabe von alkoholischen Getränken im Mainuferbereich zwischen … auf Seite der Innenstadt (Nr.1 Satz 1). Ausgenommen blieb die Abgabe zum Verzehr an Ort und Stelle in konzessionierten Gaststätten, soweit ab 12. April in der Stadt … nach den Bestimmungen der 12. BayIfSMV die Öffnung der Außengastronomie zulässig ist (Nr. 1 Satz 2). Die Allgemeinverfügung trat am Tag nach ihrer Bekanntmachung in Kraft und gilt bis zum Außerkrafttreten der 12. BayIfSMV (Nr. 2). In den Gründen ist im Wesentlichen ausgeführt: Gemäß § 24 Abs. 2 der 12. BayIfSMV sei der Konsum von Alkohol auf den öffentlichen Verkehrsflächen der Innenstädte und an sonstigen öffentlichen Orten unter freiem Himmel, an denen sich Menschen entweder auf engen Raum oder nicht nur vorübergehend aufhielten, untersagt. Die konkret betroffenen Örtlichkeiten seien von der Stadt … in der amtlichen Bekanntmachung vom 29. Januar 2021 bekannt gemacht worden. § 24 Abs. 2 der 12. BayIfSMV enthalte aber keine Regelung zur Alkoholabgabe. Gemäß § 28 Abs. 1 der 12. BayIfSMV könnten weitergehende Anordnungen der örtlich für den Vollzug des Infektionsschutzgesetzes zuständigen Behörden, hier der Stadt …, erlassen werden, soweit es aus infektionsschutzrechtlicher Sicht erforderlich sei. Am 30. und 31. März 2021 sei festgestellt worden, dass sich im Bereich … mehrere Personen mit Alkohol am Mainufer aufhielten. Der Alkohol sei dort „To-Go“ durch einen Gastronomen ausgeschenkt worden. Der Ausschank stehe im Widerspruch zu dem dort geltenden Alkoholverbot. Zur Feststellungszeit hätten sich auf einer Länge von 100 m 50 Personen, davon 20 mit Alkohol, befunden. Es sei zu befürchten, dass bei sehr guter Witterung deutlich mehr Personen zusammenkämen und entgegen § 24 Abs. 2 der 12. BayIfSMV Alkohol konsumierten. Es sei daher erforderlich, die Beschaffung von Alkohol, insbesondere vor Ort, stark einzuschränken. Hierfür sei ein Alkoholabgabeverbot geeignet. Es sei auch erforderlich, da aufgrund der Vielzahl der Verstöße das Konsumverbot allein nicht ausreiche. In der Bekanntmachung vom 29. Januar 2021 sei der Mainuferbereich zwischen … auf Seite der Innenstadt als eine der Örtlichkeiten nach § 24 Abs. 2 der 12. BayIfSMV festgelegt worden. Da derzeit über Verstöße gegen das Alkoholkonsumverbot aus anderen Bereichen keine polizeilichen Feststellungen vorlägen, sei es aktuell ausreichend, das Alkoholabgabeverbot auf diesen Bereich zu begrenzen. Die Allgemeinverfügung sei aus Gründen der Verhältnismäßigkeit befristet. Sie werde im Hinblick auf die örtliche Entwicklung und vor dem Hintergrund des § 28 der 12. BayIfSMV fortlaufend auf Wirkung und Erforderlichkeit überprüft.
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2. Mit Schriftsatz vom 1. April 2021 ließ der Antragsteller im Verfahren W 8 K 21.456 Klage gegen die streitgegenständliche Allgemeinverfügung erheben und im vorliegenden Sofortverfahren beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Allgemeinverfügung der Stadt … vom 15. März 2021 anzuordnen.
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Zur Antragsbegründung ließ der Antragsteller im Wesentlichen ausführen: Die Allgemeinverfügung sei rechtswidrig und verstoße gegen die subjektiven Rechte des Antragstellers. Die Gaststätte des Antragstellers befinde sich am … Das Gebäude sei 16 m vom Fluss entfernt. Zwischen dem Anwesen des Objekts und dem Mainufer verlaufe zudem ein ca. 4 m breiter öffentlicher Radweg. Der Antragsteller führe den Vorgaben der 12. BayIfSMV entsprechend einen Verkauf zur Abgabe und Lieferung von mitnahmefähigen Speisen und (auch alkoholischen) Getränken durch. Er habe die für die Einhaltung des Verbots zum Verzehr vor Ort erforderlichen Maßnahmen ergriffen. Die Allgemeinverfügung sei insbesondere in Bezug auf den örtlichen Geltungsbereich der Anordnung nicht hinreichend konkretisiert. Mit der Nr. 1 der Allgemeinverfügung möge zwar die Länge des betroffenen Bereichs, jedoch nicht dessen Tiefe hinreichend bestimmt sein. Dies gelte umso mehr, als das Gaststättengebäude und der Verkaufsort ca. 20 m vom Ufer des … entfernt sei. Hier sei bereits nicht hinreichend konkretisiert, bis zu welcher Tiefe noch der von der Antragsgegnerin in der Allgemeinverfügung bezeichnete „Mainuferbereich“ betroffen sein solle. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass das Grundstück des Antragstellers in Bezug auf das Ufer des … eine weitere nach außen hin offen erkennbare Zäsur durch den asphaltierten ca. 4 m breiten öffentlichen Fahrradweg erfahre. Soweit sich an der dem … abgewandten Seite in östlicher Richtung die öffentliche Straße … befinde, sei nicht zu erkennen, ob das von der Antragsgegnerin verfügte Verkaufsverbot auch auf die dort befindliche Gastronomie und gegebenenfalls vorhandenen Lebensmittelgeschäfte beziehe. Die Allgemeinverfügung enthalte weder als Anlage eine Konkretisierung (Lageplan o. ä.), noch erfolge eine Bezugnahme auf eine planerische Konkretisierung durch die Veröffentlichung auf der Homepage der Antragsgegnerin. Soweit in der Begründung der Allgemeinverfügung auf die Untersagung des Konsums von Alkohol und die konkret davon betroffenen Örtlichkeiten verwiesen werde, sei dies nicht geeignet, die angegriffene Allgemeinverfügung hinreichend zu konkretisieren. Weiter fehle es an einer geeigneten Rechtsgrundlage. Das Verbot der Abgabe von alkoholischen Getränken beeinträchtige den Antragsteller in seiner gewerblichen Tätigkeit erheblich. Der Antragsteller habe bereits entsprechende Investitionen getätigt, um die Getränke in dem von der 12. BayIfSMV zulässigen Rahmen abzuverkaufen.
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3. Mit Schriftsatz vom 7. April 2021 beantragte die Antragsgegnerin, den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die streitgegenständliche Allgemeinverfügung der Stadt … vom 1. April 2021 abzulehnen.
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Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Die Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 25. Januar 2021 bezüglich des Alkoholverbots im Stadtgebiet sei erlassen worden. Ein entsprechender Lageplan über die betroffenen Bereiche sei Teil dieser Allgemeinverfügung. Der Lageplan sei in der Presse bekannt gemacht und stehe auch im Internetauftritt ständig zur Einsichtnahme zur Verfügung. Zum räumlichen Umgriff des Alkoholkonsumverbots sei dort erläutert: Nach den Erfahrungen der Sicherheitsbehörden, insbesondere des Kommunalen Ordnungsdienstes sowie der Polizei, sei der „… …“ insbesondere eine stark frequentierte und beliebte Feierlokalität, an der sich sehr viele Besucher regelmäßig aufhielten und Alkohol konsumierten. Die dort ansässige Gastronomie biete alkoholische Getränke an. Um eine Verlagerung und Umgehung zu vermeiden, sei die Aufnahme der angrenzenden Bereiche mit Aufenthaltscharakter erforderlich. Am 30. März 2021 seien durch Ordnungskräfte am Mainufer im Bereich des Minigolfplatzes auf einer Länge von 100 m ca. 50 Personen angetroffen worden, von denen ca. 20 Alkohol konsumierten. Erkundigungen hätten ergeben, dass dieser Alkohol durch einen Gastronomen im Alkoholverbotsbereich verkauft worden sei. Am 31. März 2021 seien ähnliche Verhältnisse festgestellt worden. Auf Empfehlung der Ordnungskräfte sei zur Sicherung des Infektionsschutzes eine weitere Allgemeinverfügung mit einem Abgabeverbot für alkoholische Getränke bei „To Go“ für den bereits durch die Allgemeinverfügung vom 25. Januar 2021 konkretisierten Bereich des Mainufers nach Genehmigung der Regierung von Unterfranken über die übliche Ortspresse und das Internet bekannt gegeben worden. Dort sei auf dem Lageplan eindeutig Bezug genommen. In der Zeit vom 30. März bis 5. April 2021 seien in 91 Fällen Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet worden, wovon ca. 40 auf Verstöße gegen das Alkoholverbot zurückzuführen gewesen seien. Der Betrieb des Antragstellers liege auf einen durch die Antragsgegnerin verpachteten Grundstück und befinde sich innerhalb der Alkoholverbotszone. Auf den Lageplan der Allgemeinverfügung vom 29. Januar 2021 werde verwiesen. Die streitgegenständliche Allgemeinverfügung konkretisiere den räumlichen Umgriff im Verfügungstext einschließlich Begründung. Im Lageplan sei das Betriebsgelände des Antragstellers vollständig erfasst. Die Verbotszone ende für den Antragsteller im maßgeblichen Bereich am Straßenrand des öffentlichen Straßenraums. Außerhalb, also auf der anderen Straßenseite befindliche Betriebe seien davon nicht erfasst, es sei denn die Betriebe lägen im Bereich zwischen … bis zum … In diesem Bereich sei die gesamte Straßenbreite und der gesamte öffentliche Bolzplatz eingeschlossen. Aus dem Lageplan wäre die „Definition Mainuferbereich“ für den Antragsteller eindeutig ablesbar gewesen. Hinsichtlich der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der getroffenen Maßnahme werde auf den eigenen Vortrag Bezug genommen. Die getroffene Maßnahme, die nach § 28a Abs. 1 Nr. 9 IfSG eine besondere Schutzmaßnahme darstelle, betreffe lediglich einen Bereich, der in der vergangenen Saison durchgehend zu großen Problemen geführt habe.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
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Der Sofortantrag bezieht sich auf die Allgemeinverfügung „Alkoholabgaberverbot“ der Stadt …, die laut der Fassung auf den Internetseiten der Antragsgegnerin auf den 15. März 2021 datiert (im Folgenden: Allgemeinverfügung vom 15. März 2021). Auf der Homepage der Antragsgegnerin sowie in der Antragserwiderung wird diese Allgemeinverfügung jedoch mit dem Datum 1. April 2021 bezeichnet, während in der öffentlichen Bekanntmachung im … vom 3./4./5. April 2021 das Datum 3. April 2021 genannt ist. Die streitgegenständliche Allgemeinverfügung ist nach ihrer Nr. 2 am Tag nach ihrer Bekanntmachung in Kraft getreten, demnach - in Abhängigkeit von der Bekanntmachung auf der Homepage der Antragsgegnerin - am 1. oder 2. April 2021, spätestens am 4. April 2021, dem Tag nach ihrer Veröffentlichung im … Der Sofortantrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Allgemeinverfügung vom 15. März 2021 ist bei verständiger Würdigung des vom Antragstellers offenbarten Begehrens unter Berücksichtigung seines Interesses gemäß § 88 VwGO i.V.m. § 122 VwGO dahingehend auszulegen, dass er sich lediglich gegen die ihn beeinträchtigende Nr. 1 Satz 1 der Allgemeinverfügung vom 15. März 2021 wendet und insoweit die Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO begehrt, wie sich aus der Antragsbegründung auch explizit ergibt.
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Der so verstandene Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig und begründet.
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Der Antrag ist zulässig.
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Statthaft ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO mit dem Ziel der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der in der Hauptsache W 8 K 21.456 erhobenen Anfechtungsklage gegen die Nr. 1 Satz 1 der Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 15. März 2021. Der Klage kommt gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 28 Abs. 3, § 16 Abs. 8 IfSG kraft bundesgesetzlicher Regelung keine aufschiebende Wirkung zu. Die angegriffene Bestimmung der Allgemeinverfügung findet ihre rechtliche Grundlage in § 28 Abs. 1 der 12. BayIfSMV i.V.m. § 28 Abs. 1, § 28a Abs. 1 Nr. 9 IfSG.
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Der Antragsteller verfügt als Gastwirt, der unter anderem auch alkoholische Getränke an Dritte im streitigen Mainuferbereich abgeben will, entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO, über die notwendige Antragsbefugnis.
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Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist auch begründet.
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Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene originäre Abwägungsentscheidung. Es hat zwischen dem in der gesetzlichen Regelung (hier: § 28 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 8 IfSG) zum Ausdruck kommenden Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung des Antragstellers auszugehen ist. Ergibt die im Rahmen des Sofortverfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich der zugrundeliegende Bescheid bei dieser Prüfung hingegen als rechtswidrig und das Hauptsacheverfahren dann voraussichtlich als erfolgreich, ist das Interesse an der sofortigen Vollziehung regelmäßig zu verneinen. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens hingegen offen, kommt es zu einer allgemeinen Abwägung der widerstreitenden Interessen.
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Ausgehend von diesen Maßstäben war dem vorliegenden Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung im vollen Umfang stattzugeben.
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Eine summarische Prüfung der Hauptsache, wie sie im Sofortverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO geboten, aber auch ausreichend ist, ergibt vorliegend, dass die zulässige Klage gegen die streitgegenständliche Allgemeinverfügung vom 15. März 2021 voraussichtlich Erfolg haben wird, so dass das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt.
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Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung ist § 28 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 28a Abs. 1 Nr. 9 IfSG i.V.m. § 28 Abs. 1 der 12. BayIfSMV. Gemäß § 28a Abs. 1 Nr. 9 IfSG kann ein umfassendes oder auf bestimmte Zeiten beschränktes Verbot der Alkoholabgabe oder des Alkoholkonsums auf bestimmten öffentlichen Plätzen oder in bestimmten öffentlich zugänglichen Einrichtungen angeordnet werden. In § 24 Abs. 2 der 12. BayIfSMV ist der Konsum (nicht die Abgabe) von Alkohol auf den öffentlichen Verkehrsflächen der Innenstädte und an sonstigen öffentlichen Orten unter freiem Himmel, an denen sich Menschen entweder auf engen Raum oder nicht nur vorübergehend aufhalten, untersagt. Die konkret betroffenen Örtlichkeiten sind jeweils von der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde festzulegen. Letzteres ist mit Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 25. Januar 2021 erfolgt. Darüber hinaus ist § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 der 12. BayIfSMV die Rechtsgrundlage für weitergehende Anordnungen der Kreisverwaltungsbehörden im Einzelfall, soweit es aus infektionsschutzrechtlicher Sicht erforderlich ist. Danach kann grundsätzlich auch eine Untersagung der Abgabe von alkoholischen Getränken für bestimmte, unter anderem räumlich begrenzte Bereiche ausgesprochen werden.
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Die Allgemeinverfügung vom 15. März 2021 ist rechtswidrig, weil sie den Bestimmtheitsanforderungen des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG nicht gerecht wird.
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Gemäß Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG müssen Verwaltungsakte, zu denen auch die streitgegenständliche Allgemeinverfügung zählt (Art. 35 Satz 2 BayVwVfG), inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Inhaltlich hinreichende Bestimmtheit setzt voraus, dass insbesondere für den Adressaten des Verwaltungsaktes die von der Behörde getroffene Regelung so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar ist, dass er sein Verhalten danach richten kann. Es reicht aus, wenn sich die Regelung aus dem gesamten Inhalt des Bescheides, insbesondere seiner Begründung sowie den weiteren den Beteiligten bekannten oder ohne weiteres erkennbaren Umständen unzweifelhaft erkennen lässt. Umfasst der Regelungsgehalt eines Verwaltungsaktes nur einen bestimmten Teil eines Gemeindegebiets, so muss diesem außerdem entnommen werden können, auf welchen räumlichen Geltungsbereich er sich bezieht. Bezugnahmen auf Karten oder Pläne sind grundsätzlich zulässig (vgl. VG Ansbach, B.v. 3.3.2021 - AN 18 S 21.00302 - juris Rn. 43 ff.; Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Aufl. 2020, § 37 Rn. 12 ff.).
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Bei einem Verbot muss unmissverständlich festgelegt werden welche Handlungen zu unterlassen sind. Zu unbestimmt ist ein Verbot, dessen räumlicher oder zeitlicher Geltungsbereich unklar bleibt. Bei zulässiger Bezugnahme auf Landkarten kann eine Unbestimmtheit im Zusammenhang mit der Kennzeichnung von Grenzverläufen vorliegen, wenn Teilflächen nicht nachvollziehbar abgegrenzt sind oder der Kartenmaßstab eine eindeutige Grenzziehung nicht gestattet. Wenn zur Konkretisierung auf allgemein zugängliche oder dem Betroffenen bekannte Dokumente oder Pläne verwiesen wird, muss in einer solchen Bezugnahme konkret und genau festgelegt werden, auf welche Aussagen sich der Verweis konkret bezieht (vgl. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 37 Rn. 31 f., 36 ff.).
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Die Bestimmtheit der Regelung muss sich nicht zwingend allein aus dem verfügenden Teil ergeben. Hinreichend ist auch, wenn sich die Regelung unter Berücksichtigung des gesamten Bescheides und seine Umstände, also insbesondere auch seiner Begründung sowie aus dem bekannten Sachverhalt, bestimmen lässt. Zulässig sind auch Bezugnahmen auf dem Betroffenen bekannte Unterlagen, wenn diese ihrerseits hinreichend bestimmt sind. Bei der Auslegung ist dabei nicht auf den subjektiven Willen der Behörde abzustellen, sondern auf den Horizont eines verständigen Adressaten in der Situation eines objektiven Empfängers. Auf Mehrdeutigkeit beruhende Unklarheiten gehen zu Lasten der Behörde (Ruffert in Knack/Henneke, VwVfG, 11. Aufl. 2020, § 37 Rn. 12 ff.). Sowohl für die von der Regelung Betroffenen als auch für die mit dem Vollzug betreibenden Behörden muss klar erkennbar sein, welchen Regelungsinhalt die Anordnung hat. Dazu gehört auch die Klarheit, welcher räumlicher Bereich von den Maßnahmen erfasst werden sollte. Die unpräzise Umschreibung des Bereichs geht zu Lasten der Behörde (VGH BW, U.v. 26.1.1998 - 1 S 3280/96 - NVwZ 1998, 761, 762 - juris Rn. 30).
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Ausgehend von diesen Maßstäben ist der Bereich der Abgabe alkoholischer Getränke, der in der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung vom 15. März 2021 mit den Worten „im Mainuferbereich zwischen … auf Seite der Innenstadt“ bezeichnet ist, nicht hinreichend bestimmt.
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Zunächst ist schon festzuhalten, dass die streitgegenständliche Allgemeinverfügung keinen ausdrücklichen Bezug auf einen konkreten Lageplan zur Konkretisierung ihres räumlichen Geltungsbereichs des Alkoholabgabeverbots nimmt. In dem von der Antragsgegnerin vorgelegten Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 21. Januar 2021 ist auf Seite 4 ausdrücklich auf das Erfordernis hingewiesen, dass durch Stempel, Anheftung, Vermerk oder dergleichen sichergestellt sein muss, dass die in Bezug genommen Karten Bestandteil des Verwaltungsaktes (hier: der Allgemeinverfügung vom 15. März 2021) sind und dass eine Allgemeinverfügung ohne ausdrückliche Bezugnahme auf einen Kartenausschnitt regelmäßig unzureichend ist.
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In den Gründen der Allgemeinverfügung vom 15. März 2021 ist allerdings die Bekanntmachung vom 29. Januar 2021 aufgeführt, die die Allgemeinverfügung vom 25. Januar 2021 zur Untersagung des Alkoholkonsums an bestimmten Örtlichkeiten in der Stadt betrifft. Dazu ist angemerkt, dass in der Bekanntmachung vom 29. Januar der Mainuferbereich als eine der Örtlichkeiten nach § 24 Abs. 2 der 12. BayIfSMV festgelegt ist. Jedoch soll der gesamte Verbotsbereich für den Alkoholkonsum - gerade auch aus Sicht der Antragsgegnerin - offenkundig nicht mit dem räumlichen Umgriff des Alkoholabgabeverbots identisch sein, wie der Vergleich der Tenöre beider Allgemeinverfügungen zeigt und die Gründe für das Alkoholabgabeverbot zusätzlich belegen. Die streitgegenständliche Allgemeinverfügung vom 15. März 2021 bezieht sich nur auf den Mainuferbereich, während die Allgemeinverfügung vom 25. Januar 2021 insbesondere auch (neben dem hier nicht relevanten Park …) zusätzlich den Innenstadtbereich im Geltungsbereich der Alkoholverordnung vom 18. September 2017 einbezieht.
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Dieser Bereich des Alkoholkonsumverbots deckt sich nicht mit dem räumlichen Geltungsbereich des Alkoholabgabeverbots und soll sich auch nicht damit decken. Weder der textlichen Beschreibung noch dem der Allgemeinverfügung vom 25. Januar 2021 beigefügten Lageplan ist aber zu entnehmen, wie sich der Mainuferbereich von den weiteren innerstädtischen Bereichen exakt abgrenzt und wo der streitgegenständliche Mainuferbereich zur Innenstadt hin konkret endet. Gerade der in der Antragserwiderung als beliebte Feierlokalität bezeichnete Bereich „… …“ befindet sich in einem Bereich, in dem sich der von der Konsumverbotszone betroffene Bereich vom Ufer weg in die Innenstadt deutlich aufweitet. Dem Gericht erschließt sich auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Antragsgegnerin und der von ihr vorgelegten Unterlagen nicht, wie weit sich der streitgegenständliche „Mainuferbereich“ in der Breite erstreckt. Der zitierte und in Bezug genommene Lageplan kennzeichnet mit seiner Rahmung nur die Außengrenzen unter Einbeziehung des innerstädtischen Bereichs, aber nicht die Binnengrenzen. Gerade ab der …brücke Richtung Norden ist völlig unklar, wieweit sich der Mainuferbereich in die Breite erstrecken soll. Der Lageplan steht damit im Widerspruch zum intendierten räumlichen Geltungsbereich der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung, weil er über den Mainuferbereich weit hinausgeht.
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Selbst im Bereich des Grundstücks des Antragstellers ist aufgrund der Dicke des gezogenen Rahmens und des fehlenden Maßstabs, auf dessen regelmäßiger Erforderlichkeit das oben zitierte Ministerialschreiben vom 21. Januar 2021 ebenfalls schon hinweist, nicht eindeutig erkennbar, inwieweit etwa die Straße „… …“ erfasst werden soll bzw. nicht. Gleichermaßen ist nicht zweifelsfrei, dass die in Richtung Mainufer angrenzenden Grundstücke jeweils in vollem Umfang vom Alkoholabgabeverbot umfasst sind. Denn wie eine Vergrößerung des Lageplans im Abschnitt des Anwesens des Antragstellers zeigt, ragen einzelne planlich dargestellte Flächenteile offensichtlich in den Straßenraum hinein und liegen eindeutig außerhalb der Umgrenzungslinie, etwa im Bereich der Schiffsanlegestelle oder gegenüber der Einmündung der …straße in Richtung Minigolfplatz. Nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin soll aber der öffentliche Straßenraum „… …“ nicht erfasst sein, demgegenüber aber der westlich davon liegende Bereich vollständig. Auch insofern bestehen Widersprüchlichkeiten und Unklarheiten zwischen Lageplan und der intendierten Regelung, die zu Lasten der Antragsgegnerin gehen.
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Insgesamt bleibt festzuhalten, dass der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung kein eigener Lageplan oder sonst hinreichend bestimmte Umschreibung des räumlichen Geltungsbereichs beigefügt ist und der Hinweis auf die Allgemeinverfügung vom 25. Januar 2021 und auf die von dieser betroffenen Örtlichkeiten (samt Lageplan) nicht zur nötigen Klarheit führt, weil letztere einen anderen räumlichen Umgriff haben. Soweit die Allgemeinverfügung vom 25. Januar 2021 ihrerseits auf die Alkoholverordnung vom 18. September 2017 verweist, ergibt sich daraus für sich noch nicht die hinreichende Bestimmtheit für die Abgrenzung des Mainuferbereichs zum übrigen innerstädtischen Bereich, zumal die streitgegenständliche Allgemeinverfügung vom 15. März 2021 nicht auf die Alkoholverordnung und auf einen dieser beigefügten Plan, der dem Gericht auch nicht vorliegt, Bezug nimmt. Die verbleibenden Unklarheiten gehen zu Lasten der Antragsgegnerin.
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Der Antragsgegnerin bleibt unbenommen, etwa durch eine Ergänzung oder Konkretisierung der Allgemeinverfügung vom 15. März 2021 den räumlichen Geltungsbereich des Alkoholabgabeverbots entweder mit Worten und/oder anhand eines Lageplans hinreichend bestimmt festzulegen.
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Abgesehen davon bleibt anzumerken, dass aufgrund der Regelung in § 28a Abs. 1 Nr. 9 IfSG grundsätzlich die Möglichkeit besteht, ein umfassendes oder auf bestimmte Zeiten beschränktes Verbot der Alkoholabgabe auf bestimmten öffentlichen Plätzen oder in bestimmt öffentlich zugänglichen Einrichtungen anzuordnen. Diese Verbotsmöglichkeit begründet der Gesetzgeber damit, dass bei zunehmender Alkoholisierung die Einhaltung der im Zentrum stehenden Kontaktminimierung nicht mehr möglich ist. Die Regelung dient der Kontaktreduzierung. Insbesondere soll dadurch verhindert werden, dass sich wechselnde Gäste oder Gästegruppen an den Verkaufsstellen einfinden und gruppieren. Des Weiteren dient ein Alkoholausgabeverbot dazu, spontanen gemeinschaftlichen weiteren Alkoholkonsum zu reduzieren. Denn Alkohol hat mit zunehmender Genussmenge eine immer stärkere enthemmende Wirkung. Insofern entspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass mit der Menge des genossenen Alkohols die Fähigkeit, teils auch die Bereitschaft sinkt, sich regelkonform zu verhalten. Zudem kommt es zu einem vermehrten kommunikativen Austausch im Rahmen eines geselligen Zusammenseins, wodurch sich verschiedene, oft untereinander unbekannte Personengruppen vermischen können, was die Nachverfolgbarkeit erschwert oder unmöglich macht. Die skizzierten risikobehafteten Verhaltensweisen sind im besonderen Maße an so genannten „Hotspots“ anzutreffen. Ist dabei festzustellen, dass sich der Alkoholkonsum an einem bestimmten Ort aus dort gelegenen Verkaufsstellen speist, so ist regelmäßig ein Verbot der Alkoholabgabe in Betracht zu ziehen (siehe BT-Drs. 19/23944, 33 f. sowie Gerhardt, IfSG, 5. Aufl. 2021, § 28a Rn. 48 ff.; Johann/Gabriel in BeckOK, Infektionsschutzrecht, Eckart/Winkelmüller, 3. Edition, Stand: 1.1.2021, § 28a IfSG Rn. 20 f.; Aligbe, Infektionsschutzrecht in Seiten von Corona, 1. Aufl. 2021, 4. Kapitel Nr. 3, Die neuen Schutzmaßnahmen nach § 28a IfSG). Die Anordnung eines Alkoholverkaufsverbotes an bestimmten Plätzen und Straßen verfolgt ein legitimes Ziel. Allerdings muss die Auswahl der Plätze auf einer ausreichenden Datenbasis erfolgen und verhältnismäßig sein (vgl. VG Ansbach, B.v. 3.3.2021 - AN 18 S 21.00302 - juris Rn. 42 ff., 59 ff.; VG Köln, B.v. 4.1.2021 - 7 L 2100/20 - KommJur 2021, 62 - juris Rn. 11 ff.; ferner HambOVG, B.v. 12.3.2021 - 5 Bs 33/21, 2 E 195/21 - juris Rn. 15 ff.; VG Mainz, B.v. 23.2.2021 - 1 L 75/21.MZ - juris Rn. 10 f.; BayVGH, B.v. 19.1.2021 - 20 NE 21.76 - BayVBl 2021, 198 - juris Rn. 26 ff.).
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Ergänzend wird in dem Zusammenhang noch angefügt, dass die Antragsgegnerin - wie von ihr selbst angemerkt - gehalten ist, im Rahmen der fortlaufenden Prüfung der Wirkung und der Erforderlichkeit der Maßnahmen die betroffenen Bereiche entweder auszuweiten oder einzuengen. Umgekehrt steht dem Antragsteller als Betroffenem verwaltungsrechtlicher Rechtsschutz offen, sollte die konkrete räumliche Festlegung durch die zuständige Kreisverwaltungsbehörde im Einzelfall aus seiner Sicht über das für den Normzweck des § 28a Abs. 1 Nr. 9 IfSG notwendige Maß hinausgehen (BayVGH, B.v. 19.2.2021 - 20 NE 21.458 - juris Rn. 24).
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Auf Einzelheiten der vorstehend angerissenen Fragen kommt es indes nicht mehr an. Vielmehr macht schon allein die fehlende hinreichende Bestimmtheit gemäß Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG die streitgegenständliche Allgemeinverfügung vom 15. März 2021 in ihrer aktuellen Fassung rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinen Rechten, so dass dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung stattzugeben war.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 und 2 GKG, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Da die streitgegenständliche Allgemeinverfügung in Abhängigkeit von der Geltungsdauer der 12. BayIfSMV ausdrücklich befristet ist, zielt der vorliegende Sofortantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, so dass gemäß Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit von einer Halbierung des Streitwerts im Sofortverfahren abzusehen war und es beim Auffangwert von 5.000,00 EUR verbleibt.