Inhalt

VG Würzburg, Gerichtsbescheid v. 24.03.2021 – W 8 K 21.112
Titel:

Verwaltungsgerichte, Grundsicherungsleistungen, Ständige Verwaltungspraxis, Streitwertfestsetzung, Ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift, Befähigung zum Richteramt, Entscheidung durch Gerichtsbescheid, anspruchsberechtigter Personenkreis, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Selbstbindung der Verwaltung, Gleichbehandlungsgrundsatz, Rechtsmittelbelehrung, Gleichheitssatz, Solo-Selbstständige, Prozeßkostenhilfeverfahren, Zuwendungen, Streitwertbeschwerde, Bewilligungszeitraum, Kostenentscheidung, Unternehmerlohn

Normenketten:
VwGO § 84
VwGO § 113 Abs. 5
BayHO Art. 53
GG Art. 3
Richtlinien für die Gewährung eines fiktiven Unternehmerlohns zur Sicherung des Lebensunterhalts der von der Corona-Virus-Pandemie - SARS-CoV-2 - betroffenen soloselbstständigen Künstlerinnen und Künstler sowie Angehörigen kulturnaher Berufe - Soloselbstständigenprogramm für Künstlerinnen und Künstler
Schlagworte:
Gerichtsbescheid, Versagungsgegenklage, Soloselbstständigenprogramm für Künstlerinnen und Künstler, Nichterfüllen der Fördervoraussetzungen, Grundsicherung im maßgeblichen Antragszeitraum, ständige Verwaltungspraxis, keine Willkür, kein atypischer Fall
Fundstelle:
BeckRS 2021, 6986

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Gerichtsbescheid ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger wehrt sich gegen die Ablehnung seines Antrags auf Bewilligung einer Förderung nach den Richtlinien für die Gewährung eines fiktiven Unternehmerlohns zur Sicherung des Lebensunterhalts der von der Corona-Virus-Pandemie (SARS-CoV-2) betroffenen soloselbstständigen Künstlerinnen und Künstler sowie Angehörigen kulturnaher Berufe (Soloselbstständigenprogramm für Künstlerinnen und Künstler) des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst vom 16. Dezember 2020 (in der Folge: Förderrichtlinien) und begehrt die Gewährung einer Förderung in Höhe von 2.256,03 EUR.
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1. Am 19. Dezember 2020 beantragte der Kläger eine Förderung nach dem Soloselbstständigenprogramm für Künstlerinnen und Künstler. In dem elektronischen Antragsformular gab er an, als Light-Designer tätig zu sein, sich zum 31. Dezember 2019 nicht in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden zu haben, keine Mitarbeiter zu beschäftigen und in den Monaten Oktober, November und Dezember 2020 Grundsicherung bezogen zu haben. Seine Einnahmen im Zeitraum Januar bis Dezember 2019 wurden auf 21.546,63 EUR beziffert, die durchschnittlichen monatlichen Gesamteinnahmen auf 1.796,00 EUR. Im Antragszeitraum habe er keine Einnahmen erzielt und eine Novemberhilfe in Höhe von 1.283,97 EUR erhalten. Insgesamt beliefen sich die beantragten Mittel auf 2.256,03 EUR.
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Mit Bescheid vom 12. Januar 2021 lehnte die Regierung von Unterfranken den Antrag des Klägers auf Gewährung eines fiktiven Unternehmerlohnes nach dem Soloselbstständigenprogramm für Künstlerinnen und Künstler ab.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen nach den Richtlinien für die Gewährung des fiktiven Unternehmerlohnes seine nicht erfüllt. Nach Punkt 2 Satz 8 Hs. 1 der Richtlinien bestehe kein Anspruch auf Leistungen nach dem Programm, wenn der Antragsteller bereits Grundsicherung beziehe oder beantragt habe.
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2. Der Kläger erhob per einfacher E-Mail mit eingescannter Unterschrift am 24. Januar 2021 „Widerspruch“ gegen den ablehnenden Bescheid. Am 28. Januar 2021 ging ein eigenhändig unterschriebenes Exemplar der Klageschrift bei Gericht ein.
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Zur Klagebegründung trägt der Kläger vor: Er habe im Antragsformular nachgewiesen, dass er keine Einnahmen im Antragszeitraum gehabt habe, weshalb die Ablehnung nicht verständlich sei. Er sei freiberuflicher Künstler und seit der Pandemie seien ihm nahezu sämtliche Aufträge und Gagen weggebrochen. Er könne die Entscheidung gegen einen fiktiven Unternehmerlohn nicht nachvollziehen. Inzwischen habe er eine weitere Coronahilfe im Antragszeitraum genehmigt bekommen, nämlich eine Dezemberhilfe in Höhe von 1.372,51 EUR.
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Mit weiterem Schriftsatz vom 3. März 2021 führt der Kläger ergänzend aus: Ihm sei klar geworden, dass er durch die Beantragung der Grundsicherung einen Fehler gemacht habe. Er sei weder arbeits- noch erwerbslos. Er habe durch das Infektionsschutzgesetz quasi ein Berufsausübungsverbot auferlegt bekommen, weshalb ihm im Oktober kein anderer Weg mehr geblieben sei, als Grundsicherung zu beantragen. Danach habe sich der Standpunkt der Regierung verändert und es seien auch soloselbstständige Künstlerinnen und Künstler mit in die Förderprogramme aufgenommen worden. Bei der Angabe im Antrag, dass er für die drei Monate Grundsicherung erhalten habe, sei er davon ausgegangen, dass der Betrag mit dem Unternehmerlohn und anderen Einkünften verrechnet werde. Die erhaltene Grundsicherung sei 389,00 EUR. Der im Antrag aufgeführte Unternehmerlohn sei 1.180,00 EUR. Für die sich hieraus ergebende finanzielle Differenz wolle er streiten. Es sei explizit die soziale Diskriminierung von Künstlerinnen und Künstlern von Seiten der Bundesregierung anzusprechen.
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Mit Schriftsatz vom 25. Februar 2021 beantragte die Regierung von Unterfranken für den Beklagten:
Die Klage wird abgewiesen.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Der ablehnende Bescheid vom 12. Januar 2021 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Dieser habe keinen Anspruch auf die Gewährung einer Finanzhilfe nach dem Soloselbstständigenprogramm. Der Beklagte gewähre für soloselbstständige Künstlerinnen und Künstler sowie Angehörige kulturnaher Berufe, die durch die Pandemie erhebliche Umsatzrückgänge erfahren hätten, eine freiwillige finanzielle Unterstützung. Es handele sich hierbei um eine freiwillige Billigkeitsleistung des Staates, auf die kein Rechtsanspruch bestehe, sondern lediglich ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Ein Anspruch könne sich daher nur in Ausnahmefällen, insbesondere aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis auf Basis der einschlägigen Richtlinien ergeben. Die Förderrichtlinien begründeten als ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften nicht wie Gesetze und Verordnungen unmittelbar Rechte und Pflichten, sondern entfalteten erst durch ihre Anwendung Außenwirkung. Ein Anspruch des Klägers sei bereits deshalb zu verneinen, weil Nr. 2 Satz 8 der Richtlinien ausdrücklich vorsehe, dass für den Zeitraum, für den der Antragsteller Grundsicherung zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehe oder beantragt habe, kein Anspruch auf Leistungen nach dem Soloselbstständigenprogramm bestehe. Da der Kläger aber im Antragszeitraum von Oktober bis Dezember 2020 bereits eine solche erhalten habe, gehöre er nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis. Der Beklagte entscheide in vergleichbaren Fällen ebenfalls auf Grundlage der vorgegebenen Richtlinien, weshalb der Kläger nicht gegenüber anderen Antragstellern ungleich und schon gar nicht willkürlich anders behandelt werde. Ein atypischer Fall, der eine von der im Regelfall vorgesehenen Rechtsfolge abweichende Behandlung rechtfertigen würde, sei vorliegend nicht ersichtlich. Hierzu habe der Kläger auch nichts vorgetragen. Vielmehr spreche gegen die Annahme eines besonderen und außergewöhnlichen Falles, dass der Kläger bereits eine Novemberhilfe in Höhe von 1.280,97 EUR und eine Dezemberhilfe in Höhe von 1.327,51 EUR erhalten habe. In Kombination mit den bezogenen Grundsicherungsleistungen stelle sich die Situation des Klägers daher jedenfalls nicht als existenzbedrohliche Notlage dar.
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3. Die Beteiligten verzichteten jeweils auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Der Kläger wurde mit Schreiben vom 1. März 2021 zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Bei verständiger Würdigung des Vorbringens des Klägers (§ 88 VwGO) ist sein „Widerspruch“ gegen den Bescheid der Regierung von Unterfranken vom 12. Januar 2021 dahingehend auszulegen, dass er die Aufhebung des Bescheides sowie die Gewährung einer Förderung nach dem Soloselbstständigenprogramm für Künstlerinnen und Künstler wie von ihm beantragt in Höhe von 2.256,03 EUR begehrt. Der anwaltlich nicht vertretene Kläger hat zwar keinen ausdrücklichen Antrag gestellt, gleichwohl entspricht diese Auslegung erkennbar seinem Willen und Klagebegehren.
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Die so verstandene Klage, über die gemäß § 84 Abs. 1 VwGO durch Gerichtsbescheid entschieden werden konnte, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist, ist als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage (§ 42 Abs. 1 Hs. 2 Alt. 1 VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.
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Der Bescheid der Regierung von Unterfranken vom 12. Januar 2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Förderung nach dem Soloselbstständigenprogramm für Künstlerinnen und Künstler in der begehrten Höhe (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Im Einzelnen:
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1. Die Klage ist unbegründet.
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Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Förderung nach dem Soloselbstständigenprogramm für Künstlerinnen und Künstler.
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Bei der begehrten Förderung handelt es sich gemäß der Präambel zu den einschlägigen Richtlinien für die Gewährung eines fiktiven Unternehmerlohns zur Sicherung des Lebensunterhalts der von der Corona-Virus-Pandemie (SARS-CoV-2) betroffenen soloselbstständigen Künstlerinnen und Künstler sowie Angehörigen kulturnaher Berufe (Soloselbstständigenprogramm für Künstlerinnen und Künstler) des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst vom 16. Dezember 2020 (in der Folge: Förderrichtlinien) um eine Billigkeitsleistung nach Maßgabe des Art. 53 BayHO sowie der allgemeinen haushaltsrechtlichen Bestimmungen, die ohne Rechtsanspruch im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel gewährt wird und über deren Beantragung die zuständige Bewilligungsstelle nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet.
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Bei Billigkeitsleistungen der vorliegenden Art handelt es sich um freiwillige staatliche Maßnahmen. Eine explizite Rechtsnorm, die konkret einen Anspruch des Klägers auf Bewilligung der beantragten Finanzhilfe begründet, existiert nicht. Vielmehr erfolgt die Billigkeitsleistung auf der Grundlage der einschlägigen Richtlinien im billigen Ermessen der Behörde und im Rahmen der dafür im Haushaltsplan besonders zur Verfügung gestellten Ausgabemittel (Art. 53 BayHO). Ein Rechtsanspruch besteht danach nur ausnahmsweise, insbesondere aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis auf Basis der einschlägigen Richtlinien. Die Richtlinien begründen als ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften nicht wie Gesetze und Rechtsverordnungen unmittelbar Rechte und Pflichten, sondern entfalten erst durch ihre Anwendung Außenwirkung. Das Gericht ist somit grundsätzlich an den Zweck der Finanzhilfen gebunden, wie ihn der Geber der Finanzhilfen versteht. Für die gerichtliche Prüfung einer Förderung in Form einer Billigkeitsleistung gelten deshalb dieselben Grundsätze wie für Zuwendungen, die ebenfalls auf der Grundlage der einschlägigen Förderrichtlinien im billigen Ermessen der Behörde und im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel (Art. 23, 44 BayHO) erfolgen. Entscheidend für die gerichtliche Prüfung ist, wie die Behörde des zuständigen Rechtsträgers die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz gebunden ist (s. zur vergleichbaren Thematik der Zuwendungen BayVGH, U.v. 11.10.2019 - 22 B 19.840 - juris Rn. 26; U.v. 28.10.1999 - 19 B 96.3964 - juris Rn. 59; VG München, U.v. 19.11.2009 - M 15 K 07.5555 - juris Rn. 30; zur ebenfalls als Billigkeitsleistung ausgestalteten Corona-Soforthilfe des Bundes zuletzt: VG Würzburg, U.v. 8.2.2021 - W 8 K 20.851; U.v. 14.12.2020 - W 8 K 20.765; sowie schon U.v. 3.8.2020 - W 8 K 20.743 - alle juris m.w.N.). Ein Anspruch auf die Förderung besteht im Einzelfall über den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung und den Gleichheitssatz dann, wenn die in den Richtlinien dargelegten Fördervoraussetzungen vorliegen und vergleichbare Anträge in ständiger Förderpraxis des Beklagten auch positiv verbeschieden werden (BayVGH, U.v. 11.10.2019 - 22 B 19.840 - juris Rn. 26).
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Da Richtlinien keine Rechtsnormen sind, unterliegen sie auch grundsätzlich keiner richterlichen Interpretation. Eine Überprüfung hat sich darauf zu beschränken, ob aufgrund der einschlägigen Förderrichtlinien überhaupt eine Verteilung öffentlicher Mittel vorgenommen werden kann (Vorbehalt des Gesetzes) und bejahendenfalls, ob bei Anwendung der Richtlinien in Einzelfällen, in denen die begehrte Leistung versagt worden ist, der Gleichheitssatz (Art. 3 GG) verletzt oder der Rahmen, der durch die gesetzliche Zweckbestimmung gezogen ist, nicht beachtet worden ist (vgl. BVerwG, U.v. 26.4.1979 - 3 C 111/79 - juris).
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Die Richtlinien setzen Maßstäbe für die Verteilung der staatlichen Hilfen und regeln insoweit die Ermessenshandhabung. Die Ermessensbindung reicht jedoch nur so weit wie die festgestellte tatsächliche ständige Verwaltungspraxis. Die gerichtliche Überprüfung erfolgt nur im Rahmen § 114 VwGO. Das Gericht hat nicht die Befugnis zu einer eigenständigen oder gar erweiternden Auslegung der Richtlinien (vgl. SaarlOVG, B.v. 28.5.2018 - 2 A 480/17 - juris; OVG SH, U.v. 17.5.2018 - 3 LB 5/15 - juris; OVG NRW, B.v. 29.5.2017 - 4 A 516/15 - juris; HessVGH, U.v. 10 A 1481/11 - juris).
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Art. 3 Abs. 1 GG gebietet eine gleichmäßige Verwaltungspraxis. Dazu gehört das Verbot einer nicht durch sachliche Unterschiede gerechtfertigten Differenzierung zwischen verschiedenen Sachverhalten bei der Förderung (BayVGH, U.v. 11.10.2019 - 22 B 19.840 - juris Rn. 32).
22
Aufgrund des freiwilligen Charakters der Hilfen und dem weiten Ermessen des Gebers bei der Aufstellung von Richtlinien zur Gewährung von Hilfen, ist eine entsprechende Nachprüfung nur im Hinblick auf eine möglicherweise willkürliche Ungleichbehandlung potentieller Hilfeempfänger eröffnet, nicht aber in Form einer Verhältnismäßigkeitsprüfung (vgl. BVerwG, U.v. 14.3.2018 - 10 C 1/17 - juris Rn. 15 ff. m.w.N. zur Rechtsprechung des BVerfG; VG München, U.v. 28.8.2019 - M 31 K 19.203 - juris Rn. 15). Nach der Willkür-Formel des Bundesverfassungsgerichts (seit U.v. 23.10.1951 - 2 BVG 1/51 - juris) ist Willkür dann anzunehmen, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt.
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Ausgangspunkt ist die ständige Verwaltungspraxis in vergleichbaren Fällen, sofern sie nicht im Einzelfall aus anderen Gründen zu rechtswidrigen Ergebnissen führt. Spielraum für die Berücksichtigung der Besonderheiten atypischer Fälle muss bleiben (Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Aufl. 2020, § 40 Rn. 42 ff.; Schenke/Ruthig in Kopp/Schenke, VwGO 26. Aufl. 2020, § 114 Rn. 41 ff.).
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So dürfen im Einzelfall keine sachlichen Gründe für das Abweichen von der Behördenpraxis bestehen. Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften dürfen nur für den Regelfall gelten und müssen Spielraum für die Berücksichtigung der Besonderheiten atypischer Fälle lassen. Ein derartiger atypischer Fall ist dann gegeben, wenn der konkrete Sachverhalt außergewöhnliche Umstände aufweist, deren Besonderheiten von der ermessenslenkenden Vorschrift nicht hinreichend erfasst und von solchem Gewicht sind, dass sie eine von der im Regelfall vorgesehenen Rechtsfolge abweichende Behandlung gebieten (OVG NW, B.v. 29.5.2017 - 4 A 516/15 - juris).
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Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben hat der Kläger keinen Anspruch aufgrund der Selbstbindung der Verwaltung, da nach den Förderrichtlinien und der maßgeblichen Verwaltungspraxis ein Anspruch auf die Gewährung einer Förderung nach dem Soloselbstständigenprogramm für Künstlerinnen und Künstler nicht besteht.
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Nach Nr. 2 Satz 8 der Förderrichtlinien, welche die Anspruchsvoraussetzungen regelt, besteht kein Anspruch auf Leistungen nach dem Soloselbstständigenprogramm für den Zeitraum, für den der Antragsteller bereits Grundsicherung (Arbeitslosengeld II) zur Sicherung des Lebensunterhalts bezieht oder beantragt hat.
27
Der Kläger hat vorliegend in seinem Antragsformular angegeben, für die Monate Oktober bis Dezember 2020 und somit den nach Nr. 7 Satz 2 der Förderrichtlinien maßgeblichen Bewilligungszeitraum Grundsicherung bezogen oder beantragt zu haben und dies in seinem Schriftsatz vom 3. März 2021 nochmals bestätigt.
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Der Beklagte hat in der Klageerwiderung zum Ausdruck gebracht, dass sich seine ständige Verwaltungspraxis am Wortlaut der Förderrichtlinien (Nr. 2 Satz 8) orientiert und Anträge in vergleichbaren Fällen, in denen im maßgeblichen Bewilligungszeitraum Grundsicherung beantragt oder bezogen wurde, abgelehnt werden. Konkrete Förderfälle im Sinne des Klägers wurden demgegenüber nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.
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Diese Verwaltungspraxis begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Insbesondere orientiert sich die Verwaltungspraxis an sachlich vertretbaren Maßstäben und überschreitet nicht die Grenzen des Willkürverbotes.
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Es ist allein Sache des Gebers einer Billigkeitsleistung, die Modalitäten einer Förderung festzulegen, seine Richtlinien auszulegen und den Förderzweck zu bestimmen (vgl. BayVGH, B. v. 14.9.2020 - 6 ZB 20.1652 - juris m.w.N.) und seine Förderpraxis nach seinen Vorstellungen entsprechend auszurichten. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet eine gleichmäßige Verwaltungspraxis. Dazu gehört das Verbot einer nicht durch sachliche Unterschiede gerechtfertigten Differenzierung zwischen verschiedenen Sachverhalten bei der Förderung (BayVGH, U.v. 11.10.2019 - 22 B 19.840 - juris Rn. 32). Geboten ist so eine bayernweit gleichmäßige und willkürfreie Mittelverteilung. Nicht erlaubt ist eine uneinheitliche und damit objektiv willkürliche Förderpraxis (vgl. BayVGH, U.v. 25.7.2013 - 4 B 13.727 - DVBl 2013, 1402). Dabei steht dem Richtliniengeber frei, sich für eine bestimmte Verwaltungspraxis zu entscheiden. Die Willkürgrenze wird selbst dann nicht überschritten, wenn es auch für eine alternative Förderpraxis gute Gründe gäbe. Eine Verletzung des Willkürverbots liegt mithin nur dann vor, wenn die maßgeblichen Kriterien unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar wären und sich daher der Schluss aufdrängen würde, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhten (vgl. VG Köln, G.v. 17.8.2015 - 16 K 6804/14 - juris m.w.N.; siehe auch VG Würzburg, U.v. 25.5.2020 - W 8 K 19.1546 - juris).
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Für den Schluss auf eine willkürliche Verwaltungspraxis bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte. Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte vor dem Hintergrund des in Nr. 1 der Förderrichtlinien niedergelegten Zwecks der vorliegenden Billigkeitsleistung, nämlich die Sicherung der privaten wirtschaftlichen Existenz von Künstlerinnen und Künstlern sowie Angehörigen kulturnaher Berufe, eine Förderung nach dem Soloselbstständigenprogramm für Künstlerinnen und Künstler in ständiger Praxis dann nicht gewährt, wenn für den maßgeblichen Zeitraum bereits staatliche Sozialleistungen beantragt bzw. bezogen werden, auf die beim Vorliegen der Voraussetzungen ein gesetzlicher Anspruch besteht. Es ist vor diesem Hintergrund nicht ermessensfehlerhaft oder gar willkürlich nicht hierzu zusätzlich noch eine Förderung nach dem Soloselbstständigenprogramm für Künstlerinnen und Künstler zu gewähren. Zweck ist wie dargestellt die Sicherung der privaten wirtschaftlichen Existenz von Künstlerinnen und Künstlern sowie Angehörigen kulturnaher Berufe und nicht die Schaffung einer zusätzlichen Sozialbeihilfe, was auch Nr. 2 Satz 8 Hs. 2 der Förderrichtlinien zeigt, wonach die Finanzhilfe nach dem Soloselbstständigenprogramm für Künstlerinnen und Künstler nach Gewährung durch Grundsicherung aufgestockt werden kann, sofern sie zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht ausreichend ist. Dass dieser Ausgestaltung der Verwaltungspraxis und dem Verständnis der Förderrichtlinien durch den Beklagten sachfremde Erwägungen zu Grunde liegen, vermag die Kammer nicht zu erkennen.
32
Zuletzt liegt keine atypische Fallgestaltung aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles vor. Ausgangspunkt ist - wie ausgeführt - vielmehr die ständige Förderpraxis in vergleichbaren Fällen, sofern sie nicht im Einzelfall aus anderen Gründen zu rechtswidrigen Ergebnissen führt (vgl. Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Aufl. 2020, § 40 Rn. 42 ff.; Schenke/Ruthig in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 114 Rn. 41 ff.).
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Hier ist kein atypischer Ausnahmefall gegeben, der eine abweichende Entscheidung des Beklagten hätte gebieten müssen (vgl. OVG NW, B.v. 29.5.2017 - 4 A 516/15 - juris), weil der konkrete Sachverhalt keine außergewöhnlichen Umstände aufweist, die von den Richtlinien und der darauf basierenden Förderpraxis nicht erfasst werden und von solchem Gewicht sind, dass sie eine Abweichung von der im Regelfall vorgesehenen Rechtsfolge gebieten.
34
Vielmehr wurde der Aspekt der Beantragung bzw. des Bezugs von Grundsicherung und deren Verhältnis zu dem hier einschlägigen Förderprogramm bei Aufstellung der Förderrichtlinien gerade ausdrücklich in Nr. 2 Satz 8 der Förderrichtlinien berücksichtigt. Es handelt sich damit um eine regelmäßige Sachverhaltsgestaltung, die der Beklagte bei Richtlinienaufstellung im Blick hatte und in seiner Verwaltungspraxis auf Grundlage der Förderrichtlinien Berücksichtigung gefunden hat.
35
Nach alledem hat der Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Gewährung einer Förderung nach dem Soloselbstständigenprogramm für Künstlerinnen und Künstler und die Klage war abzuweisen.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 84 Abs. 1 Satz 3 VwGO i.V.m. § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.