Inhalt

VG Würzburg, Gerichtsbescheid v. 11.03.2021 – W 8 K 19.358
Titel:

Beiladung, Rechtsmißbrauch, Änderungsbescheid, Informationsgewährung, Kontrollbericht, Verwaltungsgerichte, Auskunftserteilung, Befähigung zum Richteramt, Verbraucherinformationsgesetz, Entscheidung durch Gerichtsbescheid, Bundsverwaltungsgericht, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Zulässige Abweichungen, Informationszugangsanspruch, Informationszugangsrecht, Rechtsmittelbelehrung, Außergerichtliche Kosten, Streitwertfestsetzung, Antrag des Beigeladenen, Informationsanspruch

Normenketten:
VwGO § 84 Abs. 1
VIG § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
VIG § 4
VIG § 5
VIG § 6
LFGB § 40 Abs. 1a
GG Art. 12 Abs. 1
Schlagworte:
Gerichtsbescheid, Klage gegen beabsichtigte Auskunft nach dem Verbraucherinformationsgesetz an beigeladenen Dritten, Topf Secret, Foodwatch/FragDenStaat, Antrag über Internetplattform, beantragte Auskunft zum Zweck der Veröffentlichung auf Internetplattform, Frage des Missbrauchs, Bezug der vom Informationsanspruch umfassten Daten zu lebensmittelrechtlichen Vorschriften erforderlich
Fundstelle:
BeckRS 2021, 6979

Tenor

I. Der Bescheid des Landratsamtes Würzburg vom 13. März 2019 in der Fassung des Änderungsbescheides des Landratsamtes Würzburg vom 29. März 2019 wird aufgehoben, soweit die Nrn. 14, 15 und 16 des Kontrollberichts vom 14. Dezember 2018 und die Nrn. 8, 9 und 10 sowie die Ausführungen auf S. 4 nach Nr. 22, fünfter Absatz Sätze 2 und 3 des Kontrollberichts vom 13. Februar 2019 nicht von der Informationsgewährung ausgenommen sind.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Von den Kosten des Verfahrens haben der Kläger 4/5, der Beklagte 1/5 zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Gerichtsbescheid ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger, der einen Gastronomiebetrieb betreibt, wendet sich gegen den an den Beigeladenen adressierten Bescheid des Beklagten (vertreten durch das Landratsamt Würzburg) vom 13. März 2019, geändert durch Bescheid vom 29. März 2019, in dem einem Antrag des Beigeladenen auf Gewährung von Verbraucherinformationen nach dem Verbraucherinformationsgesetz (VIG) stattgegeben wurde.
I.
2
Mit E-Mail vom 14. Januar 2019 beantragte der Beigeladene über die Internetplattform „Topf Secret“ (Foodwatch/FragDenStaat) die Herausgabe folgender Informationen:
3
1. Wann haben die beiden letzten lebensmittelrechtlichen Betriebsprüfungen in folgendem Betrieb stattgefunden: …
4
2. Kam es hierbei zu Beanstandungen? Falls ja, beantrage ich hiermit die Herausgabe des entsprechenden Kontrollberichts an mich.
5
Mit Schreiben des Landratsamtes Würzburg vom 20. Februar 2019 erhielt der Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Informationsgewährung.
6
Mit Schreiben vom 3. März 2019 lehnte der Kläger die Herausgabe der angeforderten Kontrollberichte ab, da zu befürchten stehe, dass die angeforderten Informationen auf der rechtswidrigen Internetplattform „Topf Secret“ (Foodwatch/FragDenStaat) veröffentlicht würden. Gegebenenfalls habe ein eindeutiger behördlicher Hinweis dahingehend zu erfolgen, dass eine Veröffentlichung der Information im Internet nicht erfolgen dürfe.
7
Mit Bescheid vom 13. März 2019, adressiert an den Beigeladenen, gab der Beklagte dem Antrag auf Informationsgewährung statt. Die Informationen würden nach Ablauf von 14 Werktagen in Form von Kopien der Kontrollberichte postalisch übersandt, wenn der Kläger nicht innerhalb von zehn Werktagen gerichtlich gegen die Entscheidung vorgehe.
8
Weiter teilte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom gleichen Tag mit, dass dem Antrag auf Informationsgewährung stattgegeben werde und die Informationseröffnung nach Ablauf von zehn Werktagen durch Auskunftserteilung inklusive Übermittlung von Kopien der Kontrollberichte erfolge. Das VIG sehe einen Anspruch auf Zugang zu Informationen über festgestellte nicht zulässige Abweichungen von Anforderungen des Lebensmittelrechts sowie sich darauf beziehende Maßnahmen und Entscheidungen vor. Es lägen keine Ausschluss- und Beschränkungsgründe vor. Die Informationseröffnung erfolge nach Ablauf von zehn Werktagen durch Auskunftserteilung inklusive Übermittlung von Kopien der Kontrollberichte, wenn bis dahin keine gerichtliche Untersagung erfolgt sei.
9
Am 29. März 2019 erließ das Landratsamt Würzburg gegenüber dem Beigeladenen einen Änderungsbescheid, ausgelaufen am 1. April 2019, mit dem in Ziffer 1 die Begründung des Bescheids vom 13. März 2019 derart ergänzt bzw. angepasst wurde, dass die Informationsgewährung in Form der Bekanntgabe der Daten der letzten beiden lebensmittelrechtlichen Betriebsüberprüfungen (a) und Herausgabe der entsprechenden Kontrollberichte, wenn Beanstandungen im Sinne von unzulässigen Abweichungen von den Anforderungen des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB), der auf Grund des LFGB erlassenen Rechtsverordnungen und unmittelbar geltenden Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union im Anwendungsbereich des LFGB vorliegen (b), erfolge. Der Bescheid enthält die Hinweise, dass im Falle der Herausgabe von Kontrollberichten im Rahmen der Informationsgewährung die personenbezogenen Daten, die nicht die Lebensmittelunternehmer/innen direkt betreffen, geschwärzt (Kontrollpersonal, Betriebspersonal etc.) werden, ebenso wie alle Inhalte, die nicht dem Anwendungsbereich des VIG unterliegen. Nach Ziffer 2 des Änderungsbescheids ist die Ziffer 1 dieses Bescheids kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Nach Ziffer 3 ergeht der Bescheid kostenfrei. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, um die Vorgaben in § 5 Abs. 2 Satz 2 VIG zu erfüllen, seien die Prioritäten so gelegt worden, dass die Anträge zügig bearbeitet werden. Die Begründung im ursprünglichen Bescheid vom 13. März 2019 sei daher unter Ziffer 1 des Änderungsbescheids ergänzt worden, um die wesentlichen Entscheidungsgründe mitzuteilen.
10
Mit Schreiben vom gleichen Tag teilte der Beklagte dem Klägerbevollmächtigten mit, dass am 29. März 2019 ein Änderungsbescheid ergangen ist, in welchem die Begründung des Bescheides vom 13. März 2019 ergänzt bzw. angepasst wurde. Auf die Rechtsbehelfsbelehrung:im anliegenden Bescheid wurde hingewiesen.
II.
1.
11
Am 5. April 2019 ließ der Kläger Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid erheben und beantragen,
die Bescheide des Beklagten vom 13. März 2019 und 29. März 2019, Az.: FB14-514/200 V 003/2019, aufzuheben und dem Beklagten die Informationsgewährung zu untersagen.
12
Zu Klagebegründung ließ der Kläger im Wesentlichen ausführen: Mit einer Bekanntgabe der Kontrollberichte in der beabsichtigten Form werde in die Grundrechte des Klägers eingegriffen, hier vor allem das allgemeine Persönlichkeitsrecht, Grundrecht auf Berufsfreiheit und Berufsausübung, Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sowie das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Es werde ein Ermessensfehlgebrauch bzw. die Nichtausübung des Ermessens gerügt. Es werde gerügt, dass der Antrag des Beigeladenen offenkundig rechtsmissbräuchlich gestellt worden sei und darauf abziele, eine rechtswidrige Veröffentlichung im Internet herbeizuführen. § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB ermächtige ausschließlich die zuständige Behörde zur Veröffentlichung von Hygienemängeln. Die vom Bundeverfassungsgericht dazu aufgestellten verfassungsrechtlichen Hürden würden umgangen. Die Veröffentlichung von Kontrollberichten im Internet durch den Verbraucher sei auch zivilrechtlich nicht zulässig, dies würde eine unerlaubte Handlung darstellen. Die Anwendbarkeit des Verbraucherinformationsgesetzes erfordere einen unmittelbaren Produktbezug. Die Kontrollberichte enthielten keine Feststellungen zu den produktbezogenen Abweichungen. Nachdem durch die Gewährung der Information ein massiver Grundrechtseingriff zulasten der Lebensmittelhersteller gerechtfertigt werden solle, müsse das Gesetz durch Vorgabe gewisser Abwägungskriterien bezüglich des zeitlichen Umfangs der zurückliegenden festgestellten Abweichungen und auch bezüglich des inhaltlichen Umfangs der Abweichungen der Behörde Gründe für deren Ermessensentscheidung an die Hand geben. Ohne irgendein mögliches Korrektiv bezüglich des zeitlichen Umfangs könnten Verbraucher jahrelang, in besonderen Konstellationen sogar Jahrzehnte lang, zurückliegende Kontrollberichte anfordern. Ebenso könne ein geringfügiger Verstoß gegen eine Verordnung einen Eingriff in die Grundrechte nicht rechtfertigen. Als weiteres Korrektiv müsse bei der Informationserteilung auch ersichtlich werden, ob die festgestellten Abweichungen noch andauerten. Denn Informationen über beseitigte Mängel ohne einen ersichtlichen Hinweis, ob diese noch fortbestehen oder beseitigt seien, sei nicht geeignet für Transparenz am Markt beizutragen. Weiter könne die Informationsgewährung durch Akteneinsicht oder in anderer geeigneter Art durchgeführt werden. Zwar habe der Beigeladene eine besondere Art der Informationsgewährung - Übersendung der Kontrollberichte - begehrt, doch lägen hier gewichtige Gründe vor - Gefahr der rechtswidrigen Veröffentlichung im Internet mit einhergehender Prangerwirkung -, dass der Beklagte hier verpflichtet gewesen sei, eine andere Art der Informationsgewährung zu wählen.
2.
13
Der Beklagte, vertreten durch das Landratsamt Würzburg, beantragte mit Schriftsatz vom 26. April 2019,
die Klage abzuweisen.
14
Zur Begründung der Klageerwiderung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Das Gesetz sehe kein Entschließungsermessen, also kein Ermessen hinsichtlich der Frage, ob überhaupt Informationen gewährt würden, vor. Ausschluss- und Beschränkungsgründe lägen nicht vor. Aus welchem Grund der Beigeladene eine Anfrage über das Portal „Topf Secret“ gestellt habe, sei nicht bekannt und müsse auch nicht begründet werden. Der Anspruch nach dem VIG sei nicht von einem besonderen Interesse abhängig. Die Nutzung dieses Portals sei kein Anhaltspunkt, dass es sich um einen missbräuchlichen Antrag handele. § 40 Abs. 1a LFGB könne nicht herangezogen werden. Die Zulässigkeit der Weiterverwendung der Informationen beurteile sich allein nach zivilrechtlichen Erwägungen. Auf die Verfassungsmäßigkeit des § 40 Abs. 1a LFGB und die weiteren Ausführungen hierzu werde daher nicht eingegangen. Entgegen den Ausführungen des Klägers erfordere die Anwendbarkeit des VIG keinen unmittelbaren bzw. konkreten Produktbezug. Die Kontrollberichte enthielten Abweichungen von den lebensmittelrechtlichen Vorschriften. Die einzelnen Rechtsvorschriften, gegen die verstoßen worden sei, könne den Kontrollberichten entnommen werden. Es bestehe kein zeitlich unbegrenzter Anspruch. Ein Informationsanspruch bestehe nicht, wenn die Anfrage Informationen betreffe, die vor mehr als fünf Jahren seit der Antragstellung entstanden seien. Die Informationen würden ausschließlich dem Beigeladenden herausgegeben. Die weitere Verwendung entziehe sich ihrem Einfluss. Bei Versendung der Kontrollberichte sei der Hinweis vorgesehen, dass keine Aussage über die Zulässigkeit der Weiterverwendung getroffen werde. Das Ob und Wie der Weiterverwendung der Informationen liege allein in dem Interesse des Beigeladenen. Die Korrespondenz mit dem Beigeladenen laufe nicht per E-Mail, sondern per Post. Die Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz in den Nrn. 15 und 16 des Kontrollberichts vom 14. Dezember 2018 sowie in den Nrn. 8 und 9 des Kontrollberichts vom 13. Februar 2019 seien durchaus durch das VIG erfasst. Die gesetzlichen Vorgaben in § … … würden dem gesundheitlichen Verbraucherschutz dienen und dazu beitragen, eine Kontamination von Lebensmitteln zu verhindern.
3.
15
Eine Stellungnahme des Beigeladenen erfolgte nicht.
4.
16
Mit Beschluss vom 11. April 2019 ordnete das Gericht im Sofortverfahren W 8 S 19.289 die aufschiebende Wirkung der Klage des Klägers gegen den an den Beigeladenen adressierten Bescheid des Landratsamtes Würzburg vom 13. März 2019 in der Fassung des Änderungsbescheides des Landratsamtes Würzburg vom 29. März 2019 an.
17
Mit Schreiben vom 3. Dezember 2020 an den Kläger und vom 5. Januar 2021 an den Beklagten und den Beigeladenen hörte das Gericht die Beteiligten zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid an.
18
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Akte des Sofortverfahrens W 8 S 19.289) sowie die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

19
Die Klage, über die nach Anhörung der Beteiligten nach § 84 Abs. 1 VwGO durch Gerichtsbescheid entschieden werden konnte, ist zulässig, jedoch - wie tenoriert - nur teilweise begründet. Im Übrigen ist der streitgegenständliche Bescheid des Landratsamtes Würzburg vom 13. März 2019 in der Fassung des Änderungsbescheides des Landratsamtes Würzburg vom 29. März 2019 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
20
Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit sind nicht ersichtlich. Die Formalien des § 5 Abs. 1 VIG wurden eingehalten.
21
Rechtsgrundlage des Bescheids des Beklagten vom 13. März 2019 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29. März 2019, in dem dem Antrag des Beigeladenen auf Informationsgewährung - betreffend die beiden letzten lebensmittelrechtlichen Kontrollberichte - stattgegeben wurde, ist § 2 Abs. 1 Nr. 1 VIG. Danach hat jeder nach Maßgabe des Verbraucherinformationsgesetzes Anspruch auf freien Zugang zu allen Daten über von den nach Bundes- oder Landesrecht zuständigen Stellen festgestellte nicht zulässige Abweichungen von Anforderungen a) des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches und des Produktsicherheitsgesetzes, b) der aufgrund dieser Gesetze erlassenen Rechtsverordnungen und c) unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union im Anwendungsbereich der genannten Gesetze sowie Maßnahmen und Entscheidungen, die im Zusammenhang mit den in den Buchstaben a) bis c) genannten Abweichungen getroffen worden sind.
22
Die Rechtslage ist mittlerweile durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 29.8.2019 - 7 C 29/17 - BVerwGE 166, 233 - im Folgenden zitiert nach juris) und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in zahlreichen Entscheidungen (vgl. zuletzt etwa BayVGH, B.v. 7.8.2020 - 5 CS 20.1302 - juris) geklärt, die im Nachfolgenden im Einzelnen zitiert werden und denen das Gericht folgt (siehe auch schon VG Würzburg, U. v. 14.9.2020 - W 8 K 19.765; VG Würzburg, U.v. 14.9.2020 - W 8 K 19.1375 - juris; ebenso im Ergebnis VG Regensburg, U.v. 26.11.2020 - RO 5K 19.781 - juris). Darüber hinaus bejahen die Rechtmäßigkeit der Gewährung von Informationszugang im Zusammenhang auch konkret mit den Portal „Topf Secret“ verschiedene andere Obergerichte (konkret OVG Bremen, B.v. 14.7.2020 - 1 B 338/19 - NJW 2020, 2821; OVG NRW, B.v. 16.1.2020 - 15 B 814/19 - LMuR 2020, 92; NdsOVG, B.v. 16.1.2020 - 2 ME 707/19 - GewArch 2020, 157; VGH BW, Be.v. 13.12.2019 - 10 S 1891/19, 10 S 2077/19, 10 S 2078/19, 10 S 2614/19, 10 S 2647/19, 10 S 2685/19 und 10 S 2687/19 - alle juris). Offen gelassen haben die Rechtmäßigkeit das OVG RhPf, B.v. 15.1.2020 - 10 B 11643/19 - LMuR 2020, 90 und das OVG Hamburg, B.v. 14.10.2019 - 5 Bs 149/19 - ZLR 2019, 866.
23
Anspruchsgrundlage ist § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG (vgl. nur BayVGH, B.v. 30.4.2020 - 5 CS 19.1511 - juris Rn. 12). Der Beigeladene ist als natürliche Person gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 VIG anspruchsberechtigt. Ein besonderes Interesse oder eine besondere Betroffenheit für den Anspruch auf Informationszugang ist nicht erforderlich, ebenso ist grundsätzlich das Motiv des Auskunftsersuchens unbeachtlich. Nach dem Willen des Gesetzgebers hat eine weite Auslegung zu erfolgen. Mit dem Verbraucherinformationsgesetz bezweckt der Gesetzgeber einen weiten Informationszugang, um einzelne Personen zum Sachverwalter des Allgemeininteresses zu machen. Ihnen sollen entsprechend dem gesetzgeberischen Leitbild des mündigen Verbrauchers die bei den Behörden vorhandenen Informationen grundsätzlich ungefiltert zugänglich gemacht werden. Die Beweggründe des VIG-Antragstellers sind für die Antragsberechtigung im Grunde unerheblich, auch die Antragstellung über die Internetplattform „Topf Secret“ ist unschädlich. Ebenso ist ohne Belang, ob im Hintergrund eine Informationskampagne von „Topf Secret“ steht (BayVGH, B.v. 7.8.2020 - 5 CS 20.1302 - juris Rn. 18 ff.; B.v. 13.5.2020 - 5 CS 19.2150 - Rn. 17; B. v. 30.4.2020 - 5 CS 19.1511 - juris Rn. 13; B.v. 27.04.2020 - 5 CS 19.2415 - juris Rn. 18; BVerwG, U.v. 29.8.2019 - 7 C 29/17 - juris Rn. 14 f.; siehe auch Schemmer, jurisPR-BVerwG 4/2020, Anm. 2 Buchstabe C., s. auch zuletzt etwa noch VG Augsburg, B.v. 7.7.2020 - Au 9 S 20.590 - juris; jeweils m.w.N.).
24
Die streitgegenständlichen Kontrollberichte zur lebensmittelrechtlichen Betriebsprüfung enthalten teilweise Daten, die kein tauglicher Gegenstand des Informationszugangsanspruchs sind. Folglich besteht mangels Ausschluss dieser Daten vom Informationszugang, z.B. durch Schwärzung, insoweit kein Anspruch auf Informationszugang nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG und auch nicht aus § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 - 7 VIG oder aus einer anderen Rechtsgrundlage und der streitgegenständliche Bescheid ist insoweit teilweise rechtswidrig.
25
§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG setzt von den zuständigen Stellen festgestellte nicht zulässige Abweichungen voraus, die sich dabei auf die Anforderungen der in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG genannten lebensmittelrechtlichen Vorschriften beziehen müssen (Rossi in BeckOK, Information und Medienrecht, Gersdorf/Paal, 23. Edition, Stand 1.5.2018, § 2 VIG Rn. 14 ff.). So ist § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG einschlägig für Daten über nicht zulässige Abweichungen vom gesamten geltenden nationalen und unionsrechtlichen Lebensmittel- und Futtermittelrecht. Die europäischen Regelungen müssen gegenständlich dem Lebensmittel- und Produktsicherheitsrecht zuzuordnen sein. Notwendig ist die Feststellung eines Tuns, Duldens oder Unterlassens, das objektiv mit Bestimmungen der in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG genannten Vorschriften nicht übereinstimmt. Beide streitgegenständlichen Kontrollberichte enthalten jedoch festgestellte Mängel auch hinsichtlich der Anforderungen der … * … (Nr. 14 des Kontrollberichts vom 14. Dezember 2018 und Nr. 10 des Kontrollberichts vom 13. Februar 2019) und … … nach dem …gesetz (Nr. 15 und 16 des Kontrollberichts vom 14. Dezember 2018 und Nr. 8, 9 Kontrollberichts vom 13. Februar 2019), die nicht unter die in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG genannten Vorschriften fallen (vgl. hinsichtlich der … Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, 2013, Teil D § 2 Rn. 10). Das …gesetz ist entgegen der Ansicht des Beklagten nicht dem Lebensmittel- und Produktsicherheitsgesetz zuzuordnen. Dies ergibt sich zum einen aus dem Zweck des …gesetzes, … … … … vorzubeugen, … frühzeitig zu erkennen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern, § 1 Abs. 1 …, und zum anderen dadurch, dass ... Entsprechendes gilt für die Ausführungen auf S. 4 nach Nr. 22 fünfter Absatz Sätze 2 und 3 am Ende des Kontrollberichts vom 14. Dezember 2018 hinsichtlich … …, bei denen es sich schon angesichts der gewählten Formulierung („Es ist sinnvoll …“) nicht um eine Mängelfeststellung handelt. Im Interesse einer zeitnahen Information muss die „nicht zulässige Abweichung“ (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 VIG) zwar nicht durch Verwaltungsakt festgestellt worden sein; ausreichend, aber auch erforderlich ist es aber, dass die zuständige Behörde die Abweichung unter Würdigung des Sachverhalts und der einschlägigen Rechtsvorschriften abschließend aktenkundig festgestellt hat (BayVGH, B.v. 13.5.2020 - 5 CS 19.2150 - Rn. 20; B.v. 7.8.2020 - 5 CS 20.1302 - juris Rn. 15; im Anschluss an BVerwG, U.v. 29.8.2019 - 7 C 29/17 - juris Rn. 30, 32). Die aktenkundige Feststellung einer Abweichung unter Würdigung des Sachverhalts und Angabe der einschlägigen Rechtsvorschrift wurde hier in Bezug auf … … … weder vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich.
26
Laut dem im Änderungsbescheid vom 29. März 2019 enthaltenen Hinweis werden zwar alle Inhalte, die nicht dem Anwendungsbereich des VIG unterliegen, geschwärzt. Abgesehen von personenbezogenen Daten wurde eine Schwärzung dieser Inhalte in den Kontrollberichten, die als Anlage dem Anhörungsschreiben vom 20. Februar 2019 beigefügt waren, von der Behörde jedoch nicht vorgenommen und auch in der Klageerwiderung nicht zugesagt.
27
Im Übrigen stellen die Kontrollberichte vom 14. Dezember 2018 und vom 13. Februar 2019 einen tauglichen Gegenstand des Informationszugangsanspruchs dar.
28
Ein Produktbezug ist nicht erforderlich. Der Informationsanspruch nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG erfasst nicht nur - worauf vordergründig § 1 VIG hindeuten könnte - konkrete Erzeugnisse oder Verbraucherprodukte, von denen möglicherweise Gesundheitsgefahren ausgehen, sondern auch Vorgänge wie die Herstellung, Erzeugung, Lagerung und Lieferung von Produkten (BayVGH, B.v. 13.5.2020 - 5 CS 19.2150 - Rn. 14 und Rn. 19 im Anschluss an BVerwG, U.v. 29.8.2019 - 7 C 29/17 - juris Rn. 24 bis 26).
29
Nicht zulässige Abweichungen im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG können auch marginale Verstöße sein (BayVGH, B.v. 13.5.2020 - 5 CS 19.2150 - Rn. 28).
30
Im Interesse einer zeitnahen Information muss die „nicht zulässige Abweichung“ (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 VIG) nicht durch Verwaltungsakt festgestellt worden sein; wie oben bereits ausgeführt ist es ausreichend, aber auch erforderlich, dass die zuständige Behörde die Abweichung unter Würdigung des Sachverhalts und der einschlägigen Rechtsvorschriften abschließend aktenkundig festgestellt hat (BayVGH, B.v. 13.5.2020 - 5 CS 19.2150 - Rn. 20; B.v. 7.8.2020 - 5 CS 20.1302 - juris Rn. 15; im Anschluss an BVerwG, U.v. 29.8.2019 - 7 C 29/17 - juris Rn. 30, 32).
31
Weiter ist rechtlich nicht notwendig, dass die Informationen an den VIG-Antragsteller über festgestellte nicht zulässige Abweichungen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG die konkreten Rechtsgrundlagen enthalten, von denen abgewichen wurde; es reicht aus, dass diese Rechtsgrundlagen an anderer Stelle aktenkundig gemacht worden sind (vgl. dazu auch BayVGH, B.v. 27.04.2020 - 5 CS 19.2415- juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 13.5.2020 - 5 CS 19.2150 - Rn. 21).
32
Im gerichtlichen Verfahren ist jedenfalls sowohl eine Ergänzung fehlender wie auch ein Austausch unzutreffender Rechtsgrundlagen möglich. In der Benennung einer Rechtsgrundlage liegt eine Subsumtion; einer Begründung der Subsumtion nach Art. 39 BayVwVfG bedarf es nicht, da der Kontrollbericht keinen Verwaltungsakt darstellt (BayVGH, B.v. 13.5.2020 - 5 CS 19.2150 - Rn. 21 und 22; B.v. 27.4.2020 - 5 CS 19.2415 - juris Rn. 16).
33
Ob ein konkreter Kontrollbericht tauglicher Gegenstand des Informationszugangsanspruchs ist, lässt sich anhand des Beteiligtenvorbringens und des sonstigen Akteninhalts im Einzelfall auch ohne Kenntnis von dessen Inhalt feststellen; auf die Frage, welche konkrete Normabweichung festgestellt worden ist, kommt es für das Bestehen des Auskunftsanspruchs nicht an (BayVGH, B.v. 13.5.2020 - 5 CS 19.2150 - Rn. 23).
34
Rechtlich unerheblich ist schließlich für die Informationsgewährung, dass die Kontrollen mittlerweile schon länger zurückliegen und dass die Beanstandungen (teilweise) beseitigt wurden. Denn ein Andauern des Verstoßes ist nicht erforderlich (vgl. VG Augsburg, B.v. 7.7.2020 - Au 9 S 20.590 - juris Rn. 48).
35
Auch sonst stehen dem Informationsbegehren Ausschluss- und Beschränkungsgründe nach § 2 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 3 VIG nicht entgegen. Denn nach der gesetzlichen Wertung des § 3 Abs. 5 Nr. 1 VIG sind festgestellte nicht zulässige Abweichungen von vornherein nicht als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse einzustufen, an denen ein schutzwürdiges Interesse der Unternehmen bestehen könnte. Vielmehr hat der Gesetzgeber in § 3 Satz 5 Nr. 1 VIG die konfligierenden Interessen selbst abgewogen und dem öffentlichen Interesse an der Information den Vorrang eingeräumt. Genauso wenig kann der Schutz personenbezogener Daten nach § 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a VIG dem Auskunftsbegehren entgegengehalten werden, insbesondere liegt kein Verstoß gegen die DSGVO vor. Ein möglicher Eingriff wäre jedenfalls gerechtfertigt. Soweit die Klägerin datenschutzrechtliche Verstöße des Beigeladenen oder der Plattform „Topf Secret“ bei einer späteren Weiterverwendung der Information befürchtet, wäre ein solcher Verstoß dem Beklagten nicht zuzurechnen (BayVGH, B.v. 7.8.2020 - 5 CS 20.1302 - juris Rn. 21 ff.; B.v. 13.5.2020 - 5 CS 19.2150 - Rn. 24 ff.; BVerwG, U.v. 29.8.2019 - 7 C 29/17 - juris Rn. 33).
36
Des Weiteren ist das Begehren des Beigeladenen nicht rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 4 Abs. 4 VIG. Der Versagungsgrund des Rechtsmissbrauchs nach § 4 Abs. 4 VIG, der insbesondere bei überflüssigen Anfragen oder querulatorischen Begehren zum Tragen kommt, ist bei einer Information im Rahmen einer Kampagne Dritter nicht einschlägig. Offenbleiben kann, ob der einem Informationszugangsbegehren entgegenzuhaltende Versagungsgrund des Rechtsmissbrauchs (§ 4 Abs. 4 VIG) für das Lebensmittelunternehmen drittschützende Wirkung hat oder ob er nur dem Allgemeininteresse an einer funktionierenden Verwaltung dient (BayVGH, B.v. 13.5.2020 - 5 CS 19.2150 - Rn. 18). Denn eine kampagnenartige Weiterverwendung der an einen VIG-Antragsteller herausgegebenen Information durch diesen ist nicht rechtsmissbräuchlich. Sie ist im VIG gerade angelegt und entspricht dessen Zielsetzung, wonach anfragende Einzelpersonen nicht nur eine informierte Konsumentscheidung treffen sollen, sondern zugleich als Sachwalter des Allgemeininteresses fungieren können. Ein Verfassungsverstoß ist - wie noch ausgeführt wird - darin nicht zu sehen. Ebenso bedarf es keiner Suche nach der wahren Motivlage, die dem Auskunftsbegehren zugrunde liegen mag (BayVGH, B.v. 7.8.2020 - 5 CS 20.1302 - juris Rn. 20; B.v. 13.5.2020 - 5 CS 19.2150 - Rn. 17, 18; B.v. 27.04.2020 - 5 CS 19.2415 - juris Rn. 19; BVerwG, U.v. 29.8.2019 - 7 C 29/17 - juris Rn. 22; siehe auch Halder/Metzl, jurisPR-ITR 5/2020, Anm. 5 Buchstabe C., wonach laut BVerwG auch kein Rechtmissbrauch vorliegt, wenn absehbar ist, dass Veröffentlichung auf Internetplattform „Topf Secret“ erfolgen wird).
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Im Übrigen ist anzumerken, dass der Gesetzgeber mit der Hinweispflicht nach § 6 Abs. 3 Satz 2 VIG, der Richtigstellungspflicht nach § 6 Abs. 4 VIG sowie der verfahrensrechtlichen Beteiligung der betroffenen Dritten nach § 5 Satz 1 VIG ausreichende Schutzvorkehrungen zur Vermeidung unzumutbarer Konsequenzen getroffen hat. Die gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 VIG die Behörde treffende Pflicht zur Richtigstellung unrichtiger bzw. falscher Informationen kann nicht nur gegenüber dem VIG-Antragsteller bestehen (vgl. § 6 Abs. 4 Satz 2 VIG), sondern darüberhinausgehend auch Richtigstellungen gegenüber den VIG-Plattformen beinhalten (BayVGH, B.v. 7.8.2020 - 5 CS 20.1302 - juris Rn. 29; B.v. 13.5.2020 - 5 CS 19.2150 - Rn. 31; B.v. 27.4.2020 - 5 CS 19.2415 - juris Rn.24).
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Des Weiteren ist in der Rechtsprechung geklärt, dass auch keine Parallele zu § 40 Abs. 1a LFGB zu ziehen ist, weil zur vorliegenden Fallgestaltung grundsätzlich Unterschiede bestehen. Zwischen der gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 VIG von einem Antrag abhängigen Informationsgewährung an einen VIG-Antragsteller einerseits und der aktiven staatlichen Informationstätigkeit nach § 40 Abs. 1a LFGB zur Gefahrenabwehr andererseits bestehen große Unterschiede, die es ausschließen, die zu letztgenannter Vorschrift ergangene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum aktiven staatlichen Informationsverhalten, insbesondere die dort angemahnte zeitliche Begrenzung der Informationsverbreitung (vgl. BVerfG, B.v. 21.03.2018 - 1 BvF 1/13 - BVerfGE 148, 40 - juris Rn. 48, 56-61), ohne Weiteres auf die antragsgebundene Informationsgewährung nach VIG zu übertragen. Denn das aktive staatliche Informationsverhalten verschafft den übermittelten Informationen breite Beachtung und gesteigerte Wirkkraft auf das wettbewerbsrechtliche Verhalten der Marktteilnehmer. Die Auswirkung einer antragsgebundenen Informationsgewährung bleibt dahinter qualitativ und quantitativ weit zurück. Die behördliche Information der Öffentlichkeit von Amts wegen nach § 40 Abs. 1 a LFGB bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen, die als Warnung der Verbraucher der Gefahrenabwehr dient und in der Regel von den Medien - auch Onlinemedien - sofort aufgegriffen wird, ist gegenüber dem individuell geltend zu machenden Informationsanspruch nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 VIG ein Aliud. Das VIG normiert als Voraussetzung für die Informationsgewährung nicht etwaige Gefahren für den Verbraucher, sondern lediglich behördliche Feststellungen nicht zulässiger Abweichungen von den dort genannten Normen. Wie schon erwähnt, ist auch gerade eine kampagnenartige Weiterverwendung der Information im Verbraucherinformationsgesetz gerade angelegt und entspricht dessen Zielsetzung. Der Umstand, dass eine Veröffentlichung auf einer Internetplattform erfolgt, hier konkret auf der Plattform „Topf Secret“, ändert nichts an der Konstellation, dass es sich vorliegend um eine antragsgebundene Informationsgewährung an eine Einzelperson handelt (BayVGH, B.v. 7.8.2020 - 5 CS 20.1302 - juris Rn. 25 ff., B.v. 13.5.2020 - 5 CS 19.2150 - Rn. 28; B.v. 27.04.2020 - 5 CS 19.2415 - juris Rn. 20 ff.; im Anschluss an BVerwG, U.v. 29.8.2019 - 7 C 29/17 - juris Rn. 47; siehe auch Halder/Metzl, jurisPR-ITR 5/2020, Anm. 5 Buchstabe C.).
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Wie der beigeladene VIG-Antragsteller mit den erhaltenen Informationen umgeht, bleibt grundsätzlich ihm überlassen und liegt damit grundsätzlich außerhalb des behördlichen Verantwortungs- und Einflussbereichs. Dies gilt auch für ein zu erwartendes Einstellen von Kontrollberichten auf die von privater Seite betriebene Plattform „TopfSecret“, weil eine solche Publikation erkennbar keine staatliche Autorität in Anspruch nehmen kann (BayVGH, B.v. 7.8.2020 - 5 CS 20.1302 - juris Rn. 27 ff.; B.v. 13.5.2020 - 5 CS 19.2150 - Rn. 29).
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Eine lediglich abstrakte Möglichkeit einer rechtswidrigen privaten Weiterverwendung der Information reicht ohne Hinzutreten besonderer Umstände nicht aus, um darin bereits ein dem Beklagten zuzurechnendes Eingriffsäquivalent zu sehen, das einer gesonderten Rechtfertigung bedürfte. Soweit es dem Kläger im Verhältnis zum Beigeladenen um etwaige (künftige) Ergänzungen oder zeitliche Begrenzungen bei der Verwendung der Information geht, insbesondere, das auch im Geschäftsverkehr bestehende „Recht auf Vergessen“, muss er die entsprechenden Ansprüche auf dem Zivilrechtsweg verfolgen (BayVGH, B.v. 13.5.2020 - 5 CS 19.2150 - Rn. 30; B.v. 27.04.2020 - 5 CS 19.2415 - juris Rn. 23).
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Die auf § 2 Abs. 2 Nr. 1 VIG fußende Informationsgewährung, hier in Form der Übersendung der Kontrollberichte an den Beigeladenen, verstößt nicht gegen Grundrechte. Insbesondere verstößt die antragsgebundene Informationserteilung nicht gegen die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG. Zwar ist der Informationszugang nach dem Verbraucherinformationsgesetz an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen, weil er direkt auf die Marktbedingungen individualisierter Unternehmen zielt, das Konsumverhalten beeinflussen und auf diese Weise mittelbar-faktisch die Markt- und Wettbewerbssituation zum wirtschaftlichen Nachteil der Betroffenen verändern kann. Insoweit gilt für die antragsabhängige Informationsgewährung nach dem VIG nichts anderes als für die aktive staatliche Informationstätigkeit nach § 40 Abs. 1a LFBG, die in ihrer Zielgerichtetheit und Wirkung einem Eingriff in die Berufsfreiheit gleich kommt. Wie schon ausgeführt, bestehen zwischen den beiden Arten der Information aber große Unterschiede, die es ausschließen, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum aktiven staatlichen Informationsverhalten, insbesondere die dort angemahnte zeitliche Begrenzung der Informationsverbreitung, ohne Weiteres auf die antragsgebundene Informationsgewährung zu übertragen. Die aktive staatliche Information nach dem LFGB ist im Vergleich zur Informationsherausgabe nach dem VIG ein Aliud. Das Bundesverwaltungsgericht hat den mit der Informationsgewährung nach dem VIG verbundenen Eingriff als gerechtfertigt angesehen. Im VIG ist gerade auch eine kampagnenartige Weiterverwendung angelegt und entspricht dessen Zielsetzung. Allein der Umstand, dass der streitbefangene Kontrollbericht auf der Internetplattform „Topf Secret“ veröffentlicht werden könnte, ändert nichts daran, dass es sich auch in dieser Fallkonstellation um eine antragsgebundene Informationsgewährung an eine Einzelperson handelt. Wie der Beigeladene mit der erhaltenen betriebs- und personenbezogenen Information umgeht, bleibt grundsätzlich ihm überlassen und liegt damit außerhalb des behördlichen Verantwortungs- und Einflussbereichs. Dies gilt auch für das hier mögliche bzw. zu erwartende Einstellen des Kontrollberichts auf die von privater Seite betriebene Plattform „Topf Secret“, weil eine solche Publikation erkennbar keine staatliche Autorität in Anspruch nehmen kann. Die Plattform veröffentlicht lediglich durch private Dritte zur Verfügung gestellte von der öffentlichen Verwaltung ausgestellte Dokumente; dadurch wird sie nicht selbst zu einer staatlichen Veröffentlichungsplattform. Der Eingriff in die Berufsfreiheit ist gerechtfertigt. Soweit die Veröffentlichung für den Betroffenen negative Folgen entfaltet, ist der potentiell gewichtige Grundrechtseingriff zudem dadurch relativiert, dass die betroffenen Unternehmen negative Öffentlichkeitsinformationen durch eigenes rechtswidriges Verhalten selbst veranlasst haben. Die einschlägigen Rechtsvorschriften sind nicht unverhältnismäßig. Der Gesetzgeber hat eine verfassungsrechtlich vertretbare Bewertung und Abwägung der gegenläufigen Interessen vorgenommen. Die angesprochenen Regelungen verfolgen wichtige Ziele des Verbraucherschutzes. Im Grundsatz ist es angemessen, die Interessen der Unternehmen im Fall eines im Raum stehenden Rechtsverstoßes hinter die Schutz- und Informationsinteressen der Verbraucherinnen und Verbraucher zurücktreten zu lassen. Dass die Rechtsverstöße nicht notwendig mit einer Gesundheitsgefährdung verbunden sind, steht dem nicht entgegen, weil auch der Schutz vor Täuschung und Nichteinhaltung hygienischer Anforderungen und die Ermöglichung eigenverantwortlicher Konsumentscheidungen legitime Zwecke des Verbraucherschutzes sind. Diese legitimen Zwecke rechtfertigen es auch, dass der Zugang zu Informationen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 VIG nicht unter Berufung auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse abgelehnt werden kann (siehe ausführlich BVerwG, U.v. 29.8.2019 - 7 C 29/17 - juris Rn. 41 ff. sowie BayVGH, B.v. 7.8.2020 - 5 CS 20.1302 - juris Rn. 24 ff. B.v. 13.5.2020 - 5 CS 19.2150 - Rn. 28; B.v. 22.4.2020 - 5 CS 19.2304 - juris Rn. 13 ff.; B.v. 15.4.2020 - 5 CS 19.2087 - juris Rn. 27; jeweils m.w.N.).
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Mit der Hinweispflicht nach § 6 Abs. 3 Satz 2 VIG, der Richtigstellungspflicht nach § 6 Abs. 4 VIG sowie der verfahrensrechtlichen Beteiligung der betroffenen Dritten nach § 5 Satz 1 VIG hat der Gesetzgeber - wie schon dargelegt - auch mit Blick auf die Grundrechtsrelevanz der Informationsgewährung ausreichende Schutzvorkehrungen zur Vermeidung unzumutbarer Konsequenzen getroffen (BayVGH, B.v. 7.8.2020 - 5 CS 20.1302 - juris Rn. 29, B.v. 13.5.2020 - 5 CS 19.2150 - Rn. 31; B.v. 22.4.2020 - 5 CS 19.2304 - juris Rn. 18; BVerwG, U.v. 29.8.2019 - 7 C 29/17 - juris Rn. 52).
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Die vorstehenden Erwägungen geltend auch in Bezug auf die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG. Auch eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG liegt nicht vor, weil die Frage nach dem Schutz von Marktteilnehmern im Wettbewerb von der sachlich spezielleren Norm des § 12 Abs. 1 GG erfasst wird (BVerwG, U.v. 29.8.2019 - 7 C 29/17 - juris Rn. 53).
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Weiter ist ein Verstoß gegen das Recht der Europäischen Union zu verneinen. Die einschränkenden Vorgaben, die Art. 8 Abs. 5 VO 2017/625 (sogenannte „Kontrollverordnung“) für Veröffentlichungen vorsieht, gelten nur für Fälle, in denen Behörden trotz ihrer Verschwiegenheitspflicht tätig werden dürfen; Fälle, in denen eine Verbreitung erfolgen muss, bleiben von diesen einschränkenden Vorgaben unberührt. Da in Anwendung der ein subjektives Recht begründenden Anspruchsnorm des § 2 VIG eine Herausgabe - ohne behördliches Ermessen - erfolgen muss, kommen deshalb dort die einschränkenden unionsrechtlichen Vorgaben nicht zum Tragen (BayVGH, B.v. 13.5.2020 - 5 CS 19.2150 - Rn. 34 f; B.v. 15.4.2020 - 5 CS 19.2087 - BayVBl 2020, 454 - juris Rn. 31 f.; auch schon VG Würzburg, B.v. 28.1.2020 - W 8 E 19.1669 - LMuR 2020, 279 - juris Rn. 48; siehe auch BVerwG, U.v. 29.8.2019 - 7 C 29/17 - juris Rn. 54 f.).
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Auch sonst liegt kein Verstoß gegen EU-Recht vor. Insbesondere verlangt Europarecht nicht, dass nur Informationen über Gesundheitsgefahren zugänglich gemacht werden dürfen. Das Bundesverwaltungsgericht hat ausgeführt, dass in der Kontrollverordnung bzw. in der Vorgängerverordnung kein einengendes Normverständnis des Verbraucherinformationsgesetzes im unionsrechtlichen Kontext geboten ist. Die inhaltlichen Vorgaben der europäischen Kontrollverordnung lassen das Informationszugangsrecht nach dem Verbraucherinformationsgesetz unberührt. Insbesondere schränken sie auch nicht den Zugang auf allgemeine Informationen über die Kontrolltätigkeit der zuständigen Behörde ein (BayVGH, B.v. 13.5.2020 - 5 CS 19.2150 - Rn. 15 u. 36; B.v. 15.4.2020 - 5 CS 19.2087 - BayVBl 2020, 454 - juris Rn. 15 u. 30 ff.; BVerwG, U.v. 29.8.2019 - 7 C 29/17 - juris Rn. 26 u. 55; kritisch Becker, LMuR 2020, 57).
46
Schließlich hat das Gericht auch keine Bedenken gegen die Art und Weise der Veröffentlichung. Insbesondere ist auch eine Übermittlung in Form der wie hier vorgesehenen Übersendung der begehrten Informationen - konkret der ausgedruckten und teilweise zu schwärzenden Kontrollberichte vom 14. Dezember 2018 und 13. Februar 2019 - auf dem Postweg zulässig. Von Rechts wegen hat der Kläger angesichts der Formulierung in § 6 Abs. 1 VIG keinen Anspruch, dass der Beigeladene nur einen mündlichen oder telefonischen Informationszugang oder nur Einsicht in das Dokument in den Räumen der Behörde erhält. Im Gegenteil hat der Beigeladene einen gesetzlichen Anspruch darauf, dass er den Kontrollbericht zumindest in Schriftform überlassen bekommt (BayVGH, B.v. 7.8.2020 - 5 CS 20.1302 - juris Rn. 30; B.v. 13.5.2020 - Az. 5 CS 19.2150 - Rn. 32; B.v. 27.04.2020 - 5 CS 19.2415 - juris Rn. 25).
47
Nach alledem war der Klage teilweise stattzugeben. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
48
Der Beigeladene hat seine außergerichtlichen Kosten mangels Antragstellung und Beteiligung am Prozesskostenrisiko gemäß § 154 Abs. 3 VwGO und § 162 Abs. 3 VwGO selbst zu tragen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.