Titel:
Erfolglose Klage auf sicherheitsrechtliches Einschreiten der Gemeinde (hier: herabfallende Ziegel)
Normenketten:
BayBO Art. 54 Abs. 4
LStVG Art. 6, Art. 7 Abs. 2, Art. 9
Leitsatz:
Geht eine Gefahr für Passanten auf einem gemeindlichen Gehweg vom Hausdach der Klägerin aus und handelt es sich bei dem Wohn- und Geschäftshaus um eine bauliche Anlage iSv Art. 1 Abs. 1 S. 1, Art. 2 Abs. 1 S. 1 BayBO, gehen die bauaufsichtlichen Eingriffsbefugnisse den allgemeinen sicherheitsrechtlichen Befugnissen vor, sodass die Eingriffsbefugnisse der Bayerischen Bauordnung, namentlich Art. 54 Abs. 4 BayBO heranzuziehen sind. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
allgemeine Leistungsklage, Verpflichtungsklage, Klagebefugnis, Klage auf sicherheitsrechtliches Einschreiten, Gefahr durch herabfallende Dachziegel, Gefahr für Passanten auf Gehsteig, bauliche Anlage, bauaufsichtliche Eingriffsbefugnisse, Vorrang
Fundstelle:
BeckRS 2021, 6968
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt die Verpflichtung der Stadt H., auf dem Gehsteig vor ihrem Anwesen die Gefahr für Passanten durch herabfallende Ziegel abzuwenden.
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1. Die Klägerin ist Eigentümerin des mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebauten Anwesens … 12 in ... H., das östlich an das Wohn- und Geschäftshaus auf dem Anwesen … 10 angrenzt.
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Am 26. August 2020 um 15:16 Uhr wurde die Freiwillige Feuerwehr H. während des Sturmtiefs Kirsten zum Sichern von herabstürzenden Dachziegeln vom Anwesen ... 12 alarmiert. Ausweislich des Einsatzberichts der Freiwilligen Feuerwehr H. ergab die Lageerkundung vor Ort, dass bereits mehrere Dachziegel von dem Anwesen ... 12 auf das Nachbardach des Anwesens Nr. 10 und auf den vor den Anwesen verlaufenden Gehweg gefallen waren. Insgesamt hatten sich ca. zehn Ortgangziegel gelöst, die aufgrund des Windes ebenfalls herabzustürzen drohten. Die Feuerwehr sperrte daraufhin den Gefahrenbereich ab, die losen Ziegel wurden mittels einer Drehleiter durch Einsatzkräfte geborgen. Neue Ziegel wurden provisorisch eingesetzt, um ein weiteres Abdecken des Daches durch den Wind möglichst zu verhindern. Da durch die lediglich provisorische Maßnahme ein weiteres Herabstürzen von Ziegeln nicht ausgeschlossen werden konnte, wurde der Gehweg mittels eines Trassierbandes abgesperrt. Der Klägerin wurde mitgeteilt, dass der Gehweg so lange gesperrt bleibe bis die Neueindeckung von einem durch die Eigentümerin beauftragten Dachdecker geprüft worden sei.
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Nach Rücksprache mit dem Bauamt des Landratsamts H2. ließ die Stadt H. durch den Stadtbauhof das Trassierband am 3. September 2020 entfernen und einen festen Bauzaun zur Absicherung des Gefahrenbereichs bis zur Überprüfung der Dacheindeckung durch eine Fachfirma aufstellen.
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Nach einer Überprüfung durch den Baukontrolleur des Landratsamts am 9. September 2020 wurde die Klägerin mit Schreiben des Landratsamts H2. vom 10. September 2020 darauf hingewiesen, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass sich die provisorisch angebrachte Neueindeckung und auch weitere Dachziegel wieder lösten, so dass der sicherheitswidrige Bereich des Gehweges mit einem Bauzaun abgesperrt bleibe. Die Klägerin wurde aufgefordert, aus Sicherheitsgründen unverzüglich, spätestens jedoch bis zum 24. September 2020, die zur Behebung der Gefahr erforderlichen Arbeiten einer Fachfirma in Auftrag zu geben und dem Landratsamt einen entsprechenden Nachweis vorzulegen. Sollte die Klägerin dem nicht rechtzeitig nachkommen, sehe man sich gezwungen, kostenpflichtige Maßnahmen nach Art. 54 Abs. 4 BayBO anzuordnen. Mit Schreiben vom 12. September 2020 bestätigte die Klägerin den Eingang des vg. Schreibens. Nachdem die Frist erfolglos verstrichen war, forderte das Landratsamt H2. die Klägerin mit Schreiben vom 7. Oktober 2020 auf, die zur Behebung der Gefahr erforderlichen Arbeiten spätestens bis zum 29. Oktober 2020 durchführen zu lassen.
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2. Mit Schreiben vom 30. September 2020, bei Gericht eingegangen am 1. Oktober 2020, hatte die Klägerin Klage erhoben, gerichtet gegen die Stadt H., mit dem Antrag,
„die Stadt H. zu verpflichten, die Gefahr für Passanten auf dem Gehsteig vor den Anwesen 10 und 12 ... abzuwenden und für die Absicherung des betroffenen Gehsteigbereiches ordnungsgemäß Sorge zu tragen“.
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Zur Begründung wurde auf mehrere, in Kopie beigefügte Schriftstücke (u.a. „Tatsachenbericht“ vom 27.8.2020 und Schreiben an das Landratsamt H2. vom 29.9.2020) verwiesen, in denen die Klägerin Folgendes darlegte: Es lägen eine Baugefährdung, eine Gefährdung von Leib und Leben, das Unterlassen von Diensthandlungen als Aufsichtsbehörden zu ihren Ungunsten und weitere Straftatbestände bei gleichzeitiger vorsätzlicher Verdunkelung und Vertuschung mit Verdeckung von Tatbeständen vor. Unter Bildung einer kriminellen Vereinigung örtlicher Behörden sei ihr im Jahr 2007 ihre minderjährige Tochter entzogen worden. In Folge dessen sei sie unverschuldet in Not geraten und habe das Anwesen ... 12 nur noch notdürftig versorgen und Reparaturen nicht in Auftrag geben können. In Zusammenhang mit Baumaßnahmen im Jahr 2016 auf dem Gehsteig vor dem Anwesen habe die Stadt H. die Grundstücksgrenzen missachtet und das Anwesen sei durch die ausführende Baufirma beschädigt worden. Die Stadt H. und die von ihr beauftragte Baufirma hätten jegliche Verantwortung von sich gewiesen.
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Mit dem an das Landratsamt gerichteten Schreiben vom 29. September 2020 machte die Klägerin die Dringlichkeit einer ordnungsgemäßen Absicherung des Gehsteigbereichs vor den Anwesen ... 10 und 12 ohne jegliche Beeinträchtigung dieser beiden Anwesen durch die Stadt H. geltend. Die Stadt H. bleibe aufgrund ihrer äußerst fragwürdigen Vorgehensweise in Zusammenhang mit ihren Baumaßnahmen im öffentlichen Bereich in der Haftung und in der Erklärungspflicht. Passanten im Gehsteigbereich vor den vg. Anwesen müssten von der Stadt H. zwingend vor einer Gefahr für Leib und Leben geschützt werden. Bei bestem Willen sei sie selbst aufgrund der entstandenen Rechtslage und anstehender Aufklärung nicht in der Lage, Aufträge zu erteilen. Die Vertuschung und Verdunkelung von Straftatbeständen zeige sie hiermit fortlaufend an.
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Mit Schreiben vom 19. November 2020 brachte die Klägerin weiter vor, dass alle von der Gegenseite abgegebenen Stellungnahmen die Sachlage unter Einsatz von Lügen und Verdunkelungen in vorsätzlicher Abstimmung in Seilschaftshandlung mit krimineller Energie verfälschten. Sie beantrage die Einführung der in Anlage beigefügten Eingaben in das og. Verfahren für eine tiefer gehende umfassende Aufarbeitung des Falles beginnend im Jahr 2015.
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3. Die Stadt H. stellte den Antrag,
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Mit Schreiben vom 19. Oktober 2020 trug sie vor, dass sie mit Schreiben vom 21. September 2020 vom Amtsgericht H. aufgefordert worden sei, wegen einer einstweiligen Verfügung gemäß richterlicher Anordnung bis zum 24. September 2020 eine Stellungnahme bzgl. der Aufstellung eines Bauzauns zur Absicherung einer Gefahrenstelle auf dem Gehweg vor dem Anwesen ... 12 wegen herabfallender Ziegel abzugeben. Der Beschluss des Amtsgerichts im Verfahren * * … werde beigefügt. Ergänzend werde mitgeteilt, dass die Stadt H. den Bauzaun im Rahmen der Amtshilfe in Absprache mit dem Kreisbaumeister aufgestellt habe, da es sich bei der „Ziegelabsturzstelle“ um einen sensiblen Bereich handele. Dort befinde sich ein barrierefreier Zugang für Blinde, und die Waldorfschüler, die mit der Deutschen Bahn anreisten, benutzten diesen täglich zu Schulzeiten. Eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Gefahrenabsicherung bestehe seitens der Stadt H. damit nicht.
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4. Mit weiteren Klagen wandte sich die Klägerin auch gegen das Landratsamt H2. (W 5 K 20.1469) und die Regierung von Unterfranken, jeweils in Vertretung des Freistaates Bayern (W 5 K 20.1470).
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In der mündlichen Verhandlung vom 25. Februar 2021 wurde die Sach- und Rechtslage ausführlich mit den Beteiligten erörtert. Die Klägerin erklärte, dass sie die Stadt H. für das Abrutschen der Ziegel verantwortlich mache, weil diese im Jahr 2016 bei Baggerarbeiten auf ihrem Grundstück Schäden am Anwesen verursacht habe, die nach ihrer Ansicht mit dem Abrutschen in Verbindung stünden. In der mündlichen Verhandlung nahm die Klägerin die Klagen in den Verfahren W 5 K 20.1469 und W 5 K 20.1470 zurück, woraufhin diese Verfahren durch Beschlüsse des Gerichts eingestellt wurden. Im hiesigen Verfahren wiederholte die Klägerin ihren bereits schriftsätzlich gestellten Klageantrag. Im Übrigen wird auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen. Es wurden die Gerichtsakten in den Verfahren W 5 K 20.1469 und W 5 K 20.1470 einschließlich der in diesen Verfahren vorgelegten Behördenakten beigezogen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage hat keinen Erfolg.
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1. Bei Auslegung der Klage nach dem erkennbaren Rechtsschutzziel (§ 88 VwGO) begehrt die Klägerin die Verpflichtung der Beklagten zum Tätigwerden, um die die durch herabfallende Ziegel drohende Gefahr auf dem Gehsteig vor den Anwesen ... 10 und 12 zu beseitigen. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie am 26. August 2020 in ihrer Wohnung bemerkt habe, dass Ziegel vom Dach ihres Hauses heruntergefallen seien. Die Feuerwehr habe dann wieder welche angebracht, es hätten aber welche gefehlt. Sie mache die Stadt H. für das Abrutschen der Ziegel verantwortlich, weil diese im Jahr 2016 bei Baggerarbeiten auf ihrem Grundstück Schäden am Anwesen verursacht habe, die nach ihrer Ansicht mit dem Abrutschen in Verbindung stünden. Sie sei der Auffassung, dass das Dach ihres Hauses hierdurch in Mitleidenschaft gezogen worden sei und deshalb die Beklagte zur Verantwortung gezogen werden müsse und hier handeln müsse, um die von ihrem Dach ausgehende und auf Passanten auf dem Gehsteig einwirkende Gefahr abzuwenden. Diesen Vortrag zugrunde gelegt, möchte die Klägerin erreichen, dass die Beklagte verurteilt wird, zur Abwendung der aufgezeigten Gefahr tätig zu werden, sei es in der Form eines Verwaltungsaktes oder eines sonstigen Handelns.
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2. Die so verstandene Klage erweist sich sowohl als Verpflichtungsklage wie auch als allgemeine Leistungsklage bereits als unzulässig.
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Da das Klagebegehren auf eine Verpflichtung der Beklagten zum Erlass eines Verwaltungsaktes oder zur Verurteilung der Beklagten zu einem sonstigen Handeln, einem bestimmten Tun gerichtet ist (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 42 Rn. 62), kommt als Klageart insoweit hier eine Verpflichtungsklage oder eine allgemeine Leistungsklage in Betracht. Hierfür wäre die Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO (entsprechend) erforderlich, die aber vorliegend nicht gegeben ist. Gemäß § 42 Abs. 2 VwGO ist eine Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. Dies gilt entsprechend bei der allgemeinen Leistungsklage (BVerwG, U.v. 15.6.2011 - 9 C 4/10 - juris; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 42 Rn. 68).
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Die Bejahung der Klagebefugnis setzt voraus, dass es auf der Grundlage des Tatsachenvorbringens des Betroffenen zumindest möglich erscheint, dass dieser durch den unterlassenen Verwaltungsakt in eigenen Rechten verletzt wird (sog. Möglichkeitstheorie, vgl. BVerwG, B.v. 21.1.1993 - 4 B 206/92 - juris). Hier spricht auf der Basis des getätigten Tatsachenvorbringens nichts für einen Anspruch der Klägerin auf ein sicherheitsrechtliches oder sonst wie geartetes Einschreiten oder Tätigwerden seitens der Stadt H. zur Beseitigung der von dem Dach der Klägerin ausgehenden Gefahr. Vielmehr spricht hier schon auf der der Grundlage des Tatsachenvorbringens alles dafür, dass die Klägerin für die Sicherung ihres Bauwerks verantwortlich ist und kein Anspruch der Klägerin gegen Stadt H. gegeben ist.
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2. Die Klage ist unter jedem denkbaren rechtlichen Aspekt unbegründet. Sie ist weder als Verpflichtungsklage noch als allgemeine Leistungsklage begründet.
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Eine Verpflichtungsklage wäre nur dann begründet, wenn der Klägerin ein Anspruch auf ein sicherheitsrechtliches oder sonst wie geartetes Einschreiten zustehen würde (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Vergleichbares gilt bei der allgemeinen Leistungsklage.
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Zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung steht der Klägerin aber kein Rechtsanspruch auf sicherheitsrechtliches Einschreiten seitens der Stadt H. noch auf Neubescheidung noch ein Anspruch auf ein faktisches Handeln zur Abwendung der von dem Dach ihres Anwesens ... Nr. 12 auf Passanten auf dem Gehweg ausgehenden Gefahr zu.
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Eine entsprechende Verpflichtung ergibt sich weder aus dem Umstand, dass die Freiwillige Feuerwehr der Stadt H. am 26. August 2020 tätig wurde und als Notmaßnahme anstelle der herabgefallenen Dachziegel neue Ziegel eingesetzt hat. Eine solche Verpflichtung gibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass zunächst die Feuerwehr und dann der städtische Bauhof im Sinne einer effektiven Gefahrenabwehr den betroffenen Gehwegbereich durch ein Trassierband und dann durch einen festen Bauzaun abgesichert haben.
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Eine entsprechende Verpflichtung ergibt sich auch nicht aus Art. 6 und 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG, wonach die Gemeinden als untere Sicherheitsbehörden verpflichtet sind, Gefahren abzuwehren und Störungen zu beseitigen, die Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen bedrohen oder verletzen.
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Eine Heranziehung dieser Rechtsgrundlage scheitert vorliegend schon daran, dass hier die Gefahr für die Passanten auf dem gemeindlichen Gehweg vom Hausdach der Klägerin ausgeht. Da es sich bei dem Wohn- und Geschäftshaus der Klägerin um eine bauliche Anlage i.S.v. Art. 1 Abs. 1 Satz 1, 2 Abs. 1 Satz 1 BayBO handelt, gehen die bauaufsichtlichen Eingriffsbefugnisse den allgemeinen sicherheitsrechtlichen Befugnissen vor (vgl. Wortlaut des Art. 7 Abs. 2 Satz 1 LStVG: „Soweit eine solche gesetzliche Ermächtigung nicht in Vorschriften dieses Gesetzes oder in anderen Rechtsvorschriften enthalten ist“), so dass hier die Eingriffsbefugnisse der Bayerischen Bauordnung, namentlich Art. 54 Abs. 4 BayBO heranzuziehen sind. Danach können bei bestandsgeschützten baulichen Anlagen Anforderungen gestellt werden, wenn das zur Abwehr von erheblichen Gefahren für Leben und Gesundheit erforderlich ist.
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Da allerdings die Gefahr von der baulichen Anlage der Klägerin und nicht vom gemeindlichen Gehweg ausgeht, sind die erforderlichen Maßnahmen gegen die Klägerin und nicht gegen die Stadt H. zu richten. Die Klägerin ist Eigentümerin, Besitzerin und Inhaberin der tatsächlichen Gewalt hinsichtlich des betroffenen Wohn- und Geschäftshauses. Somit liegt hier ein Fall der Zustandshaftung der Klägerin gemäß Art. 9 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 LStVG vor, wonach die Maßnahmen gegen den Inhaber der tatsächlichen Gewalt zu richten sind, wenn der Zustand einer Sache Maßnahmen notwendig macht, die Maßnahmen aber auch gegen den Eigentümer gerichtet werden können. Das Landratsamt H2. hat - wie dessen Vertreter in der mündlichen Verhandlung erklärt hat - bereits einen entsprechenden, auf Art. 54 Abs. 4 BayBO gestützten Bescheid gegen die Klägerin erlassen, der auch inzwischen bestandskräftig geworden ist. Wenn die Klägerin vorbringt, dass die Stadt H. im Jahr 2016 bei Baggerarbeiten Schäden an ihrem Anwesen verursacht habe, die nach ihrer Ansicht in Verbindung mit dem Abrutschen der Ziegel stehen, kann dies nicht zu einer Störereigenschaft der Beklagten im Sinne von Art. 9 Abs. 1 LStVG (Handlungsstörer) führen. Es ist schon nicht der geringste Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass die Baggerarbeiten am Gehwegbereich und im Bereich des Anwesens der Klägerin, die im Jahr 2016 durchgeführt wurden, irgendwelche Schäden am Dach des Wohn- und Geschäftshauses hervorgerufen haben. Die Klägerin äußerte hierzu in der mündlichen Verhandlung eine bloße, durch nichts belegte Vermutung („Dabei kann das Dach durchaus in Mitleidenschaft gezogen worden sein“). Konkrete Anhaltspunkte konnte die Klägerin nicht benennen, erst recht keinen Nachweis für diese Behauptung erbringen. Es spricht nach der Lebenserfahrung vielmehr alles dafür, dass für das Lösen und anschließende Herunterrutschen der Ortgangziegel und einiger weiterer Ziegel das Sturmtief Kirsten, das zum fraglichen Zeitpunkt herrschte, ursächlich war (vgl. hierzu auch den Einsatzbericht der Freiwilligen Feuerwehr H. vom 26.8.2020, Bl. 2 der Behördenakte des Landratsamts H2.: „Am 26.08.2020 wurde die Freiwillige Feuerwehr H. um 15:16 Uhr während des Sturmtiefs Kirsten zum Sichern von absturzgefährdenden Ziegeln in die ... 12 in H. alarmiert. Die Lageerkundung vor Ort ergab, dass bereits mehrere Dachziegel vom Dach (…) gefallen waren. (…). Die losen Ziegel drohten zum Teil durch den Wind ebenfalls noch abzustürzen“).
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Da auch andere Rechtsgrundlagen (so bspw. § 45 StVO) für die von der Klägerin begehrte Verpflichtung bzw. ein Tätigwerden der Beklagten nicht ersichtlich sind, war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.