Titel:
Mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässige Nachbarklage gegen Baugenehmigung
Normenketten:
VwGO § 58 Abs. 2, § 102, § 173 S. 1
ZPO § 227 Abs. 1
BGB § 130 Abs. 1 S. 2
BayBO Art. 66 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Die Unterschrift des Nachbarn auf den Bauvorlagen gilt als Zustimmung und ist nur bis zu ihrem Zugang bei der Baugenehmigungsbehörde frei widerruflich, da die vorbehaltslose Unterschriftsleistung einen Verzicht des Nachbarn auf materielle Abwehrrechte darstellt. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Nachbar verliert bzgl. einer Baugenehmigung, die ihm zwar nicht bekanntgegeben worden ist, von der er aber in anderer Weise sichere Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen, seine Anfechtungsbefugnis, wenn er nicht innerhalb der (Jahres-)Frist den nötigen Rechtsbehelf einlegt. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
baurechtliche Nachbarklage, Nachbarunterschrift auf den Planunterlagen, Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses, Verwirkung des Klagerechts, Nachbarklage, Zulässigkeit, Rechtsschutzbedürfnis, Baugenehmigung, Nachbarunterschrift, Zustimmung, prozessuale Verwirkung, Jahresfrist
Fundstelle:
BeckRS 2021, 6967
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen als Gesamtschuldner.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kostengläubiger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leisten.
Tatbestand
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Die Klage richtet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die Errichtung eines Einfamilienhauses mit Doppelgarage.
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1. Mit Bauantrag vom 2. Juni 2017, beim Landratsamt Bad Kissingen eingegangen am 3. Juli 2017, beantragten der Beigeladene und die damalige Miteigentümerin des Baugrundstücks, Frau … W …, die Genehmigung für die Errichtung eines Einfamilienwohnhauses mit Doppelgarage auf dem Grundstück Fl.Nr. 463/7 der Gemarkung W …, … … in … …, Ortsteil W … (Baugrundstück). Das Baugrundstück liegt im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans „Am B …“ der Stadt … (vom 28.1.2006), der u.a. ein allgemeines Wohngebiet ausweist. Die Kläger sind die Eigentümer des unmittelbar westlich angrenzenden Grundstücks Fl.Nr. 463/8 (…), das ebenfalls mit einem Einfamilienwohnhaus bebaut ist. Sie haben im Rahmen der Nachbarbeteiligung die Baupläne unterschrieben.
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Mit Bescheid vom 21. Juli 2017 wurde dem Beigeladenen und Frau … W … als Bauherren die Baugenehmigung antragsgemäß erteilt. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
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2. Mit Schreiben vom 16. September 2019 wandten sich die Kläger an das Landratsamt Bad Kissingen mit der Beanstandung, dass das Baugrundstück zu hoch aufgefüllt worden sei und durch das hergestellte Gefälle Oberflächenwasser und Schmutz vom Grundstück des Beigeladenen auf das Grundstück der Kläger fließe. Zudem erklärten sie, dass sie die auf den Planunterlagen geleisteten Unterschriften zurückzögen. Eine Ortseinsicht durch den Baukontrolleur des Landratsamts Bad Kissingen am 20. Januar 2020 ergab, dass die Geländeauffüllung im hinteren Bereich des Baugrundstücks hin zum südlich angrenzenden Grundstück Fl.Nr. 463/5 nicht mit den genehmigten Bauvorlagen übereinstimmte. Der Beigeladene wurde daraufhin mit Schreiben des Landratsamts Bad Kissingen vom 5. Februar 2020 aufgefordert, einen Tekturantrag zur Prüfung der höheren Ausführung der Geländeauffüllung vorzulegen. Dieser Antrag (Tekturänderung „Geländemodellierung“ zum Bauantrag …*) ging am 30. März 2020 bei der Stadt … und am 6. Mai 2020 beim Landratsamt Bad Kissingen ein. Die Kläger wurden durch die Stadt … über den Tekturantrag mit Schreiben vom 31. März 2020 informiert.
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Mit Bescheid vom 17. Juni 2020 erteilte das Landratsamt Bad Kissingen dem Beigeladenen (und irrtümlicherweise Frau … W … als weiterer Bauherrschaft) die Tektur-Baugenehmigung im beantragten Umfang. Hiergegen ließen die Kläger mit Schriftsatz vom 17. Juli 2020 Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg erheben. Das Verfahren wird unter dem Aktenzeichen W 5 K 20.929 geführt.
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3. Mit Schreiben vom 3. September 2020, eingegangen bei Gericht am 7. September 2020, stellten die Kläger den Antrag auf Aufhebung der Baugenehmigung vom 21. Juli 2017.
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Zur Begründung der Klage wurde unter anderem vorgetragen, dass bezüglich der baulichen Abweichungen - Höhe des Hauses mit den dazugehörigen Auffüllungen - die Angaben des Landratsamts nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprächen. Ferner sei die Gerichtsakte nicht vollständig. Aufgrund der Formfehler beim Genehmigungsverfahren und des Zurückziehens der Unterschriften der Kläger mit Schreiben vom 16. September 2019 sei bekanntzugeben, ob überhaupt eine Klagebegründung benötigt werde.
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Des Weiteren wurde ausgeführt, dass das Landratsamt versuche, in der Klageerwiderung zu beschönigen. Die übersandten Bilder seien so gefertigt, dass dem Gericht eine optische Täuschung präsentiert werde. Die tatsächlichen baulichen Gegebenheiten würden nicht abgebildet. Eine Anpassung des Geländes des Baugrundstücks zur Fl.Nr. 463/6 sei unzulässig, da dort ohne Genehmigung eine Auffüllung des Geländes vorgenommen und eine Stützmauer angebracht worden sei. Die Straße falle vom klägerischen Grundstück Fl.Nr. 463/8 zum Kreuzungspunkt (* … - … … …*) nach Navigationsgesichtspunkten des Meeresspiegels um ca. 2 Meter. Beide Grundstücke, Fl.Nr. 463/7 und Fl.Nr. 463/6, hätten straßenseitig eine deutlich sichtbare Steigung, welche im Verhältnis zu den nachbarlichen Einfahrten sichtbar steiler sei. Somit sei allein mit räumlichem Vorstellungsvermögen bewiesen, dass beide Gebäude zu hoch und ohne bauliche Genehmigung gebaut worden seien. Des Weiteren werde auf den Verdacht eines weiteren Versuchs der Täuschung des Gerichts hingewiesen, da die vom Landratsamt Bad Kissingen übersandte Akte frisiert und unvollständig sei.
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Im Übrigen wird auf die Ausführungen der Kläger im Schriftsatz vom 9. November 2020 einschließlich der Anlagen verwiesen.
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4. Das Landratsamt Bad Kissingen beantragte für den Beklagten,
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Die Klage sei weder zulässig noch begründet, da die Baugenehmigung vom 21. Juli 2017 rechtmäßig sei und die Kläger nicht in ihren Rechten verletze. Die Klage sei unzulässig, da die Kläger nicht klagebefugt seien. Sie hätten mit ihrer Unterschrift auf den Planunterlagen zur Baugenehmigung vom 17. Juli 2017 [gemeint wohl: 21. Juli 2017] ihre Zustimmung bekundet (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BayBO), was einen Rechtsbehelfsverzicht beinhalte. Ein Widerruf nach Zugang der Unterschrift bei der Baugenehmigungsbehörde sei nicht möglich. Die Klage sei des Weiteren unzulässig, da die Rechtsbehelfsfrist von einem Monat schon mehr als drei Jahre abgelaufen sei. Die Klage sei jedenfalls auch unbegründet, da eine Beteiligung von Frau W … nicht erforderlich sei. Sie sei keine Miteigentümerin des Grundstücks mehr. In diesem Punkt seien die Kläger zudem nicht klagebefugt, da hier keine Verletzung einer drittschützenden Norm vorliege, auf die sie sich als Nachbarn berufen könnten. Dies gelte auch für die Geltendmachung einer Verletzung des Postgeheimnisses durch den Beigeladenen sowie einer Datenschutzverletzung. Des Weiteren seien die Gründe der Befangenheit der Mitarbeiter des Landratsamts nicht nachvollziehbar. Es sei nicht ersichtlich, woran die Kläger im Übrigen eine Abweichung der Angaben des Landratsamts von den tatsächlichen Gegebenheiten festmachten. Dieser Aspekt beziehe sich auf die Tekturgenehmigung, die in diesem Verfahren nicht Streitgegenstand sei.
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5. Der Beigeladene ließ beantragen,
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Der Bevollmächtigte des Beigeladenen führte aus, dass er sich den Ausführungen des Landratsamts anschließe. Die Klage sei demnach weder zulässig noch begründet. Im Übrigen werde die Behauptung, dass der Beigeladene das Postgeheimnis verletzt habe, aufs Schärfste zurückgewiesen. Es liege auch keine Datenschutzverletzung durch den Beigeladenen vor. Unabhängig davon handele es sich hierbei um keine Verletzung drittschützender Normen, so dass sich die Kläger auf diese ohnehin nicht berufen könnten und in Konsequenz dessen auch nicht klagebefugt seien.
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6. Mit Beschluss vom 11. Januar 2021 lehnte die Kammer das Ablehnungsgesuch der Kläger gegen die Berichterstatterin wegen Befangenheit vom 25. November 2020 ab.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage hat keine Aussicht auf Erfolg, da sie unzulässig ist.
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1. Das Verwaltungsgericht konnte in Abwesenheit der Kläger verhandeln und entscheiden. § 102 Abs. 2 VwGO gestattet die Durchführung der mündlichen Verhandlung und die Entscheidung des Gerichts trotz Abwesenheit des Beteiligten, wenn in der Ladung - wie hier - auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist. Es wurde festgestellt, dass die Kläger gemäß § 102 Abs. 1 VwGO ordnungsgemäß geladen wurden.
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Eine Verlegung des Termins war auch nicht aus erheblichen Gründen (vgl. § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO) geboten (BVerwG, B.v. 14.12.1990 - 2 B 106.90 - juris Rn. 2). Die Kläger haben mit Schreiben an den Präsidenten des Verwaltungsgerichts vom 7. Januar 2021 den Antrag gestellt, den Gerichtstermin bis zu einer Entscheidung über den Befangenheitsantrag gegen die Berichterstatterin zu verschieben. Über den Befangenheitsantrag hat die Kammer jedoch mit Beschluss vom 11. Januar 2021 und damit vor der mündlichen Verhandlung entschieden. Darüber sowie über das Festhalten am Termin der mündlichen Verhandlung wurden die Kläger - aufgrund der Eilbedürftigkeit per E-Mail - am 12. Januar 2021 informiert. Mit dieser Vorgehensweise einer Kommunikation per E-Mail hatten sich die Kläger in ihrem Schreiben an den Präsidenten vom 7. Januar 2021 ausdrücklich einverstanden erklärt.
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Auch in der Tatsache, dass sich die Kläger aufgrund der aktuellen Pandemielage mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung bereit erklärt haben bzw. ein solches Vorgehen beantragt haben, konnte die Kammer keinen erheblichen Grund für die Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung erkennen. Ein individueller Grund für die Annahme einer persönlichen Verhinderung der Kläger, etwa aufgrund einer Verhandlungsunfähigkeit, wurde insoweit nicht vorgebracht. Im Übrigen wurden die Kläger bereits mit Schreiben des Gerichts vom 17. November 2020 darauf hingewiesen, dass trotz der aktuellen Pandemielage durch das Corona-Virus die mündliche Verhandlung durchgeführt werden soll. Nach Ansicht der Kammer, deren Vorsitzender bei der Bestimmung und Durchführung der Gerichtstermine über ein weites Ermessen verfügt (Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 102 Rn. 1), ist durch umfangreiche Maßnahmen der Gerichtsorganisation hinreichend sichergestellt, dass Gerichtstermine bei Anwesenheit der geladenen Beteiligten ohne eine Gesundheitsgefährdung durchgeführt werden können.
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2. Streitgegenstand dieses Verfahrens ist allein die Baugenehmigung vom 21. Juli 2017, die die Errichtung eines Einfamilienhauses mit Doppelgarage zum Inhalt hat. Insofern unterscheidet sich der Streitgegenstand von dem im Parallelverfahren W 5 K 20.929, welches den Bescheid des Landratsamts Bad Kissingen vom 17. Juni 2020 betreffend die Geländemodellierung (= Tektur) zum Gegenstand hat. Es ist zwar davon auszugehen, dass der Genehmigungsbescheid vom 17. Juni 2020 sich als Tekturgenehmigung zum Ausgangsbescheid vom 21. Juli 2017 darstellt in dem Sinne, dass der Ausgangsbescheid lediglich modifiziert wird, soweit die Gestaltung des Geländes auf dem Baugrundstück betroffen ist, und nicht ein „aliud“ genehmigt wird. Trotzdem liegt hier eine „neue“ Streitsache vor, da mit der hier gegenständlichen Klage vom 7. September 2020 das Klagebegehren auf den Ausgangsbescheid vom 21. Juli 2017 erweitert wurde und folglich ausdrücklich in Abgrenzung zum Verfahren W 5 K 20.929 durch die Hinzufügung eines weiteren prozessualen Anspruchs und eines weiteren Sachverhalts (vgl. zum Begriff des sog. „zweigliedrigen Streitgegenstands“ Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 90 Rn. 7) von den Klägern ein weiterer Streitgegenstand zum Inhalt des Verfahrens gemacht wurde.
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3. Die Klage gegen die Baugenehmigung vom 21. Juli 2017 ist bereits unzulässig, da den Klägern das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
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Die Kläger haben durch ihre Nachbarunterschrift auf den Planunterlagen ihre Zustimmung zu dem streitgegenständlichen Vorhaben erklärt. Gemäß Art. 66 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BayBO sind den Eigentümern der benachbarten Grundstücke der Lageplan und die Bauzeichnungen zur Unterschrift vorzulegen. Die Unterschrift gilt als Zustimmung und ist nur bis zu ihrem Zugang bei der Baugenehmigungsbehörde frei widerruflich. Die vorbehaltslose Unterschriftsleistung bedeutet einen Verzicht des Nachbarn auf materielle Abwehrrechte, die zur Unzulässigkeit der Klage führt (BayVGH, B.v. 31.1.2005 - 20 CE 05.68 - juris Rn. 10). Die Klage ist aufgrund der Zustimmungsfiktion des Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BayBO mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig (vgl. Simon/Busse, BayBO, Stand: 139. EL Oktober 2020, Art. 66 Rn. 160 m.w.N. zur Rspr.; a.A. Fehlen der Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO).
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Die Kläger haben die Unterschriften mit Schreiben an das Landratsamt Bad Kissingen vom 16. September 2019 (Bl. 65 d.A.) zwar „zurückgezogen“ und widerrufen; der Widerruf war jedoch verspätet und ist daher unwirksam. Nach der Rechtsprechung des Großen Senats des BayVGH (B.v. 3.11.2005 - 2 BV 04.1756, 2 BV 04.1758, 2 BV 04.1759 - DÖV 2006, 303 = juris) kann der Nachbar seine Unterschrift analog § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB nur bis zum Eingang der Unterschrift bei der Bauaufsichtsbehörde bzw. zeitgleich hiermit widerrufen. Die Zustimmung des Nachbarn zum Bauvorhaben ist eine einseitige öffentlich-rechtliche Willenserklärung, die entsprechend § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB mit Zugang bei der Bauaufsichtsbehörde wirksam wird. Adressat der durch die Unterschrift des Nachbarn fingierten Zustimmung ist allein die Baugenehmigungsbehörde (BayVGH, a.a.O., juris Rn. 15). Der vorliegende Widerruf der Nachbarunterschriften ist bei Zugrundelegung dieser Vorgaben offensichtlich verspätet. Gründe für eine anfängliche Unwirksamkeit der Zustimmungserteilung sind nicht erkennbar. Insbesondere kann ein solcher Grund nicht darin erkannt werden, dass der Bauherr bei Ausführung des genehmigten Vorhabens planabweichend baut, da sich die Nachbarunterschrift denknotwendig nur auf den im Vorfeld vorgelegten Lageplan und die Bauzeichnungen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BayBO) bezieht.
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4. Die Klage ist darüber hinaus auch deshalb unzulässig, da die Kläger ihr Klagerecht verwirkt haben.
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Da die Baugenehmigung vom 21. Juli 2017 den Klägern nicht zugestellt worden ist, findet die Regelung zur Klagefrist in § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO keine Anwendung. Jedoch verliert der Nachbar in Bezug auf eine Baugenehmigung, die ihm zwar nicht bekanntgegeben worden ist, von der er aber in anderer Weise sichere Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen, seine Anfechtungsbefugnis, wenn er nicht innerhalb der (Jahres-)Frist des § 58 Abs. 2 VwGO den nötigen Rechtsbehelf einlegt (vgl. BVerwG, B.v. 28.8.1987 - 4 N 3/86 - BVerwGE 78, 85; BVerwG, U.v. 25.1.1974 - IV C 2.72 - BVerwGE 44, 294). In diesem Fall geht man von einer prozessualen Verwirkung des nachbarlichen Klagerechts aufgrund des Vorliegens der Verwirkungsvoraussetzungen (Zeitmoment und Umstandsmoment) aus. Nach den allgemeinen Grundsätzen der Verwirkung verliert ein Berechtigter ein - prozessuales oder materielles - Recht dann, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (sog. Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen (sog. Umstandsmoment; zum Ganzen vgl. z.B. BVerwG, B.v. 16.4.2002 - 4 B 8.02 - BauR 2003, 1031 = juris Rn. 10, 11; BayVGH, B.v. 10.4.2018 - 15 ZB 17.45 - juris Rn. 10; B.v. 25.6.2018 - 2 ZB 17.1157 - juris Rn. 2; B.v. 30.4.2019 - 15 ZB 18.979 - juris Rn. 9).
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Das ist hier offensichtlich der Fall. Die Kläger, die die Planunterlagen unterschrieben haben, haben über einen Zeitraum von über zwei Jahren nach Baubeginn nichts gegen das Bauvorhaben vorgebracht. Der Beigeladene hat daher darauf vertrauen dürfen, dass die Kläger ihnen eventuell zustehende Rechte nicht mehr ausüben werden. Andererseits hatten die Kläger aufgrund der Vorlage der Planunterlagen Kenntnis von der Durchführung des Bauvorhabens. Spätestens mit Beginn der Bauausführung mussten sie daher davon ausgehen, dass die Baugenehmigung erteilt worden ist (vgl. Baubeginnsanzeige vom 18.8.2017; Bl. 57 d.A.). Die Kläger müssen sich folglich nach Treu und Glauben so behandeln lassen, als wäre ihnen die Baugenehmigung bereits spätestens im August 2017 bekannt gegeben worden. Eine Klage haben sie binnen Jahresfrist nach § 58 Abs. 2 VwGO nicht eingelegt, so dass sie ihr Klagerecht verwirkt haben.
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5. Es kann infolgedessen dahinstehen, ob die Klage begründet ist, d.h. die Baugenehmigung vom 21. Juli 2017 an formellen oder materiell-rechtlichen Fehlern leidet, auf die sich die Kläger berufen können und aufgrund derer sie in ihren Rechten verletzt sind (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Lediglich ergänzend ist hierzu auszuführen, dass die Kläger keine Fehlerhaftigkeit der Baugenehmigung im Genehmigungsverfahren und in der Umsetzung des Prüfprogramms nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO i.V.m. Art. 59 Satz 1 BayBO aufgezeigt haben. Soweit sie die höhenmäßige Einstellung des Gebäudes in das Gelände rügen, die planabweichend erfolgt sein soll, kann dies nicht im Rahmen einer Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO gegen die Baugenehmigung vom 21. Juli 2017 geltend gemacht werden. Dies kann allenfalls Gegenstand eines bauaufsichtlichen Verfahrens sein.
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Daher war die Klage als unzulässig abzuweisen.
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6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 i.V.m. § 159 Satz 2 VwGO. Als im Verfahren unterlegen haben die Kläger die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nach § 162 Abs. 3 VwGO aus Billigkeitsgründen den Klägern aufzuerlegen, denn der Beigeladene hat einen eigenen Antrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
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Der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.