Titel:
Sittenwidrigkeit, Darlegungs- und Beweislast, Gegenerklärung, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Gesetzesverstoß, Abschalteinrichtung, Klagepartei, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, Kosten des Berufungsverfahrens, Entscheidungsgründe, Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, Gerichtsbekanntheit, Kostenentscheidung, Rechtsmittel, Sicherheitsleistung, Entscheidung des Berufungsgerichts, Prozeßbevollmächtigter, Streitwert, Bußgeldverfahren, Abweichende Rechtsauffassung
Schlagworte:
Berufung, Klageabweisung, Rechtsmittel, Sachverhaltsdarstellung, Annahmeverzug, Prozesskosten, Fahrzeugübereignung
Vorinstanzen:
OLG München, Hinweisbeschluss vom 28.09.2021 – 20 U 7325/20
LG Landshut, Endurteil vom 20.11.2020 – 75 O 1334/20
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 04.11.2025 – VIa ZR 34/22
Fundstelle:
BeckRS 2021, 69354
Tenor
1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 20. November 2020, Aktenzeichen 75 O 1334/20, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Landshut und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klagepartei kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 52.859,78 € festgesetzt.
Gründe
1
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Landshut vom 20. November 2020 Bezug genommen. Änderungen oder Ergänzungen im Sachverhalt haben sich im Berufungsverfahren nicht ergeben.
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Die Klagepartei wendet sich mit ihrer Berufung gegen die Abweisung ihrer Klage. Sie erstrebt die Abänderung des landgerichtlichen Urteils und die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von € 52.859,78 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs – … Baujahr 2016 mit der FIN .. sowie die Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Annahme dieses Pkw im Annahmeverzug befindet. Weiter begehrt sie die Verurteilung der Beklagten, sie von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 1.954,46 freizustellen. Auf die Berufungsbegründung vom 22. Februar 2021 (Bl. 11 ff.) wird verwiesen.
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Der Senat hat mit Beschluss vom 28. September 2021 (Bl. 53 ff.), der Klagepartei zugestellt am 13. Oktober 2021, darauf hingewiesen, dass er die einstimmige Zurückweisung des Rechtsmittels gemäß § 522 Abs. 2 ZPO beabsichtigt und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
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Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 20. November 2020, Aktenzeichen 75 O 1334/20, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
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Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 28. September 2021 (Bl. 53 ff.) Bezug genommen, an dem nach erneuter Überprüfung in vollem Umfang festgehalten wird. Richterin am Oberlandesgericht Dr. L., die an dem vorgenannten Beschluss nicht mitgewirkt hat, nun aber zur Mitentscheidung berufen ist, tritt dem Beschluss vollumfänglich bei.
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Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung vom 1. Dezember 2021 (Bl. 63 ff.) geben zu einer Änderung keinen Anlass.
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1. Soweit die Berufung meint, es sei nicht vorstellbar, dass die Beklagte die Rechtslage fahrlässig verkannt habe, tritt der Senat dem weiterhin nicht bei. Auf die Ausführungen in dem Hinweisbeschluss wird Bezug genommen. Die Ansicht der Klagepartei, dass die Darlegungen der Untersuchungskommission „Volkswagen“ wegen der Zusammensetzung dieser Kommission irrelevant wären, vermag der Senat schon deshalb nicht zu teilen, weil der insoweit erhobene Vorwurf der mangelnden Unabhängigkeit der nach Darstellung der Gegenerklärung aus dem Bundesverkehrsministerium, dem KBA und der TU München stammenden Mitglieder nicht nachvollziehbar ist.
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Generell verkennt die Klagepartei, dass sie die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass für die Beklagte handelnde Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der behauptet unzulässigen Funktionen in dem Bewusstsein gehandelt haben, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und dass sie den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen hätten. Daran fehlt es hier.
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2. Dem Vorbringen der Gegenerklärung zu einem gegen die Beklagte verhängten Bußgeld sowie zu einem Ermittlungsverfahren bzw. einer Verurteilung von Mitarbeitern der Beklagten ist bereits kein Bezug zum streitgegenständlichen Pkw zu entnehmen. Die beantragte Beiziehung von Strafakten war daher nicht veranlasst.
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3. Die von der Gegenerklärung thematisierte Entscheidung des Landgerichts Konstanz ist nach ihren eigenen Angaben zu einem Pkw … mit dem Motor … ergangen; eine Relevanz für den hier in Rede stehenden … mit dem Motor … ist nicht ersichtlich. Denn gerichtsbekannt kann sich bereits die Programmierung in Pkw verschiedener Modelle, die mit demselben Motor ausgestattet sind, erheblich unterscheiden, umso mehr die Programmierung in Pkw, in denen unterschiedliche Motoren verbaut sind.
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Dass das Vorbringen zu in den USA entdeckten Abschalteinrichtungen Relevanz für das streitgegenständliche Fahrzeug hätte, ergibt sich ebenfalls nicht. Insbesondere findet sich das hiesige Modell nicht in der Aufzählung der Klagepartei. Die Ausführungen zu einem behauptet zu kleinen AdBlue Tank sind schon deshalb wenig verständlich, weil der im streitgegenständlichen Pkw verbaute AdBlue Tank unstreitig 31,8 l fasst.
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4. Das von der Gegenerklärung angesprochene Gutachten der Umwelthilfe macht Ausführungen zu einem Pkw …. Dass die dortigen Funktionen auch in dem hier streitgegenständlichen Pkw vorhanden wären, ist nicht ersichtlich. Denn, wie bereits ausgeführt, ist gerichtsbekannt, dass sich die Softwareausstattung in Pkw gleicher Motoren abhängig vom betroffenen Modell deutlich unterscheiden kann.
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Im Übrigen verkennt die Gegenerklärung in diesem Zusammenhang, dass allein ein Gesetzesverstoß nicht zwangsläufig zur Bewertung des fraglichen Verhaltens als sittenwidrig führt. Dass die gerügten Funktionen im Straßenverkehr anders als auf dem Prüfstand funktionierten, behauptet die Klagepartei nur pauschal.
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5. Soweit sich die Gegenerklärung auf eine Entscheidung des LG Stuttgart (20 O 621/20) bezieht, wonach Art. 4 VO (EG) 715/2007 Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB sei, hat sich das Landgericht ausweislich der mitgeteilten Entscheidungsgründe nicht mit der entgegenstehenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 30. Juli 2020, VI ZR 5/20, juris) auseinandergesetzt, der der Senat folgt. Diese höchstrichterliche Rechtsprechung beschränkt sich entgegen dem Dafürhalten der Gegenerklärung auch nicht auf Ausführungen zu Art. 5 der fraglichen Verordnung, sondern hat, wie sich aus den Entscheidungsgründen des Urteils vom 30. Juli 2020 ergibt, die Schutzrichtung der Verordnung insgesamt im Blick.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit erfolgte gemäß § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.