Inhalt

LG Bamberg, Endurteil v. 28.09.2021 – 24 O 68/21
Titel:

Abschalteinrichtung, Sittenwidrigkeit, Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung, Sittenwidrige Schädigung, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Besondere Verwerflichkeit, Feststellung des Annahmeverzugs, Obergerichtliche Rechtsprechung, Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, Hinweisbeschluss, Abgasskandal, Gewährleistungsansprüche, Unzulässigkeit, Klagepartei, Kostenentscheidung, Nichteingehaltene, Außergerichtliche Rechtsverfolgung, Darlegungs- und Beweislast, Kraftfahrt-Bundesamt, EG-FGV

Schlagworte:
Schadensersatzanspruch, Sittenwidrige Schädigung, Darlegungs- und Beweislast, Abschalteinrichtung, Betriebsbeschränkung, Thermofenster, Verwerflichkeit
Rechtsmittelinstanzen:
OLG Bamberg, Hinweisbeschluss vom 25.02.2022 – 1 U 470/21
OLG Bamberg, Beschluss vom 07.04.2022 – 1 U 470/21
BGH Karlsruhe, Urteil vom 23.09.2025 – VIa ZR 584/22
LG Bamberg, Berichtigungsbeschluss vom 22.10.2021 – 24 O 68/21
LG Bamberg, Berichtigungsbeschluss vom 02.11.2021 – 24 O 68/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 69220

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 31.842,55 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Der Kläger macht im Zusammenhang mit dem sog. „Abgasskandal“ wegen eines Pkw-Kaufs Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte als Herstellerin des in das Fahrzeug verbauten Motors geltend.
2
Mit Kaufvertrag vom 03.05.2012 erwarb der Kläger einen Neuwagen der Marke BMW X3 xdrive 20d (FIN: …) zum Kaufpreis von 42.984 € (Anlage KA1). Die Beklagte ist Herstellerin des Fahrzeugs und des darin verbauten Motors Typ N47. Das Fahrzeug unterliegt der Euro-Norm-5.
3
Ein Rückruf des KBA existiert für das streitgegenständliche Fahrzeug nicht.
4
Mit Schreiben vom 26.01.2021 forderte der – anwaltlich vertretene – Kläger die Beklagte unter Fristsetzung auf, den Kaufpreis gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Pkw an den Kläger zu zahlen (Anlage KB1).
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Der Kläger behauptet, in dem Fahrzeug seien verschiedene Erkennungsmodi eingerichtet, die im Zusammenspiel eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellen im Sinne einer Umschaltlogik, die erkenne, ob sich das Fahrzeug in einem NEFZ-Zyklus oder im reellen Straßenbetrieb befinde. Die Motosoftware des streitgegenständlichen Fahrzeugs steuere (anhand Temperatur, Drehzahl, Leistung, Zeit, Geschwindigkeit, Gesamtlaufleistung und/oder Lenkradstellung) den Stickoxidaustoß und reduziere diesen, wenn sich das Fahrzeug in einem NEFZ-Zyklus befinde. Vereinfacht ausgedrückt werde die Abagsrückführung bspw. nur in einem bestimmten „Thermofenster“ vorgenommen oder bei einem Drehmoment ab 2.500 U/min reduziert und später ab 3.000 U/min ganz abgeschaltet. Aufgrund der niedrigen durchschnittlichen Jahrestemperatur in Europa führe diese Abschalteinrichtung dazu, dass die Abgasreinigung fast dauerhaft reduziert werde. Die gesetzlichen Stickoxid-Grenzwerte würden daher, anders als in der Produktbeschreibung zugesichert, nicht eingehalten, so dass auch die Euro-fünf-Abgasnorm nicht eingehalten werde. Technische Rechtfertigungen für das Thermofenster und die sonstigen Abschalteinrichtungen gebe es nicht.
6
Der Kläger trägt weiter vor, dass im streitgegenständlichen Fahrzeuge eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne eines „Kaltstartheizens“ eingebaut sei, die unter den Bedingungen des NEFZ Zyklus die Abgasreinigung stets optimiere, während sie in Realbedingungen selten bis gar nicht zur Anwendung komme (Anlage KE8).
7
Der Kläger behauptet weiter, aufgrund des Vorhandenseins der Abschalteinrichtungen sei in jedem Fall, selbst nach der Durchführung des Softwareupdates, eine Wertminderung des Fahrzeugs gegeben. Zudem bestünde im Falle eines Softwareupdate die Gefahr, dass die Motorleistung, das Drehmoment, der Verbrauch, der CO²-Ausstoß, die Langlebigkeit des Motors und der Rußpartikelfilter, die Reparaturanfälligkeit und der Motorlauf negativ beeinflusst würden. Der Kläger trägt weiter vor, sie hätte das Fahrzeug nicht erworben, wenn sie Kenntnis von den Manipulationen gehabt hätte. Es ihr ihm beim Kauf auf die besondere Umweltfreundlichkeit des Fahrzeugs angekommen sowie auf einen stabilen Wiederverkaufswert. Sie behauptet weiter, die Vorstände der Beklagten hätten Kenntnis von den verwendeten Abschalteinrichtungen und hätten dies befürwortet.
8
Der Kläger meint daher, die Beklagte hafte ihr auf Schadensersatz, insbesondere wegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung. Der Beklagten sei es bei ihrem Vorgehen allein darauf angekommen, maximalen Profit zu erzielen, während ihr die Belange der Umwelt und der Käufer der Fahrzeuge gleichgültig gewesen seien.
9
Der Kläger ist der Ansicht, dass sie sich keine gezogenen Nutzungen anrechnen lassen müsse. Rein vorsorglich sei jedoch von einer Gesamtlaufleistung von 500.000 km auszugehen. Der Kläger ist weiter der Auffassung, ihm stünden Deliktszinsen zu.
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Der Kläger beantragt,
I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei Euro 31.842,55 nebst Zinsen aus Euro 31.842,55 hieraus in Höhe von 5% Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 09.02.2021 zu bezahlen, Zug-um-Zug gegen die Übereignung und Herausgabe des PKW Typs BMW X3, FIN: ….
II. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des in Antrag I genannten Fahrzeugs seit dem 09.02.2021 in Verzug befindet.
III. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von Euro 1.873,06 vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten freizustellen.
11
Die Beklagte beantragt, Klageabweisung.
12
Sie trägt vor, das Fahrzeug halte den Grenzwert für den Stickoxid-Ausstoß gemäß der Euro-sechs-Norm im sogenannten neuen europäischen Fahrzyklus (NEFZ) ein und entspreche der EU-Typgenehmigung. Irgendwelche illegalen Abschalteinrichtungen seien bei dem Motor nicht vorhanden. Es bestehe daher auch keine Gefahr, dass die Zulassung für das Fahrzeug entzogen werde und das Fahrzeug stillgelegt werden müsse.
13
Ein Schadensersatzanspruch des Klägers sei auch schon deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger keinen Schaden erlitten habe. Ein Minderwert des Fahrzeugs sei nicht gegeben. Wenn jedoch eine Wertminderung eingetreten sei, so beruhe dies nicht auf der streitgegenständlichen Motorsteuerung, sondern viel mehr auf der allgemeinen Diskussion über Dieselfahrzeuge.
14
Die Beklagte bestreitet weiter, dass der Kläger das Fahrzeug nicht erworben hätte, wenn er von der fraglichen Software Kenntnis gehabt hätte. Über den Schadstoßausstoß und die Abgasregulation habe sich der Kläger keine Gedanken gemacht. Umweltaspekte hätten bei seinem Kaufentschluss keine Rolle gespielt.
15
Das Gericht hat keinen Beweis erhoben.
16
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien wechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 26.08.2021 (Bl. 331 ff. d.A./ Band II) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist in der Sache unbegründet.
I.
18
1. Dem Kläger stehen gegen die Beklagte keine Ansprüche auf Zahlung von Schadensersatz auf Grundlage deliktischer Normen zu (§§ 826 Abs. 1 BGB; 823 Abs. 2 BGB iVm 263 StGB bzw. der insoweit weiter denkbaren §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV bzw. Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007). Gewährleistungsansprüche oder sonstige vertragliche Ansprüche scheiden von vorneherein aus, da die Beklagten nicht Vertragspartnerin des Klägers ist.
19
Der Kläger hat zu den objektiven Tatbestandsvoraussetzungen einer sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB nicht hinreichend vorgetragen. Nach allgemeinen Grundsätzen trägt derjenige, der einen Anspruch geltend macht, die volle Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen, d.h. im Falle der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung sowohl für die Umstände, die die Schädigung und deren Sittenwidrigkeit in objektiver Hinsicht begründen, als auch für den zumindest bedingten Vorsatz des Schädigers hinsichtlich des Vorliegens dieser Umstände (BGH, Urteile vom 22. Februar 2019 – V ZR 244/17, NJW 2019, 3638 Rn. 37 mwN; vom 18. Januar 2018 – I ZR 150/15 NJW 2018, 2412 Rn. 26 mwN).
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a) Sittenwidrig ist – nach allgemeingültiger Definition – ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteile vom 28. Juni 2016 – VI ZR 536/15, WM 2016, 1975 Rn. 16 mwN; vom 7. Mai 2019 – VI ZR 512/17, NJW 2019, 2164 Rn. 8 mwN).
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b) Zwar kann im Inverkehrbringen eines Motors, der mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen ist, grundsätzlich eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung liegen, da dies dazu führen kann, dass der Widerruf der Typengenehmigung oder zumindest die Stilllegung des konkreten Fahrzeugs droht (vgl. BGH, Urteil vom 25.5.2020 – VI ZR 252/19 für den Motor Typ EA189 des Herstellers der Volkswagen AG). Hiernach ist für das Vorliegen einer objektiven Sittenwidrigkeit bei der Manipulation der Abgasbehandlung von Fahrzeugen neben dem Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung erforderlich, dass eine besondere Verwerflichkeit des Handelns und die Gefahr der Betriebsbeschränkung Fahrzeuges droht (BGH a.a.O.). Die Klagepartei ist der Meinung, dass das Fahrzeug der Beklagten eine oder mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen enthalte, wonach zwar bei Überprüfung der Abgaswerte die Grenzwerte auf dem Prüfstand zum Nachweis der gesetzlichen Voraussetzungen für die öffentlich-rechtliche Zulassung eingehalten werden würden, jedoch auf Grund der vorgenommenen Manipulation im Normalbetrieb die gesetzlich geforderten Grenzwerte nicht eingehalten werden würden, die Beklagte darüber vorsätzliche getäuscht und die Zulassung zum öffentlich Verkehr erschlichen habe.
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c) Die Klagepartei hat nicht substantiiert vorgetragen, dass der Motor des streitgegenständlichen Pkws über eine Software entsprechend derjenigen, die in dem Motor EA 189 verbaut ist, und damit über eine illegale Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 1, 2 VO (EG) 715/2007 verfügt und die Beklagte damit ein Verhalten (bewusstes Inverkehrbringen eines Fahrzeugs, dessen technische Gegebenheiten objektiv einer Zulassung des Fahrzeugs entgegenstehen) gezeigt hat, dass auf Klägerseite durch Abschluss eines so nicht gewünschten, wirtschaftlich nachteiligen Vertrages einen subjektiven Schaden verursacht hat (§ 826 Abs. 1 BGB), dass zudem Täuschungscharakter hatte (§ 823 Abs. 2 BGB iVm § 263 Abs. 1 StGB) bzw. dass ein Verstoß gegen europarechtliche Normen (deren drittschützenden Charakter unterstellt) vorliegt (§ 823 Abs. 2 BGB iVm §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV bzw. Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007). Folglich war dem Sachvortrag der Klagepartei zum Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Form einer Software der Motorsteuerung mangels Substanz nicht durch Beweiserhebung nachzugehen. Grundsätzlich ist es einer Partei nicht verwehrt, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Punkte zu verlangen, über die sie selbst kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann. Sie kann deshalb im Einzelfall genötigt sein, eine von ihr nur vermutete Tatsache zu behaupten und unter Beweis zu stellen.
23
Unzulässig wird ein solches Vorgehen aber dann, wenn die Parteien ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts oder die Richtigkeit ihres Vortrags willkürlich Vermutungen „aus Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ anstellt (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 16.04.2015 – IX ZR 195/14).
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So liegt der Fall jedoch hier.
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Hinsichtlich ihres Vortrages zu der technischen Funktionsweise der Abgasrückführung und der Erkennung des Prüfstandes sowie dem daran anschließenden unterschiedlichen Wirkungsgrad der Abgasreinigung im Realbetrieb und auf dem Prüfstand des NEFZ beruft sich die Klagepartei im Wesentlichen auf durchgeführte Messungen seitens der Deutschen Umwelthilfe und im Rahmen der „Untersuchungskommission Volkswagen“ (Anlage C. ff.). Doch allein der Umstand, dass bei Testungen im Realbetrieb ggf. eine Abweichung der Abgaswerte festgestellt wurde, ist jedoch grundsätzlich irrelevant. Denn es ist allgemein bekannt, dass die realen Abgaswerte nicht unter dem durch die VO (EG) 715/2007 festgelegten Bedingungen zustande kommen und dementsprechend deutlich abweichen können, diese Diskrepanz war dem Verordnungsgeber ausweislich des Erwägungsgrundes Nr. 15 der VO (EG) 715/2007 auch bekannt, in dem dieser ein Bedürfnis für neue Messverfahren formuliert hat. Darüber hinaus ist fraglich, ob diese Messungen vorliegend überhaupt herangezogen werden können, weil diese nicht den gleichen Fahrzeugtyp, wohl aber einen baugleichen Motor betrafen, trägt die Klagepartei selbst vor, dass diese Messungen nicht unter den Bedingungen des NEFZ erfolgten. Hierbei entspricht es aber der obergerichtlichen Rechtsprechung, dass Abweichungen der gemessenen Schadstoffemissionen zwischen Realbetrieb zu NEFZ keine Anhaltspunkte für eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellen (etwa OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 09.03.2020 – 16a U 297/19, OLG Koblenz, Hinweisbeschluss vom 18.05.2020 – 3 U 134/20), da gerade nicht die gleichen Bedingungen zu Grunde liegen. Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen ersetzt auch die Vorlage der Stellungnahme des Gutachters … vom 16.06.2021 oder die Vorlage anderer Gerichtsentscheidungen einen konkreten Sachvortrag aller objektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit des Verhaltens der Beklagten nicht.
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d) Es fehlt die konkrete Gefahr eine Betriebsbeschränkung wegen einer entsprechenden Motorsteuerungssoftware im streitgegenständlichen Fahrzeug von einem Rückruf oder einer anderen Maßnahme der Aufsichtsbehörden – konkret des Kraftfahrtbundesamtes – und damit die Nutzbarkeit des Fahrzeuges drohe. Der streitgegenständliche Motor ist unstreitig zwischen den Parteien durch das Kraftfahrtbundesamt geprüft worden (vgl. Anlage B13) und es liegt nicht nur kein Rückruf vor, vielmehr hat das Kraftfahrtbundesamt im Rahmen amtlicher Auskünfte mitgeteilt, dass unzulässige Abschalteinrichtungen bei Prüfung der Fahrzeuge BMW 520d und BMW 320d mit dem Motortyp N47 nicht festgestellt worden sind.
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e) Daneben hat die Klagepartei vorzutragen, was auf eine besondere Verwerflichkeit im Handeln der Beklagten schließen lässt. Das Verhalten der für einen Kraftfahrzeughersteller handelnden Personen ist nicht bereits deshalb als sittenwidrig zu qualifizieren, weil sie einen Fahrzeugtyp aufgrund einer grundlegenden unternehmerischen Entscheidung mit einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems (Thermofenster) ausgestattet und in den Verkehr gebracht haben. Dies gilt auch dann, wenn mit der Entwicklung und dem Einsatz dieser Steuerung eine Kostensenkung und die Erzielung von Gewinn erstrebt wird. Der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit ist nur gegeben, wenn weitere Umstände hinzutreten, die das Verhalten der handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen lassen (BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 – VI ZR 433/19 –, juris – Rn. 13). Selbst wenn man von einem „Thermofenster“ ausginge, wobei die Beklagte eine solche Verwendung bestreitet und darauf hinweist, es gebe „nicht den einen Temperaturbereich mit konstanten Abgasrückführungswerten“, entspricht es der obergerichtlichen Rechtsprechung, dass, unterstellt, dieses sei letztlich unzulässig, sich hieraus noch keine sittenwidrige Schädigung ergibt mangels Verwerflichkeit, da die Auslegung, wonach die Verwendung eines
„Thermofensters“ zulässig ist, nicht unvertretbar ist und die konkrete Ausgestaltung im Einzelnen eine (technische) Expertenfrage darstellt. Die im Rahmen der Prüfung der Sittenwidrigkeit vorzunehmende Gesamtabwägung lässt die Verwendung eines „Thermofensters“ jedoch nicht als besonders verwerflich erscheinen (etwa OLG Stuttgart, Urteil vom 30.07.2019 – 10 U 134/19, OLG Koblenz, Hinweisbeschluss vom 18.05.2020 – 3 U 134/20).
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2. Im Übrigen wurde seitens des Bundesgerichtshofs bereits entschieden, dass weder die EG-FGV noch VO 715/2007/EG insoweit ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB darstellen, so dass sich auch hieraus kein Anspruch ergeben kann (BGH, Urteil vom 30.07.2020, VI ZR 5/20).
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Im Ergebnis besteht daher weder ein Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB, Art. 5 VO 715/2007, §§ 6, 27 EG-FGV noch nach §§ 826, 31; 831 BGB.
II.
30
Mangels Schadensersatzanspruch war auch der Antrag auf Zahlung von Deliktszinsen sowie der Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs abzuweisen.
31
Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.
III.
32
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
33
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 709 S. 1 und 2 ZPO.
34
Der Streitwert wurde gemäß §§ 3 ZPO, 63 Abs. 2 GKG festgesetzt.