Titel:
Amtsärztliches Gutachten, Schwerbehindertenvertretung, Vorstellungsgespräch, Stellenbesetzungsverfahren, Arbeitsplatzbeschreibung, Leistungseinschränkung, Außendiensttätigkeit, Anforderungsprofil, Schwerbehinderter Bewerber, Bewerberauswahl, Einstweilige Verfügung, Örtliche Personalvertretung, Einstweiliges Verfügungsverfahren, Streitwertfestsetzung, Gesundheitliche Eignung, Personalrat, Bewerbungsverfahren, Gesundheitliche Einschränkungen, Bewerberanspruch, Verletzung des Bewerberverfahrensanspruchs
Schlagworte:
Eignung im Bewerbungsverfahren, Amtsärztliches Gutachten, Schwerbehindertenvertretung, Beteiligung des Personalrats
Rechtsmittelinstanzen:
LArbG München, Urteil vom 28.01.2022 – 7 SaGa 25/21
VerfGH München, Entscheidung vom 12.06.2025 – Vf. 16-VI-22
Fundstelle:
BeckRS 2021, 68906
Tenor
1. Der Antrag wird zurückgewiesen.
2. Der Verfügungskläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 4.820,33 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren über die vorläufige Untersagung der Besetzung der Stelle als „Teamleitung Überwachung fließender Verkehr“. Das entsprechende Hauptsacheverfahren vor dem Arbeitsgericht München -Az. 15 Ca 5960/21 ist noch nicht abgeschlossen.
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Der am geborene Verfügungskläger, der einem Schwerbehinderten gleichgestellt ist, ist seit 09.01.2007 bei der Verfügungsbeklagten als Angestellter mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden pro Woche beschäftigt und nach EGr 5 TVöD eingruppiert. Sein monatliches Bruttoeinkommen betrug zuletzt circa € 3.000,00. Seit 14.08.2019 wurde der Verfügungskläger von der Verfügungsbeklagten von der Arbeitsleistung freigestellt.
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Der Verfügungskläger wurde in den Jahren 2016, 2018 und 2019 amtsärztlich untersucht.
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Aus einem amtsärztlichen Gutachten vom 29.09.2016 (vgl. Bl. 34 ff. d. A.) geht hervor, dass der Verfügungskläger folgende Tätigkeiten derzeit nicht ausüben kann:
- Tätigkeiten, die Flexibilität und Konfliktfähigkeit verlangen
- Tätigkeiten in schwierigem Umfeld (Kontakt mit betroffenen Verkehrsteilnehmern, Passanten, Anwohnern)
- Tätigkeiten mit unvorhersehbar wechselnden zeitlichen, örtlichen oder inhaltlichen Anforderungen; Tätigkeiten mit konfliktträchtigem Bürgerkontakt Aus amtsärztlicher Sicht sei ein Einsatz des Verfügungsklägers im Außendienst zudem nicht mehr möglich.
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Nach einem weiteren amtsärztlichen Gutachten vom 14.03.2018 (vgl. Bl. 36 ff. d. A.) kann der Verfügungskläger folgende Tätigkeiten derzeit nicht ausüben:
- Tätigkeiten, die Flexibilität, Verhandlungsgeschick und Konfliktfähigkeit verlangen
- Tätigkeiten in schwierigem Umfeld durch Kontakt mit betroffenen Verkehrsteilnehmern, Passanten, Anwohnern […]
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Hierbei wurde festgestellt, dass diese Tätigkeiten voraussichtlich dauerhaft nicht mehr ausgeübt werden könnten. Auch durch eine Pausenregelung könne die Außendienstfähigkeit nicht wieder hergestellt werden. Die Leistungseinschränkung „Tätigkeiten mit konfliktträchtigem Publikumsverkehr/Bürgerkontakt […]“ bestehe zudem allgemein und voraussichtlich dauerhaft. Von einer Nachuntersuchung sei aus amtsärztlicher Sicht kein weiterer Erkenntnisgewinn mehr zu erzielen.
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Aus einem weiteren amtsärztlichen Gutachten vom 19.09.2019 (vgl. Bl. 38 ff. d. A.) lässt sich entnehmen, dass u.a. die Leistungseinschränkungen „keine Gehstrecken > 2 km ohne Pausen“, „nur gelegentliches Heben und Tragen von Lasten > 10 kg bis maximal 15 kg“ sowie „keine Tätigkeiten mit konfliktträchtigem Publikumsverkehr/Bürgerkontakt“ dauerhaft seien.
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Am 18.02.2021 bewarb sich der Verfügungskläger auf die bei der Verfügungsbeklagten am 18.02.2021 ausgeschriebene Position als „Teamleitung Überwachung fließender Verkehr (w/m/d)“, Eingruppierung nach A9/E 9a TVöD mit der Verfahrensnummer 13646. Ende der Bewerbungsfrist war der 05.03.2021. Diese Stelle umfasst die Leitung eines Teams mit ca. 12 Außendienstkräften in personeller, organisatorischer und fachlicher Hinsicht sowie die Ausbildung neuer Mitarbeitender in Theorie und Praxis. Darüber hinaus wirkt die neue Leitung bei der Verbesserung der Verkehrssicherheit und der Aktualisierung von Verkehrseinrichtungen und Verkehrsbeschilderungen mit und führt Sondereinsätze, z. B. den „Blitzermarathon“ durch. Nach der Stellenausschreibung der Verfügungsbeklagten sind insbesondere folgende Kompetenzen für die Position erforderlich (vgl. im Einzelnen Bl. 27. d. A.):
- Fachkenntnisse: des Verwaltungsrechts und Organisationsgeschick (grundlegend)
- Verantwortungsvolle Mitarbeiter/innen-Führung, insbesondere Einfühlungsvermögen und Motivationsfähigkeit (ausgeprägt)
- Kommunikationsfähigkeit, insbesondere situationsgerechtes Auftreten und Kommunikationsvermögen (ausgeprägt)
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Die weitergehende Arbeitsplatzbeschreibung der Verfügungsbeklagten benennt unter anderem im Rahmen der personellen Leitung das „Durchführen von Klärungs- und Konfliktgesprächen und Aufgreifen gruppendynamischer Prozesse“, im Rahmen der fachlichen Leitung die „fach- und sachgerechte Information bis hin zur Schlichtung in speziellen Einzel- bzw. Streitfällen (auch vor Ort im Außendienst bzw. bei besonderen Ortsterminen)“ sowie unter dem Punkt „Dienstliche Beziehungen“ externe dienstliche Kontakte „häufig zu impulsiven Bürgerinnen und Bürgern in schwierigen Fällen“ als Aufgaben des Teamleiters Überwachung fließender Verkehr. Unter „Erfahrung“ wird des Weiteren „Selbständigkeit, Eigeninitiative, Flexibilität, Belastbarkeit unter Termindruck, Stresssituationen sowie bei Konflikten, Fingerspitzengefühl, Durchsetzungsvermögen, Verhandlungsgeschick, selbstbewusstes, sicheres, bestimmtes, verbindliches, aber dennoch freundliches Auftreten, gute mündliche und schriftliche Ausdrucksfähigkeit“ erwartet. Die Stelle erfordert zudem die Durchführung von Außendiensttätigkeiten. Diese umfassen insbesondere die Nutzung von Dienstfahrzeugen im Großstadtverkehr, das Zurücklegen längerer Strecken auch zu Fuß (z.B. Ortsbesichtigungen längerer Straßenzüge), das Mitführen von Gerätschaften/dienstlichen Gegenständen sowie die Durchführung von Geschwindigkeitsprobemessungen (vgl. im Einzelnen Bl. 28 ff. d. A.).
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Im Rahmen der Überprüfung der Zulässigkeit der Bewerbung des Verfügungsklägers kam die Verfügungsbeklagte im Rahmen der am 18.03.2021 vom Personal- und Organisationsreferat erstellten Vormerkung zu dem Ergebnis, dass der Verfügungskläger nicht die für die ausgeschriebene Stelle erforderliche gesundheitliche Eignung besitze und daher nicht weiter im Stellenbesetzungsverfahren berücksichtigt werden könne (vgl. Bl. 40 f.d. A.).
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Mit Schreiben vom 06.04.2021 teilte die Verfügungsbeklagte dem Verfügungskläger mit, dass er die für die ausgeschriebene Stelle bestehenden Anforderungen gesundheitlich nicht erfülle und daher nicht berücksichtigt werden könne (vgl. Bl. 53 d. A.). Der Verfügungskläger widersprach dieser Entscheidung der Verfügungsbeklagten telefonisch und beantragte Akteneinsicht. Mit Schreiben vom 14.04.2021 wurde dem Verfügungskläger Akteneinsicht gewährt (vgl. Bl. 54 d. A.). Mit Fax vom 04.05.2021 und 05.05.2021 (vgl. Bl. 57 und 58 d. A.) rügte der Verfügungskläger die Einbindung der Schwerbehindertenvertretung und des Personalrats in das Stellenbesetzungsverfahren und erbat erneut eine Begründung für seine fehlende Beteiligung am Bewerbungsverfahren. Mit E-Mail vom 11.06.2021 informierte die Verfügungsbeklagte den Verfügungskläger über den Abschluss des Verfahrens und über die geplante Besetzung der Stelle mit Herrn F.(vgl. Bl. 63 d. A.). Die Besetzung der Stelle erfolgte bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung noch nicht.
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Der Verfügungskläger ist der Meinung, er sei für die Stelle geeignet und besitze die erforderliche Qualifikation. Er habe bereits vier Jahre im Team „Überwachung fließender Verkehr“ gearbeitet. Andere Gründe, die seiner Berücksichtigung entgegenstünden, lägen nicht vor. Zudem seien die Schwerbehindertenvertretung und der Personalrat bei der Entscheidung über die Stellenbesetzung nicht ausreichend beteiligt worden.
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Die beantragte Regelung sei auch dringlich, da durch weiteren Zeitablauf wesentliche Nachteile entstünden und bereits ein anderer Bewerber für die Stelle vorgesehen sei.
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Der Verfügungskläger beantragt,
Der Verfügungsbeklagten wird im Wege der einstweiligen Verfügung vorläufig, längstens bis zwei Wochen nach erneuter Entscheidung über die Bewerberauswahl, untersagt, die zu besetzende Stelle als Teamleitung Überwachung fließender Verkehr in Vollzeit zu besetzen bzw. eine bereits erfolgte Besetzung rückgängig zu machen.
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Die Verfügungsbeklagte beantragt
die Zurückweisung des Antrags.
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Die Verfügungsbeklagte trägt vor, die Schwerbehindertenvertretung sei gem. Ziffer 5.4 der Ausschreibungsrichtlinien der C-Stadt(vgl. Bl. 50 f. d. A.) am 18.03.2021 mit Schreiben an die Sammel-E-Mail-Adresse eingebunden und um Rückmeldung bis 24.03.2021 gebeten worden (vgl. Bl. 60 d. A.). Am gleichen Tage sei auch die telefonische Einbindung der örtlichen Personalvertretung Frau G. erfolgt. Es entspreche dem standardisierten Vorgehen in Stellenbesetzungsverfahren, dass die Einbindung nach Eingang der Bewerbung, nach Ablauf der Bewerbungsfrist aber vor Mitteilung der Absage erfolgt sei. Der Einbindungszeitpunkt variiere je nach Arbeitsauslastung der jeweiligen Sachbearbeiter/-innen, Anzahl der laufenden und zu bearbeitenden Bewerbungsverfahren etc. und erfolge daher nie zu einem festgeschriebenen Zeitpunkt. Sowohl die Referatspersonalrätin als auch die Vertreterin der Schwerbehindertenvertretung hätten dem Verfügungskläger auch bestätigt, dass sie ordnungsgemäß in das Verfahren eingebunden worden seien (vgl. Bl. 55 ff. d. A.).
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Die Verfügungsbeklagte ist der Meinung, dass sich das von ihr für die ausgeschriebene Stelle erstellte Anforderungsprofil unter Zugrundelegung der diesbezüglichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht als rechtswidrig erweise. Die Entscheidung, den Verfügungskläger aus dem Bewerberkreis auszuschließen, sei daher rechtmäßig erfolgt und verletze ihn nicht in seinem Bewerberverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG. Der Verfügungskläger erfülle ausweislich der amtsärztlichen Gutachten vom 29.09.2016, 14.03.2018 und 19.09.2019 die objektiven Kriterien des Anforderungsprofils unter Einbeziehung des Ausschreibungstextes und der Arbeitsplatzbeschreibung nicht. Da die erhöhte Kommunikationsfähigkeit gerade in Stresssituationen einen Großteil des Aufgabenbereichs darstelle, sei ein Einsatz des Verfügungsklägers aufgrund mangelnder Konflikt- und Kommunikationsfähigkeit nicht möglich. Neben der Kommunikations- und Konfliktfähigkeit erfordere die Stelle auch die Durchführung von Außendiensttätigkeiten, die auch das Zurücklegen langer Strecken zu Fuß und das Mitführen von Gerätschaften umfassten. Die dauerhaften Leistungseinschränkungen des Verfügungsklägers seien jedoch mit einer solchen Außendiensttätigkeit nicht vereinbar.
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Allein die Nichterfüllung der zwingenden Anforderungskriterien schließe den Verfügungskläger vom weiteren Auswahlverfahren aus, ohne dass es darauf ankomme, ob er die weiteren Merkmale des Anforderungsprofils erfülle. Die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch sei in diesem Fall eine bloße Förmelei und könne den vom Gesetzgeber verfolgten Zweck im Rahmen des § 165 S. 3 SGB IX nicht erfüllen. Es habe daher von einer Einladung abgesehen werden können.
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Bezüglich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig, aber unbegründet. Der Verfügungskläger hat bereits einen Verfügungsanspruch nicht glaubhaft dargelegt.
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1. Der Verfügungsanspruch des Bewerbers gründet auf seinem grundgesetzlich garantierten Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Bewerberanspruch.
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Art. 33 Abs. 2 GG gewährt jedem Deutschen nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ergeben sich für den einzelnen Bewerber hieraus unmittelbare Rechte. Jeder kann verlangen, bei seiner Bewerbung nur nach diesen in Art. 33 Abs. 2 GG genannten Kriterien beurteilt zu werden. Dies gilt nicht nur für die Einstellung, sondern auch für die Beförderung innerhalb des öffentlichen Dienstes.
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Bei der Auswahlentscheidung steht dem öffentlichen Arbeitgeber ein weiter Beurteilungsspielraum zu. Die gerichtliche Überprüfung einer Auswahlentscheidung beschränkt sich darauf, ob der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat, ob er allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet hat und ob er ein fehlerfreies Verfahren eingehalten hat (vgl. BAG v. 05.03.1980 – 5 AZR 604/78).
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2. Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze sind vorliegend keine verfahrensrechtlichen oder materiell-rechtlichen Fehler ersichtlich, die zu einer Verletzung des Bewerberverfahrensanspruchs des Verfügungsklägers führen könnten.
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a) Das Anforderungsprofil für die Stelle „Teamleitung Überwachung fließender Verkehr“ ist durch die vorgelegte Stellenausschreibung ergänzt durch die Arbeitsplatzbeschreibung hinreichend dokumentiert worden. Es wurde auch von dem Verfügungskläger letztlich nicht beanstandet.
26
b) Die Verfügungsbeklagte hat dadurch, dass sie den Verfügungskläger wegen seiner gesundheitlichen Leistungseinschränkungen nicht weiter im Bewerbungsverfahren berücksichtigt hat, nicht unter Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 GG entschieden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Verfügungskläger die Anforderungen der Stelle „Teamleitung Überwachung fließender Verkehr“ aus gesundheitlichen Gründen nicht erfüllt.
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aa) Im Rahmen des Art. 33 Abs. 2 GG ist der Begriff der „Eignung“ als umfassendes Qualifikationsmerkmal zu verstehen, das die ganze Persönlichkeit des Bewerbers über rein fachliche Gesichtspunkte hinaus erfasst. Der Begriff „Eignung“ verweist ganz allgemein auf die Eigenschaften, welche die zu besetzende Stelle von dem Bewerber fordert. Hierzu gehören über die fachliche Eignung hinaus insbesondere die oftmals als „charakterliche Eignung“ bezeichnete Eignung und die gesundheitliche Eignung, aber auch sonstige körperliche und psychische Voraussetzungen, die Teamfähigkeit sowie Umgangsformen und sonstige Fähigkeiten im Umgang mit Menschen, zB mit Publikumsverkehr, sowie Führungskompetenzen können – je nach dem Anforderungsprofil der zu besetzenden Stelle – dazugehören (BAG v. 27.08.2020 – 8 AZR 45/19 m.w.N.).
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bb) Vorliegend ergibt sich aus dem Ausschreibungstext der Stelle „Teamleitung Überwachung fließender Verkehr“ in Verbindung mit der konkreten Arbeitsplatzbeschreibung, dass von einem Bewerber verantwortungsvolle Mitarbeiter/-innen-Führung, insbesondere Einfühlungsvermögen und Motivationsfähigkeit sowie Kommunikationsfähigkeit, insbesondere situationsgerechtes Auftreten und Kommunikationsvermögen erwartet wird. Die Arbeitsplatzbeschreibung konkretisiert diese Aufgaben weiter und benennt als Aufgaben eines Teamleiters unter anderem die „Durchführung von Klärungs- und Konfliktgesprächen“ und „externe dienstliche Kontakte häufig zu impulsiven Bürgerinnen und Bürgern (z.B. bei der eigenverantwortlichen Entscheidung) in schwierigen Fällen“. Des Weiteren werden im Unterpunkt Erfahrung folgende Voraussetzungen des Stelleninhabers benannt: „Selbständigkeit, Eigeninitiative, Flexibilität, Belastbarkeit unter Termindruck, Stresssituationen sowie bei Konflikten, Fingerspitzengefühl, Durchsetzungsvermögen, Verhandlungsgeschick, selbstbewusstes, sicheres, bestimmtes, verbindliches, aber dennoch freundliches Auftreten, gute mündliche und schriftliche Ausdrucksfähigkeit“.
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Ausweislich des amtsärztlichen Gutachtens vom 29.09.2016 kann der Verfügungskläger Tätigkeiten, die Flexibilität und Konfliktfähigkeit verlangen, Tätigkeiten in schwierigem Umfeld (Kontakt mit betroffenen Verkehrsteilnehmern, Passanten, Anwohnern), Tätigkeiten mit unvorhersehbar wechselnden zeitlichen, örtlichen oder inhaltlichen Anforderungen und Tätigkeiten mit konfliktträchtigem Bürgerkontakt bis auf weiteres nicht ausüben. Diese Einschätzung wird im amtsärztlichen Gutachten vom 14.03.2018 bestätigt und darüber hinaus festgestellt, dass diese Tätigkeiten voraussichtlich dauerhaft nicht mehr ausgeübt werden können. Aus dem amtsärztlichen Gutachten vom 19.09.2019 ergibt sich dahingehend keine andere Einschätzung.
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Im Rahmen eines Vergleichs des Anforderungsprofils der ausgeschriebenen Position mit den vom Verfügungskläger dauerhaft nicht mehr ausübbaren Tätigkeiten folgt eine fehlende gesundheitliche Eignung des Verfügungsklägers. Die Tätigkeit als Teamleiter Überwachung fließender Verkehr ist in großem Maße von Bürgerkontakt und aufgrund der Natur der Sache bestehendem hohen Konfliktpotential gekennzeichnet. Der Verfügungskläger ist ausweislich der amtsärztlichen Gutachten dauerhaft nicht in der Lage, auf etwaige Konflikte im Rahmen einer Tätigkeit situationsgerecht zu reagieren. Eine Position, die von umfangreichem Kontakt zu Bürgerinnen und Bürgern geprägt ist und aufgrund der mit ihr verbundenen Leitungsaufgaben auch intern die Lösung von Konfliktfällen erfordert, stellt angesichts der Einschränkungen des Verfügungsklägers eine Tätigkeit dar, für die dieser gesundheitlich nicht geeignet ist.
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cc) Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass die Stelle als „Teamleitung Überwachung fließender Verkehr“ nicht nur die Leitung eines Teams mit 12 Außendienstkräften im Innendienst beinhaltet, sondern in gleichem Maße eine Außendiensttätigkeit darstellt (z.B. Durchführen von Ortsbesichtigungen und Geschwindigkeitsprobemessungen). Dementsprechend wird in der Arbeitsplatzbeschreibung unter dem Punkt „Erfahrung“ ausdrücklich eine Außendiensttätigkeit, insbesondere das Zurücklegen längerer Strecken auch zu Fuß sowie das Mitführen von Gerätschaften/dienstlichen Gegenständen benannt. Ausweislich der amtsärztlichen Gutachten vom 29.09.2016 und 14.03.2018 wird ein Einsatz des Verfügungsklägers im Außendienst jedoch nicht mehr als möglich erachtet und eine Wiederherstellung der Außendienstfähigkeit z.B. durch eine Pausenregelung nicht als zielführend angesehen. Im Rahmen des amtsärztlichen Gutachtens vom 19.09.2019 wurden beim Verfügungskläger zudem zahlreiche Leistungseinschränkungen festgestellt, darunter etwa, dass er keine Gehstrecken über 2 km ohne Pause zurücklegen könne und nur gelegentliches Heben und Tragen von Lasten über 10 kg bis maximal 15 kg möglich seien. Der Verfügungskläger ist daher auch unter diesen Gesichtspunkten gesundheitlich nicht in der Lage, die begehrte Tätigkeit dauerhaft auszuüben.
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dd) Es besteht auch kein Grund dafür, an den Feststellungen in den amtsärztlichen Gutachten vom 29.09.2016, 14.03.2018 und 19.09.2019 zu zweifeln. Seitens des Verfügungsklägers wurden keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit der erstellten Gutachten oder eine Veränderung wesentlicher, der Begutachtung zugrundeliegender Umstände vorgetragen und glaubhaft gemacht.
33
ee) Da dem Verfügungskläger somit ausweislich der amtsärztlichen Gutachten nicht nur die für die Stelle „Teamleitung Überwachung fließender Verkehr“ erforderliche Kommunikations- und Konfliktfähigkeit fehlt, sondern auch die mit dieser Stelle verbundene Außendiensttätigkeit für den Verfügungskläger aus gesundheitlichen Gründen nicht in Betracht kommt, ist davon auszugehen, dass er den Anforderungen der Stelle „Teamleitung Überwachung fließender Verkehr“ in gesundheitlicher Hinsicht nicht entspricht.
34
c) Die Verfügungsbeklagte war auch nicht verpflichtet, den Verfügungskläger gem. § 165 S. 3 SGB IX zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen.
35
aa) Gem. § 165 S. 3 SGB IX sind schwerbehinderte Menschen, die sich um einen Arbeitsplatz bei einem öffentlichen Arbeitgeber bewerben, vom Arbeitgeber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Dem Arbeitgeber steht bezüglich der Einladung zum Vorstellungsgespräch grundsätzlich kein Ermessen zu, soweit die Voraussetzungen des § 165 S. 3 SGB IX erfüllt sind (vgl. BAG v. 24.01.2013 – 8 AZR 188/12).
36
bb) Vorliegend ist der Verfügungskläger einem Schwerbehinderten gleichgestellt.
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Er war daher grundsätzlich gem. § 165 S. 3 SGB IX i.V.m. §§ 151, 2 Abs. 3 SGB IX auf seine Bewerbung hin zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, sofern ihm nicht offensichtlich die fachliche Eignung i.S.d. § 165 S. 4 SGB IX fehlte. Die Verfügungsbeklagte durfte jedoch von einer Einladung absehen, weil die gesundheitlichen Einschränkungen des Verfügungsklägers ein offensichtliches Besetzungshindernis darstellen.
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(1) Die fachliche Eignung des Verfügungsklägers bestimmt sich im Rahmen eines Vergleichs zwischen dem Anforderungsprofil des zu besetzenden Arbeitsplatzes unter Zugrundelegung des Ausschreibungstextes und der konkreten Arbeitsplatzbeschreibung und dem Leistungsprofil des Bewerbers. Lassen bereits die Bewerbungsunterlagen zweifelsfrei erkennen, dass die vorgegebenen fachlichen Kriterien nicht erfüllt sind, besteht für den Arbeitgeber keine Verpflichtung, den Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen (vgl. BAG v. 27.08.2020 – 8 AZR 45/19 – Rn. 36 ff.).
39
Dass dem Verfügungskläger die fachliche Eignung für die ausgeschriebene Stelle fehlen würde, hat jedoch auch die Verfügungsbeklagte nicht behauptet.
40
(2) Es ist jedoch davon auszugehen, dass der öffentliche Arbeitgeber über den Wortlaut des § 165 Satz 4 SGB IX hinaus auch dann von der Verpflichtung befreit ist, einen schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, wenn der Bewerber zwar nicht offensichtlich fachlich ungeeignet ist, ihm jedoch offensichtlich die persönliche, insbesondere die gesundheitliche Eignung fehlt (so LAG Düsseldorf v. 27.06.2018 – 12 Sa 135/18; offen gelassen BAG v. 27.08.2020 – 8 AZR 45/19). Scheidet die Besetzung der Stelle mit dem Bewerber offensichtlich aus Rechtsgründen aus, weil seine persönlichen Mängel ein offensichtliches Einstellungs- und Besetzungshindernis darstellen, würde sich die Einladung zum Vorstellungsgespräch als eine bloße Förmelei erweisen.
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Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers sollen schwerbehinderte Bewerber/innen durch das in § 165 S. 3 SGB IX genannte Vorstellungsgespräch die Möglichkeit erhalten, ihre Chancen im Auswahlverfahren zu verbessern. Sie sollen die Chance haben, den Arbeitgeber von ihrer Eignung zu überzeugen. Stellen die persönlichen Mängel eines Bewerbers ein offensichtliches Einstellungs- bzw. Besetzungshindernis dar, kann der vom Gesetzgeber mit § 165 S. 3 SGB IX verfolgte Zweck, dem schwerbehinderten Bewerber die Chance zu geben, den Arbeitgeber von seiner Eignung im weiteren Sinne zu überzeugen, von vornherein nicht erreicht werden (BAG a.a.O.).
42
(3) Unter Heranziehung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass die sich aus den amtsärztlichen Gutachten ergebenden gesundheitlichen Einschränkungen des Verfügungsklägers ein offensichtliches Besetzungshindernis für die streitgegenständliche Stelle darstellen und damit geeignet sind, eine Ausnahme von der in § 165 S. 3 SGB IX bestimmten Pflicht zur Einladung zu einem Vorstellungsgespräch zu begründen. Entsprechend den obigen Ausführungen fehlt es dem Verfügungskläger ausweislich der amtsärztlichen Gutachten nicht nur an der für die Stelle „Teamleitung Überwachung fließender Verkehr“ erforderlichen Kommunikations- und Konfliktfähigkeit, sondern auch die mit dieser Stelle verbundene Außendiensttätigkeit kommt für den Verfügungskläger aus gesundheitlichen Gründen nicht in Betracht. Diese gesundheitlichen Leistungseinschränkungen sind als so gravierend zu erachten, dass sie ein offensichtliches Besetzungshindernis für die genannte Stelle sind.
43
d) Die Schwerbehindertenvertretung und der Personalrat wurden ordnungsgemäß in die Bewerberauswahl eingebunden und angehört. Insbesondere wurden die Erfordernisse des § 178 Abs. 2 SGB IX erfüllt. Gem. Ziffer 5.4 der Ausschreibungsrichtlinien der C-Stadt werden die Bewerbungen von Bewerberinnen und Bewerbern mit Schwerbehinderung der jeweils zuständigen Schwerbehindertenvertretung und Personalvertretung stets nach Eingang zur Kenntnis übermittelt. Dies geschah ausweislich des nicht bestrittenen Vortrags der Verfügungsbeklagten am 18.03.2021 und damit nach Eingang der Bewerbung und vor Mitteilung der Entscheidung über die Bewerbung an den Verfügungskläger. Der Schwerbehindertenvertretung und der Personalvertretung wurden dabei ordnungsgemäß die beabsichtigte Ablehnung und deren Gründe mitgeteilt und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Den diesbezüglichen Ausführungen der Verfügungsbeklagten ist der Verfügungskläger nicht weiter entgegengetreten. Die Beteiligung erst nach Ende des Bewerbungsschlusses steht einer ordnungsgemäßen Beteiligung entgegen der Ansicht des Verfügungsklägers nicht entgegen. Es ist insoweit genügend, dass der Schwerbehindertenvertretung und der Personalvertretung ausreichend Zeit zur Stellungnahme und die Möglichkeit, durch ihre Stellungnahme auf die Entscheidungsfindung im Rahmen der Bewerberauswahl noch Einfluss zu nehmen, gegeben wird. Dies war vorliegend der Fall. Der Vertretung wurde ausweislich des Schreibens vom 18.03.2021 bis zum 24.03.2021 Zeit zur Stellungnahme gegeben. Die endgültige Entscheidung über den Ausschluss des Verfügungsklägers erfolgte erst im Anschluss mit Schreiben vom 06.04.2021. Die Entscheidung wurde damit unter Berücksichtigung einer möglichen Stellungnahme der eingebundenen Vertretungen getroffen. Andere Anhaltspunkte für eine fehlende oder fehlerhafte Beteiligung sind weder vorgetragen noch aus der Aktenlage ersichtlich.
44
Der Verfügungskläger hat die Kosten dieses Verfahrens zu tragen, da er unterlegen ist gem. § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 ZPO.
45
Die Streitwertfestsetzung erfolgt gem. § 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. §§ 3 ff. ZPO. Eine Konkurrentenklage ist grundsätzlich mit einem Vierteljahresverdienst der angestrebten Beförderungsstelle zu bewerten (hier Entgeltgruppe E 9a TVöD/Stufe 2 = 3.213,55 € brutto). Aufgrund des vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahrens ist jedoch ein Abschlag von 50% vorzunehmen.
46
Der Verfügungskläger kann gegen diese Entscheidung Berufung zum Landesarbeitsgericht München nach der beiliegenden Rechtsmittelbelehrungeinlegen.
47
Der Verfügungsbeklagten steht mangels Beschwer kein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung zu.