Inhalt

LG Memmingen, Endurteil v. 30.04.2021 – 23 O 299/20
Titel:

Berufsunfähigkeitsrente, Auskunftserteilung, Anfechtung des Versicherungsvertrages, Berufsunfähigkeitsversicherung, Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers, Versicherungsleistungen, Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Grobe Fahrlässigkeit, Streitwert, Gesundheitsfragen, Elektronischer Rechtsverkehr, Elektronisches Dokument, Hausarzt, Rechtshängigkeit, Grobfahrlässige, Psychotherapie, Verzugszinsen, Vorgerichtliche Anwaltskosten, Kostenentscheidung

Schlagworte:
Falschangaben im Antrag, Gesundheitsfragen, Grobe Fahrlässigkeit, Belehrungspflicht, Anspruchsausschluss
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Teilurteil vom 22.12.2022 – 14 U 3360/21
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 10.01.2024 – IV ZR 21/23
Fundstelle:
BeckRS 2021, 68871

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 125.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung.
2
Der zum damaligen Zeitpunkt als Mitarbeiter im Gerätebau tätige Kläger suchte am 30.06.2017 seinen Hausarzt auf, da er unter Magenbeschwerden, Übelkeit und Durchfall litt. Im Rahmen des Anamnesegesprächs teilte der Kläger dem Hausarzt mit, dass er infolge eines Geschäftsführungswechsels von steigendem Druck und Stress auf der Arbeit geplagt werde. Auf die Frage, wie der Kläger damit umgehen solle, besprach der Arzt mit dem Kläger, gegebenenfalls eine Psychotherapie in Anspruch zu nehmen (vgl. Anlage K3). Die Krankschreibung erfolgte wegen eines Darminfekts. Bei einer Untersuchung am 03.07.2017 berichtete der Kläger dem Hausarzt, dass die Belastung seitens des Jobs nicht mehr so stark sei.
3
Am 07.07.2017 beantragte der Kläger bei der Beklagten den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung zum 01.07.2017 mit einer monatlichen Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 1.300,00 € für einen monatlichen Beitrag in Höhe von 156,90 € (Bruttoprämie 270,52 €). In dem Antrag (Anlage K9) beantwortete der Kläger die Frage
Gesundheitsangaben
(…) Sind oder waren Sie in den letzten 5 Jahren in Beratung, Behandlung oder Untersuchung bei Ärzten (…) wegen Krankheiten oder Unfallfolgen?
(…)
i) der Psyche, des Gehirns, des Nervensystems (z.B. Depressionen, Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Psychotherapien, (…))?
mit nein. Bei Bejahung dieser Frage hätte die Beklagte den Vertrag nicht abgeschlossen. In dem Antragsformular fordert die Beklagte im Fettdruck zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Beantwortung aller Fragen auf und weist darauf hin, dass auch solche Umstände anzugeben sind, denen der Antragsteller nur geringe Bedeutung beimisst. Unmittelbar vor dem Fragenkatalog (etwa fünf Zentimeter oberhalb) wird wiederum im Fettdruck darauf hingewiesen, dass die Beklagte bei unvollständigen oder nicht wahrheitsgemäßen Angaben je nach Verschulden vom Vertrag zurücktreten, den Vertrag kündigen oder anpassen und die Versicherungsleistung ganz oder teilweise verweigern kann. Weiter wird ebenfalls im Fettdruck darauf hingewiesen, dass die bei den einzelnen Fragen in Klammern genannten Beispiele für Krankheiten der Erleichterung der Beantwortung dienen und keine abschließenden Aufzählungen darstellen. Die Beklagte fertigte am 07.07.2017 antragsgemäß einen Versicherungsschein aus (Anlage K1, Versicherungsnummer 00770225362).
4
Am 13.07.2017 schrieb der Hausarzt den Kläger erstmals wegen einer depressiven Erkrankung krank (vgl. Anlage K3). Vom 02.08.2017 bis 10.10.2017 und 27.12.2017 bis 14.02.2018 erfolgten erste stationäre Behandlungen bzw. Rehabilitationsmaßnahmen. Dabei wurde eine schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen diagnostiziert (vgl. Anlage K4).
5
Unter dem 29.08.2018 (Anlage K5) beantragte der Kläger die Auszahlung der Berufsunfähigkeitsrente ab 01.09.2017 nebst Beitragsfreistellung. Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 12.02.2019 (Anlage K6), dem Kläger zugegangen am 14.02.2019, die Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung sowie den Rücktritt und führte zur Begründung aus, dass der Kläger die Gesundheitsfragen vorsätzlich falsch beantwortet habe. Die spätere Klägervertreterin forderte die Beklagte mit Schriftsatz vom 14.05.2019 (Anlage K7) zur Auszahlung der Berufsunfähigkeitsrente sowie zur Freistellung von der Beitragspflicht auf. Dies lehnte die Beklagte unter dem 16.05.2019 (Anlage K8) ab.
6
Der Kläger behauptet, dass er seit 02.08.2017 durchgehend berufsunfähig im Sinne der Versicherungsbedingungen sei. Es habe vor Antragstellung keine ärztliche Beratung hinsichtlich einer Psychotherapie stattgefunden. Die schlichte Erwähnung einer Psychotherapie habe der Kläger nicht als Beratung verstehen können, insbesondere da eine solche Therapie bei den weiteren Arztbesuchen am 03.07.2017 und 07.07.2017 nicht mehr erwähnt worden sei. Der Kläger sei daher davon ausgegangen, dass es sich lediglich um eine Beratung zum Umgang mit beruflichen Problemen gehandelt habe. Zudem stelle die Frage auf Erkrankungen ab und eine solche sei vor Antragstellung nicht diagnostiziert worden. Schließlich habe der Kläger weder erkannt noch gebilligt, dass die Beklagte seinen Antrag bei Bejahung der Frage nicht oder nur zu anderen Konditionen angenommen hätte. Dies sei nicht hinreichend dargelegt. Zudem seien die Gesundheitsfragen nicht deutlich genug, da nur Beispiele für Erkrankungen genannt würden und daher der Umfang der Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers nicht deutlich werde. Die erforderliche Belehrung sei nicht im Zusammenhang mit den Gesundheitsfragen platziert worden bzw. mangels Angabe der drohenden Konsequenzen inhaltlich unzureichend. Für die vorgerichtliche Tätigkeit sei eine 2,0 Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 109.278,41 € zuzüglich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer angemessen.
7
Der Kläger beantragt daher zuletzt:
1a. Die Beklagte wird verurteilt, Auskunft zu erteilen über die seit dem 2. August 2017 bis heute jährlich erzielten Überschussanteile und die hieraus folgende Erhöhung der vertraglich vereinbarten Berufsunfähigkeitsrente zu beziffern.
1b. Die Beklagte wird gegebenenfalls verurteilt, die Richtigkeit der Auskünfte an Eides statt zu versichern.
1c. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen nach Auskunftserteilung noch zu beziffernden Betrag in Höhe von jedenfalls 43.124,20 EUR, zzgl. der zu beziffernden Überschussanteile, zzgl. Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen, und zwar aus
26.224,20 EUR seit dem 13.02.2019, aus weiteren
1.300,00 EUR seit dem 01.03.2019, aus
1.300,00 EUR seit dem 01.04.2019, aus
1.300,00 EUR seit dem 01.05.2019, aus
1.300,00 EUR seit dem 01.06.2019, aus
1.300,00 EUR seit dem 01.07.2019, aus
1.300,00 EUR seit dem 01.08.2019, aus
1.300,00 EUR seit dem 01.09.2019, aus
1.300,00 EUR seit dem 01.10.2019, aus
1.300,00 EUR seit dem 01.11.2019, aus
1.300,00 EUR seit dem 01.12.2019, aus
1.300,00 EUR seit dem 01.01.2020, aus
1.300,00 EUR seit dem 01.02.2020, sowie aus
1.300,00 EUR seit dem 01.03.2020,
hilfsweise seit Rechtshängigkeit.
2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, dem Kläger ab dem 1. April 2020 die vereinbarte Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von monatlich 1.300,00 EUR zzgl. der nach Auskunftserteilung noch zu beziffernden Überschussanteile bzw. ab dem Jahr 2021 durch die Beklagte jeweils noch zu ermittelnden Überschussanteile, längstens bis zum Vertragsende am 31.08.2051 zu zahlen, zahlbar monatlich im Voraus bis zum 1. eines jeden Monats, und ihn von der Verpflichtung zur Zahlung der monatlichen Prämie freizustellen, längstens bis zum 31.08.2051.
3. Es wird weiter festgestellt, dass der Versicherungsvertrag zur Berufsunfähigkeit bei der Beklagten mit der Vertragsnummer … weder durch Rücktritt noch durch Anfechtung beendet wurde, sondern unverändert fortbesteht.
4. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger weitere 3.600,94 EUR zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
8
Die Beklagte beantragt zuletzt,
die Klage kostenpflichtig abzuweisen.
9
Die Beklagte behauptet, dass der zeitliche Ablauf (Gespräch mit dem Hausarzt über mögliche Inanspruchnahme einer Psychotherapie am 30.06.2017, Beantwortung der Antragsfrage am 07.07.2017 mit nein) nur den Rückschluss zulasse, dass der Kläger in dem Antrag vorsätzlich falsche Angaben gemacht habe.
10
Die am 04.03.2020 bei dem Landgericht Memmingen eingegangene Klageschrift vom selben Tage (Bl. 1/27 d.A.) wurde der Beklagten ausweislich der bei der Akte befindlichen Postzustellungsurkunde am 06.04.2020 zugestellt. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23.03.2021 (Bl. 83/84 d.A.), die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie den sonstigen Akteninhalt.

Entscheidungsgründe

11
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
I.
Zulässigkeit
12
Das Landgericht Memmingen ist gemäß §§ 71 Abs. 1, 23 Nr. 1 GVG sachlich sowie gemäß § 215 Abs. 1 S. 1 VVG örtlich zuständig. Auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor.
II.
Begründetheit
13
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrten Auskünfte und Versicherungsleistungen, da die Beklagte mit Schriftsatz vom 12.02.2019 wirksam von dem Versicherungsvertrag zurückgetreten ist (§ 19 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 S. 1 VVG).
14
Der Kläger hat die im Tatbestand zitierte Gesundheitsfrage objektiv unzutreffend mit nein beantwortet. Unstreitig hat der Kläger seinem Hausarzt am 30.06.2017 von steigendem Druck auf der Arbeit verbunden mit zunehmender Hilflosigkeit berichtet und den Hausarzt befragt, wie er damit umgehen solle. Der Hausarzt hat mit ihm besprochen, zur Bewältigung dieser Probleme gegebenenfalls eine Psychotherapie in Anspruch zu nehmen. Dieses Gespräch stellt eine ärztliche Beratung wegen des Verdachts einer Erkrankung der Psyche dar. Hierfür kommt es nicht darauf an, ob der Kläger oder der Hausarzt dies als Beratung auffassen würden oder gemeint hätten. Der Hausarzt hat mit seinem Patienten über die mögliche Inanspruchnahme einer Psychotherapie gesprochen. Dies bedeutet, dass der Hausarzt gegenüber dem Kläger als mögliche Reaktion zur Lösung der geschilderten Problemsituation eine Psychotherapie in den Raum gestellt hat. Bereits nach dem allgemeinen Sprachverständnis liegt in dem Ansprechen möglicher Lösungen für bzw. Reaktionen auf geschilderte gesundheitliche Probleme eine Beratung, nachdem der Hausarzt dem Kläger den entsprechenden Rat erteilt hat. Weiter ist unzweifelhaft, dass damit eine Erkrankung der Psyche im Raum stand, denn eine Psychotherapie dient bereits dem Namen nach der Behandlung einer Erkrankung der Psyche. Damit steht fest, dass am 30.06.2017 eine ärztliche Beratung wegen einer Erkrankung der Psyche stattfand und dass der Kläger die entsprechende Frage am 07.07.2017 objektiv falsch beantwortet hat.
15
Subjektiv ist insoweit zumindest von grober Fahrlässigkeit auszugehen, sodass das Rücktrittsrecht der Beklagten nicht ausgeschlossen ist (§ 19 Abs. 3 S. 1 VVG). Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Antragsteller die im Verkehr erforderliche Sorgfalt unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und das unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (vgl. Langheid, in: ders./Rixecker, VVG, 6. Aufl. 2019, § 19 Rn. 90 m.w.N.). Hier ist zu beachten, dass sich der Antragsteller über die dem Wortlaut nach eindeutige und präzise Frage nach Beratungen wegen Erkrankungen der Psyche hinweggesetzt hat. Dies indiziert regelmäßig das Vorliegen von grober Fahrlässigkeit (vgl. Armbrüster, in: Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl. 2021, § 19 Rn. 110). Soweit der Klägervertreter in dem nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz vom 19.04.2021 andeutet, dass die Kenntnis des Klägers von der Gefahrerheblichkeit des erfragten Umstandes und von der Nichtannahme des Antrages durch die Beklagte bei wahrheitsgemäßer Beantwortung der Frage nicht hinreichend dargelegt bzw. nachgewiesen sei, ist festzuhalten, dass die Kenntnis von der Gefahrerheblichkeit allenfalls für das Verschulden eine Rolle spielt. Nachdem die Frage aber – wie ausgeführt – mehr als nur einigermaßen präzise formuliert und sogar durch Beispiele illustriert ist (vgl. Armbrüster, a.a.O., Rn. 113), ist kein Raum für eine unverschuldete Falschbeantwortung. Selbst wenn man nicht von einem Handeln mit Eventualvorsatz ausgehen will, hat der Kläger bei der Beantwortung der im Tatbestand zitierten Gesundheitsfrage jedenfalls das außer Acht gelassen, was jedem einleuchten musste, nämlich dass das in den Raum Stellen einer Psychotherapie durch den Hausarzt einen Rat und damit eine Beratung wegen einer Erkrankung der Psyche darstellt. Dieses Ergebnis kann der Kläger nicht durch den Hinweis entkräften, dass der Hausarzt ihm gegenüber vor Antragstellung nie ausdrücklich eine Depression diagnostiziert hat. Die Unkenntnis von der konkreten Diagnose ändert nichts daran, dass das Gespräch vom 30.06.2017 aus den geschilderten Gründen eine Beratung wegen einer Erkrankung der Psyche darstellt. Angesichts dessen, dass dieses Gespräch acht Tage vor Antragstellung stattgefunden hat, ist für ein Vergessen des Klägers und eine darauf begründete Unkenntnis kein Raum (vgl. Armbrüster, a.a.O., Rn. 158). Eine Vernehmung des von beiden Seiten als Zeugen angebotenen Hausarztes war nicht erforderlich, da zwischen den Parteien wie dargelegt unstreitig ist, dass das Gespräch am 30.06.2017 den hier zugrunde gelegten Inhalt hatte und es – wie ausgeführt – nicht darauf ankommt, ob der Hausarzt seinen Rat als Beratung meinte oder nicht. Nach alldem liegt eine mindestens grob fahrlässige Falschbeantwortung der im Tatbestand genannten Antragsfrage vor.
16
Auch die übrigen Voraussetzungen für einen wirksamen Rücktritt der Beklagten liegen vor. Es ist unstreitig geblieben, dass die Beklagte den Antrag auf Abschluss des Versicherungsvertrages nicht angenommen hätte, wenn der Kläger die im Tatbestand zitierte Frage mit ja beantwortet hätte (§ 19 Abs. 4 S. 1 VVG). Die Beklagte hat den Kläger in dem Antragsformular über die Pflicht zur wahrheitsgemäßen und vollständigen Beantwortung der Fragen belehrt (§ 19 Abs. 5 S. 1 VVG). Diese Belehrung war unmittelbar vor den Gesundheitsfragen abgedruckt und durch Fettdruck drucktechnisch hervorgehoben, sodass der Antragsteller diese nicht übersehen konnte (vgl. Armbrüster, a.a.O., Rn. 127 und 127a). Die Wiederholung der Belehrung auf Seite 8 des Antrages ist jedenfalls unschädlich (vgl. Armbrüster, a.a.O., Rn. 127a). Die erteilte Belehrung ist hinsichtlich Inhalt und Umfang nicht zu beanstanden. Anders als der Kläger meint, sind keine detaillierten Ausführungen zu den Voraussetzungen der Rechte des Versicherers bei Falschangaben erforderlich, da die Belehrung lediglich eine Warnfunktion erfüllen muss, aber keinen Rechtsrat ersetzen kann und soll (vgl. Armbrüster, a.a.O., Rn. 131 f.; Langheid, a.a.O., Rn. 119). Diesen Anforderungen wird die unmittelbar vor den Gesundheitsfragen erteilte Belehrung gerecht, da dem Versicherungsnehmer vor Augen geführt wird, dass der Versicherer bei unvollständigen oder unwahren Angaben vom Vertrag zurücktreten, den Vertrag kündigen oder anpassen und die Versicherungsleistung ganz oder teilweise verweigern kann. Damit sind alle Varianten des § 19 VVG abgedeckt.
17
Nach alledem ist der Versicherungsvertrag durch den Rücktritt der Beklagten beendet und dem Kläger steht kein Anspruch auf Auskehrung von Leistungen oder Auskunftserteilung zu Überschüssen zu. Ob darüber hinaus auch die Voraussetzungen für eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung vorliegen, kann letztlich dahinstehen. Somit kann ebenfalls offen bleiben, ob der Kläger die falsche Antwort in dem Wissen gegeben hat, dass die Beklagte den Antrag bei wahrheitsgemäßer Beantwortung nicht angenommen hätte.
18
Der Kläger hat ebenso wenig einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten, da sich die Beklagte mit der Auszahlung einer nicht geschuldeten Leistung nicht in Verzug befunden haben kann. Andere Anspruchsgrundlagen sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
19
Die Klage war vollumfänglich abzuweisen.
III.
Nebenentscheidungen
20
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
21
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.
22
Der Streitwert des Zahlungsbegehrens (Antrag 1c) war auf 43.124,20 € zu bestimmen (§ 3 ZPO). Der Antrag Ziffer 2 war gemäß § 9 S. 1 ZPO mit dem 3,5-fachen Betrag des Jahreswertes [(1.300,00 € Rente + 270,52 € Beitragsbefreiung Bruttoprämie) × 12 Monate × 3,5 =], mithin 65.961,84 € zu bemessen. Den Feststellungsantrag beziffert das Gericht nach dem wirtschaftlichen Interesse des Klägers in Übereinstimmung mit dem Berechnungsweg der Klagepartei mit 20 % des vorgenannten Betrages, mithin 13.192,37 €. Aus der Addition der vorgenannten Beträge (§ 5 ZPO) errechnet sich ein Betrag in Höhe von 122.278,41 €. Dieser Betrag war zur Berücksichtigung des wirtschaftlichen Wertes der darüber hinaus eingeforderten Überschussbeteiligung (vgl. Anträge 1a und 1b) maßvoll zu erhöhen, sodass eine Festsetzung auf insgesamt 125.000,00 € sachgerecht erscheint. Zinsen und vorgerichtliche Anwaltskosten sind gemäß § 4 Abs. 1 ZPO streitwertneutral.