Titel:
Abschalteinrichtung, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, Schädigungsvorsatz, Sekundäre Darlegungslast, Streitwertfestsetzung, Vollstreckbarerklärung, Entscheidung des Berufungsgerichts, Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, Aussicht auf Erfolg, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Kostenentscheidung, Zwangsvollstreckung, Zug-um-Zug, Klagepartei, Außergerichtliche Rechtsverfolgung, Kosten des Berufungsverfahrens, Unsichere Rechtslage, Beweisbeschlüsse, Landgerichte, Zurückweisung
Schlagworte:
Berufungszurückweisung, Thermofenster, Abschalteinrichtung, Schädigungsvorsatz, Kaltstartheizen, Streitwertfestsetzung
Vorinstanz:
LG Ansbach vom 18.06.2021 – 3 O 388/21
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 07.05.2025 – VIa ZR 673/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 68792
Tenor
1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts Ansbach vom 18.06.2021, Aktenzeichen 3 O 388/21, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Ansbach und dieser Beschluss sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leiste
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 31.874,62 € festgesetzt.
Gründe
1
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Ansbach vom 18.06.2021, Aktenzeichen 3 O 388/21, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angegriffenen Urteil des Landgerichts Ansbach vom 18.06.2021 (Bl. 315ff d.A.) Bezug genommen (§ 522 Abs. 2 S. 4 ZPO).
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Im Berufungsverfahren beantragt der Kläger:
I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei Euro 31.874,62 nebst Zinsen aus Euro 31.874,62 hieraus in Höhe von 5% Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 18.02.2021 zu bezahlen, Zug-um-Zug gegen die Übereignung und Herausgabe des PKW Typs BMW 220d, FIN: …56.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei Euro 9.260,54 Deliktszinsen zu bezahlen, Zug-um-Zug gegen die Übereignung und Herausgabe des PKW Typs BMW 220d, FIN: …56.
III. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des in Antrag I. genannten Fahrzeugs seit dem 19.02.2021 in Verzug befindet.
IV. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von Euro 2.017,65 vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten freizustellen.
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Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
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Die Berufung ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, weil sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Zur Begründung und zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf die Gründe in den Hinweisen vom 09.09.2021 (Bl. 576 d.A.) sowie vom 14.10.2021 (Bl. 638ff d.A.). Die hierzu abgegebenen Stellungnahmen der Klagepartei in den Schriftsätzen vom 15.09.2021 (Bl. 605ff d.A.) und vom 29.10.2021 (Bl. 648f d.A.) rechtfertigen keine andere Bewertung.
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1. Der Bundesgerichtshof hat in vier Entscheidungen vom 16.09.2021 (Az.: VII ZR 190/20, VII ZR 286/20, VII ZR 321/20 und VII ZR 322/20) zu der Frage, ob der Einbau eines Thermofensters eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt, Stellung genommen. In der hierzu herausgegebenen Pressemitteilung vom 16.09.2021 heißt es, dass zugunsten der dortigen Kläger jeweils in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unterstellt wurde, dass eine temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 S. 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zu qualifizieren ist. Weiter wird ausgeführt, dass „bei einer Abschalteinrichtung, die – wie hier – im Grundsatz auf dem Prüfstand in gleicher Weise arbeitet wie im realen Fahrbetrieb und bei der die Frage der Zulässigkeit nicht eindeutig und unzweifelhaft beantwortet werden kann, bei Fehlen sonstiger Anhaltspunkte nicht ohne Weiteres unterstellt werden könne, dass die für die Beklagte handelnden Personen in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen“. Weiterhin fehle es am erforderlichen Schädigungsvorsatz.
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Diese vier Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zeigen, dass dieser die Frage zum Thermofenster grundsätzlich entschieden hat. Soweit der Kläger weitere Abschalteinrichtungen vorgetragen hat, sind diese nach Ansicht des Senates, wie bereits im Hinweis ausgeführt, einem Thermofenster wertungsgemäß vergleichbar, da auch diese Abschalteinrichtungen sowohl im Real- als auch im Prüfstandbetrieb funktionieren würden und nicht dargetan ist, dass deren Einsatz als evident unzulässig durch die für die Beklagte handelnden Personen erkennbar war. Im Beschluss vom 29.09.2021, Az. VII ZR 126/21 (BeckRS 2021, 33038) führt der Bundesgerichtshof aus, dass „das Kriterium der Prüfstandbezogenheit grundsätzlich geeignet ist, um zwischen nur unzulässigen Abschalteinrichtungen und solchen, deren Implementierung die Kriterien einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung erfüllen können, zu unterscheiden.“
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2. Auch im Hinblick auf den subjektiven Tatbestand hat der Senat im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bereits ausgeführt, dass im Hinblick auf die unsichere Rechtslage von einem Schädigungsvorsatz nicht ausgegangen werden kann. In der Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 16.09.2021 heißt es zum Schädigungsvorsatz: „Allein aus der – unterstellten – objektiven Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung in Form des Thermofensters folgt kein Vorsatz hinsichtlich der Schädigung der Fahrzeugkäufer. Im Hinblick auf die unsichere Rechtslage – hinsichtlich des unstreitig in den Fahrzeugen der Kläger verbauten Thermofenster fehlt es bis heute an einer behördlichen Stilllegung oder einem Zwang zu Umrüstungsmaßnahmen – war nicht dargetan, dass sich den für die Beklagte tätigen Personen die Gefahr einer Schädigung des Klägers hätte aufdrängen müssen (vgl. Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 16.09.2021).
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3. Die zitierten Beweisbeschlüsse hat der Senat zur Kenntnis genommen. Der Senat hat sich jedoch mit dem Vorbringen des Klägers im hier zu entscheidenden Fall auseinandergesetzt und dieses in seinem Hinweis umfassend gewürdigt und bewertet.
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4. Zu der Problematik des Kaltstartheizens hat der Senat im Hinweis vom 14.10.2021 bereits Stellung genommen. Soweit die Klagepartei auf das Urteil des Landgerichts Augsburg, Az. 31 O 2409/20 Bezug nimmt, bewertet der Senat, wie in den oben zitierten Hinweisen ausführlich dargelegt, die Situation rechtlich anders und geht insbesondere nicht von einer sekundären Darlegungslast der Beklagten aus.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeitserklärung folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO, § 47 GKG.