Inhalt

LG Bamberg, Endurteil v. 23.12.2021 – 1 HK O 16/20
Titel:

Gesellschaftsvertrag, Rechtsmißbrauch, Pfändungsbeschlüsse, Anmeldung zum Handelsregister, Gesellschafterversammlung, Gesellschafterstellung, Gesellschafterbeschluss, Ausscheidender Gesellschafter, persönlich haftender Gesellschafter, Pfändungsbeschluß des Landgerichts, Pfändungs- und Überweisungsbeschluß, Pfändung des Gesellschaftsanteils, Fehlende Prozeßvollmacht, Drittschuldner, Kommanditanteil, Zustellung des Arrestbefehls, Handelsregisteranmeldung, Übernahmeerklärung, Feststellungsklage, Ersatzzustellung

Schlagworte:
Postulationsfähigkeit, Geschäftsführerin, Prozessvollmacht, Pfändung, Gesellschaftsvertrag, Wiederaufnahmeanspruch
Rechtsmittelinstanzen:
OLG Bamberg, Urteil vom 28.03.2024 – 11 U 54/22
OLG Bamberg, Berichtigungsbeschluss vom 17.05.2024 – 11 U 54/22
BGH Karlsruhe vom -- – II ZR 51/24
Fundstelle:
BeckRS 2021, 68679

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, an der Anmeldung zum Handelsregister der T. GmbH & Co. KG (HRA XXXX) beim Amtsgericht Bamberg mitzuwirken: 
Der Kommanditist XXXXXXXX, geboren am XXXXXXXX, (Einlage 7669,38 €) ist aus der Gesellschaft ausgeschieden.
Die Gesellschaft wird unter der bisherigen Firma unter den verbliebenen Gesellschaftern fortgeführt. 
2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 8.500 € vorläufig vollstreckbar.  
Beschluss
Der Streitwert wird auf 7.669,38 € festgesetzt.  

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um die Mitwirkung der Beklagten bei der Handelsregisteranmeldung des umstrittenen Ausscheidens des Beklagten zu 5) aus der T. GmbH & Co. KG.
2
Die T. GmbH & Co. KG (nachfolgend: die KG) ist im Handelsregister beim Amtsgericht Bamberg unter HRA … eingetragen, Unternehmensgegenstand ist die Vermögensverwaltung (Handelsregisterauszuganlage K1, Gesellschaftsvertrag Anlage K2). Die Geschäfte der T. GmbH & Co. KG werden durch die persönlich haftende Gesellschafterin, die Klägerin, geführt.
3
Als Kommanditisten waren im September 2019 eingetragen:

- Frau D.

46.016,27 Euro

- Frau M.

46.016,27 Euro

- Beklagte zu 1.

46.016,27 Euro

- Beklagte zu 2.

15.338,76 Euro

- Beklagte zu 3.

15.338,76 Euro

- Beklagte zu 4.

7.669,38 Euro

- Beklagte zu 5.

7.669,38 Euro

4
Der Gesellschaftsvertrag (Anlage K2) enthält unter in § 10 nachfolgende Regelung:
„Kündigung der Gesellschaft
und Ausscheiden von Gesellschaftern
Kündigt ein Gesellschafter, so scheidet dieser aus. Die anderen Gesellschafter haben das Recht, die Gesellschaft fortzuführen. Zunächst haben die Mitglieder des zugehörigen Familienstammes, und hier wiederum zunächst die Abkömmlinge, das Recht, den Anteil zu übernehmen.
Die Übernahmeerklärung der von Fall zu Fall Berechtigten muß jeweils innerhalb einer Ausschlußfrist von zwei Monaten der Gesellschaft schriftlich zugegangen sein.
Dem Kündigenden ist binnen vier Jahren in jährlichen gleichen Raten zum Schluß des Jahres sein buchmäßiger Kapitalanteil nebst Darlehens- und Sonderkonto als Abfindungssumme auszuzahlen. Die Gesellschaft kann eine angemessene Verlängerung des Auszahlungszeitraumes verlangen, wenn die Abfindungssumme für den ausscheidenden Gesellschafter mehr als DM 100.000,- beträgt.
Ein Anteil am Firmenwert und den stillen Reserven steht ihm im übrigen nicht zu. Sicherheitsleistungen wegen etwaiger Inanspruchnahme seitens der Gesellschaftsgläubiger oder Befreiung von Geschäftsschulden kann der Kündigende nicht verlangen. Das gleiche gilt im Falle der Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten eines Gesellschafters entsprechend der Bestimmung des vorletzten Absatzes dieses Paragraphen.
Die Gesellschaft ist berechtigt, die Auszahlung der Abfindungssumme und des Darlehensguthabens schon früher nach ihrem Ermessen ganz oder teilweise vorzunehmen.
Gibt ein Gesellschafter den übrigen Gesellschaftern Anlaß, die Auflösung der Gesellschaft aus einem wichtigen Grunde zu verlangen, so sind die übrigen Gesellschafter berechtigt, statt der Auflösung der Gesellschaft die Ausschließung des schuldigen Gesellschafters herbeizuführen und die Gesellschaft unter sich unter Abfindung des auszuschließenden Gesellschafters wie bei Kündigung nach Absatz 1 oben fortzusetzen. Die übrigen Gesellschafter können zu diesem Zweck dem Auszuschließenden einstimmig kündigen. Wird ein dementsprechender Beschluss nicht erreicht, so kann jeder persönlich haftende Gesellschafter in diesem Falle eine gerichtliche Entscheidung über den Ausschluß des betreffenden Gesellschafters, bei dem der wichtige Grund vorliegt, herbeiführen.
Wird über das Vermögen eines Gesellschafters das Konkursverfahren oder ein Vergleichsverfahren eröffnet oder die Beteiligung eines Gesellschafters durch einen Privatgläubiger gepfändet, so scheidet er mit der Eröffnung des Konkurs- bzw. Vergleichsverfahrens oder dem Tage der Pfändung des Gesellschaftsanteils aus der Gesellschaft nach obigen Bestimmungen aus.
…“
5
Mit Beschluss vom 23.09.2019 (Aktenzeichen 3 HKO 5998/19) erließ das Landgericht Nürnberg-Fürth auf Antrag des Insolvenzverwalters … einen Arrestbefehl (Anlage K3) gegen den Beklagten zu 5), in dessen Vollziehung der Kommanditanteils des Beklagten zu 5) gepfändet wurde (Anlage K3).
6
Am 18.10.2019 informierte die Klägerin die Mitgesellschafter darüber, dass der Gesellschaftsanteil des Beklagten zu 5) gepfändet worden sei und dieser nach ihrer Rechtsauffassung nach § 10 des Gesellschaftsvertrages der Beklagte zu 5) mit dem Tage der Pfändung aus der Gesellschaft ausgeschieden sei (E-Mail vom 18.10.2019, Anlage K4).
7
Mit Schreiben vom 18.10.2019 äußerte Rechtsanwalt … für den Beklagten zu 3) die Auffassung, dass die Pfändung des Gesellschaftsanteils des Beklagten zu 5) wegen einer vorausgehenden Abtretung ins Leere gehen würde (Anlage K5). Am 28. 10. 2019 ging bei der KG eine „Übernahmeerklärung“ der Beklagten zu 1-4 gegenüber der KG ein (Anlage K6).
8
Am 02.12.2019 wurde der KG ein Pfändungsbeschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 20.11.2019 durch Gerichtsvollzieher zugestellt (Anlage K7) an …, einer Angestellten der T. GmbH.
9
Mit E-Mail vom 19.02.2020 (Anlage K8) wurden sämtliche Gesellschafter seitens der KG darüber informiert, dass ein Ausscheiden des Beklagten zu 5) vorliege. Mit E-Mail vom 19.02.2020 wies der Beklagte zu 5) auf eine vorgetragene vorhergehende Abtretung sowie die Übernahmeerklärung der Beklagten zu 1-4) hin (Anlage K9).
10
Mit E-Mail vom 20.02.2020 wurde der Beklagte zu 5) seitens der KG aufgefordert, die Abtretung bis zum 24.02.2020 nachzuweisen (Anlage K 10).
11
Durch Verpflichtungserklärungen vom 25.02.2020 (Anlage K 11) erklärten sich neben der Klägerin die Kommanditistinnen D. und M. rechtsverbindlich zur Handelsregisteranmeldungen der streitgegenständlichen Änderungen bereit.
12
Mit Schreiben vom 20.05.2020 erklärte der Insolvenzverwalter … gegenüber der T. GmbH, dass aus dem dieser als Drittschuldner zugestellten Arrestbefehl gegen den Beklagten zu 5) vom 23.09.2019 keinerlei Rechte mehr hergeleitet werden (Anlage B2)
13
Die Klägerin behauptet, dass der Arrestbefehl (Anlage K3) der KG am 30.09.2019 und der Pfändungsbeschluss (Anlage K7) am 02.12.2019 rechtlich wirksam zugestellt worden sei.
14
Die Klägerin ist der Rechtsauffassung, dass neben § 108 HGB aus dem Gesellschaftsverhältnis eine privatrechtliche Verpflichtung eines jeden Gesellschafters zur Mitwirkung bei einer Anmeldung zum Handelsregister bestehe.
15
Die Klägerin meint, dass der Beklagte zu 5) automatisch nach § 131 Abs. 3 Satz 1 Nummer 5 HGB in Verbindung mit § 10 Abs. 7 des Gesellschaftsvertrages am Tage der Pfändung seines Gesellschaftsanteils aus der Gesellschaft ausgeschieden sei.
16
Durch die zwei Pfändungen des Kommanditanteils des Beklagten zu 5), durch Zustellung des Arrestbefehls vom 23.09.2019 (Anlage K3) und durch Zustellung des Pfändungsbeschlusses vom 20.11.2019 (Anlage K7) lägen die Voraussetzungen nach § 10 Abs. 7 des Gesellschaftsvertrages der KG zum Ausscheiden vor.
17
Eine Übernahmemöglichkeit durch andere Mitglieder des Familienstamms sei nicht möglich und auch nicht vorgesehen.
18
Sowohl der Arrestbeschluss (Anlage K7) als auch der Pfändungsbeschlusses (Anlage K7) sei ordnungsgemäß zugestellt. … nehme als Angestellte der T. GmbH regelmäßig Postsendungen/Zustellungen für die KG, die sich mit der T. GmbH die Büroräume teile, entgegen.
19
Die Klägerin vertritt die Rechtsauffassung, dass die Ausscheidensklausel in § 10 Abs. 7 des Kommanditgesellschaftsvertrages wirksam sei. Eine Klausel ohne Aufhebungsfrist sei wirksam. Der Gläubiger des Beklagten zu 5) habe erst mit Schreiben vom 20.05.2020 (Anlage B2) erklärt, dass er wegen Befriedigung keine Rechte mehr aus dem Titel und dem Pfändungsbeschluss herleite. Daher seien seit Zustellung des Arrests 7 Monate und 20 Tage vergangen. § 10 Absatz 7 sehe ein automatisches Ausscheiden vor.
20
Eine Mitteilungspflicht der Klägerin gegenüber dem Beklagten zu 5) bestehe nicht. Ebenso wenig bestehe eine Übernahmemöglichkeit durch Mitglieder des Familienstamms im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 2 Abs. 2. Diese Übernahmemöglichkeit sei ausschließlich für den Fall der Kündigung vorgesehen. Die Verweisung nach den obigen Bestimmungen beziehe sich auf die Abfindungsregelungen in § 10 Abs. 3, Abs. 4 und Abs. 5. Auch Gläubigerschutzgesichtspunkte sprächen gegen die Anwendung der Übernahmemöglichkeit auf den Fall der Pfändung.
21
Die Klägerin meint, dass kein Rechtsmissbrauch vorliege. Die von der Beklagten angeführte Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 1959, 1683) führen nicht dazu, dass eine Eintragung des Ausscheidens des Beklagten zu 5) zu unterbleiben habe. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme nicht vor. Des Weiteren sei ein angeblicher Wiederaufnahmeanspruch nicht zumutbar aufgrund des Verhaltens des Beklagten zu 5), welches Grundlage des Verfahrens 2 HKO 9/17 Landgericht Bamberg gewesen sei.
22
Die Klägerin trägt vor, dass widerstreitende Interessen des Rechtsanwalts R. nicht vorlägen. In den Gesellschafterversammlungen seit 2017 habe R. als neutraler Versammlungsleiter agiert. Grundlage der Rechnungen aus dem Jahr 2015 hinsichtlich anwaltlicher Beratung bezögen sich auf die Abfindungsberechnung hinsichtlich ausscheidenswilliger Gesellschafter. Die Beratung habe sich nicht auf Frau D. privat bezogen, sondern ausschließlich auf die Gesellschaft als KG. Nachdem die damalige Mitgesellschafterin aufgrund des Ergebnisses der Beratung die Bezahlung der Rechnung durch die KG verweigert hätten, sei die Bezahlung zur Streitvermeidung durch Frau D. und ihre Schwester privat erfolgt. Es handele sich um einen Fall des § 267 BGB.
23
Die Klägerin beantragt,
Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, an der Anmeldung zum Handelsregister der T. GmbH & Co. KG (HRA 8512) beim Amtsgericht Bamberg mitzuwirken:
Der Kommanditist …, geboren am …, (Einlage 7669,38 €) ist aus der Gesellschaft ausgeschieden.
Die Gesellschaft wird unter der bisherigen Firma unter den verbliebenen Gesellschaftern fortgeführt.
24
Die Beklagten beantragen
Klageabweisung
25
Die Beklagten rügen die fehlende Prozessvollmacht des Klägervertreters. Sie berufen sich auf die Abberufung der im Handelsregister eingetragenen Geschäftsführerin der Klägerin D. in der Gesellschafterversammlung vom 30.07.2019, welche Gegenstand des Rechtsstreits 1 HK O 33/17 war. Eine ordnungsgemäße Beauftragung des Klägervertreters sei daher nicht mehr möglich gewesen. Aufgrund der Einziehung der Gesellschaftsanteile von D. und M. konnten diese auch keine wirksamen Erklärungen (Anlage K 11) abgeben.
26
Der Beklagte zu 3) trägt vor, dass der Beklagtenvertreter R. widerstreitende Interessen vertrete. Er verweist insoweit auf zwei eidesstattliche Versicherungen (der Beklagten zu 1) und des Beklagten zu 3); Anlage B4). Einer Mandatierung durch die Gesellschaften habe seinerzeit die Beklagte zu 1) als Geschäftsführerin nicht zugestimmt. In den Gesellschafterversammlungen seit 2017 trete Rechtsanwalt R. als Anwalt der Gesellschaften auf, verfolge jedoch nur die persönlichen Interessen der D.. Im Jahr 2015 habe sich D. von Rechtsanwalt R. privat beraten lassen. Der Versuch die diesbezügliche Rechnung von der T. GmbH & Co. KG bezahlen zu lassen, sei von der damaligen Mit-Geschäftsführerin … verweigert worden, worauf die Rechnung dann je zur Hälfte von den variablen Konten der D. und der M. bezahlt wurde. Der Beklagte zu 3) vertritt die Auffassung, dass die Beauftragung unter Anwaltsvertrag daher gemäß § 134 BGB nichtig sei.
27
Der Beklagte zu 3) meint, dass sich aus der Ladung zur Gesellschafterversammlung der T. GmbH & Co. KG vom 17.06.2021 an den Beklagten zu 5) eine Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache ergebe.
28
Die Beklagten meinen, dass die vorliegende Feststellungsklage unzulässig sei, weil eine vorrangige Leistungsklage zu erheben gewesen wäre.
29
Eine wirksame Pfändung sei nicht erfolgt, da der Arrest (Anlage K3), nicht wirksam zugestellt worden sei. Die Zustellung sei an … erfolgt. Diese sei kein Organ der vorbezeichneten Gesellschaften. Dieser Zustellungsmangel sei nicht heilbar.
30
Der Pfändungsbeschluss (Anlage K7) sei unwirksam, weil er ebenfalls nicht wirksam zugestellt worden sei. D. sei aufgrund ihrer Abberufung weder Geschäftsführerin noch Gesellschafterin der KG.
31
Im Pfändungsbeschlusses sei die Drittschuldnerin nicht hinreichend bestimmbar bezeichnet. Die Angabe „T. GmbH & Co. KG, vertreten durch die Komplementärs GmbH, diese vertreten durch die Geschäftsführung“ genüge nicht. Es sei offen welche KG gemeint sei, wie die Komplementärin laute und wer der Geschäftsführer sei.
32
Auch der Gegenstand der Pfändung sei nicht hinreichend bestimmbar. Auf Seite 6 der Anlage K7 heiße es unter „G“ : „auf Pfändung des Geschäftsanteils – Kommanditanteil – des Schuldners bei der Gesellschaft als Drittschuldnerin“. Es sei offen welche Gesellschaft Drittschuldnerin sein solle.
33
Die Beklagten meinen, dass die Ausschlussklausel in § 10 Abs. 7 des Kommanditgesellschaftsvertrages einer Inhaltskontrolle nicht standhalte und deshalb unwirksam sei. Es liege ein Sittenverstoß gemäß § 138 Abs. 1 BGB vor.
34
Es liege jedenfalls eine rechtzeitige Übernahme der Kommanditbeteiligung des Beklagten zu 5) aufgrund der Übernahmeerklärung Anlage K5 und Anlage K6 vor.
35
§ 10 Abs. 7 des Kommanditgesellschaftsvertrages sei so auszulegen, dass auf § 10 Abs. 1 und Abs. 2 verwiesen werde (Blatt 68).
36
Die Beklagten meinen, dass die Klage rechtsmissbräuchlich sei. Zum einen habe der Beklagte zu 5) einen Anspruch auf Wiederaufnahme in die Gesellschaft. Eine Pfändung seines Anteils, so sie denn erfolgt sei, bestehe seit 20.05.2020 nicht mehr. Der öffentlich-rechtliche Vorrang bestehe diesem Fall nicht mehr.
37
Darüber hinaus habe es die Klägerin treuwidrig unterlassen, den Beklagten zu 5) über den Aufnahmeanspruch gegen die übrigen Gesellschafter im Fall des Ausscheidens zu unterrichten, obwohl ihr diese Pflicht zugekommen sei. Insoweit sei in entsprechender Anwendung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 1959, 1683) die Berufung auf das Ausscheiden des Beklagten zu 5) rechtsmissbräuchlich.
38
Das Gericht hat keinen Beweis erhoben.
39
Hinsichtlich der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die sonstigen Aktenteile Bezug genommen.
40
Ebenso wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 03.12.2021 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.
41
Die Klage ist zulässig.
42
1. Die Klägerin ist postulationsfähig. Sie wird durch die Geschäftsführerin D. vertreten. Deren Abberufung ist nicht rechtskräftig festgestellt. Sie konnte daher auch den Rechtsanwalt R. beauftragen. Es kann dahinstehen, ob widerstreitende Interessen bei Rechtsanwalt R. vorliegen und ob diese zu einer Nichtigkeit des Anwaltsvertrages führen. Auch ein denkbarer Verstoß gegen § 34a BRAO würde nicht zu einer Nichtigkeit der Prozessvollmacht führen (OLG Rostock, Urteil vom 20.03.2008 – 3 U 84/08).
43
Die Beauftragung wurde durch die Vorlage der Prozessvollmachten nachgewiesen. Zum Zeitpunkt der Erteilung der Prozessvollmachten für den vorliegenden Rechtsstreit (Blatt 254 der Akte) war D. die einzige Geschäftsführerin der Klägerin (vergleiche Handelsregister des Amtsgerichts Bamberg HRB …).
44
Zum Zeitpunkt der Beauftragung für das vorliegende Verfahren ist die satzungsgemäße Notwendigkeit einer Zustimmung aller Geschäftsführer weder vorgetragen noch nachgewiesen. Die eidesstattliche Versicherung vom 18.07.2019 bezieht sich auf den Zeitpunkt 20.02.2017 und liegt somit vor dem Beschluss vom 23.09.2019. Eine Beauftragung mit dem hiesigen Verfahren wird bereits zeitlich nicht erfasst.
45
2. Ob und inwieweit durch die Bezahlung der Rechnung der Kanzlei … aufgrund der Rechnung vom 04.12.2015 (Anlage B5) ein Abberufungsgrund der Geschäftsführerin D. vorliegt, kann dahinstehen. Eine rechtskräftige Abberufung liegt nicht vor. Eine solche Abberufung müsste durch Gesellschafterbeschluss erfolgen und bedürfte gegebenenfalls einer Überprüfung in einem entsprechenden Verfahren.
46
3. Ein Vorrang der Leistungsklage ist nicht gegeben. Aufgrund der ausdrücklichen Regelung des § 16 Abs. 1 Satz 1 HGB ist eine Feststellungsklage möglich und vorzugswürdig (Münchner Handbuch für das Gesellschaftsrecht, Bd. 7, 6. Aufl., 2020, § 57 Rz. 6).
II.
47
Die Klage ist begründet.
48
Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagten auf Mitwirkung der streitgegenständlichen Anmeldung zum Handelsregister der T. GmbH & Co. KG beim Amtsgericht Bamberg gemäß §§ 164,108 HGB.
49
1. Bereits nach der gesetzlichen Regelung sind im Falle des Ausscheidens eines Kommanditisten aus einer Kommanditgesellschaft die Anmeldungen von sämtlichen Gesellschaftern zu bewirken. Auf die gesellschaftsrechtlichen Regelungen kommt es somit vorliegend – im Hinblick auf die Anmeldungspflicht – nicht an.
50
Aktivlegitimiert ist die H. GmbH als Gesellschafter der KG (Baumbach/Hopt, HGB, 40. Aufl., 2021, § 108 Randziffer 7).
51
2. Der Beklagte zu 5) ist aufgrund von § 10 Abs. 7 des Gesellschaftsvertrages (Anlage K2; nachfolgend: Gesellschaftsvertrag) ausgeschieden.
52
a) Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 7 des Gesellschaftsvertrages liegen vor.
53
aa) Die Beteiligung des Beklagten zu 5) wurde durch den Arrestbefehl vom 23.09.2019 nebst Pfändung (Anlage K3) am 30.09.2019 gepfändet.
54
Es liegt eine rechtlich wirksame Zustellung des Arrestbefehls nebst Pfändung vor.
55
Dieser wurde an …, eine Mitarbeiterin der T. GmbH, zugestellt (Anlage K3). Es ist gerichtsbekannt (insbesondere aus der Zeugeneinvernahme im Gerichtsverfahren 1 HKO 33/19 Landgericht Bamberg, Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26.06.2020, Seite 3), dass … Aufgaben für die KG wahrnehmen konnte. Dies ergibt sich auch inzident auch aus der damaligen Nachfrage des Rechtsanwalts … an die Zeugin ….
56
Die KG und die Klägerin beschäftigen (neben den Organen) keine abhängig Beschäftigten.
57
§ 178 Abs. 1 Nummer 2 ZPO ermöglicht eine Ersatzzustellung in Geschäftsräumen an eine dort beschäftigte Person. Die Geschäftsräume der KG, der Klägerin und der T. GmbH sind identisch. Ein entgeltliches Dienstverhältnis ist für … als beschäftigte Person nicht erforderlich. Eine bloß vorübergehende Aushilfstätigkeit liegt nicht vor. Daher war nach Auffassung der Kammer eine Ersatzzustellung möglich.
58
Auf eine Heilung gemäß § 189 ZPO kommt es somit nicht mehr an.
59
bb) Der Pfändungsbeschluss wurde an die gesetzliche Vertreterin der Drittschuldnerin, die Geschäftsführerin D., als Zustellungsempfängerin zugestellt (Anlage K7).
60
Hinsichtlich der Eigenschaft der D. als Geschäftsführerin der Klägerin wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
61
Im Pfändungsbeschluss ist die Drittschuldnerin hinreichend bestimmbar bezeichnet. Eine Verwechslung der T. GmbH & Co. KG ist angesichts von Namen und Firmensitz nicht möglich. Die Komplementärs-GmbH sowie deren Geschäftsführung ist feststellbar.
62
Auch der Gegenstand der Pfändung ist hinreichend bestimmbar. Die Ergänzung „Kommanditanteil“ bezeichnet den Geschäftsanteil näher. Es ist auch klar, dass die Ansprüche des Beklagten zu 5) als Kommanditist am Gesellschaftsvermögen der KG gepfändet werden.
63
cc) Damit schied der Beklagte zu 5) mit dem 02.12.2019 aus der KG aus.
64
b) § 10 Abs. 7 des Gesellschaftsvertrages ist wirksam.
65
§ 131 Abs. 3 Satz 1 Nummer 5 HGB regelt, dass der Gesellschafter bei Eintritt weiterer im Gesellschaftsvertrag vorgesehener Fälle aus der Gesellschaft ausscheidet.
66
Es liegt kein Verstoß gegen § 138 Abs. 1 BGB vor.
67
Theoretische Erwägungen zu irrtümlichen Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen vermögen keinen Verstoß der Klausel gegen § 138 Abs. 1 BGB zu begründen.
68
Auch der (theoretische) Fall einer raschen Befriedigung des Gläubigers liegt nicht vor.
69
Dass die vorliegende gesellschaftsrechtliche Regelung keine Einschränkung dahingehend enthält, nach der der Pfändung zugrunde liegende Beschluss nicht innerhalb einer bestimmten Frist aufzuheben wäre, führt nicht zur Sittenwidrigkeit von § 10 Abs. 7 des Gesellschaftsvertrages.
70
Nach Auffassung der Kammer ergibt sich dies nicht aus der angegebenen Fundstelle (Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, Handelsgesetzbuch, 4. Aufl., 2020, § 135 Rz. 27).
71
Der Bundesgerichtshof hat in einer älteren Rechtsprechung (NJW 1975, 1835) eine vergleichbare Klausel für eine GmbH für wirksam erklärt. Die Kammer achtet diese Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall einer KG als übertragbar an. Ein Verstoß gegen die guten Sitten liegt durch die vorliegende Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags nicht vor. Das Interesse der Gesellschaft und der übrigen Gesellschafter, dass der Gläubiger als Dritter nicht über die Geschicke der Gesellschaft mitentscheidet, ist zu berücksichtigen. Aufgrund des Zeitablaufs bis zu dem der Gläubiger mitteilte, dass er wegen Befriedigung keine Rechte mehr aus dem Pfändungsbeschlusses herleite, kann die Kammer im vorliegenden Fall keine unangemessene Härte für den Beklagten zu 5) erkennen.
72
c) Eine der Pfändung vorangegangene Abtretung des Gesellschaftsanteils des Beklagten zu 5) ist nicht nachgewiesen.
73
d) Eine Übernahme der Gesellschaftsanteile des Beklagten zu 5) durch andere Gesellschafter aus seinem Familienstamm ist nicht möglich.
74
Nach Auffassung der Kammer ist eine Übernahmemöglichkeit nach § 10 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages nicht für den vorliegenden Fall vorgesehen.
75
Bei Auslegung des vorliegenden Vertrages sieht § 10 Abs. 7 des Gesellschaftsvertrages ein unmittelbares Ausscheiden am Tage der Pfändung des Gesellschaftsanteils vor. Die Frist für die Übernahmeerklärung geht daher ins Leere, was ein gewichtiges Indiz für das Fehlen einer Übernahmemöglichkeit im vorliegenden Fall ist.
76
Die Formulierung „nach obigen Bestimmungen“ bezieht sich daher lediglich auf die Abfindungsregelungen § 10 Abs. 3 bis 5 des Gesellschaftsvertrages. Zwar könnte der Wortlaut auch auf die Abs. 1 und 2 verweisen, jedoch würde dies einen Widerspruch zur Regelung des sofortigen Ausscheidens darstellen. Eine Differenzierung zwischen einer Kündigung und dem Verlust der Gesellschafterstellung aufgrund von Pfändung ist nicht sittenwidrig. Das oben dargestellte Interesse der Gesellschaft und der übrigen Gesellschafter an einem Ausschluss Dritter an gesellschaftsrechtlichen Entscheidungen sowie der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit durch unmittelbares Ausscheiden sind nachvollziehbare Differenzierungspunkte. Gläubigerschutzgesichtspunkte können daher dahinstehen.
77
e) Das Berufen auf das Ausscheiden des Beklagten zu 5) ist nicht rechtsmissbräuchlich.
78
Dem Beklagten zu 5) könnte aufgrund des sofortigen Ausscheidens aus der Gesellschaft ein Anspruch auf Wiederaufnahme zu stehen. Die Pfändung des Anteils besteht seit 20.05.2020 aufgrund der Erklärung des Insolvenzverwalters (Anlage B2) nicht mehr.
79
Aufgrund des Vorrangs der öffentlich-rechtlichen Anmeldepflichten ist nach Auffassung der Kammer das sofortige Ausscheiden des Beklagten zu 5) einzutragen, unabhängig von einem Anspruch auf Wiederaufnahme. Dies ergibt sich nach Auffassung der Kammer auch aus einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 15. Juni 1959 – II ZR 44/58).
80
Auch der Gesichtspunkt eines venire contra faktum proprium (§ 242 BGB) greift vorliegend nicht durch. Die Frage der Wiederaufnahme ist im Verhältnis zu allen Mitgesellschaftern zu klären. Nicht sämtliche Mitgesellschafter sind am vorliegenden Verfahren beteiligt.
81
Die Frage, ob den Mitgesellschaftern eine Wiederaufnahme des Beklagten zu 5) zumutbar ist, kann daher dahinstehen.
III.
82
Eine Erledigung des Rechtsstreits ist durch die Ladung des Beklagten zu 5) zur Gesellschafterversammlung der KG nicht eingetreten.
83
Aus der Ladung des Beklagten zu 5) zur Gesellschafterversammlung der KG kann nicht geschlossen werden, dass die Klägerin bzw. deren Geschäftsführerin die im hiesigen Verfahren vertretenen tatsächlichen und rechtlichen Auffassungen aufgegeben hat. Es ist nachvollziehbar, dass aufgrund des offenen Rechtsstreits eine Ladung höchst vorsorglich erfolgt ist.
IV.
84
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
V.
85
Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 Abs. 1 ZPO.