Inhalt

OLG München, Beschluss v. 27.09.2021 – 27 U 1463/21
Titel:

Sittenwidrigkeit, Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung, Gegenerklärung, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Abweichender Rechtssatz, Abschalteinrichtung, Abänderung, Kosten des Berufungsverfahrens, Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, Landgerichte, Tatrichterliche Würdigung, Kostenentscheidung, Rechtsmittel, Sicherheitsleistung, Amtliche Auskunft, Schädigungsvorsatz, Berufungsinstanz, Prozeßbevollmächtigter, Beschlußverfahren, Streitwert

Schlagworte:
Schadensersatzanspruch, Diesel-Pkw, Abgasrückführungssystem, Sittenwidrige Schädigung, Thermofenster, Prüfstandserkennung
Vorinstanz:
LG Augsburg, Urteil vom 16.02.2021 – 21 O 1969/20
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 04.03.2025 – VIa ZR 388/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 68570

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 16.02.2021, Aktenzeichen 021 O 1969/20, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Augsburg und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 43.887,82 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Erwerb eines gebrauchten Diesel-Pkw.
2
Die Beklagte ist eine Auto- und Motorenherstellerin in S. Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 11.04.2014 von der Beklagten ein Gebrauchtfahrzeug ML 350 BlueTEC 4MATIC, ausgestattet mit einem Dieselmotor OM 642, Abgasnorm Euro 6, zum Preis von 56.000,00 €. Das Fahrzeug ist mit einem Abgasrückführungssystem ausgestattet, bei dem zur Reduzierung umweltschädlicher Stickoxid-(NOx-)Emissionen ein Teil der beim Verbrennungsvorgang entstehende Gase zur erneuten Verbrennung in das Ansaugsystem des Motors zurückgeleitet wird. Darüber hinaus verfügt das streitgegenständliche Fahrzeug über ein SCR-System nebst AdBlue-Tank.
3
Im Übrigen wird hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes und der Anträge erster Instanz auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Augsburg vom 16.02.2021 Bezug genommen.
4
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
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Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe die Voraussetzungen einer vorsätzlichen sittenwidrige Schädigung gemäß § 826 BGB durch die Beklagte nicht dargelegt. Weder das vom Kläger beanstandete sogenannte Thermofenster, noch die weiter gerügten Funktionen der Kühlmittelsolltemperaturregelung mit Prüfstandserkennung und behauptete Manipulationen des On Board Diagnosesystems (OBD) belegten hinreichende Anhaltspunkte für eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Fahrzeugkäufer durch die Beklagte.
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Die europäischen Zulassungsregelungen seien keine Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB.
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Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, der in der Berufungsinstanz beantragt,
1.
Die Beklagte wird unter Abänderung des am 16.02.2021 verkündeten Urteils des Landgerichts Augsburg, Az: 021 O 1969/20 verurteilt, an die Klagepartei € 43.887,82 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs Mercedes-Benz ML 350 BlueTEC 4MATIC mit der Fahrzeugidentifikationsnummer …70.
2.
Unter Abänderung des am 16.02.2021 verkündeten Urteils des Landgerichts Augsburg, Az: 021 O 1969/20, wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs Mercedes-Benz ML 350 BlueTEC 4MATIC mit der Fahrzeugidentifikationsnummer …70 im Annahmeverzug befindet.
3.
Die Beklagte wird unter Abänderung des am 16.02.2021 verkündeten Urteils des Landgerichts Augsburg, Az: 021 O 1969/20, verurteilt, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 1.706,94 freizustellen.
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Zur Begründung seines Rechtsmittels führt der Kläger im Wesentlichen aus, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft die Klage abgewiesen und einen Anspruch des Klägers aus § 826 BGB zu Unrecht verneint. Die Steuerung des streitgegenständlichen Fahrzeugs weise nicht nur ein sogenanntes Thermofenster auf, das unzulässig sei, sondern sei auch mittels einer Kühlmittelsolltemperaturregelung, die nur auf dem Prüfstand eingreife, manipuliert. Gleiches gelte hinsichtlich des OBD-Systems des Fahrzeugs, das erhöhte Schadstoffemissionen nicht als Störung melde.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvortrags wird auf die Berufungsbegründung vom 12.05.2021 Bezug genommen.
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Die Beklagte beantragt in der Berufungsinstanz,
die Berufung zurückzuweisen.
II.
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Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 16.02.2021, Aktenzeichen 021 O 1969/20, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
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Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen. Der Senat bleibt bei seiner im Hinweis vom 30.07.2021 ausführlich dargelegten Rechtsauffassung, auf die gemäß § 522 Abs. 2 S. 3 ZPO Bezug genommen wird.
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Die in der Gegenerklärung des Klägers vom 15.09.2021 enthaltenen Ausführungen wiederholen im Wesentlichen den bisherigen Vortrag und zeigen neue Aspekte nicht auf.
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Lediglich ergänzend ist zur Gegenerklärung des Klägers folgendes anzumerken:
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1. Die Beanstandung auf Seite 2 der Gegenerklärung, die im Hinweis des Senats zitierte Textpassage sei unter der angegebenen Adresse auf der Homepage des KBA nicht aufzufinden, trifft nicht zu, wie eine erneute Überprüfung am 22.09.2021 durch den Senat ergeben hat.
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Soweit der Kläger sodann auf Seite 3 seiner Stellungnahme aus der Anlage K 7 zitiert, dass das streitgegenständliche Fahrzeug zur „Entfernung unzulässiger Abschalteinrichtungen bzw. der unzulässigen Reduzierung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems“ einem überwachten Rückruf unterliege, bestätigt sich gerade die im Senatshinweis aufgeworfene Frage der Ungewissheit des Grundes für den Rückruf durch das KBA.
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In der Folge (Gegenerklärung, S. 3/4) konkretisiert der Kläger dies dahin, dass der Rückruf durch das KBA insbesondere im Hinblick auf die temperaturgesteuerte Dosierung des Harnstoffs AdBlue erfolgt sei, was sich auch aus dem klägerischen Schriftsatz vom 14.12.2020 in Verbindung mit den dazu vorgelegten Anlagen ergebe.
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Insofern wurde bereits auf Seite 6 f. des Senatshinweises vom 30.07.2021 dargelegt, weshalb sich aus der vom KBA offensichtlich als unzureichend beanstandeten Dosierstrategie hinsichtlich der eingesetzten Harnstofflösung keinerlei Anhaltspunkte für ein objektiv sittenwidriges Vorgehen der Beklagten ergeben. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Beklagte zur Rechtfertigung ihrer Dosierstrategie die Verhinderung eines Austritts von umweltschädlichen Stoffen (hier:Ammoniak) anführen konnte.
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2. Soweit der Kläger nach wie vor die Auffassung vertritt (Gegenerklärung, S. 6 – 9), Manipulationen der Beklagten hinsichtlich des eingesetzten OBD belegten eine sittenwidrige Strategie der Beklagten, teilt der Senat diese Einschätzung weiterhin nicht. Zunächst wird hierzu auf Seite 5 des Senatshinweises vom 30.07.2021 verwiesen.
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In seiner Gegenerklärung führt der Kläger dazu an, Grundlage der Einführung des Systems sei ursprünglich die Überlegung gewesen, dass es nicht ausreiche, allein bei der Zulassung die Abgasvorschriften einzuhalten, sondern die Dauerhaltbarkeit über eine Laufleistung von 160.000 km nachgewiesen werden müsse.
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Gegen dieses Argument ist nichts anzuführen, soweit es um die technisch einwandfreie und fehlerlose Funktion von Einrichtungen des Fahrzeugs geht, die der Reduzierung und Kontrolle von Emissionen dienen. In diesem Sinne ist etwa als Fehler anzuzeigen (und zu speichern), wenn hierfür benötigte Messfühler oder der Abgasrückführung bzw. AdBlue-Einspritzung dienende Bauteile infolge eines Defekts ausfallen oder fehlerhaft arbeiten.
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Damit nicht verbunden ist jedoch die Anforderung, dass das OBD während des realen Fahrbetriebs in jedem Einzelfall anzeigt (und im Fehlerspeicher hinterlegt), wenn die im Prüfzyklus einzuhaltenden Emissionswerte beispielsweise aufgrund der herrschenden Umgebungstemperaturen, eines Überholvorgangs, während des Erklimmens einer Passhöhe oder bei schneller Autobahnfahrt überschritten werden.
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Dass der Kläger in diesem Zusammenhang eine pflichtgemäße Information der Beklagten gegenüber dem KBA hinsichtlich der Funktionsweise des OBD-Systems mit Nichtwissen bestreitet, kann eine Pflichtverletzung seitens der Beklagten schon deshalb nicht begründen, da diese zur Zeit der Typgenehmigung des streitgegenständlichen Fahrzeugs im Rahmen des Genehmigungsverfahrens zu solchen Angaben nicht verpflichtet war. Zu den Emissionsstrategien des streitgegenständlichen Fahrzeugtyps waren im Rahmen der Typgenehmigung nämlich keine Angaben des Herstellers im sogenannten Beschreibungsbogen gefordert. Die genaue Beschreibung der Emissionsstrategien wurde vielmehr erst ab 16.05.2016 mit der Verordnung (EU) 2016/646 eingeführt, was auch in eingereichten amtlichen Auskünften des Kraftfahrtbundesamts in beim Senat anhängigen Parallelverfahren so bestätigt wurde.
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3. Soweit die Berufung darauf beharrt (Gegenerklärung S. 8/9), es lasse sich entgegen der Auffassung des Senats in Klarheit der Gesetzesbegründung der VO (EG) 715/2007 entnehmen, dass die Abgasreinigung und -nachbehandlung auch unter Bedingungen vollständig zu funktionieren habe, die von den normierten Prüfstandsbedingungen abweichen, beachtet sie nicht, dass mittlerweile der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 19.01.2021, VI ZR 433/19 Rn 17/18 festgehalten hat, dass der Einsatz einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems nicht mit der Fallkonstellation zu vergleichen ist, wie sie dem Urteil des BGH vom 25.05.2020 zum VW-Motor EA 189 zugrunde liegt, da es an einem vergleichbar arglistigen Vorgehen fehle.
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Die Stellungnahme des Klägers rügt dazu weiter, dass es Sache der Gerichte und nicht der vom Bundesverkehrsminister eingesetzten „Untersuchungskommission Volkswagen“ als Teil der Exekutive sei, die hier infrage stehenden Rechtsfragen zu klären. Dies wiederum ist mittlerweile durch den Bundesgerichtshof mit den Urteilen vom 16.09.2021 in Verfahren über Schadensersatzansprüche gegen die D. AG im Zusammenhang mit dem sogenannten „Thermofenster“ geschehen, soweit es in der hierzu veröffentlichten Pressemitteilung Nummer 173/2021 vom 16.09.2021 heißt:
„Bei einer Abschalteinrichtung, die – wie hier im Grundsatz auf dem Prüfstand in gleicher Weise arbeitet wie im realen Fahrbetrieb und bei der die Frage der Zulässigkeit nicht eindeutig und unzweifelhaft beantwortet werden kann, kann bei Fehlen sonstiger Anhaltspunkte nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass die für die Beklagte handelnden Personen in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Die Würdigung des Berufungsgerichts, die Rechtslage hinsichtlich der Zulässigkeit eines Thermofenster sei zweifelhaft gewesen, war revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Eine möglicherweise nur fahrlässige Verkennung der Rechtslage genügt aber für die Feststellung der besonderen Verwerflichkeit des Verhaltens der Beklagten nicht.“
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4. Der Senat hat das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13.07.2021, VI ZR 128/20, dort Rn. 19, dessen Gründe erst nach Erlass des Senatsbeschlusses vom 30.07.2021 vorgelegen haben, zum Anlass genommen, die vom Kläger auch hier weiterhin beanstandete aktive Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung einer nochmaligen Überprüfung zu unterziehen. Auch nach dem Ergebnis dieser Überprüfung fehlt es an den für eine Haftung nach § 826 BGB erforderlichen Voraussetzungen eines objektiv sittenwidrigen Verhaltens und eines entsprechenden Schädigungsvorsatzes der Beklagten. Dies ergibt sich maßgeblich aus den Ausführungen des KBA in dessen amtlicher Auskunft vom 21.09.2020 – 511-180/005#149, wiedergegeben im Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 04.12.2020,12 O 260/19, BeckRS 2020, 35323, Rn. 25/26, die sich in grundsätzlicher Weise mit dieser von der Beklagten in zahlreichen Fahrzeugen eingesetzten Steuerung auseinandergesetzt haben.
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Das KBA hat dort Folgendes ausgeführt:
„Bei einigen Fahrzeugen des Typs Mercedes-Benz GLK wurde die Schadstoff- und Abgasstrategie „Geregeltes Kühlmittelthermostat“ im Motorwarmlauf durch das KBA mit Bescheid vom 21.06.2019 als unzulässig eingestuft. Da die D. AG gegen diesen Bescheid Widerspruch eingelegt hat, wurde die Unzulässigkeit dieser Abschalteinrichtung noch nicht bestandskräftig festgestellt.
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Mit Bescheid des KBA vom 05.06.2020 wurde die Schadstoff- und Abgasstrategie „Geregeltes Kühlmittelthermostat“ auch in einigen Fahrzeugvarianten der Mercedes-Benz A-, B-Klasse mit Dieselmotor OM 640 Euro 5 und der Mercedes-Benz C-, E-, S-Klasse mit Dieselmotor OM 651 Euro 5 als unzulässig eingestuft. Auch gegen diesen Bescheid hat die D.AG Widerspruch eingelegt.
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Die von den vorgenannten Bescheiden des KBA betroffenen Fahrzeuge betreffen allerdings nur bestimmte Varianten, vereinzelte Emissions-Genehmigungen und begrenzte Produktionszeiträume.
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Die Dieselmotoren OM 651 sowie OM 640 und OM 642 der D. AG weisen die Schadstoff- und Abgasstrategie „Geregeltes Kühlmittelthermostat“ auf. Jedoch bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass die Schadstoff- und Abgasstrategie in allen Fahrzeugtypen mit diesen Dieselmotoren als unzulässig einzustufen ist.
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Zu beachten ist dabei zunächst, dass einige Fahrzeuge mit einem Dieselmotor OM 640, OM 642 bzw. OM 651 über die oben genannte Schadstoff- und Abgasstrategie verfügen und diese auch aktiv nutzen. Andere Fahrzeugtypen verfügen zwar in ihrer Software über die oben genannte Schadstoff- und Abgasstrategie, nutzen diese hingegen nicht wirksam.
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Es gilt weiterhin zu beachten, dass die Beurteilung der Zulässigkeit der Schadstoff- und Abgasstrategie von einer Vielzahl weiterer Faktoren abhängig ist, wie z.B. Aufbau, Gewicht, Getriebe, Steuergerät und Luftwiderstand des Fahrzeuges.
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Das streitgegenständliche Fahrzeug weist nach den vom KBA vorliegenden Informationen die Schadstoff- und Abgasstrategie „Geregeltes Kühlmittelthermostat“ im Motorwarmlauf auf und nutzt diese auch aktiv.
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Es konnte durch ein „Testing-Out“ der D. AG jedoch der Nachweis erbracht werden, dass das Fahrzeug Mercedes-Benz E 350 CDI 4Matic Kombi OM 642 Euro 5 mit dem Getriebe NAG2i auch mit aktivierter Abschalteinrichtung und damit verringerter Abgasrückführung die gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte einhält. Das vorgenannte sowie das streitgegenständliche Fahrzeug sind hinsichtlich des Motors und der Abgasnachbehandlung vergleichbar. Aufgrund dessen wurde die Schadstoff- und Abgasstrategie „Geregeltes Kühlmittelthermostat“ an den Fahrzeugen Mercedes-Benz E 350 CDI 3.0l Diesel 170 kW Euro 5 mit der Variante L325M0 nicht als unzulässig eingestuft.“ (Hervorhebung durch den Senat)
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Bereits aus dieser Auskunft des Kraftfahrtbundesamts ergibt sich kein Anhalt für ein objektiv sittenwidriges Verhalten der Beklagten im Zusammenhang mit dem Einsatz des „Geregelten Kühlmittelthermostats“. Insbesondere kann danach keine Rede davon sein, dass die Beklagte auf der Grundlage einer grundlegenden strategischen Entscheidung bei der Motorenentwicklung im eigenen Kosten- und damit auch Gewinninteresse durch bewusste und gewollte Täuschung des KBA in großer Stückzahl Fahrzeuge in Verkehr gebracht hat, deren Motorsteuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert war, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässig Abschalteinrichtungen nur auf dem Prüfstand eingehalten wurden (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19 Rn. 16).
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Vielmehr ist nach dieser Auskunft davon auszugehen, dass die Schadstoff- und Abgasstrategie „Geregeltes Kühlmittelthermostat“ von der Beklagten in den Motorbaureihen OM 651, OM 640 und OM 642 der Beklagten und damit in praktisch allen dem Senat bislang durch Berufung präsentierten Pkw-Dieselmotoren vorhanden ist.
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Demgegenüber betreffen nach Mitteilung des KBA-Beanstandungen nur den kleineren Teil von Fahrzeugen, in denen diese Strategie zum Einsatz kommt. Darüber hinaus hängt die Zulässigkeit dieser Schadstoff- und Abgasstrategie von einer Vielzahl weiterer Faktoren abhängig ist, wie z.B. Aufbau, Gewicht, Getriebe, Steuergerät und Luftwiderstand des Fahrzeugs. Begegnet mithin der Einsatz des „Geregelten Kühlmittelthermostats“ nach behördlicher Bewertung dem Grunde nach keinen Bedenken, kann von einer systematischen Manipulation des Abgasverhaltens durch die Beklagte schon von daher nicht ausgegangen werden.
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Überdies wurden dem Senat in weiteren gegen die Beklagte geführten Berufungsverfahren amtliche Auskünfte des KBA vorgelegt, nach denen bei überprüften Fahrzeugen, in denen das „Geregelte Kühlmittelthermostat“ zum Einsatz kommt, eine Prüfstanderkennung nicht festgestellt werden konnte.
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Dies betrifft etwa einen Pkw Mercedes-Benz GLA 220 CDI mit einem Dieselmotor des Typs OM 651 DE 22 LA der Euro 6-Norm, für den sich aus der Auskunft vom 19.04.2021, Aktenzeichen 400-26/006#068 auf Anfrage des Landgerichts Koblenz zum Aktenzeichen 1 O 342/19 ergibt, dass
- eine Prüfstanderkennung durch das KBA nicht festgestellt werden konnte,
- die Funktion des geregelten Kühlmittelthermostats auch im Straßenbetrieb bei Vorliegen der Eintrittsbedingungen aktiviert wird,
- die Funktion nicht notwendig ist, um die Grenzwerte in der Typ I-Prüfung einzuhalten und – eine Prüfzykluserkennung mittels Lenkwinkel vom KBA nicht festgestellt wurde.
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5. Insgesamt sieht der Senat auf der Grundlage der Rechtssätze, wie sie der Bundesgerichtshof im Beschluss vom 19.01.2021, VI ZR 433/19, zu einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems aufgestellt hat, vor allem unter Berücksichtigung der dort aufgestellten Voraussetzungen für eine Annahme objektiver Sittenwidrigkeit des Fahrzeug- oder Motorenherstellers hier keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Haftung der Beklagten gemäß § 826 BGB.
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6. Gründe im Sinne des § 543 Abs. 2 ZPO stehen hier einem Beschlussverfahren des Senats nicht entgegen. Insbesondere hat der hiesige Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung. Die Tatbestandsmerkmale einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung sind stets im Wege tatrichterlicher Würdigung anhand aller Umstände des Einzelfalls individuell festzustellen.
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Soweit in diesem Zusammenhang auf eine Divergenz zu Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte abgestellt wird, sieht der Senat schon die Gefahr abweichender Rechtssätze nicht. Solche voneinander abweichenden Rechtssätze zeigt im Übrigen auch der Kläger nicht auf.
III.
43
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
44
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
45
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.