Inhalt

AG München, Beschluss v. 26.07.2021 – 621 VI 17033/19
Titel:

Abgrenzung Erbeinsetzung und Vermächtnis

Normenkette:
BGB § 133, § 1922, § 1937, § 2087 Abs. 2, § 2208 Abs. 2
Leitsätze:
1. Der Wille des Erblassers ist durch Auslegung zu ermitteln. Maßgeblich ist dabei der sachliche Inhalt seiner letztwilligen Verfügung und nicht, welche Worte er dabei verwendet hat (§ 133 BGB). Ein wesentliches Kriterium ist dabei auch das Wertverhältnis der zugewendeten Gegenstände zum Gesamtnachlass. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei einer beaufsichtigenden Testamentsvollstreckung nach § 2208 Abs. 2 BGB ist der Testamentsvollstreckervermerk nicht in den Erbschein aufzunehmen, wenn die Tätigkeit des Testamentsvollstreckers lediglich in der Überwachung der letztwilligen Anordnung besteht. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erbeinsetzung, Vermächtnis, Auslegung, beaufsichtigende Testamentsvollstreckung, Testamentsvollstreckervermerk
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 12.10.2022 – 31 Wx 26/22 , 31 Wx 29/22
VerfGH München, Entscheidung vom 06.02.2025 – Vf. 34-VI-23
Fundstelle:
BeckRS 2021, 68523

Tenor

1. Die zur Begründung des Antrags der Beteiligten zu 1 vom 29.07.2020 auf Erteilung eines Erbscheins erforderlichen Tatsachen werden für festgestellt erachtet.
2. Die sofortige Wirksamkeit dieses Beschlusses wird ausgesetzt. Die Erteilung des Erbscheins wird bis zur Rechtskraft dieses Beschlusses zurückgestellt.
3. Der Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 3 vom 18.05.2021 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
1. Der Erblasser mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in München verstarb zwischen dem 22.10.2019 und 25.10.2019. Er war deutscher Staatsangehöriger und verwitwet. Seine einzige Ehefrau ist am ... 11.2013 verstorben. Die Ehe war kinderlos.
2
Der Erblasser hatte einen Bruder, der unter Hinterlassung einer Tochter, … 2017 verstorben ist. Weiter hatte der Erblasser eine Schwester, die unter Hinterlassung von den Beteiligten zu 2 und 3 1993 verstorben ist.
3
2. Der Erblasser errichtete mehrere Testamente, die jedoch nach dem Tod seiner Frau alle gemeinsam hatten, dass die Beteiligte zu 1 die Immobilie … erben solle, so im Testament vom 11.11.2013, 13.12.2013, 05.06.2014, 06.04.2017, 08.10.2019.
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Das hier relevante Testament vom 08.10.2019 enthält insbesondere folgende Verfügung:
„… 1. Meine Immobilie (Anwesen …) vererbe ich meinem langjährigen Dienstherrn, … unter den folgenden Bedingungen: Das gesamte Anwesen soll ein Ort für Kinder werden. Für Einrichtungen wie Kindergarten, Kinderhort, Kinderspielplatz, Kinderheim usw …"
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Am 17.10.2019 errichtete der Erblasser eine Ergänzung zum Testament mit folgendem Inhalt:
„Meine Nichte … und mein Neffe … überwachen den Vollzug meines Testaments gemeinsam. Auch mein Freund … ist einzubinden.“
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Auf den Inhalt der Originaltestamente wird Bezug genommen.
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3. Am 29.07.2020 beantragte die Beteiligte zu 1 in Vertretung durch … förmlich einen Alleinerbschein auf der Grundlage der letztwilligen Verfügungen vom 07.01.2019 und 08.10.2019. Die Erbmasse bestehe im Wesentlichen aus einer Immobilie, die der Erblasser der … vererbt habe. Daher sei die Beteiligte zu 1 Alleinerbin und die übrigen in den Testamenten genannten Personen Vermächtnisnehmer. Weiter sei ein Testamentsvollstreckervermerk nicht in den Erbschein aufzunehmen, da es sich nicht um eine Abwicklungsvollstreckung handele, sondern lediglich um eine Überwachungsvollstreckung nach § 2208 BGB.
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Im einzelnen wird auf die eingereichten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.
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4. Am 18.05.2021 beantragte der Beteiligte zu 3 einen Erbschein für sich bezüglich folgender Vermögensgegenstände: Sämtliche Kunstgegenstände gemeinsam mit der Beteiligten zu 2, Briefmarkensammlung, Bücher, schriftliche Aufzeichnungen, Aufzeichnungen im PC, Fotoalben, 20.000 €, Münzsammlung.
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Der Beteiligte zu 3 ist der Ansicht, dass es sich um ein Aufteilungstestament handele und die Beteiligte zu 1 daher nicht Alleinerbin sei. Der Erblasser habe in seinem Testament über sein gesamtes Vermögen verfügt und dieses auf bestimmte Erben aufgeteilt. Ein Ausschluss eines Erbscheins für bestimmte Gegenstände sei mit der Würde und dem Selbstbestimmungsrecht des Menschen unvereinbar.
11
Im einzelnen wird auf die eingereichten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.
II.
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1. Dem Antrag auf Erteilung eines Alleinerbscheins zu Gunsten der Beteiligten zu 1 ist zu entsprechen, da die Erteilungsvoraussetzungen vorliegen, § 1937 BGB.
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Ausreichende Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der Testierfähigkeit des Erblassers bereits zum Zeitpunkt der Testamentserrichtungen waren weder vorgetragen noch sonst erkennbar, so dass Ermittlungen von Amts wegen insoweit nicht veranlasst waren und von einer grundsätzlichen Wirksamkeit des Testaments auszugehen ist.
14
Der Wille des Erblassers ist durch Auslegung zu ermitteln. Maßgeblich ist dabei der sachliche Inhalt seiner letztwilligen Verfügung und nicht, welche Worte er dabei verwendet hat (§ 133 BGB). Ein wesentliches Kriterium ist dabei auch das Wertverhältnis der zugewendeten Gegenstände zum Gesamtnachlass.
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Nach Auffassung des Gerichts hat der Erblasser in seinem Testament vom 08.10.2019 eine Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1 beabsichtigt. Dies wird gestützt durch den Wortlaut des Testaments („Meine Immobilie vererbe ich …“ und Meine Immobilie … erbt ….“) sowie die optisch hervorgehobene Stellung der Zuwendung an die Beteiligte zu 1. Diese steht nämlich auch in älteren Testamenten an erster Stelle. Die beabsichtigte Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1 ergibt sich auch daraus, dass der Erblasser insoweit über den größten Teil seines Vermögens verfügt hat. Die der Beteiligten zu 1 zugewendete Immobilie macht den größten Teil des Vermögens aus.
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Zwar verwendet der Erblasser das Wort „erben“ auch im Hinblick auf die Zuweisung weiterer beweglicher Gegenstände an andere Bedachte, u.a. auch an die Beteiligten zu 2 und 3. Gerade bei einem juristischen Laien ist aber im Rahmen der Auslegung eines Testaments grundsätzlich nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Vielmehr ist der Wortsinn der vom Erblasser benutzten Ausdrücke zu hinterfragen, um festzustellen, was er mit seinen Worten sagen wollte und ob er mit ihnen genau das unmissverständlich wiedergab, was er zum Ausdruck bringen wollte. Allein das subjektive Verständnis hinsichtlich des von ihm verwendeten Begriffs ist maßgeblich.
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Dies führt hier aber zu der Auslegung durch das Gericht, dass die übrigen Bedachten, also auch die Beteiligten zu 2 und 3, nur Vermächtnisnehmer sein sollen. Da der Grundsatz der Universalsukzession gilt, ist bei der Zuwendung einzelner Gegenstände an eine Vielzahl von Personen davon auszugehen, dass der Erblasser insoweit nur Vermächtnisse beabsichtigt hat. Er beabsichtigte ja gerade nicht, dass alle Bedachten gemeinsam das gesamte Vermögen erben, sondern dass jeder wie im Testament aufgelistet die bestimmten beweglichen Gegenstände erhält. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass es sich bei den beweglichen Gegenständen um solche von geringerem Wert im Vergleich zur Immobilie handelt und diese auch noch auf mehrere Personen verteilt werden.
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Auch kann der Erbschein an die Beteiligte zu 1 ohne Testamentsvollstreckervermerk erteilt werden. Zwar hat der Erblasser im ergänzenden Testament vom 17.10.2019 verfügt, dass die Beteiligten zu 2 und 3 den Vollzug seines Testaments gemeinsam überwachen sollen. Mit Beschluss vom 03.04.2017 hat das OLG Köln unter 2 Wx 72/17 darauf hingewiesen, dass eine vom Erblasser angeordnete Testamentsvollstreckung dann nicht im Erbschein zu vermerken ist, wenn die Tätigkeit des Testamentsvollstreckers in der Überwachung seiner letztwilligen Anordnung, nicht aber in der laufenden Verwaltung des Nachlasses bestehen soll. Bei einer beaufsichtigenden Testamentsvollstreckung nach § 2208 II BGB ist der Testamentsvollstreckervermerk nicht in den Erbschein aufzunehmen. So liegt es hier. Der Erblasser hat eindeutig formuliert, dass in Bezug auf die Testamentsvollstreckung lediglich eine „Überwachung“ gewünscht war. Die Beteiligte zu 1 sollte freie Hand in der Umsetzung seiner Wünsche in Bezug auf die Immobilie erhalten. Die Nutzung der Immobilie für Kinder lag dem Erblasser sehr am Herzen. Daher wollte er nicht die Handlungsfähigkeit der Erbin einschränken, sondern mit der Testamentsvollstreckung sicherstellen, dass die Erbin seine Wünsche erfüllt. Dies fällt auch in die Kompetenz der Beteiligten zu 1 und gerade nicht in die der Beteiligten zu 2 und 3.
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Daher ist dem Antrag der Beteiligten zu 1 zu entsprechen.
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2. Der Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 3 ist zurückzuweisen, da die Erteilungsvoraussetzungen nicht vorliegen, § 1937 BGB.
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Der Beteiligte zu 3 hat beantragt ihm einen Erbschein über einzelne Gegenstände auszustellen. Dies ist nach deutschem Erbrecht jedoch nicht vorgesehen. Das Gericht hat den Beteiligten zu 3 mit Hinweis vom 31.05.2021 darauf aufmerksam gemacht und Antragsrücknahme angeregt. Der Beteiligte zu 3 wurde darauf hingewiesen, dass nach § 1922 BGB die Erbschaft als Ganzes und nicht nur einzelne Gegenstände auf den oder die Erben übergeht (Universalsukzession). Weiter wurde er auf § 2087 II BGB hingewiesen, wonach im Zweifel davon auszugehen ist, dass ein Bedachter, dem einzelne Gegenstände zugewendet wurden, nicht Erbe sein soll, auch wenn er als solcher bezeichnet ist.
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Auch der Erblasser kann nicht durch Testament eine unmittelbare Nachlassaufteilung in unterschiedlich zugeordnete Vermögensmassen oder Einzelgüter herbeiführen (BayObLG FamRZ 04, 1606). Sondererbfolge ist mit dem Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge unvereinbar. Ausnahmen von diesem Grundsatz liegen hier auch nicht vor, so dass der Antrag bereits aus diesem Grund zurückzuweisen war.
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3. Eine Kostenentscheidung nach § 81 FamFG war nicht veranlasst.
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In Bezug auf die Gerichtskosten bleibt es bei der gesetzlichen Regelung. Die außergerichtlichen Kosten tragen die Beteiligten selbst.