Inhalt

VGH München, Beschluss v. 26.03.2021 – 10 CS 21.903
Titel:

Erfolgloser Eilantrag gegen eine versammlungsrechtliche Beschränkung in Form einer Visierpflicht für von der Maskenpflicht befreite Personen

Normenketten:
GG Art. 8 Abs. 1
IfSG § 28a Abs. 1, Abs. 3
BayVersG Art. 15 Abs. 1
12. BayIfSMV § 7 Abs. 1
Leitsätze:
1. Bei der Anordnung einer zur Maskenpflicht subsidiären Visierpflicht bei einer Versammlung handelt es sich um eine Schutzmaßnahme im Sinne von § 28a Abs. 1 und 3 IfSG, nicht um eine solche nach § 28a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 IfSG. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nach dem Willen des Gesetzgebers sind die Schutzmaßnahmen in § 28a IfSG maßgeblich an den Inzidenzwert, mithin die Anzahl der Neuinfektionen innerhalb einer bestimmt großen Personengruppe während eines bestimmten Zeitraums, geknüpft. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beschränkung, Visierpflicht, Gesichtsschild, Corona, Versammlung, Auflage, Maskenpflicht, Befreiung
Vorinstanz:
VG Regensburg, Beschluss vom 26.03.2021 – RN 4 S 21.569
Fundstelle:
BeckRS 2021, 6836

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen eine versammlungsrechtliche Beschränkung in Form einer Visierpflicht im Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. März 2021 weiter.
2
Am 18. März 2021 zeigte der Antragsteller für den 28. März 2021 zum Thema „Lasst uns endlich öffnen! Solidaritätsveranstaltung zu 'Bayern steht zamm'“ eine Demonstration mit einer ortsfesten Versammlung in Passau (im Bereich Klostergarten und Cagnes-sur-Mer-Promenade) und einer sich fortbewegenden Versammlung (vom Nibelungenplatz zur österreichischen Grenze mit Abschlusskundgebung) an. Im Rahmen des Kooperationsgesprächs mit der Versammlungsbehörde der Antragsgegnerin wurden eine Höchstteilnehmerzahl von 350 Personen für die ortsfeste Versammlung und das Entfallen des angezeigten Aufzugs mit der Kundgebung an der Grenze vereinbart.
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Mit Bescheid vom 25. März 2021 hat die Antragsgegnerin die angezeigte Versammlung bestätigt und neben verschiedenen anderen Anordnungen zur Versammlungsdurchführung folgende Bestimmungen getroffen:
10. Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (Maskenpflicht) sowie deren Ausnahmen
10.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 der 12. BayIfSMV gilt für die Teilnehmer (und somit auch für die Versammlungsleitung und Ordner) Maskenpflicht; hiervon ausgenommen sind die Versammlungsleitung während Durchsagen und Redner während Redebeiträgen.
10.2. …
10.3. …
10.4. Personen, die glaubhaft machen können, dass ihnen das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung aufgrund einer Behinderung oder aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich oder unzumutbar ist, sind von der Trageverpflichtung befreit; die Glaubhaftmachung erfolgt bei gesundheitlichen Gründen insbesondere durch eine ärztliche Bescheinigung, die die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie den Grund, warum sich hieraus eine Befreiung der Tragepflicht ergibt, enthält, § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der 12. BayIfSMV.
[7 Hinweis:
Diejenigen Personen, die sich auf eine Befreiung aus gesundheitlichen Gründen berufen, haben sich vor dem Betreten des Versammlungsortes (und somit vor Beginn der Versammlung) bei der Polizei zu melden und ihre Befreiung durch Vorlage der ärztlichen Bescheinigung zusammen mit dem Personalausweis oder einem anderen amtlichen Lichtbildausweis glaubhaft zu machen.
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10.5. Entfällt die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung auf der Grundlage von Ziff. 10.4 dieses Bescheides, wird für die jeweils Betroffenen das Tragen eines Visiers angeordnet. Diese Verpflichtung entfällt wiederum nur dann, wenn die gemäß Ziff. 10.4 vorgelegte ärztliche Bescheinigung konkrete Angaben darüber enthält, weshalb das Tragen eines Visiers aus gesundheitlichen Gründen für den jeweils Betroffenen nicht zumutbar ist.
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Zur Begründung wird auf die „ohnehin auf Grundlage der 12. BayIfSMV geltenden Regelungen zur Maskenpflicht bei Versammlungen“ hingewiesen und ergänzend ausgeführt, zum effektiven Gesundheitsschutz der Bevölkerung, zur Eindämmung des (örtlichen) Infektionsgeschehens mit einer 7-Tages-Inzidenz von 174,20 für die Stadt Passau (Stand 25.3.2021) sowie zum Schutz der Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens werde für solche Personen, die mittels einer ausreichenden ärztlichen Bescheinigung belegen könnten, aus gesundheitlichen Gründen von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung befreit zu sein, das Tragen eines Visiers angeordnet.
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Den bezüglich Nrn. 10.4 und 10.5 des Bescheids erhobenen Antrag des Antragstellers auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht als teilweise unzulässig und teilweise unbegründet abgelehnt. Hinsichtlich der Anordnung zum Tragen eines für Visiers (im Folgenden: Visierpflicht) für Personen, die von der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung befreit sind, sei der Antrag zwar zulässig, aber unbegründet, weil sich diese Beschränkung bei summarischer Prüfung als recht- und insbesondere verhältnismäßig erweise. Die zulässigerweise auf Art. 15 Abs. 1 BayVersG i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 2 der 12. BayIfSMV gestützte Anordnung sei nach einer Stellungnahme des Robert-Koch-Instituts - wenn auch gegenüber einer Mund-Nasen-Bedeckung in herabgesetzter Form - als Infektionsschutzmaßnahme geeignet. Ein gleich geeignetes, die betroffenen Versammlungsteilnehmer jedoch weniger belastendes Mittel sei nicht erkennbar; ein Verzicht auf jede entsprechende Schutzvorrichtung und die Einhaltung sonstiger Hygiene- und Verhaltensregeln seien nicht gleichermaßen förderlich. Die Verpflichtung zum Tragen eines Visiers sei auch angemessen; insbesondere sei damit kein faktisches Versammlungsverbot verbunden, da für etwaige Fälle Visiere bereitgehalten werden könnten. Die mit der Anordnung verbundene Belastung stehe vor dem Hintergrund der aktuellen Infektionslage, insbesondere auch im Gebiet der Antragsgegnerin, nicht außer Verhältnis zum verfolgten Zweck.
7
Im Beschwerdeverfahren beantragt der Antragsteller sinngemäß, unter Abänderung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts die aufschiebende Wirkung seiner noch zu erhebenden Klage bezüglich Nr. 10.5 des streitbefangenen Bescheids anzuordnen. Zur Begründung bringt er vor, die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Visierpflicht sei angemessen, verkenne die Regelung des § 28a Abs. 2 IfSG, wonach derartige Maßnahmen nur zulässig seien, soweit auch bei Berücksichtigung aller bisher getroffenen anderen Schutzmaßnahmen eine wirksame Eindämmung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) erheblich gefährdet wäre. Die bisherigen Schutzmaßnahmen seien jedoch erfolgreich gewesen und daher sei die angegriffene Verpflichtung nicht zulässig. Zudem stelle das Verwaltungsgericht rechtsfehlerhaft auf die Inzidenzwerte und damit willkürlich festgelegte Zahlen ohne wissenschaftlichen Bezug ab. Schutzgut nach dem Infektionsschutzgesetz sei jedoch (nur) das Ziel, die Belegung intensivmedizinischer Betten so gering wie möglich zu halten. Dagegen komme es nach § 28a IfSG nicht darauf an, ob sich anlässlich der Versammlung Menschen infizieren könnten. Es gebe aktuell in Bayern noch eine erhebliche Anzahl freier Intensivbetten, weshalb die angegriffene Auflage zum Schutz des Gesundheitssystems ungeeignet sei. Zudem würden Personen, die gemäß ärztlichem Attest keine Maske tragen müssten und keine Kenntnis von der Verpflichtung zum Tragen eines Visieres hätten, von der Versammlung faktisch ausgeschlossen. Das Verwaltungsgericht stelle Anforderungen, die über die gesetzlichen Anforderungen hinausgingen. Im Übrigen fehle es an der Geeignetheit der Beschränkung.
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Ergänzend wird auf die vorgelegte Behördenakte und die in den gerichtlichen Verfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II.
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1. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die vom Antragsteller in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, die der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, rechtfertigen keine Abänderung des angefochtenen Beschlusses.
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a) Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen, wenn die Klage (vgl. Art. 25 BayVersG) keine aufschiebende Wirkung hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat bei seiner Entscheidung eine originäre Interessenabwägung auf der Grundlage der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage darüber zu treffen, ob die Interessen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten, oder diejenigen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, überwiegen. Dabei sind die Erfolgsaussichten der Klage im Hauptsacheverfahren wesentlich zu berücksichtigen, soweit sie bereits überschaubar sind. Nach allgemeiner Meinung besteht an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer voraussichtlich aussichtslosen Klage kein überwiegendes Interesse. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein (weil er zulässig und begründet ist), so wird regelmäßig nur die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen.
11
b) § 7 Abs. 1 Zwölfte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (12. BayIfSMV v. 5.3.2021, BayMBl. Nr. 171) bestimmt für Versammlungen im Sinne des Bayerischen Versammlungsgesetzes unter anderem einen Mindestabstand von 1,5 m zwischen allen Teilnehmern und verlangt, dass jeder Körperkontakt mit anderen Versammlungsteilnehmern oder Dritten vermieden wird (Satz 1). Die nach Art. 24 Abs. 2 BayVersG zuständigen Behörden haben, soweit dies im Einzelfall erforderlich ist, durch entsprechende Beschränkungen nach Art. 15 BayVersG sicherzustellen, dass die Bestimmungen nach Satz 1 eingehalten werden und die von der Versammlung ausgehenden Infektionsgefahren auch im Übrigen auf ein infektionsschutzrechtlich vertretbares Maß beschränkt bleiben; davon ist in der Regel auszugehen, wenn die Versammlung nicht mehr als 200 Teilnehmer hat und ortsfest stattfindet (Satz 2). Für die Teilnehmer gilt Maskenpflicht; hiervon ausgenommen sind die Versammlungsleitung während Durchsagen und Redner während Redebeiträgen sowie Teilnehmer, die während der Versammlung ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr führen (Satz 3). Sofern diese Anforderungen nicht sichergestellt werden können, ist die Versammlung zu verbieten (§ 7 Abs. 1 Satz 4 der 12. BayIfSMV). Damit konkretisiert § 7 Abs. 1 der 12. BayIfSMV die versammlungsrechtliche Befugnisnorm des Art. 15 Abs. 1 BayVersG sowohl auf der Tatbestandswie auch auf der Rechtsfolgenseite im Hinblick auf von Versammlungen unter freiem Himmel ausgehende Gefahren für die Gesundheit und das Leben Einzelner (Art. 2 Abs. 2 GG) sowie den Schutz des Gesundheitssystems vor einer Überlastung (vgl. BVerfG, B.v. 10.4.2020 - 1 BvQ 31/20 - juris Rn. 15; vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 16.3.2021 - 10 CS 21.772).
12
c) Ausgehend hiervon erweist sich − auch unter Berücksichtigung der herausragenden Bedeutung der Versammlungsfreiheit − die von dem Verwaltungsgericht vorgenommene Prüfung der voraussichtlichen Rechtmäßigkeit der streitbefangenen Visierpflicht bei summarischer Prüfung als tragfähig, sodass bereits deswegen von einem Überwiegen des öffentlichen Vollzugsinteresses auszugehen ist. Das Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, die Prüfung des Verwaltungsgerichts insoweit ernsthaft in Zweifel zu ziehen.
13
Fehl geht der Antragsteller mit dem Vorbringen, das Verwaltungsgericht habe bei seiner Prüfung die Norm des § 28a Abs. 2 IfSG verkannt, welche die von ihm geplante Versammlung privilegiere und erhöhte Anforderungen an Schutzmaßnahmen stelle, namentlich dass auch bei Berücksichtigung aller bisher getroffenen anderen Schutzmaßnahmen eine wirksame Eindämmung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) erheblich gefährdet wäre, was hier nicht der Fall sei.
14
Bei der in Nr. 10.5 des streitbefangenen Bescheides angeordneten (subsidiären) Visierpflicht handelt es sich um eine Schutzmaßnahme im Sinne von § 28a Abs. 1 und 3 IfSG, nicht um eine solche nach § 28a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 IfSG, welche die „Untersagung von Versammlungen oder Aufzügen im Sinne von Artikel 8 des Grundgesetzes“ zum Gegenstand hat. Die von dem Antragsteller geplante Versammlung kann − entsprechend den Vereinbarungen des Kooperationsgesprächs − stattfinden. Von einem Versammlungsverbot kann keine Rede sein. Zwar kann es sein, dass eine Beschränkung im konkreten Einzelfall die Versammlung so schwerwiegend beeinträchtigt, dass sie in der Qualität einem Verbot gleichkommt. Dafür ist jedoch weder etwas dargetan noch ist dies mit Blick auf Zeit, Ort und Art der geplanten Versammlung oder bezüglich der beeinträchtigenden Wirkung auf die Teilnehmer auch nur ansatzweise der Fall. Mit den Ausführungen zu der Wirkung der Visierpflicht auf die einzelnen Versammlungsteilnehmer und setzt sich die Beschwerdeschrift nicht auseinander. Abgesehen davon bleibt angesichts der aktuellen Infektionslage im Dunkeln, was der Antragsteller damit meint, die bisherigen Schutzmaßnahmen seien erfolgreich gewesen seien.
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Nicht durchdringen kann der Antragsteller des Weiteren mit dem Vorbringen, das Verwaltungsgericht habe bei seiner Prüfung rechtsfehlerhaft auf die Inzidenzwerte abgestellt. Dies verkennt, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die Schutzmaßnahmen maßgeblich an den Inzidenzwert, mithin die Anzahl der Neuinfektionen innerhalb einer bestimmt großen Personengruppe während eines bestimmten Zeitraums, geknüpft sind. § 28a Abs. 2 Satz 4 IfSG regelt ausdrücklich, dass Maßstab für die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen insbesondere die Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100 000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen ist. Die Rüge des Antragstellers, die Inzidenzwerte beruhten auf willkürlich festgelegten Zahlen ohne wissenschaftlichen Beleg, so dass sie nur Hilfsmittel, aber nicht belastbare Größen darstellten, ignoriert die ausdrückliche Festlegung des Gesetzgebers und ist pauschal, unsubstantiiert und widersprüchlich zugleich.
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Gleiches gilt für den Einwand des Antragstellers, Schutzgut des Infektionsschutzgesetzes sei allein das Ziel, die Belegung spezieller intensivmedizinischer Betten so gering wie möglich zu halten. § 28a Abs. 3 Satz 1 IfSG bestimmt explizit, dass Entscheidungen über Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) nach § 28a Abs. 1 IfSG in Verbindung mit § 28 Abs. 1 IfSG insbesondere an dem Schutz von Leben und Gesundheit und der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems auszurichten sind. Auch wenn man das Beschwerdevorbringen als Rüge deuten wollte, die Rechtsanwender würden allein die Belegung der Betten in der Praxis zum Ziel erheben, wäre dies unsubstantiiert.
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Nicht nachvollziehbar ist für den Senat der Einwand, es komme bei § 28a IfSG nicht darauf an, ob sich anlässlich der Versammlung Menschen infizieren könnten. In § 28a Abs. 1 Nr. 10 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 IfSG werden vom Gesetzgeber Versammlungen just als Orte des Infektionsgeschehens identifiziert (zu dessen Einschätzungsprärogative hinsichtlich der infektiologischen Gefährlichkeit von sozialen Kontakten vgl. etwa: BayVGH, B.v. 27.2.2021 - 10 CS 21.602 - juris Rn. 22 m.w.N.).
18
Die Ausführungen des Antragstellers zu der aktuellen Belegung der Intensivbetten in Bayern, so man sie als Angriff auf die von dem Verwaltungsgericht vorgenommene Gefahrenprognose ansieht, sind nicht geeignet, diese zu erschüttern. Der Antragsteller setzt sich mit ihr inhaltlich nicht auseinander. Den Ausführungen des Antragstellers fehlen jegliche Bezüge zu der Infektiosität des Virus, zu den Folgen der Krankheit und zu dem aktuellen Infektionsgeschehen in Passau.
19
Nicht durchdringen kann der Antragsteller mit dem Einwand, dass Personen, die über eine ärztliche Bescheinigung (zu ergänzen wohl: für eine Befreiung von der Maskenpflicht - Anm. d. Senats) verfügten und keine Kenntnis von der Visierpflicht hätten, faktisch von der Versammlung ausgeschlossen seien und ihre Versammlungsfreiheit unmöglich gemacht werde. Auch hier fehlt es an der erforderlichen Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts.
20
Die Rüge des Antragstellers, dass die Antragsgegnerin mit der subsidiären Visierpflicht eine Anforderung gestellt habe, die über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehe, erschließt sich dem Senat nicht. § 28a Abs. 1 IfSG enthält einen beispielhaften, nicht abschließenden Katalog, wie das Wort „insbesondere“ deutlich macht.
21
Kein Erfolg beschieden ist dem Einwand des Antragstellers, das Verwaltungsgericht habe die Visierpflicht zu Unrecht als geeignet angesehen, der Infektionsgefahr zu begegnen, wie sich insbesondere aus dem Widerspruch auf Seite 11 und 12 des angegriffenen Beschlusses ergebe. Das Verwaltungsgericht hat ausführlich − gestützt auf die Einschätzung des Robert-Koch-Instituts − dargelegt, aus welchen Gründen es dem Tragen eines Visiers eine, wenngleich gegenüber der Maskenpflicht herabgesetzte Eignung zuspricht, der Gefahr einer Tröpfcheninfektion zu begegnen, um die es gerade bei Versammlungen unter freiem Himmel geht. Dies greift der Antragsteller nicht substantiiert an, der die Aussage des Verwaltungsgerichts, wonach die Visierpflicht keinen vergleichbaren Schutz zur Maskenpflicht bietet, gleichsetzt mit der Behauptung, dass sie (gar) keinen Schutz bietet.
22
Unsubstantiiert ist schließlich der Einwand des Antragstellers, das Verwaltungsgericht habe die Visierpflicht zu Unrecht als angemessen angesehen. Die Beschwerdeschrift zeigt nicht auf, dass die Nachteile, die mit der Visierpflicht verbunden sind, völlig außer Verhältnis stehen zu dem Ziel des Infektionsschutzes, den sie jedenfalls fördert.
23
Die durch die Visierpflicht verursachte Eingriffsintensität ist erkennbar begrenzt. Ein Visier besteht gemeinhin aus einer gewölbten durchsichtigen Plastikscheibe, die mit einer Kopfhalterung befestigt wird und von der Stirn bis unter das Kinn reicht. Sie erlaubt den Blick auf das Gesicht und damit auch die Mimik der Person. Eine Person kann damit grundsätzlich freier kommunizieren als mit einer Mund-Nase-Bedeckung. Die Visierpflicht bedeutet für den Adressaten in erster Linie eine Lästigkeit, von der im Übrigen ausnahmsweise wiederum befreit werden kann.
24
Dabei kann der Antragsteller sich nicht auf die fehlende Kenntnis der potentiellen oder sich spontan entschließenden Versammlungsteilnehmerinnen und -teilnehmer von der Visierpflicht als erschwerendes Moment berufen. Vielmehr obliegt es ihm, diese umgehend über die Visierpflicht zu informieren. Dies ist ihm auch ohne Weiteres möglich, insbesondere über die sozialen Medien. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist es auch noch möglich, sich rechtzeitig für die Versammlung Visiere, beispielsweise über Internetlieferdienste, zu verschaffen. Schließlich ist der persönliche Anwendungsbereich der Visierpflicht beschränkt. Sie betrifft lediglich - subsidiär − die Personen, die von der Maskenpflicht befreit sind. Im Übrigen fehlt es auch hier insgesamt an einer Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
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3. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 GKG. Da die Entscheidung die Hauptsache im Wesentlichen vorwegnimmt, sieht der Senat keinen Anlass, den Streitwert gemäß Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit zu mindern.
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4. Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.