Inhalt

VG München, Beschluss v. 30.03.2021 – M 26b E 21.1642
Titel:

Antrag auf einstweilige Feststellung dass der Betrieb einer Indoor-Kartbahn unter Geltung der 12. BayIfSMV zulässig ist (abgelehnt)

Normenketten:
VwGO § 123
BayIfSMV § 10 12.
BayIfSMV § 11 12.
BayIfSMV § 27 12.
Schlagwort:
Antrag auf einstweilige Feststellung dass der Betrieb einer Indoor-Kartbahn unter Geltung der 12. BayIfSMV zulässig ist (abgelehnt)
Fundstelle:
BeckRS 2021, 6793

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
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Die Antragstellerin begehrt die Feststellung, dass der Betrieb ihrer Indoor-Kartbahn unter Geltung der 12. Bayerischen InfektionsschutzmaßnahmenvVerordnung (12. BayIfSMV) zulässig ist.
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Die Antragstellerin betreibt in A… … … eine Indoor-Kartbahn mit 30 Karts, die in den Rennen wechselseitig eingesetzt werden. Üblicherweise können bis zu 14 Fahrer gleichzeitig ein Rennen fahren.
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Am … Februar 2021 beantragte die Antragstellerin beim Landratsamt des Antragsgegners eine Ausnahmegenehmigung für die Öffnung der Kartbahn zum 1. März 2021. Am gleichen Tage lehnte das Landratsamt die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung ab, da im Hinblick auf die bereits von der Staatsregierung vorgenommenen bevorstehenden Erleichterungen kein Raum für weitere Lockerungen in Form von Ausnahmegenehmigungen für einzelne Bereiche oder einzelne Gewerbetreibende bestehe. Insbesondere im Hinblick auf die auch im Landkreis aufgetretenen Mutationen sei Vorsicht geboten, um die bereits erzielten Erfolge bei der Eindämmung der Pandemie nicht aufs Spiel zu setzen. Ausnahmegenehmigungen halte das Landratsamt daher grundsätzlich aus infektionsschutzrechtlicher Sicht für derzeit nicht vertretbar.
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Mit Schriftsatz vom 24. März 2021, eingegangen am 25. März 2021, wandte sich die Antragstellerin an das Verwaltungsgericht. Sie beantragt,
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Es wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig festgestellt, dass §§ 4,10 und 11 der 12. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmen Verordnung (BayIfSMV) vom 5.3.2021 dem Betrieb der Indoor-Kartbahn der Antragstellerin auf dem in der …Straße … in A… … … … gelegenen Grundstück und Räumlichkeiten für die Durchführung von Kartrennen nicht entgegenstehen, sofern die jeweils geltenden Vorgaben der 12. BayIfSMV (§§ 1,2, 4) sowie zum sonstigen örtlichen Infektionsschutz eingehalten werden. Das Personal, insbesondere die Streckenposten haben eine geeignete Maske zu tragen, die Kunden haben eine FFP 2-Maske zu tragen, bis sie ihre Fahrer-Schutzausrüstung anlegen.
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Die Antragstellerin sei der Auffassung, dass die Kartbahn nicht vom Verbot der BayIfSMV erfasst sei. Der auf Feststellung gerichtete Antrag sei gemäß § 123 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig, insbesondere sei er nicht subsidiär zu § 47 Abs. 6 VwGO. Der vorliegende Antrag beziehe sich nicht auf die Feststellung der Unwirksamkeit der BayIfSMV oder auf die Aussetzung ihres Vollzuges und stelle die Wirksamkeit dieser Norm nicht infrage. Vielmehr sei die Auslegung der §§ 10 und 11 der 12. BayIfSMV zwischen den Beteiligten streitig. Die Antragstellerin habe einen Anspruch auf Feststellung, dass die Regelungen in § 10 und § 11 der 12. BayIfSMV dem Betrieb der Kartbahn in A… in der im Antrag geschilderten Form unter Einhaltung der geltenden Auflagen zum Infektionsschutz nicht entgegenstünden. Aufgrund der extremen Grundrechtseingriffe, die die Infektionsschutzmaßnahmen mit sich brächten, müsse bei der Auslegung der Regelungen ein besonderer Verhältnismäßigkeitsmaßstab angelegt werden. Kartfahren sei kein reines Freizeitvergnügen, sondern eine Sportart, die Teil des Motorsports sei. Deswegen finde nicht allein § 11 der 12. BayIfSMV Anwendung, sondern auch § 10, wobei allerdings der Betrieb einer Kartbahn in keinster Weise mit irgendeiner anderen Indoor-Sportart vergleichbar sei. Beim Kartfahren gebe es keine Berührungspunkte zwischen den einzelnen Fahrern, sie begegneten sich nicht und es gebe keinerlei Kontakte, da jeder Fahrer allein in einem Fahrzeug sitze. Die Fahrer trügen eine Sturmhaube, die das gesamte Gesicht bedeckten und einen Integralhelm mit Visier, sodass eine Infektion der Fahrer untereinander ausgeschlossen sei. Die Benutzung der Kartbahn und ihrer Räumlichkeiten sei so organisiert, dass alle geforderten Abstände zwischen den Teilnehmern eingehalten würden. Der gesamte Vorgang, vom Betreten bis zum Verlassen der Kartbahn erfolge kontaktlos. Die Beschäftigten seien mit Masken ausgestattet, die Besucher würden verpflichtet, bis zum Anlegen ihrer Schutzausrüstung FFP 2-Masken zu tragen. Bei Auslegung der Verbotsvorschriften sei stets im Blick zu behalten, inwiefern die Maßnahmen für den Gesundheitsschutz der Gesamtbevölkerung unter Beachtung des jeweiligen Standes der Infektionen zwingend erforderlich sei. Mit Erlaubnis der Tätigkeiten von Friseuren, Kosmetikstudios und weiteren extrem körpernahen Dienstleistungen sowie der Öffnung des Einzelhandels der Baumärkte und anderer Betriebe und sogar der Museen habe sich der Verordnungsgeber davon verabschiedet, die Zulässigkeit von Betätigungen anhand der Dringlichkeit oder Wichtigkeit des hierfür bestehenden Bedürfnisses zu beurteilen. Entscheidend für die Zulässigkeit bestimmter Betätigungen seien vielmehr vor allem die Gefahren, die von Ihnen ausgingen. Gerade ein größerer oder unkontrollierbarer Publikumsverkehr finde aber in einer Karthalle nicht statt. Der Gleichheitssatzgebiete eine Gleichbehandlung zum Autosport. Die Karthalle verfüge über einen durchschnittliche Deckenhöhe von 8,5 m sowie über eine Lüftungsanlage, sodass mit einer Verbreitung von Aerosolen nicht gerechnet werden müsse. Außerdem könnten die großen Tore geöffnet werden, sodass kein geschlossener Raum vorliegen würde. Der Kartsport sei nicht mit anderen Indoorsportarten vergleichbar, vielmehr müsse eine Gleichbehandlung mit dem Outdoorsport erfolgen.
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Der Antragsgegner äußerte sich nicht.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
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Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet und bleibt daher ohne Erfolg.
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1. Der Antrag ist gerichtet auf die vorläufige Feststellung, dass §§ 4,10 und 11 der 12. BayIfSMV dem Betrieb der Indoor-Kartanlage der Antragstellerin nicht entgegenstehen. Nach seinem Wortlaut ist der Antrag ausdrücklich nicht auf die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gerichtet, da die Antragstellerin ausweislich der Antragsbegründung selbst davon ausgeht, dass eine Ausnahmegenehmigung nicht erteilt werden kann. Vielmehr möchte sie die Frage geklärt wissen, ob der Betrieb der Kartbahn bei sachgerechter Auslegung der nicht in ihrer Gültigkeit angegriffenen Verbotsnormen der 12. BayIfSMV verboten ist.
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2. Der so ausgelegte Antrag ist zulässig, insbesondere geht im vorliegenden Fall nicht etwa ein Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO als lex specialis dem Antrag nach § 123 VwGO vor (BayVGH, B.v. 18.06.2020 - 20 CE 20.1388 -, Rn. 4 juris; Sodan/Ziekow, § 123 VwGO Rn.40 f., Beck OK VwGO, § 123 Rn.16; Fehling/Kastner/Stürmer, § 123 VwGO Rn.22), da nicht etwa die Ungültigkeit einer Vorschrift der 11. BayIfSMV begehrt wird, sondern die Feststellung, dass der Betrieb der Antragstellerin unter Geltung der Vorschriften der 12. BayIfSMV erlaubt ist. Es geht mithin nicht um die Ungültigkeit einer untergesetzlichen Norm, sondern um die Frage, ob der zur Entscheidung gestellte Sachverhalt unter die Verbotsvorschrift zu subsumieren ist.
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2.2. Ein feststellungsfähiges streitiges Rechtsverhältnis ist unproblematisch gegeben, da das mit der Normanwendung betraute zuständige Landratsamt gegenüber der Antragstellerin den Betrieb der Kartbahn ausweislich des von der Antragstellerin vorgelegten E-Mailverkehrs für unzulässig erachtet.
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2.3. Es besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis für die vorbeugende Feststellung der Zulässigkeit der Öffnung des Betriebs, da es der Antragstellerin - auch mit Blick auf die Bußgeldbewehrung § 29 Nr. 8 und 9 der 12. BayIfSMV - im Hinblick auf die Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz) nicht zuzumuten ist, auf der Grundlage ihrer Rechtsauffassung ihren Betrieb zu öffnen und erst gegen eine etwaige künftige polizeiliche Maßnahme oder gegen einen Bußgeldbescheid Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen (vgl. VG Sigmaringen, B.v. 21.04.2020 - 14 K 1360/20 - juris Rn.12; BVerwG, U.v. 13.01.1969 - I C 86.64 -, BVerwGE 31, 177-181, Rn. 19, juris).
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3. Der Antrag ist unbegründet.
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Nach § 123 VwGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragspartei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dabei hat die Antragspartei sowohl die Dringlichkeit einer Regelung (Anordnungsgrund) als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) zu bezeichnen und glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 1 und 2, 294 Zivilprozessordnung - ZPO). Der Antrag kann nur Erfolg haben, wenn und soweit sich sowohl Anordnungsanspruch als auch -grund aufgrund der Bezeichnung und Glaubhaftmachung als überwiegend wahrscheinlich erweisen (BayVGH, B.v. 16.8.2010 - 11 CE 10.262 - juris Rn. 20 m.w.N.). Maßgeblich sind die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.
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Im vorliegenden Fall fehlt es bereits an einem Anordnungsanspruch auf die begehrte Feststellung, dass der Betrieb der Indoor-Kartbahn unter Beachtung der vorgesehenen Schutz- und Hygienemaßnahmen nicht unter die Verbote der 12. BayIfSMV fällt.
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Maßgeblich für die Beurteilung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Maßgeblich ist daher die 12. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (12. BayIfSMV) vom 5. März 2021 (BayMBl 2021 171), zuletzt geändert am 25.3.2021 (BayMBl 2021 Nr. 224).
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3.1. Der von der Antragstellerin beabsichtigte Betrieb einer Indoor-Kartbahn ist derzeit unzulässig und zwar losgelöst von der Frage, ob es sich um Sportausübung gemäß § 10 der 12. BayIfSMV oder um Freizeitaktivität im Sinne von § 11 Abs. 1 der 12. BayIfSMV handelt.
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3.1.1. Nach Auffassung der Kammer spricht vieles dafür, den Betrieb der Kartbahn unter den Begriff der Freizeiteinrichtung bzw. Freizeitaktivität und damit unter § 11 Abs. 1 der 12. BayIfSMV zu fassen. Nach dieser Vorschrift ist der Betrieb von Freizeitparks und vergleichbaren ortsfesten Freizeiteinrichtungen untersagt. Freizeitaktivitäten dürfen gewerblich weder unter freiem Himmel noch in geschlossenen Räumen angeboten werden. Auch wenn die Antragstellerin darauf hinweist, dass es sich beim Kartfahren um eine zum Bereich des Motorsports gehörende Sportart handelt, so ist die Kartbahn nach ihrem Gesamtgepräge im Schwerpunkt nicht als Sportstätte, sondern als Freizeiteinrichtungen einzuordnen. Die Antragstellerin hat weder vorgetragen noch ist sonst ersichtlich, dass auf ihrer Kartbahn zumindest auch ein regelmäßiger Trainingsbetrieb entsprechender Clubs oder Vereine oder anerkannte Meisterschaften stattfinden würden. Dem Internetauftritt der Antragstellerin lässt sich vielmehr entnehmen, dass sie die Kartbahn für Erwachsene und Kinder schwerpunktmäßig als Freizeitvergnügen anbietet, wobei auch spezielle Aktionen wie Kindergeburtstage, Mitternachtsrennen, „Freaky Dienstag“ oder „Fahren bis zum Abwinken“ angeboten werden (http://www. …de/preise).
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3.1.2. Die Frage der Einordnung kann im vorliegenden Fall aber letztendlich offenbleiben, da selbst dann, wenn man von einer sportlichen Betätigung ausgehen wollte, der Betrieb der Kartbahn gemäß § 10 Abs. 3 der 12. BayIfSMV verboten wäre, da er nicht unter freiem Himmel sondern in einer Halle stattfindet. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Halle über eine hohe Deckenhöhe und Tore zum Öffnen verfügt. Auch Sporthallen, insbesondere für Ballsportarten wie Volleyball oder Tennis, müssen über eine besondere Deckenhöhe verfügen und können in der Regel über Außentore belüftet werden, ohne dass der Verordnungsgeber einen Anlass dafür gesehen hätte, hierauf abzustellen und derart ausgestattete Sporthallen vom Verbot auszunehmen.
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Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass Kartfahren, soweit es als Sport betrieben wird, was vorliegend zweifelhaft ist, im Verhältnis zu anderen Sportarten eine besondere Rolle einnehmen würde, die gegen die Anwendung des § 10 Abs. 3 der 12. BayIfSMV sprechen würde. Dafür spricht jedenfalls nicht die Tatsache, dass die Ausübung kontaktarm organisiert wird und die Teilnehmer Helme tragen, denn auch in anderen Indoor-Sportarten ist das Tragen von Helmen geboten, z.B. beim Eishockey in der Halle. Zudem stellt sich bei der Vergabe von Leih- oder Miethelmen die Frage der Desinfektion, da jedenfalls die darunter getragene Sturmhaube aus Stoff nicht zuverlässig vor einem Ausatmen von Viren und einem Festsetzen auf der Innenseite des Helms schützt, der nachfolgend von weiteren Fahrern benutzt wird.
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Soweit § 27 Abs. 1 Nr. 3 und § 27 Abs. 2 Nr. 3 der 12. BayIfSMV die Möglichkeit von Lockerungen für kontaktfreien Sport im Innenbereich vorsehen, sind diese Regelungen im vorliegenden Fall erst ab dem 12. April 2021 wirksam und daher bereits zeitlich nicht einschlägig. Außerdem erlauben sie Lockerungsschritte unter weiteren Vorgaben nur bei einer stabilen regionalen Inzidenz von höchstens 100 (§ 27 Abs. 1 der 12. BayIfSMV) bzw. von höchstens 50 (§ 27 Abs. 2 der 12. BayIfSMV). Die derzeit ansteigende 7-Tages-Inzidenz im Landkreis der Antragstellerin beträgt am 30. März 2021 laut Robert Koch-Institut 126,6 (https://experience.arcgis.com/experience/478220a4c454480e823b17327b2bf1d4), so dass es auch an der erforderlich stabilen niedrigen Inzidenz fehlt.
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Der Betrieb der Kartbahn ist daher derzeit nach dem Wortlaut der 12. BayIfSMV verboten.
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3.1.3. Es besteht unter Berücksichtigung anerkannter Auslegungsmethoden kein Auslegungsspielraum, der es ermöglichen oder gebieten würde, den Betrieb der Indoor-Kartbahn unter dem Regelungsregime der 12. BayIfSMV abweichend vom Wortlaut als erlaubt anzusehen.
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Maßgeblich für die Auslegung ist der objektivierte Wille des Normgebers, wie es sich aus dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang ergibt (vgl. BVerwG, U.v. 25.1.2017 - 9 C 30.15 - BVerwGE 157, 203 - juris Rn. 14). Der Erfassung des objektiven Willens des Normgebers dienen die anerkannten Auslegungsmethoden aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den Materialien des Normsetzungsverfahrens und der Entstehungsgeschichte. Ausgangspunkt und Grenze der Auslegung ist der Wortlaut der Vorschrift (BVerwG, U.v. 28.6.2018 - 2 C 14.17 - juris Rn. 21). Nach dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) müssen die Bürger in zumutbarer Weise selbst feststellen können, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die in der Rechtsnorm ausgesprochene Rechtsfolge vorliegen; die Gerichte müssen in der Lage sein, die normative Entscheidung zu konkretisieren (BayVerfGH, E.v. 29.4.1983 - Vf. 16-VII-80 - VerfGHE 36, 56/68).
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Die begehrte Feststellung, die 12. BayIfSMV stehe dem Betrieb der Indoor-Kartbahn nicht entgegen, widerspricht dem Willen des Verordnungsgebers. Der Wortlaut der 12. BayIfSMV lässt zwar im Hinblick auf die Frage, ob die Kartbahn als Sportstätte (§ 10 der 12. BayIfSMV) oder Freizeiteinrichtung (§ 11 der 12. BayIfSMV) anzusehen ist, einen gewissen Auslegungsspielraum offen, der sich jedoch auf die Frage beschränkt, ob die Kartbahn entweder als Sportstätte oder als Freizeiteinrichtung verboten ist. Eine dritte Möglichkeit der Subsumtion unter die Vorschriften der Verordnung, mithin eine solche, die einen Betrieb erlauben würde, existiert nicht („tertium non datur“).
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Aus der Systematik der Verordnung ist außerdem ersichtlich, dass der Verordnungsgeber das Ziel einer inzidenzabhängigen vorsichtigen schrittweisen Öffnung verfolgt (§ 27 der 12. BayIfSMV). Eine über diese abschließende Regelung hinausgehende Öffnung einzelner Betriebe oder Aktivitäten im Wege der erweiternden Auslegung würde einen Bruch des vom Verordnungsgeber verfolgten abschließenden Regelungssystem darstellen.
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Das Verbot des Betriebs der Indoor-Kartbahn entspricht auch dem Sinn und Zweck der 12. BayIfSMV wie er sich der Verordnungsbegründung (BayMBl 2021 Nr. 2 225 und Nr. 172) entnehmen lässt. Der Verordnungsgeber verfolgt mit der 12. BayIfSMV das Ziel weiter, eine 7-Tage-Inzidenz von höchstens 50 (Schwellenwert) zu erreichen, bei welcher erfahrungsgemäß eine Kontaktpersonennachverfolgung durch die Gesundheitsämter noch gewährleistet werden kann und eine nachhaltige Kontrolle des Infektionsgeschehens möglich ist. Nach Einschätzung des Verordnungsgebers ist der Zeitpunkt für umfassende Lockerungen aufgrund der derzeitigen Infektionszahlen noch nicht gekommen. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Verfügbarkeit von Schnell- und Selbsttests und dem Fortschritt der Impfkampagne wurden in Abhängigkeit von der jeweiligen regionalen 7-Tage-Inzidenz in verschiedenen Bereichen differenzierte vorsichtige Öffnungsmöglichkeiten geschaffen. Angesichts des nach wie vor vom Robert Koch-Institut als sehr hoch eingestuften Risikos für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland und einer Verschärfung der Situation durch besorgniserregende Virusvarianten, denen eine deutlich höhere Übertragbarkeit, eine erhöhte Fallsterblichkeit sowie teilweise eine verringerte Wirkung neutralisieren der Antikörper zugeschrieben wird, bleibt es aus Sicht des Verordnungsgebers von entscheidender Bedeutung, die Übertragung und Ausbreitung von SARS-CoV-2 so gering wie möglich zu halten und Ausbrüche zu verhindern, um Belastungsspitzen im Gesundheitswesen zu vermeiden und Zeit für die weitere Produktion und Verteilung von Impfstoffen zu gewinnen.
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3.1.4. Der Einwand der Antragstellerin, sie verfüge über ein ausreichendes Schutz- und Hygienekonzept, um Ansteckungen zu vermeiden, verfängt nicht. Nach Sinn und Zweck der Verordnung kommt es darauf nicht entscheidend an. Um einen Rückgang der Inzidenzwerte unter den anvisierten Schwellenwert von 50 zu erreichen, zielte bereits das Regelungskonzept der 11. BayIfSMV, an das sich die 12. BayIfSMV anschließt (vgl. Begründung der Änderungsverordnung der 12. BayIfSMV vom 25.3.2021, BayMBl. 2021 Nr. 225, mit Verweis auf die Begründungen der 11. BayIfSMV und ihrer Änderungsverordnungen, BayMBl. 2020 Nr. 738; BayMBl.2021 Nr. 6, Nr. 35, Nr. 55, Nr.76, Nr. 113), darauf ab, persönliche Kontakte so weit wie möglich zu reduzieren, indem weite Bereiche des öffentlichen Lebens stillgelegt werden, da immer dann, wenn Menschen aufeinandertreffen, ein Ansteckungsrisiko besteht. Dies gilt unabhängig von der Einhaltung von Hygienekonzepten, weil die Erfahrungen mit dem Lockdown light im November 2020, bei dem u. a. Schulen und Einzelhandel weiterhin geöffnet waren, gezeigt hatten, dass weniger einschneidende Maßnahmen trotz umfassender Hygienekonzepte nicht den gewünschten Effekt erzielten. Auch wenn nunmehr erste vorsichtige Lockerungen in Kraft getreten sind, kommt es nach Sinn und Zweck der Verordnung immer noch maßgeblich auf eine möglichst weitreichende Kontaktreduzierung an (vgl. zur Unbeachtlichkeit individueller Hygienekonzepte BayVGH, B.v. 10.12.2020 - 20 NE 20.2482 - juris Rn. 41; B.v. 16.3.2021 - 20 NE 21.634 - juris Rn. 21). Die Schließung von Betrieben unabhängig vom Vorliegen eines Hygienekonzepts ist weiterhin ein wesentlicher Bestandteil des aktuellen Regelungssystems.
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3.1.5. Soweit die Antragstellerin die Anwendung eines besonderen Verhältnismäßigkeitsmaßstabes angesichts einschneidender Grundrechtseingriffe fordert und einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz rügt, wendet sie sich gegen die Verfassungsmäßigkeit und Wirksamkeit der Regelungen der 12. BayIfSMV. Wie bereits oben ausgeführt, ist dies nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits, sondern müsste im Rahmen eines Normenkontrollantrags nach § 47 Abs. 6 VwGO überprüft werden.
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Gleichwohl sei darauf hingewiesen, dass nach ständiger Rechtsprechung des BayVGH ist angesichts der derzeitigen Pandemielage die Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz zweifelsfrei gegeben ist und gegen die Angemessenheit weitreichender Betriebsschließungen keine durchgreifenden Bedenken bestehen (vgl. BayVGH, B.v. 16.3.2021 - 20 NE 21.634 - juris Rn. 23 ff. Sport und Kultur).
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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5. Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52. Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5. Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Da wegen der kurzen Laufzeit der Verordnung ein Hauptsacheverfahren nicht in Betracht kommt und daher die Eilentscheidung das Hauptsacheverfahren vorwegnimmt, hat das Gericht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, den vollen Regelstreitwert anzusetzen.